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Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit. Dennoch tritt sie nicht in allen
Altersklassen gleich häufig auf, die Prävalenz steigt mit dem Alter. Auch
das Geschlecht spielt eine Rolle und führt zu einem unterschiedlichen
Risikoprofil. Viele verschiedene Faktoren begünstigen die Erkrankung,
einige liegen sogar vor der Geburt. Dennoch wird Bluthochdruck einem nicht
als unabwendbares Schicksal in die Wiege gelegt, sondern das Risiko für
Bluthochdruck lässt sich beeinflussen. Die Prävention sollte aber so früh
wie möglich beginnen.

Die arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) ist eine häufige Erkrankung. Die
Gesamtprävalenz beträgt etwa 30 Prozent, insgesamt sind in Deutschland
also 20–30 Millionen Menschen betroffen. Die Krankheitshäufigkeit ist
allerdings stark altersabhängig, die Zahl der Erkrankten steigt mit den
Lebensjahren. In jungen Jahren ist die Hypertonie (noch) sehr selten, nur
etwa 3 Prozent der Kinder sind betroffen, bei betagten Seniorinnen und
Senioren über 80 Jahren liegt die Rate bei bis zu 80 Prozent [1].

Bei den meisten Kindern besteht eine sog. sekundäre Hypertonie, also ein
Bluthochdruck, der Folge einer anderen Erkrankung ist. Erst mit dem
Schulalter und bei Jugendlichen tritt dann die primäre (essenzielle)
Hypertonie in den Vordergrund, ein Bluthochdruck, der „einfach so“
entsteht und nicht Folge einer anderen Krankheit ist.

Hypertonie – die Vorsorge kann nicht früh genug beginnen!
Das Blutdruckniveau im Kindes- und Jugendalter ist prädiktiv für die
Blutdruckgesundheit im Erwachsenenalter. Das bedeutet: Kinder mit
Hypertonie nehmen ihre hohen Blutdruckwerte meistens mit ins
Erwachsenenalter [2]. Die Schlussfolgerung, die Frau Prof. Elke Wühl,
Heidelberg, Kongresspräsidentin des 47. Wissenschaftlichen
Jahreskongresses der Deutschen Hochdruckliga 2023, daraus zieht, lautet:
„Man kann mit der Vorsorge nicht früh genug beginnen.“

Erst recht, wenn man weiß, dass es verschiedene Einflussfaktoren gibt, die
bereits vor der Geburt die Weichen auf „Bluthochdruck“ stellen können.
Dazu zählen ein niedriges Geburtsgewicht, Frühgeburtlichkeit, mütterliche
Risikofaktoren während der Schwangerschaft, wie z. B. eine Präeklampsie,
Bluthochdruck, Übergewicht oder Nikotinkonsum der Mutter, aber auch
genetische Faktoren. Dadurch, dass das kardiovaskuläre Risiko teilweise
intrauterin festgelegt wird, haben Kinder bereits bei ihrer Geburt
unterschiedliche Startpunkte, was ihre Gesundheitsperspektive angeht [3].
„Wer ungünstige Voraussetzungen hat und später nicht dagegenarbeitet, hat
ein großes Risiko, dass es zu frühzeitigen kardiovaskulären Ereignissen
kommt. „Gerade wenn es um die Themen gesunde Ernährung, Rauchentwöhnung
und Bluthochdruck geht, müssen wir junge Frauen dafür sensibilisieren,
dass sie damit nicht nur in die eigene, sondern auch in die Gesundheit
ihrer Kinder investieren“, erklärte Prof. Wühl. Die Kongresspräsidentin
verwies auch auf entsprechende Beiträge zum Thema „Hypertonie in der
Schwangerschaft“ auf dem Kongress, da immer noch Unsicherheit bzgl. der
Blutdruckeinstellung und Blutdrucktherapie in der Schwangerschaft bestehe.

Doch auch wenn das Risiko für Bluthochdruck bereits in die Wiege gelegt
wird, kann man trotzdem viel dagegen tun, betonte Prof. Wühl. „Durch
äußere Umstände kann die Aktivierung des Erbguts beeinflusst werden, man
nennt das Phänomen epigenetische Modifikation. Wir können mit der
richtigen Lebensführung Einfluss darauf nehmen, ob eine bestimmte
Erbinformation vermehrt oder vermindert ausgelesen wird.“ Für das
Hypertonierisiko heißt das: Wer vorbelastet ist, kann z. B. durch
Ernährung und Bewegung gegensteuern.

Ein weiteres Thema auf dem Kongress ist daher auch die kardiovaskuläre
Prävention bei Kindern und Jugendlichen, u. a. wird die neue AWMF-
Leitlinie [4] diskutiert. Da mit Zunahme der Prävalenz von Übergewicht
auch das Hypertonierisiko bei Kindern zunimmt, ist es wichtig, frühzeitig
gegenzusteuern. Zu den Kernempfehlungen gehören u. a. ausreichend
körperliche Bewegung, eine gesunde Ernährung (mit 2–3 Portionen Gemüse und
Obst pro Tag), ausreichend Schlaf (9–12 Stunden) sowie ein auf 30–60
Minuten täglich begrenzter Medienkonsum.

Auch syndromale Erkrankungen, wie z. B. das Turner-Syndrom, sowie
genetische Krankheiten, die zu einer Hypertonie führen können, sind
Gegenstand des Kongresses. Denn oft ist unklar, welche Diagnostik
erforderlich ist. Perspektivisch ist eine genaue Diagnose wichtig, da
zielgerichtet behandelt werden sollte. „Bei monogenetischen
Bluthochdruckerkrankungen sehen wir beispielsweise, dass die klassischen
Antihypertensiva gar nicht wirken. Zum Beispiel beim Liddle-Syndrom: Dabei
handelt es sich um einen Bluthochdruck aufgrund einer Funktionsstörung der
Nierenkanälchen, die mit einem Diuretikum wie Amilorid behandelt werden
sollte.“

Genderspezifische Aspekte von Bluthochdruck
Die Hypertonieprävalenz ist außer vom Alter auch abhängig vom Geschlecht.
In jungen Jahren sind deutlich mehr Männer als Frauen betroffen, doch in
den mittleren Lebensjahren holen die Frauen auf. Nach den Wechseljahren
sind gleich viele Frauen wie Männer betroffen, im höheren Alter sind dann
sogar die Frauen in der Überzahl [1].

Man unterscheidet zwischen biologischem Geschlecht (engl. „sex“) und
sozialem Geschlecht („gender“) – und beide können Einfluss auf die
Entstehung und den Verlauf kardiovaskulärer Erkrankungen nehmen. Während
das biologische Geschlecht Frauen sogar einen Vorteil verschafft – sie
haben bis zum 75. Lebensjahr z. B. weniger Gefäßverkalkungen als Männer
und weniger kardiovaskuläre Risikofaktoren –, sind es die „Gender-
Faktoren“, die das Pendel in die andere Richtung ausschlagen lassen: Die
Krankheitspathophysiologie ist bei Frauen schlechter untersucht, die
Diagnose- und Behandlungsstrategien sowie die medikamentösen Therapien
sind oft nicht auf Frauen ausgelegt. Daher erhalten Frauen immer wieder
eine schlechtere medizinische Behandlung mit weniger invasiven und
intensivmedizinischen Behandlungen [5]. Auch die Studien zu den
etablierten Bluthochdruckmedikamenten sind an mehr männlichen Patienten
als weiblichen Patientinnen durchgeführt worden. „Wir streben eine
personalisierte Medizin an, haben aber lange Zeit nicht einmal nach
Geschlecht differenziert. Zum Glück hat hier nun ein Umdenken eingesetzt“,
erklärte Prof. Elke Wühl abschließend.

[1] Versorgungsatlas.de; Diagnoseprävalenz der Hypertonie in der
vertragsärztlichen Versorgung.
[2] Theodore RF, Broadbent J, Nagin D et al. Childhood to Early-Midlife
Systolic Blood Pressure Trajectories: Early-Life Predictors, Effect
Modifiers, and Adult Cardiovascular Outcomes. Hypertension
2015;66(6):1108-15
[3] Kruger R, Gafane-Matemane LF, Kagura J. Racial differences of early
vascular aging in children and adolescents. Pediatr Nephrol
2021;36(5):1087-1108
[4] S2k-Leitlinie „Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen im Kindes- und
Jugendalter“. AWMF-Registernummer 023–049. Abrufbar unter:
https://www.awmf.org/service/awmf-aktuell/praevention-kardiovaskulaerer-
erkrankungen-im-kindes-und-jugendalter

[5] Regitz-Zagrosek V, Gebhard C. Gender medicine: effects of sex and
gender on cardiovascular disease manifestation and outcomes. Nat Rev
Cardiol 2023;20(4):236-247