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Krankhafte Gefäßneubildungen in den Lungengefäßen (pAVM) gefährden ohnehin
stark geschwächte Kinder mit Ein-Kammer-Herz: Forscherin am Deutschen
Herzzentrum der Charité (DHZC) und Team arbeiten mit Gerd Killian-
Projektförderung der Deutschen Herzstiftung an medikamentöser Therapie.

Jedes 100. Kind kommt mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Etwa ein
Prozent dieser Kinder werden mit nur einer funktionsfähigen Herzkammer
(univentrikuläres Herz) geboren, einem der schwerwiegendsten Herzfehler.
Für Kinder mit einem Ein-Kammer-Herz ist eine vollständige Heilung nicht
möglich. Doch dank einer speziellen mehrstufigen Operationstechnik in den
ersten Lebensjahren, der Fontan-Operation, wird das Überleben und Wachstum
des Kindes mit nur einer Herzkammer ermöglicht. Bei der Fontan-Zirkulation
pumpt die vorhandene Herzkammer das sauerstoffreiche arterielle Blut aktiv
durch den Körperkreislauf (Infos: https://herzstiftung.de/leben-mit-
angeborenem-herzfehler
).
Krankhafte Gefäßneubildungen in den Lungengefäßen, sogenannte pulmonale
arteriovenöse Malformationen (pAVM), sind schwerwiegende
Begleiterkrankungen von Patient:innen mit einem Ein-Kammer-Herz. Sie sind
mit einer verringerten Lebensqualität sowie einer erhöhten
Erkrankungshäufigkeit und Sterblichkeit verbunden. Folgen der pAVM können
insbesondere Atemnot und eingeschränkte Herz-Lungen-Belastbarkeit,
chronische Zyanose (Blauverfärbung der Haut) aufgrund des
Sauerstoffmangels im Blut und Lungenblutungen sein. Aufgrund der
begrenzten Therapiemöglichkeiten von pAVM untersucht PD Dr. med. Marie
Schafstedde, Assistenzärztin der Klinik für Angeborene Herzfehler und
Kinderkardiologie des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) Berlin und
dort am Institut für Kardiovaskuläre Computer-assistierte Medizin tätig,
einen in der Leber gebildeten Stoff, den sogenannten „hepatischen Faktor“.
Wissenschaftler:innen vermuten die Ursache der pAVM im Fehlen eben dieses
„hepatischen Faktors“. „Somit ließe sich durch den Einsatz eines solchen
Faktors die Entwicklung von pAVM verhindern. Der ,hepatische Faktor‘ wird
normalerweise in der Leber produziert und erreicht über das Lebervenenblut
die Lunge“, erklärt Dr. Schafstedde vom DHZC.
Ein mit der renommierten Gerd Killian-Projektförderung der Deutschen
Herzstiftung ausgezeichnetes Forschungsvorhaben von Dr. Schafstedde auf
dem Gebiet der Kinderkardiologie soll nun im Rahmen einer Studie am DHZC
mit 50 Patient:innen langfristig zur Entwicklung einer medikamentösen
Therapieform für pAVM beitragen. Der Titel der mit 60.000 Euro geförderten
Studie lautet „Auf der Suche nach dem ‚hepatischen Faktor‘: Proteom-,
Metabolom- und Zellkulturanalysen bei Patient:innen mit univentrikulärer
Physiologie“. Die Projektförderung wurde von der Herzstiftung auf der 56.
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und
Angeborene Herzfehler (DGPK) in Hamburg vergeben.

Therapieoptionen bei pAVM nur „sehr begrenzt“ vorhanden
Für die ohnehin chronisch schwer kranken Patient:innen mit Ein-Kammer-Herz
sind die Therapieoptionen bei dem Vorliegen von pAVM sehr begrenzt. „Umso
dringlicher ist für Kinder mit univentrikulärem Herz die Forschungsarbeit
von Frau Dr. Schafstedde und ihrem Team, die den Krankheitsmechanismus der
pAVM untersuchen und nach einem neuen Therapieansatz forschen“, betont
Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen
Herzstiftung. Eine medikamentöse Therapie zur Behandlung von pAVM gibt es
bislang nicht und eine Rückbildung von pAVM konnte lediglich (invasiv)
nach chirurgischer oder interventioneller Umleitung von Lebervenenblut in
das Lungengefäßbett erreicht werden. Die mit der Killian-Projektförderung
unterstützte prospektive Studie mit einer zweijährigen Laufzeit könnte
laut DHZC-Ärztin Dr. Schafstedde entsprechend zur Entwicklung einer nicht-
invasiven medikamentösen Therapie führen, „die den ,hepatischen Faktor‘
ersetzt und so die Bildung oder das Fortschreiten von pAVM verhindert“.

In Blutanalysen dem „hepatischem Faktor“ auf der Spur
In vergleichenden Proteom-, Metabolom- und Zellkulturanalysen suchen Dr.
Schafstedde (DZHC) und Kooperationspartner am Max-Delbrück-Centrum für
Molekulare Medizin (MDC) nach einem potenziellen Kandidaten für den in der
Leber erzeugten „hepatischen Faktor“. Der nämlich hemmt das ungerichtete
Wachstum der Blutgefäße (Angiogenese) und verhindert normalerweise die
Ausbildung von pAVM, im Falle seines Fehlens hingegen begünstigt er die
Bildung von pAVM. „Mit der Identifikation eines ,hepatischen Faktors‘
könnten wir einerseits den potenziellen Wirkmechanismus der pAVM ergründen
und andererseits, falls möglich, im weiteren Verlauf medikamentöse
Therapieoptionen gegen pAVM entwickeln, indem wir den fehlenden
,hepatischen Faktor‘ durch einen geeigneten Kandidaten ersetzen“, so Dr.
Schafstedde.
Den „hepatischen Faktor“ erhoffen sich Dr. Schafstedde und ihr Team im
Zuge von gezielten vergleichenden Blutuntersuchungen von Lebervenenblut
und von Blut aus der oberen Hohlvene von 40 Patient:innen mit einem Ein-
Kammer-Herz in unterschiedlichen Stadien der
chirurgischen/interventionellen Behandlung zu bestimmen. Als
Kontrollgruppe dienen 10 Patien:innen mit einem anatomisch korrekten Zwei-
Kammer-Herz, die einer Herzkatheteruntersuchung unterzogen wurden. Alle
Blutproben werden im Rahmen einer routinemäßigen Herzkatheteruntersuchung
entnommen und auf deren Protein- und Metabolitzusammensetzung in erste
Zellkulturversuchen (in vitro) vom Berliner Institut für
Gesundheitsforschung (BIH) und dem MDC untersucht. Eine Metabolom-Analyse
sei notwendig, „weil es bislang keine Gewissheit darüber gibt, ob es sich
bei dem ,hepatischen Faktor‘ überhaupt oder zumindest ausschließlich um
ein Protein handelt. Auch Veränderungen des Lipid- oder
Aminosäurestoffwechsels in der Lunge könnten zur Ausbildung von pAVM
führen“, erklärt die Ärztin.

Übertragbarkeit der Untersuchungsergebnisse neben Herz auch auf andere
Organe?
Bisher gebe es noch keine vergleichbare Studie, in der Blutproben sowohl
direkt aus der Lebervene und der oberen Hohlvene bei unterschiedlichen
Patient:innen mit Ein-Kammer- und Zwei-Kammer-Herz per Proteom-,
Metabolom- und Zellkulturanalysen untersucht wurden. Eine Übertragbarkeit
der Ergebnisse auf weitere Erkrankungen im Kindes- und Erwachsenenalter,
bei denen es zu Leberversagen und/oder einer angeborenen Entwicklung von
arteriovenösen Malformationen in der Lunge, aber auch in anderen Organen
kommt (zum Beispiel Morbus Osler), wäre denkbar. „Auch könnten zukünftige
interventionelle oder chirurgische Therapieoptionen durch die gewonnenen
Erkenntnisse modifiziert werden“, so die Ärztin und Forscherin.
(wi)

Patient:innennahe Forschung
Dank der finanziellen Unterstützung durch Stifter:innen, Spender:innen und
Erblasser:innen kann die Deutsche Herzstiftung gemeinsam mit der von ihr
1988 gegründeten Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF)
Forschungsprojekte in einer für die Herz-Kreislauf-Forschung
unverzichtbaren Größenordnung finanzieren. Infos zur Forschung unter
https://www.herzstiftung.de/herzstiftung-und-forschung

Foto- und Bildmaterial erhalten Sie auf Anfrage unter
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder per Tel. unter 069 955128-114

Service-Tipp
Info-Service für Fontan-Patient:innen
Die umfangreiche Broschüre der Kinderherzstiftung „Ich habe ein Fontan-
Herz – Fontan-Infoheft“ für Patient:innen mit einem Fontan-Herzen kann
kostenfrei bei der Deutschen Herzstiftung per Tel. unter 069 955128-400
oder per Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! angefordert werden.