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Bei M. Parkinson kommt es zu pathologischen Proteinablagerungen im Gehirn,
zur fortschreitenden Neurodegeneration und Dopaminmangel. Bei den
Pathomechanismen spielen nach heutigem Wissen aber auch chronische
Inflammation, oxidativer Zellstress und Störungen des zellulären
Energiehaushaltes eine Rolle. An diesen Mechanismen setzt die
neuroprotektive Wirkung von manchen Diabetesmedikamenten an, insbesondere
der GLP-1-(„Glucagon-like Peptid-1“)-Rezeptoragonisten: In einer Studie
konnte die Substanz Lixisenatid die motorische Verschlechterung bei
Parkinson-Betroffenen signifikant verlangsamen. Das ist ein interessanter
Befund, zumal Diabetes mellitus ein Risikofaktor für M. Parkinson ist.

Die Parkinson-Krankheit (PD) ist eine chronische neurodegenerative
Erkrankung, die mit fortschreitender motorischer Symptomatik und
Behinderungen einhergeht. Typische Symptome sind Ruhetremor, Rigor und
Hypokinese, hinzu kommen vegetative Symptome und in manchen Fällen auch
eine Demenz. Der Verlauf ist interindividuell sehr variabel. In
Deutschland leben aktuell ca. 300.000 Betroffene.

Histopathologisch kommt es zur Ablagerung von krankheitsspezifischen
Proteinaggregaten (α-Synuclein) in den Nervenzellen in bestimmten
Gehirnregionen sowie zum Nervenzelluntergang. Neben bekannten genetischen
Ursachen scheint auch eine Vielzahl von „Lifestyle-Faktoren“ oder
Umwelttoxinen eine Bedeutung für die Parkinsonentwicklung zu haben. Obwohl
die ursächlichen komplexen molekularen Pathomechanismen immer besser
erforscht und verstanden werden, ist die PD bisher noch nicht kausal
behandelbar. Die symptomatische medikamentöse Therapie (z. B. mit L-Dopa
und Dopaminagonisten) kann lediglich bis zu einem gewissen Grad den
entstehenden Dopaminmangel im Gehirn ausgleichen. Daher wird nach
Therapieansätzen geforscht, die die Erkankung aufhalten oder zumindest den
Progress verlangsamen können. Dafür werden auch Medikamente, die für
andere Indikationen zugelassen sind, evaluiert – wie z. B. aktuell das
Diabetes-Medikament Lixisenatid. Es gehört zur Substanzklasse der GLP-1
-(Glucagon-like Peptid-1) Rezeptoragonisten (auch: GLP-1-Analoga), ebenso
wie das aus den Medien bekannte Semaglutid („Abnehmspritze“), das
gleichfalls primär als Antidiabetikun entwickelt wurde.

Nachdem man für Lixisenatid im Parkinson-Tiermodell neuroprotektive
Eigenschaften gezeigt hatte, wurde es in einer doppelblinden,
randomisierten, placebokontrollierten Phase-2-Studie [1] bei Menschen mit
PD im Frühstadium evaluiert. Eingeschlossen waren Betroffene, deren PD-
Diagnose maximal drei Jahre zurück lag, und die stabil auf Parkinson-
Medikamente eingestellt waren. Die Teilnehmenden erhielten ein Jahr lang
entweder täglich subkutan 20 μg Lixisenatid (n=78) oder Placebo (n=78),
gefolgt von einer zweimonatigen Auswaschphase. Der primäre Endpunkt waren
die MDS-UPDRS-Werte („Movement Disorder Society – Unified Parkinson's
Disease Rating Scale“ Teil III), deren initialer Score in beiden Gruppen
ca. 15 betrug (0-132 Punkte, höhere Werte bedeuten eine schwerere
motorische Behinderung). Zu den sekundären Endpunkten gehörten MDS-UPDRS-
Subscores und die Levodopa-Äquivalenzdosen.

Nach 12 Monaten betrugen die mittleren Scores in der Lixisenatid-Gruppe
-0,04 Punkte und in der Placebo-Gruppe +3,04 Punkte (Differenz 3,08;
p=0,007). Zwei Monate nach Beendigung der Studienmedikation lagen die
mittleren MDS-UPDRS-Scores in der ehemaligen Placebo-Gruppe bei 20,6 und
in der ehemaligen Lixisenatid-Gruppe bei 17,7. Bei den sekundären
Endpunkten gab es keine signifikanten Unterschiede. Typische
Nebenwirkungen von Lixisenatid waren Übelkeit (bei 46%) und Erbrechen (bei
13%).

Die Parkinson-Erkrankung geht auf zellulärer Ebene mit Prozessen einher
wie chronische Entzündung, oxidativem Stress und Störungen im
Energiehaushalt (mitochondriale Dysfunktion). Die Wirkweise von
GLP-1-Analoga bei M. Parkinson könnte daher mit deren bekannten
Eigenschaften zusammenhängen, Entzündungen zu reduzieren und den
zellulären Energiestoffwechsel und so das neuronale Überleben zu
verbessern. An diesen Pathomechanismen scheinen übrigens auch andere
Antidiabetika anzugreifen, wie aktuelle tierexperimentelle Daten zeigen
(im einzelnen für Metformin [2], für Sitagliptin, einen
Dipeptidylpeptidase 4-(DPP-4)-Inhibitor [3], und für GIP „Glucose-
dependent insulinotropic polypeptide“ [4]).

Bei der Entstehung des Typ-2-Diabetes ist neben Adipositas und
Insulinresistenz ebenfalls eine chronische subklinische Inflammation von
Bedeutung. Interessanterweise zeigen epidemiologische Daten, dass Diabetes
mellitus ein Risikofaktor für Parkinson ist [5] und den Parkinson-Verlauf
verschlechtert [6]. Diabetes erhöhte in einer Studie das PD-Risiko um 34
%. In der GBD-Studie [7] steht der Diabetes mellitus an zehnter Stelle der
Risikofaktoren für neurologische Erkrankungen.

Bei der Progression der PD spielt nach aktuellem Wissenstand auch die
Ernährung eine Rolle. So werden z. B. durch die sogenannte mediterrane
Ernährung antiinflammatorische Mechanismen aktiviert [8]. Die mediterrane
Diät ist auch reich an mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren („PUFAs“
wie Eicosapentaensäure/EPA und Docosahexaensäure/DHA), enthalten z. B. in
Fisch und Nüssen. PUFAs schützen nicht nur das kardiovaskuläre System und
vor Krebserkrankungen, sondern weisen auch neuroprotektive Eigenschaften
auf [9].

„Dass Diabetes-Prävention auch eine Parkinson-Prävention zu sein scheint,
ist eine relativ neue Erkenntnis. Der Verlauf beider Erkrankungen lässt
sich durch eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung zusätzlich
günstig beeinflussen“, erklärt DGN-Präsident Prof. Dr. med. Lars
Timmermann.

[1] Meissner WG, Remy P, Giordana C et al. Trial of Lixisenatide in Early
Parkinson’s Disease. N Engl J Med 2024; 390: 1176-85 DOI:
10.1056/NEJMoa2312323
[2] Wang M, Tian T, Zhou H, Jiang SY, Jiao YY, Zhu Z, Xia J, Ma JH, Du RH.
Metformin normalizes mitochondrial function to delay astrocyte senescence
in a mouse model of Parkinson's disease through Mfn2-cGAS signaling. J
Neuroinflammation. 2024 Apr 2;21(1):81. doi: 10.1186/s12974-024-03072-0.
PMID: 38566081; PMCID: PMC10986112.
[3] Yu SJ, Wang Y, Shen H, Bae EK, Li Y, Sambamurti K, Tones MA, Zaleska
MM, Hoffer BJ, Greig NH. DPP-4 inhibitors sitagliptin and PF-00734,200
mitigate dopaminergic neurodegeneration, neuroinflammation and behavioral
impairment in the rat 6-OHDA model of Parkinson's disease. Geroscience.
2024 Apr 2. doi: 10.1007/s11357-024-01116-0. Epub ahead of print. PMID:
38563864.
[4] Li Y, Vaughan KL, Wang Y, Yu SJ, Bae EK, Tamargo IA, Kopp KO, Tweedie
D, Chiang CC, Schmidt KT, Lahiri DK, Tones MA, Zaleska MM, Hoffer BJ,
Mattison JA, Greig NH. Sitagliptin elevates plasma and CSF incretin levels
following oral administration to nonhuman primates: relevance for
neurodegenerative disorders. Geroscience. 2024 Mar 27. doi:
10.1007/s11357-024-01120-4. Epub ahead of print. PMID: 38532069.
[5] Manuello J, Min J, McCarthy P, Alfaro-Almagro F, Lee S, Smith S,
Elliott LT, Winkler AM, Douaud G. The effects of genetic and modifiable
risk factors on brain regions vulnerable to ageing and disease. Nat
Commun. 2024 Mar 27;15(1):2576. doi: 10.1038/s41467-024-46344-2. PMID:
38538590; PMCID: PMC10973379.
[6] Komici K, Femminella GD, Bencivenga L, Rengo G, Pagano G. Diabetes
Mellitus and Parkinson's Disease: A Systematic Review and Meta-Analyses. J
Parkinsons Dis. 2021;11(4):1585-1596. doi: 10.3233/JPD-212725. PMID:
34486987.
[7] GBD 2021 Causes of Death Collaborators. Global burden of 288 causes of
death and life expectancy decomposition in 204 countries and territories
and 811 subnational locations, 1990-2021: a systematic analysis for the
Global Burden of Disease Study 2021. Lancet. 2024 Apr
3:S0140-6736(24)00367-2. doi: 10.1016/S0140-6736(24)00367-2. Epub ahead of
print. PMID: 38582094.
[8] Gardener H, Caunca MR. Mediterranean Diet in Preventing
Neurodegenerative Diseases. Curr Nutr Rep. 2018 Mar;7(1):10-20. doi:
10.1007/s13668-018-0222-5. PMID: 29892785; PMCID: PMC7212497.
[9] Dyall SC. Long-chain omega-3 fatty acids and the brain: a review of
the independent and shared effects of EPA, DPA and DHA. Front Aging
Neurosci. 2015 Apr 21;7:52. doi: 10.3389/fnagi.2015.00052. PMID: 25954194;
PMCID: PMC4404917.