Hitze geht an die Nieren: Schäden können sich unbemerkt summieren, deshalb Nieren schützen
Hitze kann die Nieren nachhaltig schädigen. Studien aus südlichen Ländern
zeigen eine Häufung von chronischer Nierenkrankheit (CKD) bei ansonsten
gesunden Menschen, die draußen in der Landwirtschaft arbeiten (1). Dies
lässt erahnen, was auch hierzulande auf uns zukommen könnte. Da sich
Nierenschäden über Jahre unbemerkt summieren können und dann oft nicht
mehr rückgängig zu machen sind, rät die Deutsche Gesellschaft für
Nephrologie e. V. (DGfN) dringend, die Nieren bei heißem Wetter zu
schützen und gibt Tipps.
Es wird wärmer und wärmer: Der 22. Juli 2024 war nach Angaben des EU-
Klimawandeldienstes Copernicus der heißeste Tag auf der Erde seit Beginn
der Aufzeichnungen (2). Die Zahl der "heißen Tage" – Tageshöchstwerte der
Lufttemperatur von mindestens 30 °C – hat sich seit den 1950er Jahren von
etwa drei Tagen pro Jahr auf derzeit durchschnittlich neun Tage pro Jahr
verdreifacht. Auch ausgeprägte Hitzeperioden haben in diesem Zeitraum
sowohl an Häufigkeit als auch an Intensität zugenommen (3).
Risikofaktor: Kombination aus Hitzestress, Dehydrierung und
Überanstrengung
Was viele nicht wissen: Hitze kann auch den Nieren schaden. „Das Trio aus
Hitzestress, Dehydrierung und körperliche Überanstrengung ist für die
Nieren besonders gefährlich“, sagt Professor Dr. med. Julia Weinmann-
Menke, Pressesprecherin der DGfN und Leiterin der Klinik für Nephrologie,
Rheumatologie und Nierentransplantation (NTX) am Universitätsklinikum
Mainz. „Denn es kann wichtige Strukturen der Nieren schädigen.“ In der
Folge drohen narbige Veränderung des Entgiftungsorgans und später
möglicherweise sein irreversibler Funktionsverlust. Die Betroffenen
benötigen dann mehrmals wöchentlich eine künstliche Blutwäsche, die
Dialyse.
Mechanismen der Nierenschädigung durch Hitze
In Hitzeperioden fallen vermehrt schädliche Stoffwechselprodukte in den
Nieren an, etwa durch den stressbedingten Zerfall von Muskelfasern, auch
Rhabdomyolyse genannt. Durch Hitze und Austrocknung werden die
Ausscheidungsorgane schlechter durchblutet, was Zellen absterben lässt
(4). Oxidativer Stress entsteht, der Entzündungen und weitere
Gewebeschäden nach sich zieht. Der Urin selbst wird durch den
Flüssigkeitsmangel hochkonzentriert. Hierdurch kann es zu vermehrter
Bildung von Nierensteinen kommen, die sogenannte Nephrolithiasis. Außerdem
steigt die Anfälligkeit für Harnwegsinfekte. Prognosen gehen von bis zu
2,2 Millionen zusätzlichen Fällen von Nephrolithiasis in den Vereinigten
Staaten bis 2050 aus (5).
Auch junge gesunde Menschen sollten ihre Nieren schützen
Zu den Risikogruppen gehören neben Kindern Menschen, die an Diabetes,
Bluthochdruck, Herzschwäche oder einer chronischen Nierenkrankheit (CKD)
leiden sowie Ältere und stark Übergewichtige. Die Nierenexpertin betont:
„Aber auch junge Menschen sollten aufpassen, etwa, wenn sie Sport treiben
oder draußen arbeiten.“ Es sei wichtig, auf die Signale des Körpers zu
achten, wie Durst, Schwindel, Kopfschmerzen oder Herzrasen.
Zusätzliche Umweltbelastungen verschärfen Hitzeschäden an den Nieren
Und weiter: „Andere schädliche Umwelteinflüsse im Zusammenhang mit dem
Klimawandel wie Feinstaub und Umweltgifte können den Hitzeeffekt
verstärken, weil sie die Nieren schwächen“. An heißen Tagen mit Smog oder
Staubstürmen sei deshalb besondere Vorsicht geboten.
Schädigung bleibt lange unbemerkt
„Wir müssen lernen, unsere Nieren während Hitzewellen bewusst zu
schützen“, so Weinmann-Menke. Denn die Veränderungen der Niere spüre man
zunächst nicht. „Man ist nicht von einem auf den anderen Tag krank. Es
gibt verschiedene Stadien und Übergänge.“ Sie rät, grundsätzlich 1,5 – 2,0
Liter Flüssigkeit am Tag zu trinken (6). Bei Hitze entsprechend mehr.
Notwendigkeit weiterer Forschung
Dr. med. Nicole Helmbold, Generalsekretärin der DGfN, betont den
Handlungsbedarf: „Pro 1 °C Temperaturanstieg rechnet man mit einer um 1
Prozent höheren Rate an Nierenkrankheiten. Die Bevölkerung muss darüber
aufgeklärt und geschützt werden. Deshalb ist es erforderlich, die
Auswirkungen von Hitzeperioden auf die Nieren weiter zu erforschen. Beides
könnte auch Aufgabe eines Deutschen Zentrums für Nierengesundheit sein,
für dessen Gründung wir uns einsetzen“.
Quellen:
(1) Wilke, Russell A. et al.: Chronic Kidney Disease in Agricultural
Communities. The American Journal of Medicine; Volume 132, Issue 10, 2019,
Pages e727-e732, https://doi.org/10.1016/j.amjm
(2) https://pulse.climate.coperni
(3)
https://www.dwd.de/DE/klimaumw
Abruf 24.7.2024.
(4) Chapman, Christopher et al.: Kidney physiology and pathophysiology
during heat stress and the modification by exercise, dehydration, heat
acclimation and aging. Temperature; 2021, VOL. 8, NO. 2, 108–159,
DOI:10.1080/23328940.2020.1826
(5) Brikowski, Tom H. et al.: Climate-related increase in the
prevalence of urolithiasis in the United States. Proceedings of the
National Academy of Sciences; August 2008, 105(28):9841-6,
DOI:10.1073/pnas.0709652105.
(6) Wagner S et al.: Wasser und die Niere: Was ist zuviel und was ist
zuwenig? Nephrol Dial Transplant; 2022 Mar 25;37(4):730–739.