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„Polio-Comeback“? Nein – dennoch rät die DGN zur Impfung von Kindern und immungeschwächten Erwachsenen

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Die Poliomyelitis („Kinderlähmung“) ist eine schwere neurologische
Krankheit, die bei ungeimpften Menschen zu dauerhaften Lähmungen führen
kann. Sie ist durch Schmierinfektion übertragbar und betrifft vor allem
Kinder unter fünf Jahren. Doch auch Erwachsene können daran erkranken.
Derzeit sind in vielen deutschen Städten im Abwasser Polio-Viren entdeckt
worden. Auch wenn nach Experten-Einschätzung kein Risiko für eine Endemie
bestehe, sei nicht mehr ausgeschlossen, dass es bei vulnerablen Menschen –
dazu zählen Kinder und immundefiziente Erwachsene – zu Infektionen kommen
kann.

Die Impfung stellt einen effektiven Schutz dar. Die DGN rät
Risikopersonen, ihren Impfstatus zu überprüfen.

Wie das Robert Koch-Institut (RKI) berichtete, sind in vielen deutschen
Städten im Abwasser Polio-Viren entdeckt worden. Die nachgewiesenen
Erreger der Poliomyelitis („Kinderlähmung“),cVDPV2, stammen von Impfviren,
die sich mit der Zeit so verändert haben, dass sie wieder krank machend
(pathogen) sind, vor allem bei Menschen mit unzureichendem Impfschutz.
Nach Einschätzung des RKI erscheint es „zunehmend wahrscheinlicher, dass
derzeit in Deutschland zumindest lokal begrenzt eine Übertragung von
cVDPV2 stattfindet“ [1]. Begründet wird dies mit der langen Dauer des
Geschehens - über erste auffällige Wasserproben wurde bereits Ende 2024 in
einem Großteil der nun betroffenen Städten berichtet - und mit dem
Nachweis von cVDPV2 an verschiedenen Standorten.

„Nach der außerordentlichen Erfolgsgeschichte der Polio-Impfung - weltweit
wurde das Virus schließlich um über 99 Prozent zurückgedrängt - ist die
jetzige Situation zwar ein Rückschlag, aber die Immunisierung ist in
Deutschland so hoch, dass wir keine Endemie befürchten müssen“ , erklärt
Prof. Dr. Uta Meyding-Lamadé, Mitglied der DGN-Kommission
Neuroinfektiologie und stv. Vorsitzende der Nationalen Poliokommission des
RKI. „Allerdings müssen wir davon ausgehen, dass sich Kinder ohne
Impfschutz sowie immungeschwächte Erwachsene ohne Impfschutz nun auch
wieder in Deutschland mit Polioviren infizieren könnten.“ Eine Infektion
bedeutet nicht automatisch eine Erkrankung, dennoch sind neurologische
Folgen nicht ausgeschlossen.

Was also empfiehlt die DGN der Bevölkerung?

Wichtig sei es, den Impfschutz von Kindern zu überprüfen. Die meisten
Kinderärztinnen und Kinderärzte haben den Impfstatus im Blick, aber es
gebe immer wieder Fälle, in denen aus verschiedensten Gründen Impftermine
nicht wahrgenommen werden und die Kinder nicht ausreichend geschützt
seien. „Weltweit müssen wir ein Augenmerk auf Kinder in und aus
Krisengebieten legen; die Kriege in Gaza oder der Ukraine, beispielsweise,
haben dazu geführt, dass notwendige Vakzinierungen oft nicht mehr
durchgeführt werden können. Wir sollten Organisationen unterstützen, die
in diesen Gebieten impfen. Zudem sollte bei Kinder und Kleinkindern
grundsätzlich  der Impfstatus geprüft werden“, so die Expertin.

Die zweite gefährdete Gruppe sind immundefiziente Erwachsene. Das sind
Menschen, bei denen die Immunkompetenz eingeschränkt ist, z. B. durch
angeborene oder erworbene Störungen des Immunsystems, durch Erkrankungen
wie beispielsweise Leukämien, oder durch die Gabe von bestimmten
Medikamenten, sog. Immunsuppressiva. „Es besteht kein Grund zur Panik,
denn Erwachsene infizieren sich sehr viel seltener und es kommt nur in
Ausnahmefällen zu schweren Verlaufsformen. Dennoch sollten Ungeimpfte
dieser Risikogruppe eine Vakzinierung in Erwägung ziehen und vulnerable
geimpfte Personen sollten prüfen, wann die nächste Auffrischungsimpfung
fällig ist“, so Meyding-Lamadé. Wie die Expertin hervorhebt, kann auch bei
Erwachsenen, die bisher noch keine Grundimmunisierung erhalten haben,
diese problemlos nachgeholt werden. Allerdings dauere es einige Zeit, bis
die Immunisierung aufgebaut ist. Dafür seinen drei Impfungen erforderlich
und zwischen der Verabreichung der zweiten und der dritten müsse
mindestens ein halbes Jahr liegen. „Zwar haben wir keine bedenkliche
Situation in Deutschland, aber wir sehen nun wieder Hinweise auf ein
Virus, von dem wir annahmen, dass es bei uns ausgerottet ist. Daher müssen
wir den Schutz vulnerabler Gruppen stärken. Denn ist ein Mensch erst
infiziert, besteht die Gefahr einer Erkrankung.“

Des Weiteren verweist das RKI darauf [2], dass es sich in den meisten
Fällen um eine Schmierinfektion handelt, deren Ausbreitung durch strenge
Handhygiene vermieden werden kann. „Die Viren werden mit dem Stuhl
ausgeschieden - und oft mit der Klinke in die Hand gegeben. Regelmäßiges
Händewaschen und Handdesinfektionen minimieren das Übertragungsrisiko.“

Die Polio-Erkrankung verläuft in drei klinischen Phasen. Zunächst kommt es
zu Kopfschmerzen und Fieber, labordiagnostisch ist in diesem Stadium eine
Liquorpleozytose, d. h. eine vermehrte Anzahl von Zellen in der
Rückenmarksflüssigkeit, auffällig. Danach schließt sich das sog.
paralytische Stadium an. Wieder kommt es zu Fieber und durch die
entzündliche Schädigung des Rückenmarks entwickeln sich die für die
Kinderlähmung typischen asymmetrischen, proximal akzentuierten Lähmungen.
Diese bilden sich dann einige Wochen später, im Reparaturstadium, meist
nur unvollständig zurück. „Gut ein Drittel der Betroffenen trägt schwere,
dauerhafte Lähmungen davon“, erklärt DGN-Generalsekretär Prof. Dr. Peter
Berlit. Hinzu kommen Spätkomplikationen. Der Experte verweist hier auf das
Post-Polio-Syndrom, das durch Fatigue und diffuse Schmerzen gekennzeichnet
ist, und darauf, dass bei Betroffenen auch ein hohes Risiko für die
sogenannte postpoliomyelitische spinale Muskelatrophie besteht. Dabei
führt ein fortschreitender Muskelschwund erneut zu Lähmungen.

„Die Therapiemöglichkeiten einer akuten Poliomyelitis sind sehr limitiert.
In Frage kommt lediglich die Gabe von Immunglobulinen, doch die
Wirksamkeit ist bisher noch nicht ausreichend belegt. Das macht deutlich,
wie wichtig die Prophylaxe durch die Impfung ist“, schlussfolgert Prof.
Berlit.

[1] https://www.rki.de/SharedDocs/FAQs/DE/Polio/Polio-
gesamt.html#entry_16926994
[2] https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/RKI-
Ratgeber/Ratgeber/Ratgeber_Poliomyelitis.html?nn=16777040#doc16804440bodyText14

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