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Koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt: Was gegen die Todesursache Nummer 1 zu tun ist

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Deutscher Herzbericht: Trotz weniger Todesfälle durch Koronare
Herzkrankheit und Herzinfarkt: Handlungsdruck aufgrund hoher
Krankheitslast bleibt. Führende Vertreter der deutschen Herzmedizin
drängen auf verstärkte Maßnahmen, um zentralen Risikofaktoren wie
Bluthochdruck, Cholesterin, Diabetes und Adipositas vorzubeugen und
gleichzeitig die Therapie zu verbessern.



Atemnot, Brustenge oder Brustschmerzen unter körperlicher Anstrengung:
Wenn sich die koronare Herzkrankheit (KHK) so mit ihren typischen
Symptomen bemerkbar macht, ist meist schon über viele Jahre unbemerkt eine
Schädigung der Herzkranzgefäße abgelaufen. Rund 4,7 Millionen Betroffene
in Deutschland haben die Diagnose KHK, die damit eine Volkskrankheit ist.
Oft bedeutet die Erkrankung einen harten Einschnitt in das Leben der
Patienten und Patientinnen – insbesondere, wenn die nicht heilbare KHK ein
akutes Koronarsyndrom (ACS) verursacht. Ein ACS ist die Konsequenz aus
einem plötzlichen Verschluss einer Koronararterie, etwa ein Herzinfarkt
oder seine Vorstufe, die instabile Angina pectoris (anhaltende oder sich
verschlechternde Brustenge). KHK und Herzinfarkt sind mit 538.675
Krankenhausaufnahmen im Jahr 2023 (2022: 538.277) der häufigste Anlass für
eine Krankenhausbehandlung in Deutschland (darunter Herzinfarkt: 185.804).
Zugleich ist die zugrundeliegende KHK die häufigste Todesursache und
außerdem Hauptursache für Herzinsuffizienz (Herzschwäche) und für den
plötzlichen Herztod. Allein an einem plötzlichen Herztod sterben jedes
Jahr über 65.000 Menschen in Deutschland.
Das Positive: Seit 2019 ist die Zahl der jährlichen Krankenhausaufnahmen
wegen KHK deutlich gesunken – von 699 auf 574 pro 100.000 Einwohner (EW)
im Jahr 2023. Die Sterberate hingegen stieg zunächst leicht an: von 132
Todesfällen pro 100.000 EW im Jahr 2019 auf 133,3 im Jahr 2022. Erst 2023
ging sie wieder zurück – auf 125,3 Todesfälle pro 100.000 EW. Das ist der
niedrigste Wert seit dem Jahr 2000. Ähnlich verhält sich diese Entwicklung
beim Herzinfarkt. Bei Betrachten der KHK-Sterberate über einen längeren
Zeitraum von 2000 bis 2023 fällt auf, dass diese zwar tendenziell
rückläufig ist, allerdings stagniert der Rückgang auf niedrigerem Niveau
(2000: 268,8; 2011: 169,6; 2023: 133,3 Gestorbene pro 100.000 EW) (1).
„Die Zahl der Gestorbenen und der Klinikeinweisungen infolge von KHK und
Herzinfarkt ist seit 2000 zwar drastisch gesunken. Das darf aber nicht
darüber hinwegtäuschen, dass die Zahlen absolut betrachtet viel zu hoch
sind. Ein Blick ins umliegende Ausland zeigt, dass wir uns in Deutschland
noch deutlich verbessern können und müssen (2). Eine Entwarnung kann daher
nicht gegeben werden. Wir müssen vielmehr gemeinsam anstreben, die
Krankheitslast dieser bedrohlichen chronischen Herzkrankheit zu
verringern“, betont Prof. Dr. Heribert Schunkert, stellvertretender
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, bei der Vorstellung des
aktuellen Deutschen Herzberichts – Update 2025 in Berlin. Die Vorstellung
erfolgt gemeinsam mit den wissenschaftlich-medizinischen
Fachgesellschaften für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK),
für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG), für Prävention und
Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR) sowie für
Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK). Zum neuen
Herzbericht unter <www.herzstiftung.de/herzbericht>
„Die bisherigen Erfolge beim Senken der KHK- und Herzinfarkt-Todesrate in
den vergangenen Jahren gehen auf mehrere Faktoren zurück: auf
Verbesserungen in der Früherkennung durch Diagnose-Verfahren wie Herz-
Ultraschall, Koronar-CT und -Angiographie und zudem auf Verbesserungen in
der kathetergestützten und chirurgischen Akuttherapie des Herzinfarkts.
Und auch die Zeit bis zur Krankenhauseinweisung ist kürzer geworden“,
erklärt der Münchener Kardiologe Prof. Schunkert. „Weitere Gründe sind
eine verbesserte Prävention von Risikofaktoren in der Bevölkerung, allen
voran des Rauchens, sowie die medikamentöse Behandlung der KHK-
Risikokrankheiten Bluthochdruck, hohes LDL-Cholesterin und Diabetes
mellitus.“

KHK-Krankheitslast: rückläufig, doch Handlungsdruck bleibt
Der Herzstiftungs-Vize-Vorsitzende Prof. Schunkert sieht auch die
politisch Verantwortlichen im Gesundheitswesen in der Pflicht, der KHK und
ihren Folgen noch besser vorzubeugen. „Zum Beispiel könnte ein
standardisiertes Vorsorgeprogramm in Gestalt eines Herz-Kreislauf-
Gesundheitschecks dazu beitragen, Risikokrankheiten frühzeitig zu erkennen
und eine Therapie zu beginnen. Insbesondere bei der Behandlung des
schädlichen LDL-Cholesterins müssen wir in Deutschland deutlich besser
werden“, so Schunkert. Staatliche Hebel wie eine Erhöhung der Tabaksteuer
zur Eindämmung der Raucherzahlen seien ebenfalls überfällig.
Von koronarer Herzkrankheit spricht man, wenn es in den Herzkranzgefäßen
(Koronararterien) zu Ablagerungen aus Kalk, entzündlichen Zellen,
Bindegewebe und Cholesterin, den sogenannten Plaques, kommt und diese
Gefäße zunehmend verengen (Atherosklerose: „Gefäßverkalkung“). Die KHK ist
Grunderkrankung und Vorstufe des Herzinfarkts und entsteht neben
genetischen Faktoren vor allem durch die genannten Risikofaktoren Rauchen,
Fettstoffwechselstörungen (hohes LDL-Cholesterin), Diabetes mellitus,
Bluthochdruck sowie Adipositas (Fettleibigkeit), Übergewicht,
Bewegungsmangel und Stress.

Warum Vorbeugung so wichtig ist
Die KHK steht mit anderen Herzkrankheiten in Verbindung. Sie ist häufigste
Ursache der Herzinsuffizienz und Begleiterkrankung von
Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern), Herzklappenkrankheiten und
angeborenen Herzfehlern im höheren Erwachsenenalter. Bei diesen
Herzkrankheiten dokumentiert der Herzbericht folgende Sterblichkeitszahlen
für das Jahr 2023:

-       Herzinsuffizienz: 37.645 Gestorbene (2022: 37.570)
-       Herzklappenerkrankungen: 22.899 Gestorbene (2022: 20.087)
-       Herzrhythmusstörungen: 30.128 Gestorbene (2022: 30.618)
-       Angeborene Herzfehler: 685 Gestorbene (2022: 685)

Zum Vergleich:
-       Koronare Herzkrankheit: 119.795 Gestorbene (2022: 125.984)
davon akuter Herzinfarkt: 43.839 Gestorbene (2022: 46.608)

„Die hohe Krankheitslast durch diese Herzkrankheiten insgesamt mit mehr
als 1,6 Millionen Hospitalisierungen und über 211.000 Todesfällen im Jahr
2023 führt uns vor Augen, dass wir noch effizienter medizinische
Innovationen in Diagnostik, Therapie und Rehabilitation fördern müssen, um
KHK-Patienten umfangreich und gezielt zu versorgen“, betont der
stellvertretende Herzstiftungs-Vorsitzende Schunkert. „Herzpatienten
können hierbei von den gemeinsamen Anstrengungen aller beteiligten
Fachgebiete profitieren: der Kardiologie, Herzchirurgie, Kinderkardiologie
sowie der kardiologischen Prävention und Rehabilitation.“

Männer deutlich häufiger betroffen als Frauen
Für eine optimierte Versorgung rücken auch zunehmend gendersensible
Aspekte in den Fokus. Im Unterschied zu allen anderen Herzkrankheiten
fällt auf, dass Männer die große Mehrheit der Krankenhaus- und Sterbefälle
stellen: KHK bei Männern führte 2023 zu 837,4 Krankenhausfällen pro
100.000 EW, bei Frauen „nur“ zu 310,5 Klinikeinweisungen. 169 Männer
starben an KHK gegenüber 82 Frauen pro 100.000 EW.

Herzinfarkt-Sterblichkeit im Ländervergleich
Auch gibt es in Deutschland regionale Unterschiede in der Herzinfarkt-
Sterblichkeit. Die höchste Herzinfarkt-Sterberate findet sich 2023 in
Berlin mit 71,2 Gestorbenen pro 100.000 EW. Danach folgen Mecklenburg-
Vorpommern mit 66,9, Brandenburg mit 59,4 und Schleswig-Holstein mit 57,9
Gestorbenen pro 100.000 Einwohner.
„Erfreulicherweise kam es im Jahr 2023 in einigen Bundesländern zu einer
signifikanten Senkung der Herzinfarkt-Sterblichkeit innerhalb eines
Jahres“, unterstreicht der Kardiologe Prof. Dr. Holger Thiele, Past-
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und
Kreislaufforschung (DGK). Ihre Herzinfarkt-Sterberate deutlich gesenkt
haben unter anderem Sachsen-Anhalt (2022: 65,2/2023: 56,5), Sachsen
(56,3/51,3), Saarland (51,2/45,5) und Bayern (48,6/44,3). „In Sachsen-
Anhalt dürfte die 2018 eingeführte alljährliche ,Herzwoche‘ mit
landesweiten Anstrengungen von Behörden, Ärztenetzwerken, Krankenkassen
und Aktionsbündnissen in der Bevölkerungsaufklärung zu Vorsorge, Ursachen
und Symptomen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie richtigem
Notfallverhalten bedeutsam zur Infarktprävention beigetragen haben“,
erklärt der stellvertretende Herzstiftungs-Vorsitzende Prof. Schunkert.
Die niedrigsten Herzinfarkt-Sterbeziffern für 2023 weisen Hamburg mit 30,6
Gestorbenen pro 100.000 EW, Nordrhein-Westfalen mit 31,8, Niedersachsen
mit 43,6 und Bayern mit 44,3 Gestorbenen pro 100.000 EW auf.
Als eine Erklärung für die Bundeslandesunterschiede werden im Herzbericht
auch „Unterschiede in sozioökonomischen Faktoren und in der
Bevölkerungsstruktur“ (zum Beispiel Häufung von Risikofaktoren oder
Altersstruktur eines Bundeslandes) angeführt. Die Herzstiftung und die
Kardiologie setzen für die Prävention in der Bevölkerung auch auf die
Nutzung digitaler Helfer. „Eine effiziente Hilfe, sich niederschwellig und
konsequent um die Herzgesundheit zu kümmern und so einem Herzinfarkt
vorzubeugen, ist beispielsweise die HerzFit-App der Herzstiftung“, so
Prof. Schunkert. Infos zur App unter www.herzstiftung.de/herzfit-app

KHK-Therapie: Wie profitieren Hochbetagte von Kathetertechnik und Bypass-
Op?
Herzkrankheiten wie die KHK und deren Folgeerkrankung Herzinsuffizienz
sind auch Erkrankungen des zunehmenden Alters. Der Anteil der über
65-Jährigen in Deutschland mit 18,88 Millionen Menschen im Jahr 2023 wird
bis zum Jahr 2030 vermutlich auf zirka 20,21 Millionen wachsen (23,27
Prozent): Damit wird fast jeder Vierte über 65 Jahre alt sein. Die
therapeutischen Möglichkeiten werden durch das Alter jedoch nicht
gravierend eingeschränkt. Dank moderner interventioneller Verfahren können
sogar Hochbetagte mit KHK und Herzinfarkt erfolgreich behandelt werden.
Beispiel Perkutane Intervention (PCI): In der Akutversorgung des
Herzinfarkts kann die Durchblutung des betroffenen Herzmuskelareals damit
verbessert oder wiederhergestellt werden. Ausgeprägte Gefäßeinengungen
werden mittels eines Ballons wieder geöffnet und durch einen Stent
(Metallgeflecht) dauerhaft offengehalten. „Die meisten Verengungen der
Herzkranzgefäße lassen sich heute dank der Kathetertechnik sicher auch im
hohen Alter behandeln. Das erklärt zum Teil auch die weiterhin hohe
jährliche KHK-Hospitalisationsrate“, betont der DGK-Präsident Prof. Dr.
Stefan Blankenberg. 2023 kam es bei den 75- bis unter 85-Jährigen wegen
KHK zu 2.344 Krankenhausaufnahmen pro 100.000 EW und bei den über
85-Jährigen noch zu 1.833 pro 100.000 EW. Der Großteil der PCI-Eingriffe
erfolgte in den Altersgruppen der 60- bis 79-jährigen KHK-Patienten mit
rund 152.000 PCI und der über 80-Jährigen mit weiteren rund 66.500 PCI.
Bei älteren Patienten steigt nicht nur das Risiko, einen Herzinfarkt
aufgrund der KHK zu erleiden, sondern auch die Gefahr, daran zu sterben.
„Dank der sehr schnellen PCI-Eingriffe erreichen die Patienten daher trotz
ihrer Herzkrankheit ein zunehmend höheres Lebensalter – ein möglicher
Grund dafür, dass diese später nicht ,an‘, sondern ,mit‘ KHK, etwa an
Herzschwäche als Hauptdiagnose, sterben“, erklärt der Hamburger Kardiologe
und DGK-Präsident.

Koronare Bypass-OP – Therapie der ersten Wahl zur Prävention von
Herzinfarkten bei fortgeschrittener KHK
Über die bestmögliche Behandlungsstrategie für den individuellen KHK-
Patienten entscheidet ein interdisziplinäres Herz-Team, bestehend aus
Kardiologen, Herzchirurgen und Anästhesisten. Denn in bestimmten Fällen
reicht die interventionelle Therapie mittels Kathetertechnik nicht aus, um
eine koronare Herzkrankheit adäquat zu behandeln. Das liegt daran, dass
die meisten Herzinfarkte nicht an den hochgradigen Engstellen entstehen,
die die Beschwerden auslösen. Hier bietet die sogenannte aorto-koronare
Bypassoperation (ACB) durch die Anlage einer „Umgehung“ praktisch aller
Läsionen der KHK einen Schutz vor zukünftigen Herzinfarkten.
Die Bypass-Operation kann entweder mit oder ohne Herz-Lungen-Maschine
(HLM) durchgeführt werden und ist mit bundesweit 36.872 Operationen
(DGTHG-Daten) weiterhin die am häufigsten durchgeführte Herz-OP von
insgesamt 72.131 (2022: 89.523) herzchirurgischen Eingriffen. Allerdings
ist die Zahl der Bypassoperationen im Zeitraum von 2011 bis 2023 deutlich
zurückgegangen. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 wurden noch 41.976 Bypass-OPs
durchgeführt.

Bypass als Schutz vor Herzinfarkten
„Aufgrund der hervorragenden Langzeitergebnisse ist die Bypass-OP vor
allem für Patienten mit komplexer koronarer Mehrgefäßerkrankung, mit
Verengung des Hauptstamms der linken Herzkranzarterie und bei
Diabetespatienten mit Mehrgefäßverengungen (Stenosen) weiterhin die
Therapie der ersten Wahl“, betont Prof. Dr. Torsten Doenst, Präsident der
Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). Das
spiegeln auch die Leitlinien wider. Bei diesen Patienten reicht eine
Aufdehnung hochgradig verengter oder verschlossener Herzgefäße durch einen
Ballon oder Stent nicht aus. Prof. Doenst: „Ein Stent wird in der Regel
nur in eine bereits hochgradig verengte Stelle implantiert – diese ist
jedoch lediglich für einen kleinen Teil der zukünftigen Herzinfarkte
verantwortlich.“ Der Bypass wirke hingegen wie eine Umgehungsstraße, die
verengte oder verschlossene Stellen in einem Herzkranzgefäß überbrückt und
so den Blutfluss wiederherstellt. „Wenn an anderer Stelle im Gefäßsystem
später erneut eine Engstelle oder ein Gefäßverschluss entsteht, kann diese
Umgehungsstraße weiterhin den Blutfluss sichern und so einen Herzinfarkt
verhindern“, erklärt Doenst. Dieser Effekt sei vergleichbar mit einer
Impfung: Das Auftreten einer Erkrankung, in diesem Fall eines
Herzinfarkts, werde von vornherein verhindert.
Im Jahr 2023 profitierte vor allem eine Vielzahl älterer Menschen über 70
Jahre von der Bypass-Operation – insgesamt 39,6 Prozent (Vorjahr 40,7
Prozent). Prof. Doenst: „Für diese Patientengruppe ist die Bypass-OP die
einzige Therapie, bei der eindeutige lebensverlängernde Effekte
nachgewiesen wurden, sofern kein akutes Ereignis vorliegt.“ Der Grund
dafür sei die bereits genannte schützende Wirkung der Bypass-Operation vor
etwaigen künftigen Herzinfarkten.

Angesichts dieses langfristigen und präventiven Effekts der Bypass-
Operation – insbesondere bei älteren Menschen – zeigt sich DGTHG-Präsident
Torsten Doenst besorgt über den deutlichen Rückgang dieser Eingriffe. „Der
Herzbericht macht deutlich, dass die Zahl älterer Menschen mit koronarer
Herzkrankheit in den kommenden Jahren weiter steigt. Umso alarmierender
ist es, dass gerade die Bypass-Operation, die als einzige Therapieform
nachweislich die Lebenszeit dieser Patientengruppe verlängert, weniger
Beachtung findet.“

Ein positiver Trend hingegen: Inzwischen gibt es an einigen Zentren für
spezielle Patientengruppen die Möglichkeit, eine Bypass-Operation ohne
HLM-Einsatz, kurz OPCAB (Off-Pump Coronary Artery Bypass) und/oder sogar
ganz ohne Durchtrennung des Burstbeins (minimalinvasiv) durchzuführen. Off
Pump Bypass-Eingriffe machen einen Anteil von rund 20 Prozent aus;
minimal-invasive Verfahren befinden sich gerade in der Entwicklung.

Mehr überlebte Herzinfarkte: andere Herzerkrankungen nehmen zu
Dass die Herzinsuffizienz hierzulande die häufigste Einzeldiagnose bei
Krankenhausaufnahmen ist, dafür sind neben der Altersentwicklung auch
Fortschritte in der Therapie der Herzschwäche (Device-Therapie, moderne
Medikamente) und ihrer Grunderkrankungen wie Vorhofflimmern,
Klappenerkrankungen oder KHK verantwortlich. Die Herzinsuffizienz war 2023
der Anlass für 468.579 (2022: 446.814) Krankenhausfälle. Eine weitere
Erklärung für die Zunahme der Herzschwäche ist, dass immer mehr Patienten
aufgrund der besseren Therapien schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse
wie Herzinfarkte überleben. „Nach Überleben eines solchen Ereignisses
bleibt in vielen Fällen eine Schädigung am Herzmuskel zurück. Daraus kann
sich eine Herzinsuffizienz entwickeln. Das impliziert: Mehr überlebte
Herzinfarkte – mehr Folgeerkrankungen, die dann wiederum Ursache eines
plötzlichen Herztods sein können“, erklärt DGK-Präsident Prof.
Blankenberg.

KHK-Patientenversorgung: Profitieren Patienten von der Ambulantisierung?
Der akute Herzinfarkt ist mit 43.839 Sterbefällen die vierthäufigste
Todesursache und Anlass für fast 186.000 Klinikeinweisungen pro Jahr
(2023). In der Versorgung der koronaren Herzerkrankung zeigt sich ein
Trend zur Ambulantisierung, zum Beispiel bei den Koronarangiographien (+26
Prozent) und teils auch bei den Koronarinterventionen. 2023 wurden 353.512
PCI stationär (InEK-Daten) und 15.417 ambulant (IQTIG-Daten) durchgeführt.
Im Vergleich zu 2019 verzeichnen die stationären PCI 2023 damit einen
Rückgang um 5,2 Prozent, die ambulanten PCI hingegen innerhalb nur eines
Jahres (im Vergleich zu 2022) eine Zunahme von 8,5 Prozent. Die Zunahme
der ambulanten Durchführung der PCI lässt sich insbesondere mit dem
zunehmenden Druck durch die Kostenträger erklären.
Besonders deutlich hat seit 2019 die Zahl der ambulanten Koronaren CT-
Angiographien (CCTA) zugenommen, deren Kosten seit 2024 auch von den
gesetzlichen Kassen übernommen werden können: von 42.446 Untersuchungen
auf 59.757 (2023). In der Herzmedizin erhofft man sich von der Ausweitung
der CCTA zusätzliche Effekte auf die Infarktprävention. „Die
Ambulantisierung kann in Zeiten knapper Ressourcen und dank der
Entwicklungen in der interventionellen Kardiologie ein Vorteil sein, indem
sie die kardiologische Versorgung trotz Krisen- und Umbruchseffekten im
Gesundheitswesen sicherzustellen hilft“, erklärt der Herzstiftungs-Vize-
Vorsitzende Prof. Schunkert.

Kardiologische Reha senkt Risiko für erneute Herzinfarkte
Eine Kardiologische Rehabilitation (KardReha) ist bei allen Herz-
Kreislauf-Erkrankungen wirksam und kann die körperliche
Leistungsfähigkeit, Lebensqualität und auch Lebenszeit der Patienten
verbessern. Als fester Bestandteil der Versorgung wird daher eine KardReha
zum Beispiel nach einem Herzinfarkt und nach einer Bypass-Operation
empfohlen. Denn vor allem in den ersten Monaten nach dem Herzinfarkt
besteht ein erhöhtes Risiko für einen erneuten Infarkt (Reinfarkt). Und
bis zu einem Drittel der Betroffenen bekommen innerhalb weniger Jahre
einen zweiten Infarkt. Diesem Schicksal kann eine Kardiologische Reha
vorbeugen. „Herzpatienten sollten direkt im Anschluss an ihren
Klinikaufenthalt ihre kardiologische Reha antreten. Diese wird am besten
bereits in der Akutklinik beantragt“, empfiehlt der Reha-Spezialist und
Kardiologe Dr. Eike Langheim, Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR). Nach
einem akuten kardialen Ereignis mit Krankenhausaufenthalt steht allen
Patienten auch eine kardiologische Rehabilitation (Anschluss-
Heilbehandlung, AHB, Anschluss-Rehabilitation, AR) zu. Und gerade in den
ersten Wochen nach dem Akutereignis ist auch der Bedarf an Unterstützung
zur Krankheitsverarbeitung und zur Bewältigung der Angst besonders hoch.

Die „Big Five“-Risikofaktoren: bei Reha-Patienten häufig
Wie wichtig die KardReha für die Sekundärprävention von Reinfarkten ist,
zeigt ein Blick auf die Risikofaktoren und Komorbiditäten der
Rehabilitanden. Aus den Daten von 106.166 Patienten aus 63 Reha-
Einrichtungen, die im Rahmen einer DGPR-Umfrage (2023) erhoben wurden und
im aktuellen Deutschen Herzbericht vorliegen, geht hervor, dass die „Big
Five“ unter den Risikofaktoren überwogen: einen Bluthochdruck (arterielle
Hypertonie) wiesen 49,7 Prozent der Patienten auf (35.885 Rehabilitanden),
gefolgt von Fettstoffwechselstörung (47,3 Prozent/32.329), Diabetes
mellitus Typ 1/2 (24 Prozent/17.309), Adipositas (21,1 Prozent/14.243) und
Rauchen (19 Prozent/10.326). Alarmierend: Mit Ausnahme der Raucher ist der
Anteil von Patienten, die diese ,Big Five‘ aufwiesen, im Vergleich zum
Vorjahr gestiegen. „In einer KardReha können wir mit konkreten
therapeutischen Maßnahmen wie einem Egometertraining oder einer
medizinischen Trainingstherapie sowie mit Schulungsmaßnahmen wie einer
Diabetesberatung und Seminaren zur Stärkung der Gesundheitskompetenz
wirkungsvoll der Reinfarktgefahr bei KHK-Patienten entgegentreten“,
erklärt DGPR-Präsident Dr. Langheim. „Studiendaten bestätigen, dass die
Teilnahme an einer Reha-Maßnahme die Therapietreue hinsichtlich
Medikamenteneinnahme, körperlicher Bewegung, Nikotinverzicht, gesunder
Ernährung und Lebensstil fördert sowie die Lebensqualität deutlich
verbessert.“
Genauer zu beobachten ist aus DGPR-Sicht die noch hohe Rate an
arbeitsunfähigen kardiologischen Rehabilitanden nach Entlassung aus der
Reha. Diese Rate liegt mit 69 Prozent deutlich höher gegenüber den 54
Prozent Arbeitsunfähigen der Vergleichsgruppe mit allen Rehabilitanden.

Kardiologische Reha viel zu selten genutzt
„Leider nimmt durchschnittlich nur die Hälfte der Anspruchsberechtigten
eine kardiologische Reha überhaupt wahr – und davon noch einmal deutlich
weniger Frauen als Männer“, bedauert der DGPR-Präsident. Bei den Patienten
nach Herzoperation (26 Prozent) und mit KHK (Akutes Koronarsyndrom, ACS)
(31 Prozent) sei der Anteil mit KardReha höher als bei den Patienten mit
Herzschwäche (6 Prozent).
Aus den Daten der DGPR-Umfrage geht hervor, dass mehr als 30 Prozent
(28.534) der Reha-Patienten eine KHK (ACS) als Hauptdiagnose aufwies, die
überwiegend per Katheterverfahren behandelt wurde. Fast 12 Prozent
(10.099) hatten eine koronare Bypass-OP. Diese Zahlen stehen in starkem
Kontrast zu den im Herzbericht für 2023 dokumentierten rund 37.000
koronaren Bypass-Eingriffen (isoliert/kombiniert) (DGTHG-Daten). Ähnlich
verhält sich diese Diskrepanz bei der Anzahl der Rehabilitanden nach
Herzinfarkt: 2023 wurden rund 186.000 Krankenhausaufnahmen wegen akuter
Herzinfarkte verzeichnet, aber nur etwa 28.500 ACS-Patienten befanden sich
in KardReha. Diese Zahlen lassen darauf schließen, dass nur ein kleiner
Teil der Anspruchsberechtigten die KardReha nutzt, „obwohl sie die
Sterblichkeit und Häufigkeit von erneuten Krankenhauseinweisungen senkt.
Darüber hinaus werden Lebensqualität, depressive Symptome, soziale und
berufliche Teilhabe verbessert“, betont DGPR-Präsident Langheim. „Dabei
hat sich die Prognose für Patienten, insbesondere nach Herzinfarkt und
nach Bypass-OP, in den letzten Jahren auch dank der kardiologischen Reha-
Maßnahmen wesentlich gebessert.“

„Erhebliche Mehrbelastung“: KHK bei Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler
Angeborene Herzfehler (AHF) sind die häufigsten angeborenen
Organfehlbildungen des Menschen. Deutschlandweit werden 8.500 Säuglinge
pro Jahr mit einem Herzfehler geboren, therapiert überleben 90 Prozent bis
ins Erwachsenenalter. „Dank der inzwischen guten interdisziplinären
Versorgung der Patienten mit angeborenem Herzfehler haben wir in den
letzten zehn Jahren eine konstant niedrige Mortalitätsrate von unter einem
Sterbefall pro 100.000 Einwohner“, betont Prof. Dr. Ulrike Herberg,
Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und
Angeborene Herzfehler (DGPK). Sie verweist dabei auf entsprechende Daten
im Deutschen Herzbericht. Vergleicht man für die Jahre 2011 und 2023 die
Zahlen der Verstorbenen mit angeborenem Herzfehler der Altersgruppe über
60 Jahren, fällt in dieser Altersgruppe ein deutlicher Anstieg auf. „Das
bedeutet zunächst, dass Erwachsene mit angeborenem Herzfehler, kurz: EMAH,
mittlerweile ein Alter vergleichbar dem Lebensalter der Normalbevölkerung
erreichen“, erklärt die Kinderkardiologin und EMAH-Spezialistin. Diese
Entwicklung verdeutliche auch die „zunehmende gesamtgesellschaftliche
Bedeutung dieser stetig wachsenden Patientengruppe“ mit schätzungsweise
über 350.000 EMAH in Deutschland, betont die DGPK-Präsidentin.
Nun können auch EMAH im Zuge des Alterns und aufgrund von Risikofaktoren
an erworbenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen erkranken – zusätzlich zum
angeborenen Herzfehler. In der EMAH-Versorgung kommt daher der Prävention
und dem Screening dieser Konstellation aus angeborenem Herzfehler und
erworbener Herz-Kreislauf-Erkrankung und gegebenenfalls deren frühzeitiger
Therapie besondere Bedeutung zu. „EMAH haben ähnliche Risiken für
kardiovaskuläre Erkrankungen wie Menschen ohne angeborenen Herzfehler.
Bluthochdruck, Diabetes Typ 2, Fettstoffwechselstörungen, Rauchen,
Übergewicht und Adipositas sowie Bewegungsmangel sind auch für EMAH
Risikofaktoren, eine KHK und einen Herzinfarkt zu erleiden“, berichtet
Prof. Herberg. Das Spektrum der Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei EMAH
umfasst neben KHK und Herzinfarkt auch Herzklappenerkrankungen,
Herzschwäche, Herzrasen (Tachykardie), langsamen Herzschlag (Bradykardie,
AV-Block) und Schlaganfall. „Allerdings sind die Auswirkungen dieser
erworbenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei EMAH wegen ihres seit Geburt
vorbelasteten Herzens oft erheblich schwerwiegender als bei Patienten ohne
angeborene Herzfehler“, erklärt Prof. Herberg.

Adipositas: Unterschätztes Problem in der EMAH-Versorgung?
Allein knapp 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit AHF weisen nach
Angaben des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler (KNAHF) „kein
Normalgewicht“ auf. Kinder und Jugendliche mit leichtem Herzfehler haben
dabei vor allem häufiger Übergewicht als ihre gesunden Altersgenossen, so
das KNAHF. Alarmierend, denn Übergewicht im Kindesalter begünstigt
Fettstoffwechselstörungen und Atherosklerose. Und mit zunehmendem Alter
können sich als Folge schwere Stoffwechselerkrankungen, Schlaganfälle und
Organschädigungen bemerkbar machen, so Experten des KNAHF (3/4).
Deshalb sehen die Deutsche Herzstiftung und die DGPK dringlichen Bedarf
dafür, dass sowohl EMAH-Patienten selbst als auch ihre betreuenden Ärzte
in der Nachsorge frühzeitig für die alters- und lebensstilbedingten Herz-
Kreislauf-Erkrankungen und deren Vorsorge sensibilisiert werden. „Wir
müssen beispielsweise bei einem über 50-jährigen EMAH-Patienten, der nach
Korrektur einer Fallot’schen Tetralogie eine Herzleistungsschwäche
entwickelt, auch an eine KHK denken, die wiederum von Risikofaktoren wie
Hypercholesterinämie, Bluthochdruck und Adipositas begleitet sein kann“,
erklärt DGPK-Präsidentin Herberg, Leiterin einer EMAH-Ambulanz an der RWTH
Aachen. Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) treten Expertenangaben
zufolge in der Patientengruppe der EMAH mindestens genauso häufig auf wie
in der Allgemeinbevölkerung. Insgesamt hat in den vergangenen 20 Jahren in
Deutschland die Häufigkeit kontinuierlich zugenommen. Laut Deutscher
Adipositas Gesellschaft sind rund zwei Drittel (67 Prozent) der Männer und
die Hälfte (53 Prozent) der Frauen übergewichtig. Ein Viertel der
Erwachsenen ist stark übergewichtig (adipös): 23 Prozent der Männer und 24
Prozent der Frauen. Erhebungen deuten auch auf ein überdurchschnittlich
hohes Adipositas-Risiko bei EMAH-Patienten hin. Gründe sind unter anderem
Einschränkungen in Bewegung und körperlicher Aktivität, Gewichtszunahme
durch Medikamente und psychosoziale Belastung, Überbehütung und Schonung
in der Kindheit (ferner sitzender Lebensstil, eingeschränkte
Freizeitaktivitäten), die Art und Schwere des Herzfehlers sowie eine
eingeschränkte Herz-Kreislauf-Funktion und Komorbiditäten mit Einfluss auf
Wachstum, Entwicklung und Stoffwechsel.

Gefahr für metabolisches Syndrom bei EMAH – DGPK-Präsidentin: „Ein
Warnsignal!“
Das Beispiel einer Registerstudie mit rund 540 eingeschlossenen EMAH-
Patienten mit bekannten Herz-Kreislauf-Risikofaktoren oder einer
diagnostizierten Herz-Kreislauf-Erkrankung zeigt, dass der Anteil adipöser
EMAH-Patienten bei rund 50 Prozent liegen kann (5). „Adipositas verlangt
in der EMAH-Versorgung besondere Aufmerksamkeit, weil viele übergewichtige
EMAH-Patienten das metabolische Syndrom entwickeln, das sich aus hohem
Blutdruck, erhöhtem Blutzucker, ungünstigen Blutfettwerten und einem zu
hohen Anteil an Bauchfett zusammensetzt und die Gefahr für Herzinfarkt und
Schlaganfall erhöht“, berichtet Prof. Herberg. „Das ist ein Warnsignal und
verlangt gezielte Präventions-Programme für EMAH-Patienten, die der
Komplexität der angeborenen Herzfehler gerecht werden. Das erfordert
allerdings mehr Investitionen in die Kardiologische Reha speziell für
EMAH. Denn diese sind in Deutschland bisher nur in wenigen Ausnahmen
vorhanden.“

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