Ein halbes Jahrhundert für die Männergesundheit: 50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Andrologie e.V. (DGA)
Ein halbes Jahrhundert Forschung, Klinik und Berufspolitik für eine
bessere Versorgung von Männern mit andrologischen Erkrankungen wie
Hormonmangel, Potenz- oder Fruchtbarkeitsstörungen sowie die männliche
Verhütung: Vor genau 50 Jahren, am 13. September 1975, wurde die Deutsche
Gesellschaft für Andrologie e.V. (DGA) gegründet. Anlässlich des Jubiläums
blickt die interdisziplinäre wissenschaftlich-medizinische
Fachgesellschaft auf die Meilensteine ihrer Erfolgsgeschichte zurück.
Zugleich benennt die amtierende DGA-Präsidentin, Prof. Dr. med. Sabine
Kliesch, aktuelle gesellschaftspolitische Herausforderungen ihres Faches
und fordert erneut eine zeitgemäße Gesetzgebung für die
Reproduktionsmedizin in Deutschland.
Gründung der Fachgesellschaft manifestiert Eigenständigkeit der Andrologie
Weltweit etablierten sich andrologische Fachgesellschaften in den 1970er
Jahren. So auch in Deutschland, wo die Andrologie zunächst unter dem Dach
der 1958 gegründeten Deutschen Gesellschaft zum Studium der Fertilität und
Sterilität e.V. – der späteren Deutschen Gesellschaft für
Reproduktionsmedizin e.V. – angesiedelt war. „Mit der Gründung der
Deutschen Gesellschaft für Andrologie e.V. durch unseren ersten
Präsidenten Prof. Dr. Carl Schirren im September 1975 in Hamburg
manifestierte sich schließlich die wissenschaftliche und klinische
Eigenständigkeit der Andrologie in Deutschland“, so Prof. Dr. Sabine
Kliesch.
Heute ist die DGA eine national und international führende
Fachgesellschaft. Sie vertritt die Interessen ihrer 525 Mitglieder aus
Forschung und Klinik, vor allem aus den Fachgruppen Urologie,
Endokrinologie und Dermatologie sowie der Reproduktionsmedizin, ist
wissenschaftlicher Konsulent der gesundheitspolitischen Gremien. Oberstes
Ziel der Fachgesellschaft ist es, die Andrologie sowohl als
Forschungsgebiet als auch als klinisches Fach zu stärken, zu fördern und
weiter zu entwickeln. Leitlinienarbeit, wie das aktuelle Update der
S2-kLeitlinie "Fertilitätserhalt bei onkologischen Erkrankungen" ist Teil
ihres Engagements. Ebenso dazu gehören wissenschaftliche Stellungnahmen,
Resolutionen, jährliche wissenschaftliche Tagungen und
Fortbildungsveranstaltungen sowie die Ausrichtung internationaler
Kongresse und Symposien wie 2024 zur Verhütungsforschung in Deutschland.
Das Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie ist das offizielle
Organ der Gesellschaft.
Andrologische Erkrankungen sind Volkskrankheiten, die Millionen Menschen
betreffen
Die medizinisch-wissenschaftlichen Schwerpunkte der DGA – Störungen der
Zeugungsfähigkeit des Mannes, Störungen der endokrinen Hodenfunktion und
die erektile Dysfunktion – zählen inzwischen zu den Volkskrankheiten, die
Millionen Menschen betreffen. Auch die männliche Kontrazeption sowie der
alternde Mann stehen im Fokus der Fachgesellschaft. Als gleichwertiger
reproduktionsmedizinischer Partner der Gynäkologie bei der Betreuung des
kinderlosen Paares sind Androloginnen und Andrologen heute erster
Ansprechpartner für Männer mit unerfülltem Kinderwunsch.
„Bis dahin war es ein langer Weg, der maßgeblich durch ein starkes
wissenschaftliches Fundament aufgrund erfolgreicher Grundlagenforschung
sowie klinischer Forschung, der hohen Qualifikation klinisch tägiger
Androloginnen und Andrologen, und immer wieder auch durch das persönliche
Engagement und die Weitsicht der andrologischen Standesvertreter bereitet
wurde“, betont Professorin Kliesch, Urologin und Chefärztin der Klinik für
Andrologie im Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) am
Universitätsklinikum Münster.
Berufspolitischer Meilenstein: Zusatzweiterbildung „Andrologie“
Zu den berufspolitischen Meilensteinen auf diesem Weg gehört die zunächst
freiwillige Einführung des Qualitätssicherungsprogramms der Deutschen
Gesellschaft für Andrologie (QuaDeGA) 2001, das durch externe
Qualitätskontrolle einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung im
Andrologie-Labor leistet und seit 2014 verpflichtend in die RiliBÄK der
BÄK verankert ist. Mit der Etablierung der Andrologie in der ärztlichen
Weiterbildung folgte nach langen Diskussionen mit benachbarten Disziplinen
der größte Erfolg in der DGA-Historie: 2003 erkannte die Bundesärztekammer
die Zusatzbezeichnung „Andrologie“ als Zusatzqualifikation an und nahm die
Zusatzweiterbildung in die Musterweiterbildungsordnung auf. Mit dem
Beschluss des Deutschen Ärztetages 2024 erfolgte eine Anpassung an die
Bedingungen der heutigen Zeit, um die Zusatzweiterbildung auch für die
zukünftigen Ärztegenerationen zu sichern.
Wissenschaftlicher Meilenstein: Molekulargenetische Forschung
Parallel dazu wurde mit der Intrazytoplasmatischen Spermineinjektion
(ICSI), bei der ein einzelnes Spermium mithilfe einer Mikropipette direkt
in eine Eizelle injiziert wird, die erfolgreiche Behandlung schwerer
männlicher Fertilitätsstörungen möglich. Neue Medikamente, sogenannte
PDE-5-Hemmer, haben Erektionsstörungen zu einer behandelbaren Erkrankung
gemacht und moderne Testosteronpräparate erlauben inzwischen eine gut
verträgliche Substitutionstherapie für Männer mit Hypogonadismus. Zuletzt
konnte dank großer Forschungserfolge in der Reproduktionsgenetik die
genetische Diagnostik von männlichen Fruchtbarkeitsstörungen in die
klinische Praxis implementiert werden. Auch die Realisierung der
Spermatogenese in vitro und damit der Fertilitätserhalt für u.a.
onkologisch erkrankte Jungen vor der Pubertät schreitet voran.
„Erektile Dysfunktion als Vorbote kardiovaskulärer Erkrankungen“,
„Aufklärung über den Fertilitätserhalt bei Krebserkrankungen“, „Fertilität
als Fenster zur Gesundheit des Mannes“: Mit kontinuierlicher
Öffentlichkeitsarbeit ist die Andrologie in den letzten Jahren sichtbar
geworden. „Über die Fach- und Publikumspresse und zuletzt auch über die
sozialen Medien erreichen unsere Botschaften heute die Menschen in
Deutschland“, sagt der amtierende DGA-Pressesprecher, Dr. med. Jann-
Frederik Cremers, Urologe und Leitender Oberarzt am CeRA,
Universitätsklinikum Münster.
DGA mahnt zeitgemäße Gesetzgebung für die Reproduktionsmedizin in
Deutschland an
Anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens blickt die Deutsche Gesellschaft
für Andrologie e.V. aber auch nach vorne, denn die aktuellen
gesellschaftspolitischen Herausforderungen in der Andrologie sind groß.
Die Politik stehe in der Pflicht, so DGA-Präsidentin Kliesch, die die
Fachgesellschaft seit 2020 als erste Frau an der Spitze führt. „Angesichts
der enormen medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritte und der wachsenden
gesellschaftlichen Bedeutung der Fortpflanzungsmedizin muss die Regierung
endlich eine zeitgemäße Reform der Gesetzgebung zur Reproduktionsmedizin
umsetzen.“ Dringend notwendig seien zudem strukturierte
Forschungsprogramme im Bereich der Reproduktion seitens des Bundes oder
Länder.
Darüber hinaus fordert die DGA zur flächendenkenden Umsetzung der 2024 in
einem Positionspapier neu definierten Standards für die Diagnostik der
männlichen Infertilität eine adäquate Vergütung dieser Leistungen.
Eine zentrale Forschungsaufgabe in der Andrologie bleibt, so Kliesch, die
reversible Kontrazeption für den Mann, denn auch hier gibt es in der
heutigen Gesellschaft, in der zunehmend beide Geschlechter Verantwortung
für die Verhütung übernehmen wollen, einen großen Bedarf.
„50 Jahre DGA spiegeln die Erfolgsgeschichte unserer noch jungen Disziplin
und zeigen zugleich die große und weiter wachsende Bedeutung der
Andrologie in Deutschland“, resümiert die Präsidentin der
Fachgesellschaft.