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Familienmedizin – zentraler Baustein in der hausärztlichen Praxis

Prof. Dr. Stefan Wilm und Dr. Vera Kalitzkus stellen beim DEGAM-Jahreskongress die Relevanz der Familienmedizin für die hausärztliche Praxis vor  Quelle: Kalitzkus: Bärbel Möllmann  Copyright: Kalitzkus: Bärbel Möllmann, Wilm: privat
Prof. Dr. Stefan Wilm und Dr. Vera Kalitzkus stellen beim DEGAM-Jahreskongress die Relevanz der Familienmedizin für die hausärztliche Praxis vor Copyright: Kalitzkus: Bärbel Möllmann, Wilm: privat
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Beim diesjährigen Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für
Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) legt eine der Key Notes einen
besonderen Schwerpunkt auf die Familienmedizin. Die Familienmedizin
definiert eine der Kernaufgaben der hausärztlichen Praxis, die eng zum
biopsychosozialen Modell gehört, nach dem die Allgemeinmedizin arbeitet.

Der 59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin ist eine gute
Gelegenheit, einen der zentralen Bausteine in der hausärztlichen Praxis
stärker in den Fokus zu rücken: die Familienmedizin. Hausärztinnen und
Hausärzte behandeln und kennen ihre Patientinnen und Patienten in der
Regel über viele Jahre – und damit auch das familiäre und soziale Umfeld
mit entsprechenden Ressourcen, aber auch möglichen Belastungen. Indem
diese Aspekte berücksichtigt werden, können individuelle
Gesundheitsdynamiken besser verstanden und die Gesundheit jedes Einzelnen
wie auch der Familie insgesamt gefördert werden.

„Die Familie ist das engste soziale Modell, das es gibt. Dementsprechend
ist es in der hausärztlichen Praxis von zentraler Bedeutung, das familiäre
Umfeld zu kennen, um Diagnostik und Therapie konsequent am
biopsychosozialen Modell ausrichten zu können“, erklärt Prof. Martin
Scherer, Präsident der DEGAM. „Es ist nach wie vor ein
Alleinstellungsmerkmal der Allgemeinmedizin, dass wir in der
hausärztlichen Praxis wirklich alle Altersgruppen behandeln. Gleichzeitig
werden oft mehrere Familienmitglieder in einer Praxis betreut. Dadurch
ergibt sich eine erweiterte Perspektive auf die Wechselwirkungen zwischen
Lebensumfeld und Gesundheit oder Krankheit. Die Familienmedizin ist kein
Nice-to-Have, sondern ein zentraler Aspekt, um die somatische Behandlung
zu verbessern.“

Wie sich die Familienmedizin auf die hausärztliche Praxis auswirkt, ist
eines der Key Note-Themen beim DEGAM-Jahreskongress, der vom 1. bis 3.
Oktober 2025 zusammen mit dem Institut für Allgemeinmedizin und
Familienmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt
wird. Gehalten wird die Key Note „Das geht! Gelebte Familienmedizin in der
hausärztlichen Praxis“ von Prof. Dr. Stefan Wilm und Dr. Vera Kalitzkus.
In der Key Note werden wissenschaftliche Erkenntnisse und verschiedene
Praxisbeispiele vorgestellt.

„Wir wollen die Wahrnehmung dafür stärken, dass wir in unseren Praxen Tag
für Tag Familienmedizin machen und dazu – auch international – viel
geforscht wird“, erläutert Prof. Stefan Wilm, der sich als Direktor des
Instituts für Allgemeinmedizin an der Uniklinik Düsseldorf seit
Jahrzehnten mit der Thematik befasst und seit über 25 Jahren in der
hausärztlichen Praxis tätig ist, betont: „Es gibt viele praxistaugliche
Instrumente für die Familienmedizin, die gut erlernt werden können. Vor
allem geht es aber darum, eine innere Haltung zu entfalten: Nämlich den
Menschen in seiner Gesamtheit zu sehen und einen Blick dafür zu
entwickeln, wie stark sich das soziale Umfeld – also insbesondere die
Familie – auf Gesundheit und Krankheit auswirkt. Wie man diese innere
Haltung ausbauen kann, zeigen wir ebenfalls in unserer Key Note.“

Seine Kollegin Dr. Vera Kalitzkus, als Medizinethnologin ebenfalls eine
langjährige Expertin für die Familienmedizin, ergänzt: „Außerdem wollen
wir gerade den jungen Kolleginnen und Kollegen Mut machen, die
Familienmedizin als Bereicherung ihrer täglichen Arbeit zu verstehen. Wir
wollen etwaigen Sorgen, dass diese Art der Medizin im heutigen System
zeitlich nicht zu stemmen sei, etwas entgegensetzen: Dazu zeigen wir
praxistaugliche Kniffe und Ansätze, die gut strukturiert den Praxisalltag
erleichtern – zum Beispiel Instrumente für eine erweiterte Anamnese, für
Paargespräche, Familienkonferenzen oder Hausbesuche.“

Und noch eine Botschaft ist den beiden Referierenden wichtig: Familiäre
Probleme müssen nicht – und können in der Regel auch nicht – in der
hausärztlichen Praxis gelöst werden, sondern können durchaus delegiert
werden: an die Sozialarbeit, an die Jugendhilfe, an therapeutische
Angebote. Das Wichtigste ist zunächst, mögliche familiäre Belastungen
wahrzunehmen und in Diagnostik, Therapie und Gespräch zu berücksichtigen.