Zum Hauptinhalt springen

Organ-Crosstalk bei Diabetes: Warum Herz, Niere und Leber untrennbar verbunden sind

Mehr als 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahmen an der Konferenz am Neusiedler See in Österreich teil.  Copyright: DDZ
Mehr als 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahmen an der Konferenz am Neusiedler See in Österreich teil. Copyright: DDZ
Pin It

Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte bei Prädiabetes oder Diabetes greifen
Blutgefäße und Organe an. Herzinfarkte, Schlaganfälle und Nierenversagen
zählen deshalb zu den häufigsten Komplikationen. In der medizinischen
Praxis liegt der Fokus bislang allerdings stärker auf dem Herzen als auf
der Niere.

Auf einer zweitägigen Konferenz am 12. und 13. September 2025
am Neusiedler See (Österreich) haben sich mehr als 30 führende
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Europa, den USA und
Australien dafür ausgesprochen, diese Organsysteme gemeinsam zu
betrachten. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung vom Deutschen Diabetes-
Zentrum (DDZ) zusammen mit der Monash Universität in Melbourne,
Australien.

In Deutschland leben mehr als 8,9 Millionen Menschen mit Typ-1- und
Typ-2-Diabetes. Herzinfarkte und Schlaganfälle gelten seit Langem als
größte Gefahr – entsprechend konzentrieren sich Vorsorgeprogramme und
Therapien stark auf das Herz-Kreislauf-System. Die Niere gerät dagegen oft
zu spät in den Fokus: Viele Schäden bleiben unerkannt, weil einfache Urin-
und Bluttests im Alltag noch immer zu selten durchgeführt werden. Doch die
wissenschaftlichen Daten sind eindeutig: Schon geringe Einschränkungen der
Nierenfunktion erhöhen das Risiko für Herzschwäche oder Infarkte
erheblich. Umgekehrt beschleunigen Herzprobleme Nierenerkrankungen.

Prävention und Behandlung sollten früher beginnen

„Diabetes, Nieren-, Leber- und Herzerkrankungen greifen ineinander – sie
bilden ein System, das man nicht länger isoliert betrachten sollte“,
betont Prof. Michael Roden, wissenschaftlicher Geschäftsführer und
Sprecher des Vorstands des DDZ und Direktor der Klinik für Endokrinologie
und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. „Wenn wir diese
Zusammenhänge verstehen, können wir die Betroffenen früher schützen – und
das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Nierenversagen
verringern“, erklärt Dr. Jaroslawna Meister, stellvertretende Leiterin der
Arbeitsgruppe Nephropathie am DDZ. Sie und Prof. Karin Jandeleit-Dahm,
Leiterin der Arbeitsgruppe Nephropathie am DDZ und stellvertretende
Leiterin der Abteilung für Diabetes an der Monash-Universität in
Australien, hatten die Konferenz organisiert.

Genau diese enge Wechselwirkung hatte die American Heart Association (AHA)
im Jahr 2023 in einer Stellungnahme als „Cardiovascular-Kidney-Metabolic
(CKM) Syndrome“ beschrieben – und ein Stufensystem empfohlen, um
Prävention und Behandlung früher und gezielter ansetzen.

Auf der Konferenz: Forschungsergebnisse aus aller Welt

Die zweitägige Konferenz griff dieses Konzept auf und zeigte neue Wege, um
das Risiko von Herz- und Nierenschäden bei Diabetes zu senken.

MASLD als Schlüsselfaktor: Prof. Michael Roden (DDZ, Düsseldorf) zeigte,
wie eng die Stoffwechselstörung MASLD (früher: nicht-alkoholische
Fettlebererkrankung) mit Diabetes und Folgeerkrankungen verbunden ist –
und warum ihre Behandlung entscheidend ist, um auch Herz und Niere zu
schützen. Die Zulassung von neuen Medikamenten für die Behandlung von
MASLD könnte die Versorgung von Menschen mit MASLD/MASH verbessern.

Lipide und Entzündung: Prof. Thomas Stulnig (Klinik Hietzing, Wien)
erläuterte, wie Botenstoffe aus dem Fettstoffwechsel zur Entstehung von
Entzündungen, kardiovaskulären Komplikationen und Nierenerkrankungen bei
Diabetes beitragen. Er stellte zudem neue Therapiekonzepte zur Behandlung
von Fettstoffwechselstörungen vor, die auch das Risiko für
Folgeerkrankungen des Diabetes senken können.

Früherkennung verbessern: Prof. Ronald Ma (Chinese University of Hong
Kong) präsentierte neue epigenetische Biomarker aus dem Hong Kong Diabetes
Register, die das Potenzial haben, Nierenerkrankungen bei Typ-2-Diabetes
wesentlich früher vorherzusagen und das Risiko für Nierenerkrankungen bei
Menschen mit Typ-2-Diabetes besser einzuschätzen.

Neue Therapien und Studien: Prof. Peter Rossing (Steno Diabetes Center
Copenhagen) stellte die STENO-1-Studie vor. Darin wird erstmals geprüft,
wie sich eine kombinierte Behandlung mit modernen Medikamenten bei
Menschen mit Typ-1-Diabetes und hohem Risiko für Komplikationen auswirkt.
Ziel ist es, schwere kardiovaskuläre Ereignisse, Herzinsuffizienz und
Nierenerkrankungen effektiver zu verhindern.

Gewichtsreduktion schützt die Niere: Prof. Petter Bjornstad (University of
Washington, Seattle) zeigte, dass Jugendliche mit Adipositas und
Typ-2-Diabetes besonders häufig an chronischen Nierenerkrankungen leiden.
Eine bariatrische Operation kann in dieser Gruppe nicht nur das Gewicht
deutlich verringern, sondern auch die Nierenfunktion stabilisieren.

Die Konferenz-Organisatorin Prof. Jandeleit-Dahm betont: „Nur durch eine
bessere Zusammenarbeit internationaler Experten können wir die Mechanismen
des CKM Syndroms sowie den „Cross-talk“ zwischen den verschiedenen Organen
besser verstehen. Dies ist entscheidend, um effektivere Therapie- und
Präventionsstrategien zu erarbeiten. Genau dieses Ziel verfolgte unser
Meeting.“