Zurück ins Leben: Neues Nachsorgeprogramm hilft Überlebenden nach Herzstillstand
Mehr Lebensqualität nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand – das ist das
Ziel des innovativen Projekts „CAROL: Cardialer Arrest – Rückkehr zum
optimalen Leben“, das unter Leitung des Instituts für Rettungs- und
Notfallmedizin (IRuN) am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH)
entwickelt wurde. Nun wurde das Projekt vom Innovationsausschuss beim
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Förderung ausgewählt. Mit rund 5,9
Millionen Euro fördert der G-BA in den kommenden vier Jahren den Aufbau
eines bundesweiten, strukturierten Nachsorgeprogramms, das erstmals
medizinische, psychologische, soziale und genetische Aspekte systematisch
miteinander verbindet.
„Für das IRuN ist CAROL ein Meilenstein“, sagt Prof. Dr. Jan-Thorsten
Gräsner, Projektleiter und Direktor des Instituts für Rettungs- und
Notfallmedizin. „Erstmals übernimmt unser Institut die Konsortialführung
in einem Innovationsfondsprojekt. Gemeinsam mit starken Partnern aus
Medizin, Forschung und Versorgung – darunter die Techniker Krankenkasse,
die BARMER, mehrere Universitätskliniken sowie spezialisierte
Forschungseinrichtungen – wollen wir die Versorgung von Menschen nach
einem außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand systematisch verbessern.“
Ein solcher Herzstillstand trifft oft völlig unerwartet: Etwa 136.000
Menschen pro Jahr erleben ihn in Deutschland außerhalb eines
Krankenhauses. Die medizinische Akutversorgung entscheidet über das
unmittelbare Überleben – doch selbst bei erfolgreicher Reanimation ist der
Weg zurück in den Alltag lang und voller Unsicherheiten. Körperliche und
seelische Folgen können massiv sein. Viele Betroffene leiden an kognitiven
Einschränkungen, Ängsten oder Depressionen. Auch Angehörige sind oft
traumatisiert und stark belastet.
Hier setzt CAROL an: Die Nachsorge beginnt bereits auf der Intensivstation
und wird über ein Jahr hinweg fortgeführt. Im Zentrum steht dabei die
sogenannte PRA-Nurse – eine spezialisierte Fachkraft, die als konstante
Ansprechperson durch alle Phasen der Behandlung begleitet. Die PRA-Nurse
koordiniert Untersuchungen und Therapien, organisiert psychokardiologische
Screenings sowie genetische Abklärungen und stellt bei Bedarf den Kontakt
zu sozialen Hilfsangeboten her. Die psychokardiologische Versorgung im
Rahmen des Projekts übernimmt die Abteilung für Psychokardiologie der
Kerckhoff-Klinik GmbH unter der Leitung von Prof. Dr. Bettina Hamann. Die
Kontaktaufnahme erfolgt bereits während des Klinikaufenthalts, später
finden vier strukturierte Nachsorgetermine statt – inklusive
neurokognitiver Tests, individueller Interventionsplanung und
Patientenschulungen.
Ein besonderes Augenmerk gilt jungen Patientinnen und Patienten unter 50
Jahren: Bei ihnen wird im Rahmen des Projekts eine genetische Diagnostik
durchgeführt – auch im Falle eines Todesfalls mit anschließender Beratung
der Angehörigen. Die genetische Abklärung wird dabei vom Zentrum für
plötzlichen Herztod und Kardiogenetik der Goethe-Universität Frankfurt
unter der Leitung von Prof. Dr. Silke Kauferstein verantwortet. Damit
trägt CAROL nicht nur zur Stabilisierung der Betroffenen bei, sondern
hilft auch, erblich bedingte Risiken in Familien frühzeitig zu erkennen
und potenziell lebensbedrohliche Ereignisse zu verhindern.
CAROL wird an insgesamt 15 spezialisierten Cardiac Arrest Centern in ganz
Deutschland umgesetzt – darunter auch am UKSH, Campus Kiel. Das Projekt
richtet sich an gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten zwischen
18 und 80 Jahren, die einen außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand
überlebt haben und nicht dauerhaft pflegebedürftig sind. Auch ihre
Angehörigen sind einbezogen: Sie erhalten Schulungen, psychologische
Begleitung und ein Reanimationstraining für den Notfall zu Hause.
Trotz klarer Empfehlungen in internationalen Leitlinien existieren in
Deutschland bislang keine standardisierten Strukturen für eine solche
umfassende Nachsorge. CAROL schließt diese Versorgungslücke – mit einem
wissenschaftlich fundierten, interdisziplinären und patientenzentrierten
Ansatz. Das Projekt startet voraussichtlich Ende 2026.
