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10. Kolumne von Léonard Wüst: Auf Spurensuche nach den Alt 68 ern.

 

 

Damals Alltag: Staatsgewalt gegen Demonstranten 


Ich war mitten in der Ausbildung zum Koch, als die 68er Bewegung entstand. Bei einer täglichen Arbeitszeit von 14 bis 16 Stunden und 7 Tage Woche blieb nicht viel Zeit für Proteste und Demos.

Wir waren ja auch mitten in den Innerschweizer Bergen, in Engelberg, weit weg also von den Demozentren, wie etwa Zürich. So blieb uns nur, ab und zu an einem Waldfest “Ho Ho Ho Chi Minh” zu skandieren, kaum wissend wer das war, oder wo Vietnam lag, es war halt in Mode und gehörte einfach dazu. Die Eingeborenen liessen sich aber, zu unserer Enttäuschung, davon nicht gross stören oder gar beeindrucken, deren Vorfahren waren ja schon mit den Habsburgern fertig geworden. Mich persönlich interessierte sowieso mehr, was während des Prager Frühlings passierte, da hatte ich einfach mehr Bezug dazu. Der wurde ja dann, ausgerechnet an meinem 18. Geburtstag (21. August 1968), von Panzern des Warschauer Paktes brutal niedergewalzt. So wandte man sich halt wieder den Studenten zu und verfolgte gespannt, vor allem was in Berlin und Paris so ablief. Einige der Protagonisten machten dort ja später durchaus bürgerliche Karrieren, ich denke da an Marathonman und Vizekanzler Joschka Fischer, den Otto Schily, der ja dann auch lieber Minister war, als immer noch RAF Terroristen zu verteidigen, den Roten Dani, Daniel Cohn Bendit, Europaabgeordneter usw. Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg erging es dagegen nicht so gut. In der Schweiz lief das ja alles ein bisschen gemächlicher ab. Wo sind sie denn heute, unsere Schweizer sogenannt Alt 68er? Auch bereits angekommen in den Chefetagen der Banken, Versicherungskonzernen, Pharmaunternehmen und in den Führungsgremien der etablierten politischen Parteien usw.!

Ob sie denn heute weitsichtiger und weniger engstirnig wären, wenn ihre damalige Forderung erfüllt worden wäre, die da lautete: Weg mit den Alpen, freie Sicht aufs Mittelmeer für alle?

Ironischerweise, wenn auch nicht so vorausschauend gedacht, wäre genau diese Forderung volkswirtschaftlich von grossem Nutzen gewesen. Wir hätten uns die Milliarden für den Bau des Gotthardstrassentunnels und jetzt die noch mehr Milliarden für den Gotthardbasistunnel sparen können, ausserdem in Zürich ins Auto sitzen, Handbremse lösen und sanft im Leergang leicht aber stetig abwärtsrollend, energiesparend uns der Adria nähern.

 

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