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Ehrengast an der Gala der Künstlerbörse – das passiert einen nicht jedes Jahr, also fahre ich dieses Jahr bereits am Donnerstagabend hin, früh genug, um in die Atmosphäre der Börse einzutauchen.

An der Bar bestelle ich in Glas Weisswein, dieses wird von der etwas fülligen Dame in knieender Stellung sorgfältigst abgemessen, dann gehe ich zu meinem Platz. „Guten Abend“, sagen die Leute rechts von mir, „Hallo“ jene links, so ist das hier, man grüsst sich, fühlt sich irgendwie verbunden. Viele bekannte Gesichter bereits an diesem Abend, ein leicht ergrauter Ursus, Thomas C. Breuer im Kapuzenshirt mit Gästen, Nadeschkin mit neckischem Filzhütchen, Dodo Hug, an der niemand einfach so vorbeikommt, Cornelia Montani, Nina Dimitri, all die Grossen und Kleinen der Szene. Aber nicht nur die Künstler faszinieren, was da zu sehen ist an Gestalten, Garderoben, Frisuren, diese Vielfalt und doch irgendwie Gleichheit, das gibt’s nur an der Börse; Dreadlocks und kunstvoll Aufgeschichtetes, Geschorenes und Gelocktes und auffallend viel Graues. Dazu Jeans, Highheels, Schichtenlook, enges Kurzes, kleines Schwarzes, langes Hängendes, ein Hauch von Seide, ein Schwall Farben, Gefilztes und Gestricktes, Gewebtes und Gehäkeltes, Edles und sichtlich von Hand Gearbeitetes, Kaschmir, Glencheck und Fischgrat, dazu Rucksäcke, Designerhandtaschen, Umhängekunstwerke, edle Stöcke und dieses Jahr auch den einen oder anderen Rollator.

Pippo Pollina

 

 Kleinkunstbörse Ambiente

Kleinkunstbörse Ambiente outdoor

 

Ex-Flügzüg Claude Criblez eröffnet den Abend mit seinem fliegenden, kugelrunden, silbrigen Delphin und obwohl mein Kleinkunstgewissen innerlich aufschreit, ich bin fasziniert, fasziniert von seiner sanften Stimme, seinem unglaublich heimeligen Berndeutsch aber vor allem fasziniert von dieser schwebenden Kugel mit ihren kleinen, schnurrenden Propellern. Das Ganze hat etwas undefinierbar Rührend-Berührendes und auch wenn dabei gar nichts passiert, auch wenn’s weder artistisch noch sprachlich noch dramaturgisch hochstehend ist, ich bin verzaubert – ein kleiner, unprätentiöser Traum, ein Kindertraum vielleicht?

Dann folgt der diesjährige Preisträger Pippo Pollina, vom 14. Rang aus erinnert er immer noch an einen scheuen Schuljungen und bei einem Fan wie mir gehen die Lieder runter wie Buttercrème. Verdient, mehr als verdient der Preis und als dann noch der Silberdelphin mit Pippos Namen im Schlepptau über die Bühne und die ersten Reihen schwebt, ist die Magie perfekt.

Mein 14. Rang mag Pippo etwas verklärt haben, Lorenz Kaiser hilft er nicht und für den Bruchteil einer Sekunde meine ich, sein Vater stehe am Rednerpult. Die Laudatio, welche er für Pippo hält ist witzig, sprachgewaltig, amüsant, persönlich, ab und zu aufmüpfig und hätte viel länger sein dürfen, was man von einer Laudatio selten sagt – ein wahres Kunstwerk! Eine neue „Microband“ gibt’s auch an diesem Abend, nur diese aus Paris, und eine deutsche Kabarettistin als Carla Bruni, eine perfekte Imitation ihres hingehauchten Hit’s „quelqu’un m’a dit“ der aber, den Reaktionen, oder Nicht-Reaktionen des Publikums nach zu schliessen nicht wirklich einer gewesen ist. Das Ganze wird moderiert von Karim Slama, den kleinen, quirligen Romand, den nun aber mein manchmal doch etwas sehr elitäres Kleinkunstgewissen nicht gelten lassen will, schade eigentlich, alle anderen amüsierten sich köstlich.

Der schwierigste Moment dieses Abends für mich ist jener des Preisträger des Prix d’Innovation Massimo Furlan. Seine Arbeiten seien dem Erinnern und Vergessen gewidmet, heisst es im Text und die Zuschauer nähmen teil an einem gemeinsamen Erinnern, welches persönlich und zugleich kollektiv sei… Er wecke Bilder unsere Kindheit in uns. Meine war‘s nicht und Bilder wollen auch keine aufkommen. Vielleicht liegst dran, dass ich damals weder Superman noch Fussball cool fand? Oder vielleicht bin ich ganz einfach noch nicht oder zu reif für solche Performances? Da hat mein Kleinkunstgewissen noch ein ganzes Stück Arbeit vor sich!

Text: www.gabrielabucher.ch

Bilder: Sabine Burger