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Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Besetzung und Programm:

 
Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791)
Divertimento D-Dur für Oboe, zwei Hörner, zwei Violinen, Viola und Kontrabass KV 251
Nannerl-Septett
 
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Septett Es-Dur op. 20 für Violine, Viola, Klarinette, Horn, Fagott, Violoncello und Kontrabass

 

Rezension:

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Alles neu und doch irgendwie vertraut. Beginnend mit der Anreise per Zug, auch da schon Vorschriftsgemäss „maskiert“. Die Maske konnte man grad übergestülpt lassen, da das Schutzkonzept des KKL eine Masken – Tragpflicht im ganzen Bereich vorschreibt. Erstaunlich, dass man trotzdem alle Bekannten erkennt, wenn nicht am Gesicht und der Mimik, dann halt an Gang, Gestik usw. Alles altbekannte Gesichter kann man ja nicht sagen, aber so ähnlich war’s halt doch. Das Konzert wurde, auch aus Hygienegründen, ohne Pause gespielt, da war man erleichtert, wenn man ebendies vorher erledigt hatte.

Mozarts „Nannerl-Septett“ als Auftakt

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Relativ übersichtliches Szenario auf der Bühne, standen doch grad mal sieben Notenständer und ein einziger Stuhl auf derselben. Für ein Septett, von dem bloss der Bassist sitzt, braucht’s ja nicht mehr. Die sieben Musiker, Oboe, zwei Hörner, zwei Violinen, Viola und Kontrabass  betraten, bereits spielend, die Bühne und formierten sich. Die drei Streicher auf der einen, die drei Bläser auf der anderen Seite des Bassisten.

Wolferls Referenz an seine Schwester Nannerl

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Text von Susanne Stähr, Dramaturgen Lucerne Festival: Das Divertimento D-Dur KV 251, das als „Nannerl-Septett“ in die Musikgeschichte eingegangen ist, dokumentiert die besondere Beziehung der Mozart Geschwister: Mozart schuf es entweder zum Namenstag der Schwester am 26. Juli 1776 oder für ihren vier Tage später, am 30. Juli 1776, gefeierten 25. Geburtstag. Obwohl für die kammermusikalische Besetzung von nur sieben Instrumenten geschrieben, orientiert sich das Werk vom Aufbau her an den orchestralen Serenaden, Kassationen oder Nachtmusiken, die sich im damaligen Salzburg grösster Beliebtheit erfreuten und im Freien dargeboten wurden. Die Aufführungen begannen in der Regel mit dem Einzug der Musiker, die, bereits spielend, mit einem Marsch vor dem Publikum auftraten. Und derselbe oder ein anderer Marsch erklang dann auch am Ende, wenn die Interpreten die Spielstätte wieder verliessen. Gut möglich, dass die «Marcia alla francese», die als sechster Satz das „Nannerl-Septett“ beschliesst, bei Salzburger Darbietungen auch schon zu Anfang erklang. Ob das bei der Uraufführung im Juli 1776 der Fall war, weiss man nicht: Die Premiere fand mutmasslich im Gartenhof hinter dem Tanzmeisterhaus am heutigen Salzburger Makartplatz statt, wo die Mozarts seinerzeit wohnten, also in eher kleinem Rahmen und nicht auf einem der grossen, repräsentativen Plätze der Residenzstadt. Doch auch das einleitende «Molto allegro» trägt marschartige Züge und wäre durchaus tauglich für den Einzug des Ensembles gewesen. Nach vier Motto artigen Takten im Unisono, die gleich ein Ausrufezeichen setzen, entfaltet Mozart ein kombinationsfreudiges Wechselspiel der sieben Stimmen und führt sie im Tutti zu fast orchestraler Klangfülle und musikantischer Spiellaune. Für hübsche Chiaroscuro-Effekte sorgt er, indem er das Hauptthema auch in einer Moll-Variante erklingen und somit den Charakter zwischen hell und dunkel changieren lässt. Zwei Menuette gehörten zum üblichen Tableau der sechssätzigen Divertimenti. Mozart folgt diesem Aufbau auch im „Nannerl-Septett“, doch treibt er im ersten dieser beiden Tanzsätze sein augenzwinkerndes Spiel mit dem höfischen Vorbild. Denn der permanente Gebrauch von Vorschlagnoten, streckenweise auch noch vor dem immer gleichen Basston, hat etwas bäuerisch Derbes an sich oder erinnert an einen Brummkreisel. Das zweite Menuett dagegen geht formal ungewöhnliche Wege, indem es auf die übliche Dreiteilung mit einem Trio in der Mitte verzichtet und stattdessen das Menuett-Thema als Refrain verwendet, das mit drei Variationen wechselt – ein verkapptes Rondo. Gerahmt von den beiden Menuetten wird ein zartes und anmutiges «Andantino», das die vier Streicher bewusst von den drei Bläserstimmen absetzt und jeweils einer der beiden Instrumentengruppen die Führung überlässt, während die andere sekundiert – oder aber schweigt. Für Festtagsstimmung und pulsierende Champagnerlaune sorgt dann das Rondeau, das vor allem der Oboe in den Episoden eine prominente Rolle zuweist. Den letzten Eintritt des Refrains setzt Mozart effektvoll in Szene, indem er ihn durch einen «Adagio»- Takt mitsamt Fermate herauszögert und ein Ende vorgaukelt, das an dieser Stelle dann doch noch nicht eintritt. Zu guter Letzt aber, nachdem auch die abschliessende «Marcia alla francese» verklungen war, durften im Juli 1776 alle anstossen auf Nannerls Ehrentag: die Familie Mozart, die Musiker und die versammelten Freunde.Zitatende von Susanne Stähr

Wenn „Super Spreader“ gern gesehen werden

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Die sieben Protagonisten im KKL erwiesen sich als „Super Spreader“ im positiven Sinn, versprühten sie doch die pure Spielfreude und steckten damit die knapp tausend Besucher hochgradig an, obwohl die ja alle die obligatorischen Masken trugen. Da jonglierte sich die Violine durch die Partitur, jubilierte die Oboe als Replik, erhielten Support und wurden getragen von den fünf anderen Mitmusikern, worauf sie die beiden erstgenannten in einen wechselseitigen intensiven Akustikflirt hineinsteigerten. Mozart verfasste das Ganze sehr pointiert, durchaus witzig und ironisch, sehr unterhaltend und anregend für die Zuhörer, ob damals auf einem Salzburger Platz oder aktuell in einem Schweizer Konzertsaal. Bei genauem Hinhören findet sich mehr musikalisches Raffinement als erwartet, weil Mozart die Konvention auch in diesen Gelegenheitswerken unter gepuderter Perücke ab und zu gegen den Strich bürstet. Zum Beispiel kurze Fugato-Passagen in den Durchführungen oder kecke Themenwiederholungen dort, wo sie normalerweise nichts zu suchen haben. Der „Mozart“ steckt also augenzwinkernd im Detail.

Alle Solisten durften als ebensolche agieren

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Das Salzburger Musikgenie bot mit seiner Komposition jedem der sieben Musiker die Gelegenheit, mit einer oder mehreren Solosequenzen zu brillieren, sich ins sprichwörtliche Scheinwerferlicht zu hieven. Die Weltklasse Musiker, die sich sonst selbstlos zurückhaltend in die Reihen des „Lucerne  Festival Orchestra“ eingliedern, nutzten die Gelegenheit und wussten mit ihrem Können sich gegenseitig anzuspornen und das Publikum zu begeistern. Dieses geizte denn auch nicht mit Applaus, das Septett somit noch drei- viermal auf die Bühne zurückklatschend.

Für die Kaiserin: Beethovens Es-Dur-Septett

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Ludwig van Beethoven wäre es nicht in den Sinn gekommen, sein Es-Dur-Septett einem nahen Verwandten oder Freund zu widmen – er hatte Grösseres vor und nahm dafür niemanden Geringeren als die österreichische Kaiserin Maria Theresia ins Visier (die Enkelin der berühmteren gleichnamigen Regentin). Das war freilich nicht ganz einfach, denn bei einer solch hochgestellten Persönlichkeit erforderte es die Etikette, zunächst die Zustimmung für die Zueignung einzuholen. Als Beethoven im Sommer 1799 das Septett in Angriff nahm, war er noch längst nicht der «Titan» unter den Komponisten. Er war bloss ein 28-jähriger «Zugereister» aus dem Rheinland, der sich allerdings in diversen Adelspalais schon einen glänzenden Ruf als brillanter Tastenvirtuose und origineller Tonschöpfer erworben hatte. Diese Kontakte in die Adelskreise liess Beethoven nun spielen und erwirkte über die Grafenfamilie Brunsvik das Plazet der Monarchin. Mit dem schönen Zusatzeffekt, dass er endlich auch die Genehmigung erhielt, sein erstes eigenes Akademiekonzert im Wiener Burgtheater zu veranstalten, wo am 2. April 1800 neben der Ersten Sinfonie und dem Ersten Klavierkonzert auch das Septett erklang.

Klang Mozart fröhlich verspielt, kommt Beethoven ernst und gradlinig daher

Raphael Christ, Konzertmeister des Lucerne Festival Orchestra
Raphael Christ, Konzertmeister des Lucerne Festival Orchestra

Raphael Christ, Konzertmeister des Lucerne Festival Orchestra und der Bochumer Symphoniker übernimmt im zweien Konzertteil den Lead und macht das mit sehr viel extrovertiertem Körpereinsatz, anders als dies noch Gregory Ahss bei Mozart tat. Besonders erwähnenswert, nebst anderen Höhepunkten,  die Kontrapunktion seiner Soli durch Vicente Alberola mit der Klarinette. Violine, Viola, Klarinette, Horn, Fagott, Violoncello und Kontrabass lautet die Zusammensetzung dieses Septetts wofür ein zweiter Stuhl, für den Cellisten auf der Bühne platziert wurde. Die drei verschiedenen Blasinstrumente würden auch ein anderes Klangbild, deutlich düstereres als vorher bei Mozart, abzeichnen. An die Tradition der Serenaden, Kassationen und Divertimenti des 18. Jahrhundert erinnert die hypertrophe Form des Septetts aus sechs langen Sätzen: Auf das erste Allegro und das Adagio folgen gleich zwei Tanzsätze, die einen Variationen Satz umschließen. Auf den zweiten Tanz Satz folgt das Finale. Im Septett kehrte Beethoven zur Tonart Es-Dur zurück und zu den Dimensionen seines eigenen Opus 3, fügte aber den Ecksätzen langsame Einleitungen hinzu und erweiterte das Streichtrio um einen Kontrabass sowie um ein Bläsertrio aus Klarinette, Horn und Fagott. Dadurch begründete er die Geschichte der Wiener Kammermusik in quasi-sinfonischer Besetzung

Trauer zum furiosen Finale?

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Patrick Hürlimann / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Patrick Hürlimann / LUCERNE FESTIVAL

Besonders populär wurde das Thema des vierten Satzes, das auf ein niederrheinisches Volkslied zurückgehen soll. Das Lied trägt den Titel Die Losgekaufte, ist allerdings erst 1838 in einer Publikation des Volksliedersammlers Andreas Kretzschmer (1775–1839) nachweisbar. Möglicherweise entstand das Lied also erst später, auf der Grundlage von Beethovens Thema. Adagio cantabile: „Eine wunderbar rührende Kantilene bringt dann die Klarinette in dem Adagio, gewiss eine der schönsten, die Beethoven geschrieben hat. Auch hier waltet hochbefriedigte Stimmung, aber ernster und gehaltener; die Nebenthemen sind etwas belebter, halten aber die Stimmung fest. Auch hier ist die Verwendung der Instrumente, des Horns, des Cello beachtenswert, die Weihe der Stimmung im Satz wahrlich erhaben.“ „Das Menuett ist der Sonate Op. 49 Nr. 2 entnommen, aber selbständig behandelt. Im Trio ergehen sich Horn und Klarinette; auch sonst die Klangfarben schön gemischt. Wahrhaftig eine gute, edle Unterhaltung. Andante con Variazioni: „Wieder wird es ruhiger, es folgt das Andante mit Variationen auf eine sehr reizende Melodie. „Humoristisch und frisch ist das Scherzo, wo auf den Ruf des Horns die übrigen sich zu lustigem Aufschwung zusammenfinden, im zweiten Teil besonders die Violine losgelassen wird und jubelnd in die Höhe steigt. Dem tritt im Trio besänftigend das Violoncell mit schöner Kantilene gegenüber.“ Finale: Genug der Lustigkeit! Die Kräfte sammeln sich in einen kurzen Mollsatz und mahnen zur Einkehr; das Horn sucht wie nach etwas Verlorenem. Dann tritt als Grundlage des letzten Satzes ein festes Motiv mit dem Charakter frohen Selbstbewusstseins auf, vielfach imitatorisch behandelt und immer nachdrücklicher eingeprägt; das zweite Thema fest, frisch, doch gehalten; alles atmet Freude über etwas Erreichtes.“ Beethoven eröffnet das Finale mit einer Art Trauermarsch, bei dem einem zunächst nichts Gutes schwant. Doch nach wenigen Takten mündet die düstere Klangwelt in ein energiegeladenes, rasendes, vielleicht sogar nervöses «Presto», das unter Starkstrom steht und mit seinem revolutionären Elan eine neue Ära mit einem anderen Zeitempfinden einzuleiten scheint, Gelegenheit, für den Hornisten, starke Akzente zu setzen und die andern Solisten stehen ihm in nichts nach, musizieren auf ebenso hohem Niveau, mit derselben intensiven Spiellust. Das Auditorium zeigte sich begeistert und spendete dementsprechenden stürmischen Applaus. Die Kleinformation überzeugte in allen Belangen, eine den Umständen entsprechende Formation, die man sich durchaus in „Nach Coronazeiten“ auch vor ausverkauftem Saal, also vor 1898 Besuchern vorstellen kann.

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch  Peter Fischli

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