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Die Reisebranche leidet seit über einem Jahr unter der Corona-Krise.
Besonders hart trifft es die Flusskreuzfahrer, wo infolge des Lockdowns
und des veränderten Reiseverhaltens nachhaltige Marktveränderungen
erwartet werden. Zu diesem Schluss kommt eine Branchenumfrage des
Marktforschungsinstituts CENTOURIS der Universität Passau vom März 2021.

Laut Expertinnen und Experten sind insbesondere die Reedereien und
Reiseveranstalter von der Krise bedroht. Der kontinuierliche Aufwärtstrend
bei den Schiffsneubauten in den letzten Jahren wird durch Corona
sicherlich gestoppt, möglicherweise sogar umgekehrt. Besonders gravierend
sind die Einschnitte auch bei den zahlreichen Tourguides, die aktuell
gezwungen sind, sich nach Einkommensalternativen umzusehen. Es bleibt die
Frage, ob sie „nach Corona“ wieder als selbständige Guides arbeiten oder
dieser Branche komplett den Rücken kehren werden. „Eine Lücke ließe sich
nicht auf die Schnelle schließen. Die hohe Qualität bei den Gästeführungen
basiert auf der jahrelangen Erfahrung und sehr umfangreichen Ausbildung
der Guides“, so Brigitte Franz, Projektleiterin bei CENTOURIS. Trotz allem
sei die Krise auch eine Chance für sogenannte Geheimtipps: Die Befragten
nehmen an, dass die Gäste mehr und mehr gezielt Ausflüge abseits der
touristischen Highlights nachfragen werden.

Enorme Umsatzeinbußen im Jahr 2020

„Die Stimmung innerhalb der Branche ist deutlich angespannt, die
Stakeholder fühlen sich unsicher und sind verständlicherweise genervt von
der aktuellen Situation. Trotzdem sind sie immer noch zuversichtlich und
bewahren Ruhe. Alles wichtige Voraussetzungen, um gestärkt aus der Krise
zu kommen“, so Brigitte Franz. Dennoch waren die Umsatzeinbußen im Jahr
2020 enorm: Im Durchschnitt verzeichneten die Betriebe auf der Flussseite
ein Minus von 88 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, auf der Landseite waren
es sogar 92 Prozent. Flussseitig wird viel unternommen, um den Betrieb so
gut es geht am Laufen zu erhalten. Etwa zwei Drittel der Anbieter haben
ihre Reiserouten mit Beginn der Pandemie geändert und überwiegend auf
Fahrten ohne Grenzüberquerung gesetzt. So können sie zumindest den
unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen der einzelnen Staaten aus dem
Weg gehen.

Erholung der Branche erst ab 2022 erwartet

Die Expertinnen und Experten sind sich einig, dass als erstes die
deutschsprachigen Märkte an die Donau zurückkehren. Fernmärkte wie
Australien und Nordamerika werden eher zögerlich reagieren. Schwierig
einzuschätzen sind die Quellmärkte Asien, Frankreich und das restliche
Europa. Die Geschäftserwartungen für die Saison 2022 sind überwiegend
positiv: 70 Prozent der Befragten erwarten steigende Buchungen, ein
Drittel aber gleichzeitig auch Stornierungen. Besonders bedrohlich für den
eigenen Geschäftserfolg wird der Ausfall von Geschäftspartnern
eingeschätzt.
Richtig bergauf gehen soll es nach Einschätzung der Expertinnen und
Experten aber in der Saison 2023: Über alle Märkte hinweg werden
Preissteigerungen erwartet, vor allem für Australien und Nordamerika sowie
für das Vereinigte Königreich und Irland. Diese Preissteigerungen werden
zum einen mit Blick auf die vermutlich weiterhin eingeschränkten
Kapazitäten bei (Interkontinental-)Flügen prognostiziert, zum anderen aber
auch hinsichtlich des für 2023 erwarteten Nachfrageanstiegs nach
Flusskreuzfahrten.

Branche steht vor grundlegenden, dauerhaften Änderungen

Allgemeine Hygieneregeln an Bord und an Land, kombiniert mit einem Impf-
oder Testnachweis sollen Flusskreuzfahrten dauerhaft sicher machen.
Darüber hinaus sind auch grundlegende Änderungen an Land notwendig, um die
Sicherheit der Gäste, des Personals und auch der Einheimischen zu
gewährleisten: Kleinere Gruppen bei Ausflügen, ein stärkerer Fokus auf
Geheimtipps, ein perfekt zwischen allen Beteiligten abgestimmtes
Liegestellenmanagement sowie ein ausgeklügeltes Besucherlenkungs-
Management an touristischen Hotspots. „Künftig wird der Austausch zwischen
der Land- und Flussseite noch wichtiger sein, um all diese Regelungen in
der Praxis umsetzen zu können. Strukturen müssen dringend geschaffen
werden, um die steigende Komplexität bewältigen und die neuen
Anforderungen schnellstmöglich in die jeweiligen Prozesse integrieren zu
können“, so Brigitte Franz. Kürzere Liegezeiten, weniger Passagiere pro
Schiff und saisonale Unterbrechungen aufgrund von auftretenden Infektionen
sind laut den Befragten eher von kurzfristiger Natur.

Die Stimmungsumfrage wurde von CENTOURIS in Zusammenarbeit mit der ARGE
Donau Österreich, mit Prof. Dr. Gerhard Skoff (stage4solutions & dtc) und
mit River Cruise Europe innerhalb der Flusskreuzfahrtbranche durchgeführt.
Die Befragung fand im März 2021 statt, kurz vor Beginn der eigentlichen
Flusskreuzfahrtsaison. Neben Reedereien, Reiseveranstaltern und Anbietern
von Infrastruktur-Serviceleistungen haben sich auch zahlreiche
Vertreterinnen und Vertreter der Landseite, beispielsweise aus den
Bereichen Gästeführung, Großhandel und Länden-Betrieb sowie des
öffentlichen Tourismus, an der Befragung beteiligt. Der Fokus der Studie
liegt auf dem Fahrtgebiet der Donau inklusive dem Rhein-Main-Donaukanal.