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Flugsicherheit: Diagnose im Flug

Expertenblick: Silvain Michel und Erwin Hack (rechts) untersuchen das Rumpfpaneel eines Airbus A350.  Empa
Expertenblick: Silvain Michel und Erwin Hack (rechts) untersuchen das Rumpfpaneel eines Airbus A350. Empa
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Expertenblick: Silvain Michel und Erwin Hack (rechts) untersuchen das Rumpfpaneel eines Airbus A350.  Empa
Expertenblick: Silvain Michel und Erwin Hack (rechts) untersuchen das Rumpfpaneel eines Airbus A350. Empa

Gemeinsam mit Teams aus England und Deutschland entwickelten Empa-Forscher
ein Überwachungssystem für Flugzeug-Bauteile. In Zukunft könnten kleine
Beschädigungen schon während des Fluges aufgespürt und überwacht werden,
ohne dass das Flugzeug zur Wartung in den Hangar muss. Das senkt die
Betriebskosten und erhöht zugleich die Sicherheit.

Die Druckkabinen von Verkehrsflugzeugen, ebenso wie deren Flügel und
Leitwerke, werden in regelmässigen Abständen auf Risse und Schäden
untersucht. Alle sechs bis zehn Jahre muss jeder Jet zum sogenannten
D-Check für ein bis zwei Monate in einen Hangar. Dort wird er weitgehend
auseinandergebaut, selbst die Lackierung wird entfernt. Zusammen mit dem
Ausfall an Flugzeit kann ein solcher D-Check leicht mehrere Millionen
Franken kosten.

Geht es nicht auch einfacher? Könnte man nicht die belasteten Teile der
Flugzeugstruktur auch permanent, also während des Fluges, überwachen und
entstehende Schäden gezielt im Auge behalten? Im Rahmen eines EU-Projekts
namens DIMES («Development of Integrated Measurement Systems») ist ein
internationales Forschungskonsortium dieser Frage nachgegangen.
Projektpartner sind neben der Empa Airbus, die University of Liverpool,
die Firmen «Strain Solutions Limited» aus Grossbritannien und «Dantec
Dynamics GmbH» aus Deutschland.

Ist da was? Wie schlimm ist es?

«Wir haben uns im Februar 2018 auf das Projekt beworben, das im Rahmen des
«Clean Sky 2»-Programms der EU ausgeschrieben war», erklärt Erwin Hack,
der Projektleiter an der Empa. Die Fragestellung war spannend: Mit
möglichst robusten und preisgünstigen Komponenten sollten die Forscher den
metallischen Flügel eines Airbus A320 und Kohlefaser-Verbundwerkstoffe im
Kabinenpaneel eines Airbus A350 beobachten. «Die Sensoren sollten am Ende
mehrere Fragen beantworten: Ist da ein Schaden? Wo ist der Schaden?
Welcher Art ist der Schaden? Wie ernst ist die Beschädigung, und wie lange
hält das Bauteil noch?»

Das Konsortium erhielt den Zuschlag, und die Empa spielte dabei keine
unwesentliche Rolle: Einerseits ist Hack Spezialist für die optische
Überwachung von Bauteilen, für Wärmebildmessungen und für die Überwachung
mittels Dehnungsmessstreifen und Bragg-Gittern. All diese Methoden sollten
zugleich an den Flugzeugteilen eingesetzt werden. Und zum anderen verfügt
die Empa über Maschinen, in denen die Teile eingespannt und tausende Male
hintereinander gezielt durchgebogen werden konnten. Zusammen mit Silvain
Michel von der Empa-Abteilung «Mechanical Systems Engineering» entwickelte
Hack seine Teststrategie. Airbus lieferte aus Filton/UK das rund sieben
Meter lange Flügelsegment eines Airbus A320-111, der 1988 bei einem
Absturz beschädigt worden war.


Schadensbetrachtung mit vier Methoden

Im November 2019 war das Flügelteil an der Empa eingespannt, die
Untersuchungen konnten beginnen. Mit hydraulischen Pressen wurde der
Flügel 70'000 Mal durchgebogen, während die Forscherinnen und Forscher
Daten sammelten und die Ergebnisse analysierten. Die Biegeversuche
vergrösserten – wie erwartet – die Bruchstellen, die der Flügel beim
Absturz erlitten hatte, und führten zu neuen Rissen.

Den Gesamtzustand des Flügels «fühlten» die Forscher mit
Dehnungsmessstreifen und faseroptischen Bragg-Sensoren. Die nähere
Umgebung des Schadens beobachteten sie mit Kameras und Infrarotkameras –
denn die Biegungstests erzeugen Wärme im geschädigten Flügelteil. Dort, wo
die Wärme entsteht, gilt es, besonders genau hinzuschauen.


Die Pandemie stellt Herausforderungen

In einem nächsten Schritt galt es, die Untersuchungsmethoden aus dem
Metall-Flügel auf Kohlefaser-Strukturen eines Flugzeugs anzupassen: Bei
Airbus in Toulouse stand das Cockpit eines Airbus bereit, und die Empa
erhielt Rumpfpanele eines Airbus A350 aus Hamburg. Beide Teile sind vor
allem durch den Kabinendruck belastet, der bei jedem Flug aufgebaut und
bei jeder Landung wieder entlastet wird.

Doch dann kam Corona. Nun konnten die Forscherteams aus Chesterfield und
Liverpool, in Ulm und Dübendorf sich nicht mehr treffen und auch nicht zu
ihren Versuchsobjekten reisen, die in Dübendorf, Toulouse und Filton in
den Labors standen. Die Forscher lösten das Problem, indem sie ein
spezielles Kommunikationssystem für Mechaniker entwickelten, bestehend aus
Helmkamera, Kopfhörern und Mikrofon. So ausgerüstet konnte ein Spezialist
in Toulouse das Modul in die Cockpitstruktur montieren – aus der Ferne
geführt von Experten in England, Deutschland und von der Empa. Die Methode
funktionierte so gut, dass schliesslich noch ein Luftfahrt-Forschungslabor
im kanadischen Ottawa ins Projekt aufgenommen wurde. Dort wurde ein
Flugzeugflügel mit dem Überwachungsmodul bestückt, ohne dass ein einziger
Langstreckenflug zum Forschungsobjekt nötig war.

Einsatz bei statischen Strukturtests

Ergebnis des Projekts ist ein kleines Modul aus handelsüblichen,
preisgünstigen Komponenten, das zugleich vier Überwachungsmethoden
beherrscht: Dehnungsmessungen mit Messstreifen und Bragg-Sensoren,
optische Überwachung und thermoelastische Stress-Analyse. Die Daten aus
den Sensoren werden in einem Minicomputer gesammelt und können von Ferne
ausgelesen werden.

Zunächst darf das Modul noch nicht in Flugzeugen mitfliegen, sondern soll
bei Strukturtests in Airbus-Entwicklungslabors beweisen, was es kann. Wenn
die Technik weiter ausgereift ist, könnte sie entscheidend dabei helfen,
die Sicherheit von Flugzeugen zu erhöhen und zugleich die Wartungskosten
zu senken. Die nächste Generation von Airlinern könnte dank solcher
Strukturüberwachung auch etwas leichter und damit Treibstoff-sparender
gebaut werden als heute.

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