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Zinsmanagement
Zinsmanagement

Schon der Dichter Oscar Wilde wusste: Nur Leute, die ihre Rechnungen bezahlen, brauchen Geld. Das gilt auch für die Stadt Bochum. Im Amt für Finanzsteuerung beobachten zwei Mitarbeiter den Kapitalmarkt. Ganz genau.Der Tag von Frank Zillmann und Tanja Husemann-Kellner beginnt früh. Schon um sieben Uhr morgens starten sie ihre Computer in der dritten Etage im historischen Rathaus. Wenn die Stadt Bochum tagesaktuell günstiges Geld braucht, wissen sie schon, wie und wo sie es am besten besorgen. Dazu rufen sie verschiedene Banken an und erfragen das beste Angebot. Das ist täglich anders. „Tagesgeld hat heute die noch vor einem Jahr überwiegend genutzten kurzfristigen Festbetrags-Kredite abgelöst“, so der 37-jährige Finanzexperte. Während das Tagesgeld jederzeit zurückgezahlt sowie zurückverlangt werden kann, haben kurzfristige Festbetrags-Kredite eine Laufzeit von rund drei Monaten.
Die aktuelle Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) führt zu einer verrückten Situation für die Stadt Bochum. Die EZB möchte, dass Geld nicht geparkt wird, sondern in der Wirtschaft landet. Deswegen hat sie einen Strafzins für Kontenguthaben am Tagesende eingeführt. Die Banken versuchen daher, ihr Guthaben bei der EZB gering zu halten, auch wenn sie Zinsen zahlen müssen. Nicht nur, dass die Stadt Bochum für kurzfristige Kreditaufnahmen keine Zinsen zahlt, sie bekommt sogar noch welche dafür, dass Banken ihr Geld bei der „sicheren Adresse" Stadt Bochum parken dürfen. Es ist für sie billiger, als Strafzinsen zu zahlen.

Einerseits eröffnen sich der Stadt Bochum dadurch gute Möglichkeiten zinsgünstiger Kreditaufnahmen, andererseits muss sie hohe Einnahmen wie Grundsteuern oder Schlüsselzuweisungen des Landes NRW immer wieder durch passende Kreditfälligkeiten auffangen, um viel Geld auf den städtischen Konten zu vermeiden. Dafür disponieren Frank
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Zillmann und seine Kollegin Tanja Husemann-Kellner täglich. Erwarten sie eine größere Einnahme, planen sie so, dass sie einen Kredit abbezahlen können. „Das ist wie beim Schwarzer-Peter-Spielen“, so der 37-Jährige.

Das sind aber nicht die einzigen Aufgaben der Beiden. Sie nehmen Großkredite in Paketen von 20 bis 100 Millionen Euro auf, schätzen den Markt ein, entwickeln Strategien und kümmern sich um Sonderfinanzierungen wie Leasing-Geschäfte. Sie leasen PKWs und Sonderfahrzeuge wie Rettungswagen, chemische Untersuchungsgeräte oder auch schon einmal ein Krematorium.

Eine Bochumer Besonderheit im Ruhrgebiet: Die Beiden verfassen den jährlichen Bericht über das städtische Zins- und Schuldenmanagement. Er ist transparent und für jedermann zugänglich unter www.bochum.de/zins-und-schuldenmanagement. Es gibt ihn seit zehn Jahren. Er informiert über Ziele, Kommunal- sowie Kassenkredite, Märkte und Aktivitäten. Der neue Bericht soll nach den Sommerferien fertig sein.

Finanzierungswege haben sich geändert, auch wegen der Finanzkrise. Bereits vor vier Jahren hat die Stadt Bochum Finanzierungen angeboten, die Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen im Inland und europäischen Ausland angesprochen haben. Vor zwei Jahren hat die Stadt Bochum zusammen mit anderen Städten eine Gemeinschaftsanleihe mit einem Gesamtvolumen von 500 Millionen Euro aufgelegt. Eine Anleihe ist ein Wertpapier, das dem Gläubiger das Recht auf Rückzahlung sowie Zinsen einräumt. Letztes Jahr platzierte Bochum eine eigene Anleihe mit einem Volumen von 115 Millionen Euro, auch über die Börse Düsseldorf. Die Laufzeit beträgt zehn Jahre, der Zinssatz ein Prozent. Das heißt, es werden in jedem Jahr Zinsen von 1,15 Millionen Euro fällig. „Wir lösen teure Altkredite ab und sind unabhängiger von Banken“, so Frank Zillmann. „Außerdem stellen wir unsere Finanzierung auf mehrere Beine“.

Der Finanzexperte arbeitet seit zehn Jahren im Amt für Finanzsteuerung, Tanja Husemann-Kellner, gelernte Bankkauffrau und Diplombetriebswirtin, seit neun Jahren. Der gelernte Bankkaufmann hat auch eine Ausbildung zum Diplomverwaltungswirt abgeschlossen. Ihm gefällt vor allem, dass sein Job sehr abwechslungsreich und zudem sicher ist. Der Erfolg ist messbar: Ohne seine Arbeit und die seiner Kollegin wären die Schulden der Stadt Bochum um 7,1 Millionen Euro höher.

Die Stadt Bochum rechnet in diesem Jahr mit weiteren Schulden. Insgesamt liegt die Verschuldung bei 1,8 Milliarden Euro. Arbeitslos würden die beiden städtischen Mitarbeiter aber auch ohne neue Schulden nicht. Frank Zillmann: „Dann beschäftigen wir uns mit Geldanlagen. Eine schöne Aussicht.“