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„Wichtiger als ein Klimaministerium ist, dass alle Ressorts gemeinsam an
der sozial-ökologischen Transformation arbeiten“ Alle drei Parteien der möglichen Ampelkoalition
bekennen sich zum Pariser Klimaziel. Das ist eine wichtige
Grundvoraussetzung, aber noch nicht hinreichend für aktiven und
ambitionierten Klimaschutz. Dr. Florian Kern, Leiter des Forschungsfelds
„Umweltökonomie und Umweltpolitik“ am Institut für ökologische
Wirtschaftsforschung (IÖW) erläutert, welche politischen Strukturen die
neue Regierung schaffen sollte, um Klimaschutz wirksam und
sozialverträglich zu gestalten.

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„Damit Deutschland einen fairen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, muss
ein gewaltiger Ruck durch die Gesellschaft gehen. Roter Faden der neuen
Bundesregierung muss das Ziel einer sozial-ökologischen Transformation
sein, damit die notwendige Energie-, Mobilitäts- und Ernährungswende nicht
die bestehenden sozialen Spannungen zwischen Arm und Reich vergrößert.
Eine sozial gerechte Transformation im Sinne des ‚leave no one behind‘ des
European Green Deals ist nicht nur normativ geboten, sondern auch
strategisch wichtig. Fehlender gesellschaftlicher Rückhalt für den Wandel
könnte sonst zu vielen Konflikten und Verzögerungen führen, die das
Erreichen der Klimaziele erschweren.

Die neue Koalition braucht verbindliche Strukturen für eine effektive
Zusammenarbeit der Ministerien

Ein Klimaministerium mit Vetorecht – das fordern die Grünen in ihrem
Klimaschutz-Sofortprogramm. Wie FDP-Chef Christian Lindner durchscheinen
ließ, ziehen die Verhandlungspartner ein Klimaministerium zumindest in
Betracht. Doch dabei darf eine andere Forderung der Grünen nicht unter den
Tisch fallen: Ihr 100-Tage-Programm sieht auch eine Klima-Task-Force vor,
in der sich die Ministerien wöchentlich abstimmen. Die Idee geht in die
richtige Richtung: Zu oft mussten wir in den letzten Jahren beobachten,
wie sich unterschiedliche Ministerien gegenseitig blockierten – etwa
Umwelt- und Wirtschaftsministerium.

Wenn die neue Koalition Strukturen für eine bessere ressortübergreifende
Zusammenarbeit schafft, dann darf sie dabei den Fehler von Merkels
Klimakabinett nicht wiederholen: Nur die Ressorts Umwelt, Finanzen,
Wirtschaft, Verkehr, Bau und Landwirtschaft waren am Klimakabinett
beteiligt. Sie erarbeiteten Beschlüsse über den Strukturwandel – in
Abwesenheit des Ministeriums für Arbeit und Soziales. Für eine sozial
verträgliche Transformation müsste jedoch gerade auch dieses Ministerium
mit an den Verhandlungstisch. Unser Vorschlag ist daher, das Klimakabinett
zu einem Transformationskabinett zu erweitern. Das Bundeskanzleramt müsste
darin anders als bisher aber nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner
zwischen den Fachministerien suchen, sondern aktiv auf ambitionierte
Lösungen drängen. Die Forderung nach einem Klima-Kanzleramt ist daher
sicher richtig und könnte auch eine eigens einzurichtende Klima-Task-Force
umfassen.

Bürgerräte sollten das Kabinett flankieren

Beispiele aus Irland und Frankreich oder auch der bundesweite Bürgerrat
Klima zeigen, dass wissenschaftlich begleitete Bürgerräte ambitionierte
Lösungen und tragfähige Kompromisse erarbeiten können. Insofern ist es
unbedingt zu begrüßen, dass sich die Ampel-Parteien im Sondierungspapier
darauf einigen konnten, dass Bürgerräte und andere Beteiligungsformate dem
Parlament zuarbeiten sollen: Ein wichtiger Baustein, um die nötigen
Transformationsprozesse wie die Mobilitätswende, energetische Sanierungen
und den zügigen Ausbau von Erneuerbaren Energien voranzubringen.“

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Dr. Florian Kern ist Transformationsforscher am Institut für ökologische
Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin. Hier leitet er seit 2018 das
Forschungsfeld „Umweltökonomie und Umweltpolitik“. Er studierte
Politikwissenschaften, Umweltpolitik und Innovationspolitik in Berlin,
Dänemark und England und forscht unter anderem zu
Nachhaltigkeitstransformationen, Umwelt, Energie- und Klimapolitik.
Die Empfehlungen zu neuen institutionellen Strukturen für eine bessere
ressortübergreifende Klimapolitik basieren auf dem Positionspapier
„Transformation? Ja, aber gerecht! Neue institutionelle Strukturen für
eine Just Transition“ sowie dem Projekt Neue gesellschaftliche Allianzen
für Wege einer „Just Transition“ in Deutschland.