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KI übernimmt künftig mehr Aufgaben in der Sportberichterstattung, die
personalisierter und immersiver sein wird. Neue Technologien und
gesellschaftliche Entwicklungen haben die Erwartungen und Ansprüche von
Konsument:innen an Sportinhalte verändert. Eine Zukunftsstudie des Centers
for Sports and Management (CSM) der WHU – Otto Beisheim School of
Management zeigt nun auf, wie sich das Konsumverhalten von Zuschauer:innen
von Sporteignissen in Zukunft verändern wird – und welche Anforderungen
das an das Sportmedienprodukt und dessen Produktion stellen könnte.

Ein Sportgroßereignis aus der Perspektive eines Ahtleten oder einer
Athletin vor dem Fernseher verfolgen? Die Kommentator:innen selbst am
Bildschirm auswählen? Was nach einer futuristischen Version medialer
Sportproduktion klingt, könnte tatsächlich bald Standard sein. Im Rahmen
der international angelegten Zukunftsstudie „Top-tier Sports Product and
its Production in 2030“ des Centers for Sports and Management (CSM) der
WHU – Otto Beisheim School of Management haben 99 Expert:innen aus den
verschiedensten Bereichen (u. a. aus Sportver-bänden, Medienunternehmen,
Rundfunkanstalten, Sportberatungsagenturen) in zwei Delphi-Studien ihre
Prognosen abgegeben, wie die nahe Zukunft des Sportmedienprodukts und
dessen Produktion aussehen könnte. Die Ergebnisse zeigen: Der Spitzensport
könnte künftig wesentlich immersiver werden, der Zuschauer taucht während
des Konsums quasi in eine (teil-)virtuelle Welt ab; außerdem könnten die
produzierten Events emotionaler und besser auf die Bedürfnisse der
Zuschauer zugeschnitten sein. Vor allem die jüngere Generation treibt mit
ihrem Mediennutzungs-verhalten diese Entwicklungen voran und dürfte von
dieser Entwicklung am meisten profitieren.

In der ersten Studie bewerteten ausgewählte Expert:innen mit Hilfe der
Delphi-Methode 14 Projektionen zur Zukunft des Produkts Spitzensport. Die
Methode ist ein systematischer, mehrstufiger Ansatz zur möglichst genauen
Einschätzung künftiger Entwicklungen. In einer zweiten Studie beurteilte
ein weiteres Expertengremium 11 Projektionen zur künftigen Produktion von
Spitzensport-Ereignissen. Unter anderem schätzten die Expert:innen ein,
mit welcher Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Projektion eintreten wird,
wie wünschenswert diese ist und welche Auswirkungen dies haben würde.

Die Expert:innen kamen dabei zu einem einheitlichen Ergebnis: Das
Sportpublikum und seine Vorlieben könnten künftig einen wesentlich
stärkeren Einfluss auf die Produktion von Spitzensport haben als bisher.
Dazu tragen einerseits gesellschaftliche Veränderungen, andererseits aber
auch mit der Digitalisierung verbundene technische Neuerungen bei.
Beispielsweise könnten laut Expert:innen künftig Algorithmen die
individuellen Interessen und Präferenzen der Zuschauer herausfiltern,
wodurch eine Personalisierung möglich werden dürfte. Somit würden nur
Inhalte übertragen werden, die beim Nutzer auf Interesse stoßen. Den Fans
des Rennfahrers Lewis Hamilton könnten bei Formel-1-Übertragungen somit
beispielsweise öfters Bilder aus seiner Cockpit-Perspektive angezeigt
werden als Fans anderer Rennfahrer. Auch Live-Daten, zum Beispiel zu
Leistungswerten von Athlet:innen, könnten künftig in die personalisierte
Sportüber-tragung eingebunden werden. Generell werden die Zuschauer nach
Meinung der Expert:innen in Zukunft in der Produktion von Sportinhalten
selbst viel stärker aktiv als bisher. Je nach Belieben könnten sie für
ihren Bedarf Inhalte wie die Platzierung zuvor geschossener Elfmeter oder
die Golfschwünge bestimmer Profis durch digitale Overlays selbst ergänzen
und einblenden lassen.

Die Produktion von Sportinhalten in den Medien wird künftig aber vor allem
durch Künstliche Intelligenz (KI) beeinflusst und verändert werden.
Anstatt Live-Events von Kameraleuten filmen zu lassen, könnten durch KI
gesteuerte Kameras Spiele aufnehmen. Durch die zunehmende Automatisierung
wird es nach Meinung der Expert:innen möglich sein, Inhalte vermehrt
dezentral und ortsunabhängig zu produzieren. Die Medienproduktion dürfte
dementsprechend künftig remote und damit nachhaltiger ablaufen, wodurch
Personal vor Ort reduziert und damit auch auch der CO2-Fußabdruck
signifikant gesenkt werden könnte. Zudem erwarten die befragten
Expert:innen der Studie, dass der mobile Konsum von Sportinhalten zunimmt.
Statt Live-Sport auf dem TV-Bildschirm, so die Vorhersage, schaut sich die
jüngere Generation in Zukunft vor allem Highlight-Clips auf Instagram oder
TikTok an. Auch virtuelle Welten, also computergestützte simulierte
Umgebungen, werden immer relevanter. Bis zum Jahr 2030, so die
Einschätzung der Expert:innen, wird ein zunehmender Anteil an Zuschauern
Sportübertagungen in einer rein virtuellen Welt erleben.

Die Studie wurde finanziell und ideell unterstützt von der DFL Deutsche
Fußball Liga und von Amazon Web Services. Konzeption, Methodik,
Durchführung und Inhalte der Studien oblagen ausschließlich dem Forscher-
Team des Centers for Sports and Management der WHU.

Informationen zu den Autoren

Prof. Dr. Sascha L. Schmidt

Sascha L. Schmidt ist Professor, Lehrstuhlinhaber und akademischer Leiter
des Center for Sports and Management (CSM) an der WHU – Otto Beisheim
School of Management am Standort Düsseldorf. Gleichzeitig ist er Affiliate
am Laboratory for Innovation Science at Harvard (LISH) und einer der
Initiatoren sowie leitenden Dozenten des MIT Sports Entrepreneurship
Bootcamps sowie des Transformational Technologies Online-Kurses. Seine
Forschung fokussiert sich auf Wachstums- und Diversifikations-Strategien
sowie die Vorbereitung des Profisports auf zukünftige Entwicklungen.

Apl. Prof. Dr. Dominik Schreyer

Dominik Schreyer ist außerplanmäßiger (apl.) Professor für Sportökonomie
an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf und Direktor
des Center for Sports and Management (CSM). In seiner Forschung
beschäftigt er sich insbesondere mit der Sportnachfrage (z. B. Stadion-
und TV-Nachfrage). Er hat 35 Artikel in anerkannten, internationalen
Zeitschriften mit Peer-Review-Verfahren veröffentlicht, darunter in
Economic Inquiry, European Sport Management Quarterly, Games and Economic
Behavior, Technological Forecasting & Social Change und dem Journal of
Vocational Behavior.

Dominik Geissler

Dominik Geissler ist Doktorand am Center for Sports and Management (CSM)
der WHU – Otto Beisheim School of Management. Dominik hat im Bachelor BWL
und im Master Innovationsmanagement an der Universität St. Gallen, der
Stanford University und der NOVA School of Business & Economics studiert.
Im Rahmen seiner Promotion untersucht Dominik, inwiefern das Zusammenspiel
von Technologie und Gesellschaft das Medienkonsumverhalten von
Spitzensport in Zukunft verändern wird. Zuvor war er für drei Jahre als
Unternehmensberater für die Boston Consulting Group tätig, wo er in
verschiedenen Branchen und Ländern Kunden zu den Themen Digitalisierung
und Technologieinnovation beraten hat.