Wie Pflanzen gezielt ihr Wachstum steuern

Bielefelder Forschende zeigen in Studie Potenzial für resilientere
Pflanzen
Ein Team um die Biologen Dr. Tino Köster und Dr. Martin Lewinski von der
Universität Bielefeld hat im Fachjournal New Phytologist neue Erkenntnisse
zur molekularen Steuerung pflanzlicher Genaktivität veröffentlicht. Im
Fokus steht das Protein At-RS31, das als zentrales Bindeglied zwischen
Umweltsignalen und dem Wachstum der Pflanze agiert.
Die Arbeit zeigt, wie
At-RS31 durch alternatives Splicing gezielt Wachstums- und Stressantworten
reguliert.
Pflanzen stehen vor der ständigen Herausforderung, zwischen Wachstum und
der Anpassung an ungünstige Umweltbedingungen abzuwägen. Eine aktuelle
Studie unter Leitung von Wissenschaftler*innen der Universität Bielefeld
zeigt, dass das pflanzenspezifische Splicing-Protein At-RS31 eine
Schlüsselrolle in diesem Balanceakt übernimmt.
Dr. Tino Köster und Dr. Martin Lewinski, beide aus der Arbeitsgruppe von
Professorin Dr. Dorothee Staiger an der Universität Bielefeld, sind
Erstautoren der nun im renommierten Fachjournal New Phytologist
veröffentlichten Studie. Die internationale Zusammenarbeit mit
Partner*innen in Wien, Argentinien und Kanada zeigt, wie At-RS31 gezielt
alternative Splicing-Vorgänge steuert – also wie aus einem Gen durch
unterschiedliche Schnittmuster verschiedene Proteinvarianten entstehen.
At-RS31 als zentraler Regulator
Dabei wirkt At-RS31 keineswegs im Verborgenen. Die Forschenden nutzten
hochauflösende Methoden wie iCLIP und RNAcompete, um die exakten
Bindestellen des Proteins im Erbgut der Modellpflanze Arabidopsis thaliana
zu kartieren. Das Ergebnis: At-RS31 bindet an über 1.400 Gene – darunter
viele, die das Wachstum über den sogenannten TOR-Signalweg regulieren und
solche, die an Stressantworten über das Phytohormon Abscisinsäure (ABA)
beteiligt sind.
„Diese Bindemuster zeigen, dass At-RS31 nicht nur einzelne Gene
beeinflusst, sondern tiefgreifend in die pflanzliche Genregulation
eingreift“, erklärt Dorothee Staiger. „Besonders spannend ist, dass sich
bei einer Überexpression von At-RS31 die Stressreaktion der Pflanzen stark
verstärkt – auf Kosten des Wachstums.“
Ein molekularer Schalter zwischen Wachstum und Stressantwort
At-RS31 wirkt also wie ein molekularer Schalter: Unter günstigen
Bedingungen fördert es Wachstum, bei Stress wie Trockenheit aktiviert es
Schutzprogramme. Gleichzeitig beeinflusst es auch die Produktion anderer
Splicing-Faktoren – ein Hinweis auf ein hierarchisches Regelsystem
innerhalb der Zelle.
Die Studie verdeutlicht, wie wichtig alternatives Splicing für die
Anpassungsfähigkeit von Pflanzen ist. Anders als bisher angenommen,
fungieren Serin/Arginin-reiche Proteine wie At-RS31 nicht nur als
technische Helfer des Splice-Vorgangs, sondern als aktive Regulatoren
komplexer Genprogramme.
Neben den Erkenntnissen zur molekularen Pflanzenbiologie sehen die
Forschenden auch potenzielle Anwendungen für die Landwirtschaft. „Ein
besseres Verständnis dieser Regulationsmechanismen kann helfen,
Nutzpflanzen robuster gegenüber klimatischen Stressfaktoren zu machen“, so
Staiger. Mit ihrer Arbeit trägt das Team aus Bielefeld zum tieferen
Verständnis pflanzlicher Anpassungsstrategien bei – und zeigt, wie
molekulare Grundlagenforschung konkrete Impulse für zukünftige
Herausforderungen in der Pflanzenzucht liefern kann.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof’in Dr. Dorothee Staiger, Universität Bielefeld
Fakultät für Biologie,
Telefon 0521 106-5598 (Sekretariat)
E-Mail: dorothee.staiger@uni-bielefeld
Originalpublikation:
Koester, Tino; Venhuizen, Peter; Lewinski, Martin; Petrillo, Ezequiel;
Marquez, Yamile; Fuchs, Armin; Ray, Debashish; Nimeth, Barbara; Riegler,
Stefan; Franzmeier, Sophie; Rodríguez, Florencia; Tognacca, Rocío;
Aballay, Federico; Zheng, Hong; Hughes, Timothy; Morris, Quaid; Barta,
Andrea; Staiger, Dorothee; Kalyna, Maria: „At-RS31 orchestrates
hierarchical cross-regulation of splicing factors and integrates
alternative splicing with TOR-ABA pathways“. Veröffentlicht in New
Phytologist am 26.05.2025. https://doi.org/10.1111/nph.70