„Happiness Gap“ zwischen Ost und West schrumpft: 30 Jahre nach dem Mauerfall sind die Deutschen zufriedener denn je
Die allgemeine Lebenszufriedenheit der Deutschen erreichte 2018 ihren
Höchstwert, sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern. Doch
auch 30 Jahre nach dem Mauerfall ist das Zufriedenheitsgefälle zwischen
Ost und West nicht ganz verschwunden.
In der aktuellen Ausgabe des von GESIS herausgegebenen Informationsdienst
Soziale Indikatoren (ISI 64) zeigen Maximilian Priem (DIW Econ GmbH),
Franziska Kaiser (Weltorganisation für Geistiges Eigentum) und Jürgen
Schupp (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin) auf, wie sich
die Zufriedenheit der Deutschen in unterschiedlichen Lebensbereichen seit
der Wiedervereinigung entwickelt hat, und welche Sorgen die Menschen in
Ost und West besonders beschäftigten.
Die Analyse der selbstberichteten Lebenszufriedenheit in Deutschland seit
der Wiedervereinigung basiert auf der vom Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) in Zusammenarbeit mit Kantar Public erhobenen
Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP). Die Daten dokumentieren
eine heterogene Entwicklung in unterschiedlichen Lebensbereichen: Während
sich die Zufriedenheit zwischen Ost- und Westdeutschen in den Bereichen
Wohnung, Freizeit, Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung in den letzten
Jahren vollständig angeglichen hat, sind Ostdeutsche 2018 noch immer
unzufriedener mit ihrer Arbeit und dem Haushaltseinkommen und sorgen sich
stärker um ihre persönliche Gesundheit als die westdeutsche Bevölkerung.
Betrachtet man die Angaben zu Sorgen in verschiedenen Bereichen, so
äußerten sich die Menschen in Ostdeutschland über den gesamten
Untersuchungszeitraum in fast allen Bereichen besorgter als im Westen der
Bundesrepublik. Nur in den Bereichen Umwelt und Klima überstieg die
Besorgnis der Westdeutschen das Niveau der Ostdeutschen geringfügig.
Zwischen 2014 und 2016 verzeichnen die Forschenden in Ost und West einen
extremen Anstieg der Sorgen um Ausländerfeindlichkeit und Kriminalität.
Auch die Sorge um Zuwanderung erreicht in Gesamtdeutschland 2016 ihren
Höhepunkt: 57% der Ostdeutschen und 43% der Westdeutschen machten sich
große Sorgen. Seitdem gingen die Sorgen insgesamt wieder zurück,
hinsichtlich der Sorge um Kriminalität hat die Differenz zwischen Ost und
West seit 2011 aber wieder zugenommen und hält an.
Offenbar hatte das jedoch keine Auswirkungen auf die allgemeine
Lebenszufriedenheit in Deutschland, die zwischen 2014 und 2016 ebenfalls
stark anstieg und 2018 ihren Höhepunkt erreichte. Nachdem die subjektive
Zufriedenheit im Osten nach der Wende deutlich einbrach, holten die neuen
Bundesländer in den 1990ern erkennbar auf. Zu Beginn des neuen
Jahrtausends stagnierte der Angleichungsprozess, bis das Ost-West-Gefälle
ab 2008 wieder schrumpfte. Seit 2016 ist die Differenz in der
Lebenszufriedenheit gleichbleibend gering, doch noch immer statistisch
signifikant.
Mithilfe multivariater Regressionsanalysen wollten die Forschenden
ermitteln, ob dieser noch immer bestehende „Happiness Gap“ zwischen Ost
und West auf strukturelle Unterschiede (z.B. Differenzen in den
soziodemografischen Merkmalen des Alters, des Familienstands oder
Haushaltstyps) in den neuen Bundesländern zurückzuführen ist, oder ein
nicht näher identifizierbarer Effekt kulturell östlicher Prägung
existiert. Mit dem Ergebnis: Auch die multivariate Analyse mit
Kontrollvariablen wie Alter, Erwerbsstatus, Einkommen oder Bildung belegt
einen klaren Trend der Angleichung. Dennoch bleibt auch hier eine sehr
kleine Differenz von 0,12 Punkten auf der 11-stufigen Zufriedenheitsskala.
Zur aktuellen Ausgabe (ISI 64):
https://www.gesis.org/fileadmi
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