Botschafter der Vielfalt: Vergessene Gemüsesorten bereichern ab Juni in Berlin Anbau und Ladenregale
Purple Plum, Rundes Gelbes und Crimson Globe erleben im Forschungsprojekt
der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE), der
Humboldt-Universität zu Berlin und dem Verein zur Erhaltung und
Rekultivierung von Nutzpflanzen VERN e.V. eine kleine Renaissance. Passend
zum Welttag der biologischen Vielfalt am 22. Mai 2020 verkündet das
Forschungsteam die Einführung der ersten sechs Gemüsesorten, die bis vor
wenigen Jahren noch in Genbanken schlummerten.
Im Hofladen der Domäne Dahlem in Berlin werden sie ab Juni zu finden sein:
Purple Plum, Rundes Gelbes und Crimson Globe. Sie gehören zu jenen Sorten,
die bereits vor hundert Jahren angebaut wurden und über die Jahrzehnte in
Vergessenheit gerieten. Ihre Formen, Farben und Geschmäcker unterscheiden
sich von den heute im Handel allgegenwärtigen Radieschen, Rote Beten und
Bohnen, deren einheitliches Erscheinungsbild die Verbraucherinnen und
Verbraucher gewöhnt sind. „In der Direktvermarktung wollen wir nun
untersuchen, wie diese vergessenen Sorten von den Kundinnen und Kunden
angenommen werden“, sagt Josephine Lauterbach, wissenschaftliche
Projektmitarbeiterin an der HNEE. Hierfür hat sie zusammen mit ihren
Kolleginnen der Humboldt-Universität zu Berlin und dem VERN e.V. ein
Kommunikationskonzept entwickelt, um auf die Besonderheiten der
verschiedenen Sorten im Hofladen hinzuweisen. „Hierbei haben wir uns auf
Infos zur Regionalität und Geschmack konzentriert, da dies die potenzielle
Kundschaft am meisten interessiert“, berichtet die HNEE-Wissenschaftlerin
und bezieht sich auf eine eigene repräsentative Umfrage, die im Vorfeld
der Markteinführung bundesweit durchgeführt wurde.
Sechs der insgesamt 15 ausgewählten Sorten mit denen sich das
Forscherinnenteam intensiver befasst haben, kamen in die engere Auswahl.
Die Auswahl beruht auf dem züchterischen Potenzial, dem Gefährdungsstatus*
sowie dem Anbau- und Vermarktungspotential der einzelnen Sorten, die
aktuell auf den Gemüsebaubetrieben des SaatGut-Erhalter-Netzwerk-Ost
angebaut und weiterführend geprüft werden. „Da wir mit Material aus der
Genbank arbeiten, gibt es mitunter große Unterschiede in Form und Größe
innerhalb der einzelnen Sorten. Das macht den Umgang mit ihnen im Anbau
und im Handel komplizierter. Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher
sind ein einheitliches Aussehen gewohnt“, sagt Annika Grabau,
wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Durch kontinuierlichen Anbau und aufmerksame Selektion während der
Erhaltungszüchtung könne man das jedoch ändern.
Langfristig ist geplant, die vergessenen Gemüsesorten auch in die Filialen
der Bio Company zu bringen, die sich als Partner im Projekt beteiligt.
Aufgrund der Corona-Beschränkungen ist dies in diesem Jahr jedoch noch
nicht möglich gewesen. „In der Schweiz trägt solch eine Kooperation aus
Forschung und Praxis bereits Früchte. Dort hat man es geschafft, durch die
Wiedereinführung von vergessenen Gemüsesorten die Vielfalt auf dem Feld,
im Ladenregal und in der Küche zu erhöhen“, berichtet Josephine
Lauterbach. Mit den Radieschen Purple Plum und Rundes Gelbes, den Rote
Bete Sorten Marner Halanga und Crimson Globe sowie den Buschbohnensorten
Berliner Markthallen und Alte weiße Cottbusser soll ab Juni auf der Domäne
Dahlem der Anfang auch in Deutschland gemacht werden. Begleitet wird die
Markteinführung durch eine Vor-Ort-Befragung der Kundschaft des Hofladens.
„Uns interessiert, welche Erwartungen an die Sorten gestellt werden und
wie die Verbraucherinnen und Verbraucher unser Kommunikationskonzept
wahrnehmen“, fasst Josephine Lauterbach zusammen. Die Ergebnisse sollen
dabei helfen, weitere Gemüsesorten auf den Markt zu bringen und zu
etablieren, um somit langfristig die Sortenvielfalt in der Landwirtschaft
wie auch auf dem eigenen Teller zu steigern.
* siehe: Rote Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen in
Deutschland
Über das Projekt
Das Projekt „Züchterische Erschließung und Nutzbarmachung von
pflanzengenetischen Ressourcen durch on-farm / in-situ Erhaltung und
Positionierung von Produkten im Bio-Lebensmitteleinzelhandel“, kurz
ZenPGR, wird von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung mit
590.637,15 Euro finanziert.
Laufzeit: 1. Dezember 2017 bis 30. November 2020
Kooperationspartner sind die Humboldt-Universität zu Berlin (HU), die
Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE), der Verein zur
Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen (VERN e.V.), der Kultursaat
e.V., das Bundessortenamt, das SaatGut-Erhalter-Netzwerk Ost und die Bio
Company.
Teilnahme am Projekt
Im SaatGut-Erhalter-Netzwerk-Ost arbeiten Samenbau- und Gemüsebaubetriebe
gemeinsam daran, alte Sorten wieder in die Nutzung zu bringen. Den
Samenbaubetrieben kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Sie bringen die
vergessenen Sorten erhaltungszüchterisch in Form und sorgen dafür, dass es
für interessierte Anbauer*innen wieder Saatgut gibt. Das Netzwerk ist
offen für weitere Betriebe, die Interesse am Anbau oder an der
Saatgutvermehrung von alten Sorten haben. Interessierte können im Rahmen
des Projekts an Fortbildungs-Workshops und Feldtagen teilnehmen.
Ansprechpartnerin ist Alexandra Becker (
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