Wie Elektroautos die Energiewende unterstützen sollen
Ein Forschungskonsortium in Magdeburg entwickelt neue Technologien, mit
denen Elektrofahrzeuge künftig helfen sollen, Netzschwankungen
auszugleichen. Unter anderem soll auf diesem Weg auch die Integration
erneuerbarer Energien in die Versorgungsnetze unterstützt werden.
Profitieren würden der Klimaschutz und die Stromkunden.
Mehr Elektromobilität auf den Straßen und eine möglichst umfassende
Energiegewinnung aus regenerativen Quellen: Obgleich der ökologische Umbau
der Mobilitätssysteme und der Energieversorgung auf den ersten Blick eine
positive Nachricht für das Klima ist, entpuppt er sich bei näherer
Betrachtung als Problem für Netzbetreiber und Kunden.
Der Grund liegt in den Risiken für die Versorgungssicherheit und
Netzstabilität, die von der Umstellung auf eine flächendeckende
Stromversorgung mit Energie aus nachhaltigen Quellen ausgehen.
Insbesondere der Anschluss vieler kleiner verteilter Erzeugungsanlagen,
beispielsweise Photovoltaikanlagen, Kleinwindkraftanlagen oder Mini-
Blockheizkraftwerke, kann unsere herkömmlichen und historisch noch nicht
für die schwankende, dezentrale Versorgung ausgelegten Netze überlasten.
Es drohen mögliche Verschlechterungen der Versorgungssicherheit und
letztlich ein möglicher volkswirtschaftlicher Schaden. Kommen nun
vereinzelt Elektrofahrzeuge als zusätzliche Verbraucher hinzu, ist der
Einfluss noch auf einzelne Netzabgänge begrenzt und belastet das
Gesamtsystem nur leicht. Es ist in den nächsten Jahren jedoch mit einem
signifikanten Zuwachs von Elektrofahrzeugen zu rechnen. Sie werden
hauptsächlich im Niederspannungsnetz geladen. Ihr Energiebedarf ist groß
und wird das Stromnetz spürbar weiter unter Druck setzen.
Das Fraunhofer IFF in Magdeburg arbeitet gemeinsam mit seinen Partnern
Krebs‘ engineers GmbH und der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
(OVGU) an einer Lösung für dieses Problem. Geht es nach dem Willen der
Forscherinnen und Forscher, sollen hierfür die Elektrofahrzeuge selbst ein
wichtiger Schlüssel sein. Sie sollen aktiv dabei helfen, das Energienetz
der Zukunft stabil zu halten.
»Bleiben die Netzkapazitäten so wie sie sind, ist ein intelligentes
Lademanagement für die Elektrofahrzeuge unumgänglich. Das eröffnet uns
aber zugleich viele Chancen, die Netze künftig aktiv zu managen und mit
Hilfe der Fahrzeuge und Ladeinfrastrukturen in kritischen Situationen zu
stabilisieren«, sagt Professor Przemyslaw Komarnicki, Energienetzexperte
am Fraunhofer IFF.
Elektrofahrzeuge sollen Energienetz nicht belasten
Gemeint ist damit, dass die Fahrzeuge künftig als steuerbare Lasten im
Netz aktiv sein sollen. Ist aufgrund einer entsprechenden Wetterlage
gerade mehr Energie vorhanden als gebraucht wird, muss diese nicht
verloren gehen, wie es in manchen Situationen aktuell praktiziert wird.
Stattdessen können die Ladezyklen von Elektroautos, die sich zu dem
Zeitpunkt an Ladesäulen befinden, so angepasst werden, dass sie genau dann
geladen werden, wenn ein Überangebot herrscht. Sie fungieren somit als
kleine, dezentrale Pufferspeicher. Umgekehrt können sie Energie aus ihren
Batterien wieder abgeben, wenn gerade zu wenig Strom im Netz vorhanden
ist. Das Prinzip funktioniert umso besser, je mehr Elektroautos vorhanden,
prinzipiell also in solchen Zeiten auch an die Lade- und
Energieinfrastruktur angeschlossen sind.
»Die Batteriespeicherladung der Fahrzeuge kann so in Echtzeit explizit auf
das jeweilige Angebot regenerativer Energien abgestimmt werden. Das
Vorhaben leistet damit einen direkten Beitrag zur Systemintegration der
erneuerbaren Energien«, unterstreicht Professor Komarnicki.
In einem gemeinsamen Forschungsprojekt entwickeln die Fraunhofer-Forscher
deshalb mit Ihren Partnern von Krebs‘ engineers und der OVGU Magdeburg
unter anderem die dafür benötigten intelligenten Lademanagementsysteme,
eine angepasste Standort- und Steuerungsstrategie von Ladesäulen und die
Technik für das bidirektionale Laden der Fahrzeuge.
»Die Arbeiten verlaufen sehr erfolgreich«, so Dr. Christoph Wenge,
Projektleiter am Fraunhofer IFF. »Wir arbeiten Schritt für Schritt unsere
Ziele ab. Dazu gehören auch die erforderlichen Algorithmen zur Bestimmung
der optimalen Rückspeisung, die notwendigen IKT-Konzepte und IKT-
Strukturen oder die Entwicklung verschiedener Anwendungsfälle für die
unterschiedlichen Einsatzstrategien. Das betrifft auch Fragen nach der
Intelligenz der beteiligten Objekte. Wann etwa entscheiden die E-Kfz
selber wann und wie sie laden, und wann wird diese Entscheidung von einer
Zentrale aus getroffen?«.
Auch ÖPNV soll einbezogen werden
Mit ihren Entwicklungen zielen die Forscher nicht allein auf den
Individualverkehr. Vielmehr bieten diese auch die Basis zum skalierten
Einsatz bei der Elektrifizierung des öffentlichen Personennahverkehrs
sowie regionaler Logistikdienste und von Werksverkehren. Hier wären die
die zu erwartenden Ladeleistungen und Batteriekapazitäten noch um ein
Vielfaches höher.
Im Ergebnis soll die Technologie einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz
leisten. Denn durch die lokale, einspeiseorientierte Verwertung von
Ökostrom in der Elektromobilität ist eine deutliche Verbesserung der
Energieeffizienz und Verringerung des CO2-Ausstoßes im Mobilitätssektor
die Folge. Darüber hinaus kann ein Beitrag zur signifikanten Senkung von
Treibhausgasemissionen, Feinstaub sowie der Minderung des Umgebungslärms,
insbesondere des Straßenverkehrslärms in Ballungsräumen, geleistet werden.
Das Projekt unter dem Namen »E-Mobility4GridService« startete im Jahr 2018
und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Es wird vom Ministerium für Umwelt,
Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt aus dem
Förderprogramm KLIMA II - Industrielle Forschung und experimentelle
Entwicklung mit insgesamt 1,7 Mio. Euro gefördert.