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Neue Dünnschicht-Elektroden aus Silizium und Lithium für die
»Forschungsfabrik Batterie«

Deutsche Wissenschaftler wollen im Dachkonzept »Forschungsfabrik Batterie«
neuartige Batterien entwickeln, die bei gleichem Volumen mindestens 70
Prozent mehr Energie für Elektrofahrzeuge und Smartphones speichern können
als herkömmliche Lithium-Ionen-Lösungen.

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
geförderten Kompetenzclusters für Batteriematerialien »ExcellBattMat«1
steuert das Dresdner »ExcellBattMat-Zentrum« (Projekt KaSiLi:
Strukturmechanische Kathodenadaption für Silizium- und Lithiumwerkstoffe)
Schlüsselkomponenten für diese neue Batterie-Generation bei. Die Forscher
von Fraunhofer, TU-Dresden und Leibniz arbeiten seit dem 1. November 2019
gemeinsam an innovativen Batterie-Elektroden, die aus hauchdünnen
Silizium- oder Lithiumschichten bestehen, um hohe Energiedichten zu
erreichen.

REM-Querschnittsaufnahme einer im IWS-Schmelzverfahren hergestellten Lithium-Anode.  © Fraunhofer IWS Dresden
REM-Querschnittsaufnahme einer im IWS-Schmelzverfahren hergestellten Lithium-Anode. © Fraunhofer IWS Dresden

Elektrofahrzeuge sollen mit einer Batterieladung bis zu 700 Kilometer weit
fahren, Smartphones deutlich seltener aufgeladen werden. Dafür wird
»KaSiLi« stehen, das von Dresden aus unter der Federführung des Fraunhofer
Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik IWS im Verbund drei Jahre lang
an neuen Elektroden-Technologien forschen soll. »Dadurch bahnt sich ein
Quantensprung für die Batterietechnik an«, hofft Prof. Christoph Leyens,
Institutsleiter des Fraunhofer IWS und Direktor des Instituts für
Werkstoffwissenschaft der Technischen Universität Dresden. »Diese
disruptive Technologie hat das Potenzial, den Standort Deutschland
deutlich voranzubringen«, meint auch Chemie-Professor Stefan Kaskel von
der TU Dresden, der in Personalunion das »ExcellBattMat-Zentrum« (kurz:
EBZ) am Fraunhofer IWS und das vom BMBF geförderte KaSiLi-Projekt leitet.

Expertise für eine elektromobile Zukunft

In der langen Wertschöpfungskette von der Batteriezelle bis zum fertigen
Elektroauto könne die deutsche Wirtschaft so deutlich an Gewicht gewinnen.
»Letztlich wollen wir eine moderne Batteriezellen-Produktion in
Deutschland etablieren. Dadurch wären wir bei der Wende hin zu
Elektromobilität und zu erneuerbaren Energien weniger als bisher von
Zulieferungen aus Fernost oder den USA abhängig«, betont Kaskel.
Um dies zu erreichen, entwickeln die Dresdner neue Materialien,
Designprinzipien und Verarbeitungstechnologien für die Elektroden in den
kleinsten Energiespeicher-Einheiten eines Akkumulators, die heute meist
als Batteriezellen bezeichnet werden. Wichtige Bauteile in solch einer
Zelle sind Anode und Kathode. Zwischen diesen beiden Polen wandern die
elektrischen Ladungsträger hin und her, wenn eine Batterie geladen wird
oder wenn sie gerade Strom für den Elektromotor in einem E-Auto liefert.
Heute besteht die Anode in einer Lithium-Ionen-Batterie meist aus einem
wenige Mikrometer (Tausendstel Millimeter) dünnen Kupfer-Stromleiter, der
mit einer etwa 100 Mikrometer dicken Grafitschicht bedeckt ist.

Energiedichten von über 1 000 Wattstunden je Liter erreichbar

Diese Graphit-Schicht wollen die Dresdner Chemiker durch weit dünnere
Schichten aus Silizium oder Lithium ersetzen. Diese sollen dann nur noch
rund zehn bis 20 bis 30 Mikrometer messen. Im Labor funktioniert das auch
schon recht gut und sorgt bereits für mehr Energiespeicher-Vermögen.
»Heutige Lithium-Ionen-Akkus kommen auf eine Energiedichte von etwa 240
Wattstunden pro Kilogramm bzw. bis 670 Wattstunden pro Liter«, erklärt
Stefan Kaskel. »Mit unseren Elektroden wollen wir auf deutlich über 1 000
Wattstunden pro Liter kommen«.
Auf dem Weg dahin müssen die Entwickler allerdings nicht nur die Chemie
und die Beschichtungsprozesse für ihre Zellen weiter verbessern, sondern
auch ein mechanisches Problem lösen: Unter dem Mikroskop hat sich gezeigt,
dass die mit Silizium oder Lithium dünn beschichteten Elektroden immer
wieder schrumpfen und sich ausdehnen, wenn die Batterien aufgeladen oder
entladen werden – als ob die Zelle atmen würde. Dies ist allerdings ein
Problem, da die mechanische Belastung die Elektroden durch diese »Atmung«
rasch zerstören kann. Daher experimentieren die Kooperationspartner nun
auch mit winzig kleinen Federn. Dafür arbeiten sie an speziellen Schichten
für die Kathode: »Durch eine spezielle Anpassung ihrer mikroskopischen
Eigenschaften soll diese abfedernde Eigenschaften erhalten und damit
ebenfalls wesentlich zu einer höheren Energiedichte der neuen
Batteriegeneration beitragen«, so Dr. Kristian Nikolowski vom Fraunhofer-
Institut für Keramische Technologen und Systeme IKTS.

Partner von Fraunhofer, TU und Leibniz ziehen in Dresden an einem Strang

Um all diese Technologien in Prototypen zu gießen und schließlich zur
Serienreife zu führen, vereinen die KaSiLi-Partner verschiedene
Forschungsstärken, die einander ergänzen. Das IWS bringt seine Erfahrungen
in der Dünnschicht-Technologie ein. Das Fraunhofer IKTS kümmert sich um
die oxidische Kathodentechnik und deren Skalierung. Das Nanoelektronik-
Labor »NaMLab« der Technischen Universität Dresden (TUD) untersucht mit
speziellen Spektroskopie-Anlagen die neudesignten Anoden. Das Leibniz-
Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) Dresden fokussiert
sich auf die strukturellen Analysen der Elektrodenschichten. Die TUD-
Lehrstühle für anorganische Chemie von Prof. Stefan Kaskel und für
anorganisch-nichtmetallische Werkstoffe von Prof. Alexander Michaelis
übernehmen die Vorlaufforschung für neue Elektroden-Aufbauten.
Außerdem kooperieren diese Dresdner Institute mit den drei anderen
ExcellBattMat-Zentren Deutschlands aus Münster, München und Ulm. Die
Dresdner Forscher agieren dabei als eine Art Hightech-Schmiede für neue
Werkstoffe innerhalb des deutschlandweiten Dachkonzepts »Forschungsfabrik
Batterie«, das zahlreiche Batterie-Förderaktivitäten des BMBFs unter einem
Dach vereint.

Prototypen für Forschungsfertigung in Münster sollen 2022 fertig sein

Bis zum Jahr 2022 wollen die KaSiLi-Partner funktionsfähige Demonstratoren
fertig haben. Danach fließt das neue Batterie-Design in eine
»Forschungsfertigung Batteriezelle« in Münster ein. All dies zielt
letztlich darauf, eine eigene Großproduktion von Batteriezellen in der
Bundesrepublik aufzubauen. Dies soll die Wettbewerbsfähigkeit von
Elektroautos »Made in Germany« verbessern und Arbeitsplätze in Deutschland
sichern.

Über die Technische Universität Dresden

Die Technische Universität Dresden ist eine der Spitzenuniversitäten
Deutschlands und Europas: stark in der Forschung, erstklassig in der
Vielfalt und der Qualität der Studienangebote, eng vernetzt mit Kultur,
Wirtschaft und Gesellschaft. Als moderne Universität bietet sie mit ihren
fünf Bereichen in 18 Fakultäten ein breit gefächertes wissenschaftliches
Spektrum wie nur wenige Hochschulen in Deutschland. Sie ist die größte
Universität Sachsens. Die große Campus-Familie der TU Dresden setzt sich
zusammen aus rund 32 400 Studierenden und ca. 8 300 Mitarbeitern – davon
600 Professoren. Die TU Dresden ist seit 2012 eine der elf
Exzellenzuniversitäten Deutschlands. Am 19. Juli 2019 verteidigte sie
diesen Titel erfolgreich.

Save the date: MATERIALS FOR ENERGY
Das Fraunhofer IWS veranstaltet am 18. und 19. November 2019 die Workshops
»Carbon Electrode Materials« und »Lithium-Metal-Anodes: Processing and
Integration in Next-Generation Batteries« in Dresden.
Mehr Infos: https://www.iws.fraunhofer.de/materials-for-energy