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Safe2Land ist schon jetzt auf einem Tablet-PC verfügbar  FernUniversität
Safe2Land ist schon jetzt auf einem Tablet-PC verfügbar FernUniversität

Mit ihrem „Innovation Award“ hat eine Luftfahrt-Fachzeitschrift das Team
von Wolfram Schiffmann, Professor für Rechnerarchitektur an der
FernUniversität in Hagen, für seinen Notlande-Assistenten ELA
ausgezeichnet. Für den an seinem Lehrgebiet entwickelten „Engine-out
Emergency Landing Assistant“ (ELA) votierten in der Kategorie „Sonderpreis
Aviation“ 39,7 Prozent der teilnehmenden Leserinnen und Leser des
„aerokurier“. Wenn es zum Komplettausfall des Flugzeugantriebs kommt, kann
das Notlandeassistenzsystem Pilotinnen und Piloten wirkungsvoll
unterstützen. Es ermittelt einen im Gleitflug erreichbaren Landeplatz und
hilft bei der Steuerung der antriebslosen Maschine dorthin bis zum Boden.

Mit ihrem „Innovation Award“ hat eine Luftfahrt-Fachzeitschrift das Team
von Wolfram Schiffmann, Professor für Rechnerarchitektur an der
FernUniversität in Hagen, für seinen Notlande-Assistenten ELA
ausgezeichnet. Für den an seinem Lehrgebiet entwickelten „Engine-out
Emergency Landing Assistant“ votierten in der Kategorie „Sonderpreis
Aviation“ 39,7 Prozent der teilnehmenden Leserinnen und Leser des
„aerokurier“ – erheblich mehr als für die zweitplatzierte Entwicklung. Zur
Wahl gestellt hatte die Redaktion in insgesamt acht Kategorien
Innovationen, die nach ihrer Meinung das Potenzial haben, die Zukunft der
allgemeinen Luftfahrt zu prägen.

„Ob durch ein technisches Problem, Vogelschlag oder Benzinmangel:
Flugzeugmotoren können immer ausfallen!“ sagt Prof. Dr. Wolfram Schiffmann
mit großem Nachdruck. Der Informatik-Professor an der FernUniversität ist
in seiner Freizeit mit Leib und Seele Pilot und Fluglehrer. Wenn es zum
Komplettausfall des Flugzeugantriebs kommt, kann das an seinem Lehrgebiet
Rechnerarchitektur entwickelte Notlandeassistenzsystem Pilotinnen und
Piloten wirkungsvoll unterstützen. Es ermittelt einen im Gleitflug
erreichbaren Landeplatz und hilft bei der Steuerung der antriebslosen
Maschine dorthin bis zum Boden. Der „Emergency Landing Assistant“ (ELA)
und die „Emergency Landing Field Identification“ (ELFI) wurden jetzt um
eine Aircraft-Control-Komponente zu „Safe2Land“ erweitert und können nun
eine Maschine auch bei einem Ausfall der Crew automatisch landen.

Vielfältige Anwendungen für „Safe2Land“

Die Forschenden der FernUniversität entwickelten neue Methoden, um anhand
von Geodaten automatisch Notlandefelder zu identifizieren und Gleitpfade
dorthin sehr effizient zu berechnen. So entstand beispielsweise für
Nordrhein-Westfalen mithilfe künstlicher neuronaler Netze eine Datenbank
mit mehr als 100.000 Notlandefeldern. Mit einem neuen Ansatz zur
Berücksichtigung der Windsituation konnte die Gleitpfad-Berechnung um
sechs Zehnerpotenzen beschleunigt werden, so dass selbst auf einem
handelsüblichen Tablet-PC pro Gleitpfad nur etwa eine Millionstel-Sekunde
benötigt wird. So können während des Fluges permanent alle möglichen
Gleitpfade bestimmt und der beste ausgewählt werden.

„Safe2Land“ wurde sowohl in einem vom Lehrgebiet selbst entwickelten
Forschungsflugsimulator als auch in realen Flugzeugen erfolgreich
getestet. Für künftige Flugzeuge mit Single Pilot Operation (SPO) oder
auch Airtaxis sowie unbemannte Flächendrohen gibt es vielfältige
Anwendungen.

Antriebslos zur Landebahn gleiten

Gefährdet von einem Triebwerksausfall sind nicht nur einmotorige
Maschinen, sondern sogar Passagierflugzeuge (bei denen der Trend weg von
den viermotorigen hin zu sparsameren zweimotorigen Typen geht). Der Pilot
muss in einem solchen Fall seine antriebslose Maschine wie ein
Segelflugzeug zu einer passenden Landebahn gleiten lassen und dort
kontrolliert aufsetzen. Durch eine solche waghalsige, aber alternativlose
Aktion wurde 2009 Chesley „Sully“ Sullenberger berühmt, als er seinen
Airbus mit stehenden Rotoren auf den Hudson River in New York lenkte.

Für Piloten sind solche Situationen purer Stress. Sie müssen innerhalb
kürzester Zeit mit oft unzureichenden Informationen genau die richtigen
Entscheidungen treffen und umsetzen. Viele Rahmenbedingungen und
Einflussgrößen können jedoch oft nur geschätzt werden.

Schon die Entscheidung für einen von mehreren möglichen Landeplätzen ist
äußerst schwierig. Prof. Dr. Wolfram Schiffmann: „Sie ist oft endgültig,
es gibt nur einen Versuch!“ Zudem sind Motorflugzeuge nicht als
Segelflieger konstruiert, ihre Gleitflugeigenschaften unterscheiden sich
im Kurven- und im Geradeausflug erheblich. Insbesondere bei langsam
fliegenden Flugzeugen ist auch die momentane – sich ändernde –
Windsituation zu berücksichtigen.

Optimalen Gleitpfad zum Landeareal finden

Unterstützt werden kann die Crew durch die schnelle Bahnplanung mittels
ELA. Der Notlandeassistent berechnet für jede Landebahn in der näheren
Umgebung vier Gleitpfade und hilft den Piloten, den optimalen Gleitpfad
zum Landeareal zu finden. Ist kein geeigneter Flugplatz erreichbar, kann
auch auf eine Datenbank mit Notlandeplätzen zurückgegriffen werden, die
mittels ELFI identifiziert wurden. Eine Landebahn sollte möglichst
entgegen der Windrichtung ausgerichtet sein. Außerdem muss sie sowohl in
Landerichtung wie auch quer dazu groß genug für das antriebslose Flugzeug
sein. Zu beachten ist auch, dass die Bahn keine Neigung in Längs- und
Querrichtung hat, die für das Flugzeug ungeeignet ist.

Den Gleitpfad hinunter zum Notlandeplatz müssen die Piloten genau
einhalten, damit das Flugzeug in der richtigen Position und mit der
optimalen Geschwindigkeit am Beginn der Landegeraden aufsetzen kann.
Jedoch können Winde Richtung und Geschwindigkeit des Flugzeugs schwer
abschätzbar beeinflussen, durch Böen kann das Flugzeug sogar „schräg im
Wind stehen“. ELA ist jedoch in der Lage, den Gleitpfad permanent neu zu
berechnen: „Unser Verfahren modelliert beliebige Windkonfigurationen und
berechnet selbst bei komplexen Windszenarien in Echtzeit den optimierten
Gleitpfad“, erläutert Schiffmann. „Bisherige Verfahren auf der Grundlage
zykloider Kurven, sogenannter Trochoiden, können dagegen nur eine
konstante Windkomponente berücksichtigen.“

Die Geodaten der Landebahnen erhält ELA von einer Datenbank, die von ELFI
erstellt wurde. Dieser Notlandeplatzfinder nutzt hochgenaue Höhendaten,
die mit der LIDAR-Technologie gemessen wurden. LIDAR steht für „Light
Detection and Ranging“, eine bewährte Messtechnologie, die mit
Laserstrahlen – ähnlich einem Radar – arbeitet. ELFI wertet das
dreidimensionale Oberflächenmodell (Digital Surface Modell) aus und
bestimmt dabei Notlandeflächen, die für die Landung des antriebslosen
Flugzeuges geeignet sind. Zusätzlich werden die Notlandefelder mit
Satellitenbildern mittels künstlicher neuronaler Netzwerke und digitalen
Straßenkarten überprüft, damit z.B. Gräben auf Feldern oder Gewässer nicht
als Landemöglichkeit eingestuft werden.

Hochkomplexe Berechnungen

„Für unsere hochkomplexen Berechnungen haben wir Computersysteme mit
parallel arbeitenden Mehrkernprozessoren eingesetzt, die ihre
Teilergebnisse später zusammengeführt haben“, erläutert Wolfram
Schiffmann. „Obwohl wir nur die Höhendaten für eine begrenzte Anzahl von
Landerichtungen abgetastet und jeweils geprüft haben, ob die Landeplätze
bzgl. Größe und Neigungen geeignet sind, fielen gewaltige Datenmengen an.
Bei der Ermittlung von Notlandefeldern allein im Raum Hagen etwa mussten
ettliche Gigabytes ausgewertet werden.“

„Safe2Land“ mit Autopilot erprobt

In seiner Masterarbeit hat ein FernUni-Student am Lehrgebiet
Rechnerarchitektur „Safe2Land“ in ein unbemanntes Modellflugzeug mit 1,4
Metern Spannweite und 1,5 Kilogramm Abflugmasse integriert. Wesentlicher
Bestandteil seiner Arbeit ist ein von ihm entwickelter Regler, der das
Fluggerät entlang der von „Safe2Land“ geplanten Notlandebahn führt.

Die abschließende Analyse von Flugdaten aus Simulationen und einem realen
Flugversuch stellte die hohe Genauigkeit des automatisierten Gleitfluges
unter Beweis. Selbst bei simulierten Turbulenzen wich die Position im
Endanflug weniger als 25 Zentimeter in der Horizontalen und weniger als
fünf Zentimeter in der Vertikalen von den vorausberechneten Werten ab. Und
auch bei einem realen Testflug landete das von Safe2Land gesteuerte
Flugmodell unbeschadet auf einer Wiese.