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Auf dem Weg zur Supraschmierung spielen extrem harte »Diamor«-Schichten auf Kohlenstoff-Basis eine Schlüsselrolle.  © Jürgen Jeibmann/Fraunhofer IWS Dresden
Auf dem Weg zur Supraschmierung spielen extrem harte »Diamor«-Schichten auf Kohlenstoff-Basis eine Schlüsselrolle. © Jürgen Jeibmann/Fraunhofer IWS Dresden

»Prometheus« und »Chephren«: Fraunhofer IWS arbeitet an Maschinen, die
kaum noch Energie als Abwärme vergeuden

Damit Elektrofahrräder künftig mit einer Akkuladung weiter kommen als
bisher und Industriemaschinen nicht mehr so viel Strom in Form von Reibung
und Abwärme vergeuden, arbeitet das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und
Strahltechnik IWS Dresden gemeinsam mit Industrie- und Forschungspartnern
an nahezu reibungsfreien Motoren und Getrieben. Im Rahmen der
Verbundprojekte »Prometheus« und »Chephren« wollen die Forschenden durch
verbesserte superharte Kohlenstoffbeschichtungen die Energie- und
Ökobilanz von Autos und anderen Maschinen deutlich verbessern.

Die wirtschaftlichen, technischen und ökologischen Potenziale sind
erheblich: Beim konsequenten Einsatz von »Supraschmierung« in Motoren und
Getrieben von Autos, Bussen und Lastkraftwagen sowie im allgemeinen
Maschinenbau könnte der globale CO2-Ausstoß um mehrere hundert Millionen
Tonnen pro Jahr sinken. Verschleißschäden sowie Wartungs- und
Schmiermittelkosten würden sich deutlich verringern. »Technologische
Fortschritte, insbesondere mit extrem gleitfähigen Kohlenstoffschichten,
sollen es nun endlich ermöglichen, Reibung fast vollständig aus
technischen Systemen zu verbannen«, betont Dr. Volker Weihnacht, der am
Fraunhofer IWS die Abteilung für Kohlenstoffschichten leitet. »Wir wollen
dabei besonders umweltfreundliche Schmierstoffe einsetzen. Miteinander
kombiniert können diese Technologien einen wichtigen Beitrag leisten,
damit Fahrzeuge und andere Maschinen effizienter arbeiten und weniger
Ressourcen verschwenden.«

Infobox - Laser-ArcTM und Diamor
Auf dem Weg zur Supraschmierung spielen extrem harte »Diamor«-Schichten
auf Kohlenstoff-Basis eine Schlüsselrolle. Das Fraunhofer IWS hat diese
Technologie sowie die dafür nötigen Anlagen über viele Jahre hinweg
entwickelt und verbessert. Dabei platziert der Maschinenbediener die
Bauteile in Vakuumkammern von Laser-ArcTM-Anlagen, die mit
Vakuumlichtbögen arbeiten. Darin entzündet ein Laser an Graphit-Elektroden
ein Plasma aus heißen Ionen und Elektronen. Elektrische und magnetische
Felder lenken diese feine Wolke aus geladenen Kohlenstoffteilchen auf das
Bauteil. Auf dessen Oberfläche entsteht dann eine wenige Mikrometer
(Tausendstel Millimeter) dünne Schicht aus »tetraedrisch amorphem«
Kohlenstoff, abgekürzt ta-C. Diese Schichten sind sehr hart und nach einer
mechanischen Politur auch sehr glatt. Sie ähneln Diamanten – daher auch
der Name Diamor.

»Prometheus«-Tech für weniger CO2-Ausstoß am »Verbrenner«
Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt »Reibungs-
Optimierung von Motoren durch Einsatz von triboaktiven
Hochleistungskohlenstoff- sowie Eisenbasisschichten und Schmierstoffen«
(»Prometheus«) baut auf der Kohlenstoff-Schichttechnologie des Fraunhofer
IWS auf und zielt auf besonders effiziente ultraschmierende Motoren für
Autos, Busse und Lastkraftwagen sowie sehr reibungsarme Gasmotoren. Die
Partner im Konsortium repräsentieren daher auch einen breit gefächerten
Ausschnitt der deutschen Industrie und industrienahen Forschung. Dazu
gehören neben dem Konsortialführer Federal Mogul und dem Fraunhofer IWS
beispielsweise BMW, MAN, MTU, Fuchs Schmierstoffe, VTD Vakuumtechnik
Dresden und die TU Dresden.

Das Konzept: Die Ingenieure versetzen die bereits reibungsarmen Diamor-
Schichten im Motor zusätzlich mit Fremdatomen zum Beispiel aus Molybdän
oder Bor. Dafür ersetzen sie beim Vakuumbogen-Verdampfen die bisherigen
reinen Graphit- mit neuen Komposit-Elektroden. Im Motor verbinden sich die
Dotiermaterialien dann chemisch mit bestimmten Schmierstoffmolekülen und
erzeugen im laufenden Betrieb ultraschmierende Grenzflächen. Im Vergleich
zu heutigen Lösungen sollen sie die Reibung im Motor halbieren. Die
Forschungsgruppe schätzt, dass reibungsärmere Motoren allein in
Deutschland jährlich bis zu zwei Terrawattstunden Energie und damit rund
520 Kilotonnen CO2 einsparen könnten. Das entspricht in etwa der Energie,
die 800 000 Zweipersonenhaushalte in einem Jahr verbrauchen. Die ersten
ultraschmierenden Prometheus-Motoren treiben voraussichtlich ab etwa 2025
Serienfahrzeuge an.

»Mit heutigen Schmierstoffen ist allerdings noch keine Supraschmierung in
Verbrennungsmotoren möglich«, räumt Volker Weihnacht ein. »Aber wir sind
zuversichtlich, dass sich das in Zukunft mit besonders umweltfreundlichen
neuen Schmierstoffen auf Basis von Fettsäuren oder Wasser ändert.«

Infobox - Ultraschmierung und Supraschmierung
Durch »Ultraschmierung« lassen sich die Reibungsverluste in
Verbrennermotoren im Vergleich zum heutigen Stand der Technik halbieren.
Der Reibungskoeffizient liegt dann zwischen 0,01 und 0,05. Das entspricht
etwa der Reibung von ganz glattem Stahl, der auf Eis rutscht.

Von »Supraschmierung« sprechen Fachleute dagegen erst, wenn der
Reibungskoeffizient unter 0,01 sinkt. Um das zu veranschaulichen, kann man
sich einen fünf Tonnen schweren Elefanten vorstellen, der auf einer Platte
steht. Ist diese suprageschmiert, könnte ein Mensch diesen Elefanten
mühelos davonschieben.

»Chephren«: Auf dem Weg zur reibungsfreien Maschine
Das noch junge Verbundprojekt für die »Chemisch-Physikalische Reduzierung
der ReibungsENergie« (»Chephren«) geht noch einen Schritt weiter als
Prometheus und zielt auf eine echte »Supraschmierung« ab. Der Fokus liegt
hier weniger auf Verbrennungsmotoren, sondern auf jeglichen technischen
Systemen. Dazu gehören beispielsweise die Getriebe und Lager
batterieelektrischer Autos und Fahrräder ebenso wie Antriebsketten von
Mähdreschern oder die Vielzahl der beweglichen Komponenten in
Werkzeugmaschinen. Um bis zur Supraschmierung vorzustoßen, wollen die
Partner bessere Schmierstoffe einsetzen, vor allem aber die Qualität der
Kohlenstoffschichten noch einmal deutlich verbessern. In Zukunft sollen
diese Schichten selbst ohne Nachpolierschritte frei von Defekten und
Unebenheiten sein. Bisher entstehen solche Rauheiten noch durch
unerwünschte Nebeneffekte bei der Lichtbogenverdampfung: Neben dem feinen
Plasma, das nur einzelne Ionen und Elektronen enthält, löst die
Bogenentladung auch mikrometergroße Kohlenstoffstücke aus den Elektroden.
Die erzeugen dann eine zwar mikroskopisch kleine, aber eben nicht
superglatte Hügellandschaft auf dem Bauteil. Dagegen entwickelt das
Fraunhofer IWS nun im Zuge des »Chephren«-Projekts neue Plasma-
Superfilter: Statt das Plasma von der Elektrode direkt auf die Bauteile zu
schießen, bewegt sich das entzündete Gemisch aus Plasma und Partikeln
zunächst in eine andere Richtung der Vakuumkammer. Elektrische Felder
lenken dann nur die geladenen Teilchen – eben die feinverteilten Ionen im
Plasma – zum Ziel, während die größeren, ungeladenen Partikel in eine
andere Richtung fliegen.

Etwa gegen Ende des Jahrzehnts sollen die supraschmierenden
»Chephren«-Bauteile serienreif sein. Bereits jetzt ist das Interesse aus
der Wirtschaft groß. Das lässt sich auch an der breiten Beteiligung am
Verbundprojekt ablesen. Mit an Bord sind unter anderen BMW, WITTENSTEIN
SE, VTD Vakuumtechnik Dresden, IWIS München und Fuchs Schmierstoffe aus
Mannheim sowie als Fördermittelgeber das Bundeswirtschaftsministerium.

Tribologische Ehrung für Wissenschaftler des Fraunhofer IWS
Auch in der wissenschaftlichen Fachwelt stoßen die Dresdner Fortschritte
in der angewandten Reibungslehre (»Tribologie«) auf große Resonanz. Ein
Beispiel: Den renommierten »GfT Förderpreis 2021« der Gesellschaft für
Tribologie in der Kategorie Dissertation erhält in diesem Jahr Dr. Stefan
Makowski, Gruppenleiter für Schichtcharakterisierung im Fraunhofer IWS. In
seiner Promotion hatte Makowski die Wechselwirkung von tetraedrisch
amorphen Kohlenstoffschichten mit fettsäurebasierten Schmierstoffen
untersucht. Damit trug er zu einem tieferen Verständnis von
Supraschmierung und tribochemischem Verschleiß bei, die in den Projekten
»Prometheus« und »Chephren« eine Schlüsselrolle spielen.