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Hohe 30-Tage-Sterblichkeit nach Herzinfarkt: Kein Rückschluss auf Versorgungsmängel in Deutschland

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Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD) versterben in Deutschland rund 8,5% der Patient:innen,
die wegen eines akuten Herzinfarkts im Krankenhaus aufgenommen werden,
dort innerhalb von 30 Tagen. Der OECD-Durchschnitt liegt mit 6,9% deutlich
niedriger. Dabei nimmt Deutschland in Europa einen Spitzenplatz bei den
Gesundheitsausgaben und der Verfügbarkeit von kardiologischen Verfahren
ein. Ein Team von Wissenschaftler:innen der Medizinischen Fakultät der
Universität Duisburg-Essen und der Universitätsmedizin Essen hat diese
widersprüchliche Situation nun genauer untersucht und festgestellt: Die
Situation ist besser als die Zahlen vermuten lassen.

In einem durch die Deutsche Herzstiftung e.V. geförderten Projekt konnten
sie zeigen, dass die Unterschiede in der 30 Tages-Krankenhaussterblichkeit
im Wesentlichen durch Artefakte hervorgerufen werden. Damit sind Faktoren
gemeint, die die Berechnung der Sterblichkeit - aber nicht die
Patientenversorgung beeinflussen. Aussagekräftige Rückschlüsse auf die
Versorgungsqualität können daher nur sehr eingeschränkt gezogen werden.

„In den Niederlanden und skandinavischen Ländern liegt die Sterblichkeit
von Patient:innen, die wegen eines akuten Herzinfarkts in ein Krankenhaus
aufgenommen wurden, zwischen 3 und 4,5 Prozent, das heißt, sie ist nur
etwa halb so hoch wie in Deutschland“, erklärt Dr. Susanne Stolpe,
Erstautorin der kürzlich in „Clinical Research in Cardiology“
veröffentlichten Studie. „Bisher wurde diese vergleichsweise hohe 30-Tages
Krankenhaussterblichkeit nach Herzinfarkt in Deutschland als Hinweis auf
Mängel in der Akutversorgung und der Effizienz des deutschen
Gesundheitswesens gewertet.“ Die Essener Epidemiolog:innen haben
verschiedene Daten gesammelt, um die Lage tiefergreifend analysieren zu
können. Dabei zeigte sich, dass gesundheitliche Risikofaktoren (z.B.
Häufigkeit des Rauchens in den verschiedenen Ländern) und
Begleiterkrankungen der Patienten, aber auch Unterschiede in der
leitliniengerechten Behandlung die großen Unterschiede in der
Krankenhaussterblichkeit nach akutem Herzinfarkt in den europäischen
Ländern nicht erklären konnten. Wichtiger waren Unterschiede in der
Registrierung von Patient:innen bei der Krankenhausaufnahme und
Unterschiede in den Strukturen der Gesundheitssysteme in den miteinander
verglichenen europäischen Ländern.

„Gerade in der Registrierung von Patient:innen und der Organisation der
Gesundheitsversorgung konnten wir erhebliche Unterschiede feststellen. Das
führt bei der Berechnung der Krankenhaussterblichkeit zu verzerrten
Ergebnissen“, so Prof. Dr. Andreas Stang, Leiter des Instituts für
Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE) in Essen.
Zwei Faktoren fallen besonders ins Gewicht. „Zum einen spielt die
Nichterfassung von Tagesfällen, also Herzinfarktpatient:innen mit einem
nur sehr kurzen Klinikaufenthalt, eine große Rolle. In den Niederlanden
gehen diese Personen z.B. nicht in die Berechnung ein. Zum anderen werden
Patient:innen für die Akutbehandlung eines Herzinfarkts in Deutschland
seltener verlegt als z.B. in skandinavischen Ländern. Beides führt zu
einer niedrigeren berechneten Krankenhaussterblichkeit.“ In Deutschland
ist die Verlegungshäufigkeit von Patient:innen mit akutem Herzinfarkt
geringer, weil eine Katheteruntersuchung und das Einsetzen von Stents in
vielen Krankenhäusern möglich ist.
Das Autor:innenteam ist deshalb der Meinung, dass der bei der OECD für
Deutschland bereitgestellte Indikator zur Krankenhaussterblichkeit nach
Herzinfarkt (‚AMI 30-day mortality using unlinked data‘) keine validen
Rückschlüsse auf die Qualität der Gesundheitsversorgung zulässt.

Originalpublikation:
OECD indicator ‘AMI 30-day mortality’ is neither comparable between
countries nor suitable as indicator for quality of acute care | Clinical
Research in Cardiology
https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00392-023-02296-z.pdf?pdf=button%20sticky

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