Verengte Aortenklappe: Herzklappenersatz per Katheter oder chirurgisch?
Eine verkalkende Verengung der Aortenklappe ist im Alter häufig.
Unbehandelt kann sie lebensbedrohlich werden. Aktuelle Daten der DEDICATE-
Studie erleichtern die Wahl, welcher Behandlungsweg einen effektiven und
sicheren Klappenersatz ermöglicht. Die Herzstiftung ordnet die Ergebnisse
ein.
Erkrankungen der Herzklappen nehmen mit höherer Lebenserwartung der
Bevölkerung an Häufigkeit zu. Jährlich kommt es zu rund 97.000
Klinikeinweisungen wegen Herzklappenerkrankungen (Deutscher Herzbericht
2022). Vor allem die verkalkende Verengung (Stenose) der Aortenklappe
steht dabei im Vordergrund. Sie ist eine typische Erkrankung des höheren
Lebensalters. Für den Aortenklappenersatz stehen die kathetergeführte
Aortenklappen-Implantation (TAVI = Transcatheter Aortic Valve
Implantation) und die chirurgische Methode (meist mit Öffnung des
Brustkorbs) zur Verfügung. Allein im Jahr 2021 wurden laut Deutschem
Herzbericht isoliert mehr als 23.100 TAVI und über 7.500 Eingriffe der
Aortenklappenchirurgie durchgeführt. „Die medizinische Entwicklung auf dem
Gebiet des Aortenklappenersatzes in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat
wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Überlebensprognose und die
Lebensqualität von Patienten mit einer Aortenklappenstenose verbessert
haben“, betont der Kardiologe und Vorstandsvorsitzende der Deutschen
Herzstiftung Prof. Dr. Thomas Voigtländer. „Die DEDICATE-Studie zeigt nach
einem Jahr Vorteile für die Patienten, die mit einer TAVI versorgt wurden.
Die Patienten, die in die DEDICATE-Studie eingeschlossen wurden, werden in
den nächsten Jahren weiter beobachtet. Sollten sich die Ergebnisse auch im
Langzeitverlauf bestätigen, wird bei zunehmend mehr Patienten das
kathetergestützte Verfahren zum Einsatz kommen können.“
Die kürzlich publizierte und von der Deutschen Herzstiftung mitfinanzierte
DEDICATE-Studie könnte hier künftig bei der Entscheidungsfindung helfen
und somit für mehr Sicherheit für die Patienten sorgen. „Da das TAVI-
Verfahren in Deutschland sowohl von Kardiologen als auch von Herzchirurgen
durchgeführt wird, sind die sehr guten Ergebnisse auch ein Ausdruck der
erfolgreichen Arbeit unserer Heart-Teams“, berichtet Herzchirurg Prof. Dr.
Volkmar Falk vom Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) Berlin. Prof.
Falk hat die DEDICATE-Studie aktiv begleitet und geprägt. Die Herzstiftung
liefert zu den Ergebnissen der Studie eine Stellungnahme unter
https://herzstiftung.de/aorten
Altersgrenze für TAVI in der Diskussion
Viel diskutiert wird in den herzmedizinischen Fachgesellschaften, in
welchen Fällen und vor allem in welchem Alter eine Operation am besten
geeignet ist und wann eine TAVI vorteilhaft ist. Bei älteren Patienten (ab
75 Jahre) mit hochgradiger Aortenklappenstenose sowie bei Patienten mit
einem hohen operativen Risiko gilt zum Beispiel inzwischen die TAVI als
das Behandlungsverfahren der ersten Wahl. Allerdings wird unter
Kardiologen und Herzchirurgen weiter intensiv die Frage diskutiert, wann
dieses Verfahren für Patienten mit niedrigem Operationsrisiko und mit
jüngerem Alter zu empfehlen ist.
Studie mit Unterstützung der Herzstiftung
Primär zielte diese in Deutschland durchgeführte Studie darauf ab, zu
prüfen, ob zwischen beiden Verhandlungsverfahren – TAVI oder Operation –
Unterschiede hinsichtlich der Sterblichkeit (Tod jedweder Ursache) sowie
dem Auftreten nicht-tödlicher Schlaganfälle bestehen. Denn speziell bei
der TAVI wird befürchtet, dass es durch gelöste Trümmer der Stenose beim
Einsetzen der neuen Klappe zu einer Embolie und einem Schlaganfall kommen
könnte. Die Studie war eng zwischen Kardiologen und Herzchirurgen
abgestimmt. Geleitet haben die DEDICATE-Studie der Kardiologe Prof. Dr.
Stefan Blankenberg vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und der
Herzchirurg Prof. Dr. Jochen Cremer vom Universitätsklinikum Schleswig-
Holstein, Campus Kiel. „Die Studie hat erstmals die medizinische
Routinebehandlung der Aortenklappenstenose gespiegelt und besitzt daher
einen besonders hohen Wert für die klinische Versorgung im Alltag“, betont
Studienleiter Prof. Blankenberg. „Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass
diese Studie dank der Förderung durch das Deutsche Zentrum für Herz-
Kreislauf-Forschung und die Deutsche Herzstiftung – anders als
vergleichbare Studien in den USA – unabhängig und ohne Sponsoring von den
Herstellern der Herzklappen durchgeführt werden konnte“, unterstreicht
Prof. Falk.
TAVI auch bei Jüngeren mit niedrigem OP-Risiko nicht unterlegen
Insgesamt haben 1414 Patienten ab einem Alter von 65 Jahren mit
hochgradiger symptomatischer Aortenklappenstenose an der Studie
teilgenommen, die auch von der Herzstiftung mit unterstützt wurde. Das
Operationsrisiko der Studienteilnehmer war generell als eher gering
eingestuft worden. Nach dem Zufallsprinzip erhielten die Patienten dann
entweder mit dem TAVI-Verfahren oder chirurgisch eine neue Aortenklappe.
Die Kliniken waren in der Entscheidung frei, welchen Klappentyp sie
verwendeten. Beide Patienten-Gruppen unterschieden sich nicht in der
Geschlechtsverteilung, in der klinischen Ausgangssituation und im
Schweregrad der Stenose. Auch die Altersverteilung war ähnlich. Aktuell
wurden nun die Ergebnisse aus dem ersten Jahr nach dem Eingriff
vorgestellt. Danach war die TAVI der offenen Chirurgie auch bei jüngeren
Patienten mit einem niedrigen Operationsrisiko nicht unterlegen.
Weniger Todesfälle in der TAVI-Gruppe
So lag die Häufigkeit des kombinierten Studienendpunktes von Tod und
Schlaganfall in der chirurgischen Gruppe bei 10 Prozent und in der TAVI-
Gruppe bei 5,4 Prozent. Wurden nur die Todesfälle allein betrachtet,
starben in der chirurgisch behandelten Gruppe 6,4 Prozent der Patienten
und in der kathetertechnisch behandelten Gruppe nur 2,6 Prozent der
Patienten. Auch die Häufigkeit von Schlaganfällen war in der chirurgisch
behandelten Gruppe deutlich höher (4,7 Prozent versus 2,9 Prozent). Neu
aufgetretenes Vorhofflimmern wurde zudem bei 12,4 Prozent der Patienten
nach TAVI und bei 30,8 Prozent der Patienten nach Operation festgestellt.
„Die Behandlung der Aortenklappenstenose mittels TAVI sollte nun auch für
jüngere Patientinnen und Patienten in Erwägung gezogen werden. Die
exzellenten Ergebnisse der TAVI-Behandlung wurden in den hervorragenden
Strukturen erzielt, in welchen diese in Deutschland derzeit stattfindet“,
sagt Studienleiter Prof. Blankenberg.
TAVI hatte auch Nachteile
Die bemerkenswert günstigen Ergebnisse in der kathetertechnisch
behandelten Patientengruppe wurden allerdings auch von einigen Nachteilen
begleitet: In der TAVI-Gruppe waren zum Beispiel doppelt so viele
Schrittmacherimplantationen notwendig wie in der chirurgischen (11,8
Prozent versus 4,7 Prozent). Auch Gefäßkomplikationen waren in der TAVI-
Gruppe deutlich häufiger als in der chirurgischen (7,9 Prozent versus 0,7
Prozent).
Fazit:
Zumindest im ersten Jahr nach Durchführung des Eingriffs scheint die
kathetertechnische Implantation der Aortenklappe vorteilhafter als eine
chirurgische Maßnahme zu sein – auch mit Blick auf die schnellere Rückkehr
in den Alltag. Die weitere Beobachtung der Patienten wird zeigen, ob die
Überlegenheit auch während der nachfolgenden Jahre bestehen bleibt.
Definitive Aussagen sollen dazu die 5-Jahres-Daten von DEDICATE
ermöglichen.
Weitere Studien sind zudem nötig, um zu klären, ob sich die Daten auch auf
Patienten mit bikuspider Aortenklappe (betrifft etwa zwei Prozent der
Bevölkerung) übertragen lassen. Diese waren von der Studienteilnahme
nämlich ausgeschlossen. Die bis heute vorliegenden Beobachtungen über bis
zu zehn Jahre nach Aortenklappenersatz zeigen bislang keinen eindeutigen
Unterschied in der Klappenhaltbarkeit zwischen den beiden Implantations-
Verfahren.
(Ne/Wi)
Quellen
1) DEDICATE: Transcatheter or Surgical Treatment of Aortic-Valve Stenosis;
DOI: 10.1056/NEJMoa2400685
2) Another Early Win for TAVI in Low-Risk Patients; DOI:
10.1056/NEJMe2402934
Stellungnahme der Deutschen Herzstiftung zur DEDICATE-Studie:
https://herzstiftung.de/aorten
Info-Service für Herzklappen-Patientinnen und -patienten
Infos rund um die Ursachen, Symptome, Diagnostik und Therapie der
Aortenklappenstenose:
https://herzstiftung.de/aorten
Der Herzstiftungs-Ratgeber „Herzklappenerkrankungen – Welche Behandlungen
bei Herzklappenfehlern?“ kann kostenfrei per Tel. unter 069 955128-400
oder unter www.herzstiftung.de/bestellung bestellt werden.