Herzbericht: Sterbefälle wegen Herzkrankheiten steigen
Alle Herzkrankheiten verzeichnen – teilweise leichte – Anstiege. Regionale
Unterschiede in Sterblichkeit bei Herzinfarkt und anderen Herzleiden
bestehen fort. Herzstiftung mahnt „mehr Resilienz“ der medizinischen
Versorgung in Krisenphasen an.
Nach einer Phase leichter Rückläufigkeit, steigt die Sterblichkeit durch
Herzkrankheiten wieder an. Nach den Zahlen des aktuellen Deutschen
Herzberichts – Update 2024 starben im Jahr 2022 insgesamt 216.944 Menschen
an den Folgen einer Herzkrankheit (2021: 205.581). Die Sterberate lag
damit bei 224,2 an einer Herzkrankheit Gestorbenen pro 100.000 Einwohner
(2021: 215,2). Die Herzkrankheit mit den meisten Sterbefällen sind
weiterhin Durchblutungsstörungen durch Herzkranzgefäßverengungen, die
koronare Herzkrankheit (KHK), mit 125.984 Sterbefällen (2021: 121.172) –
davon am akuten Herzinfarkt 46.608 Sterbefälle – und einer Sterberate von
133,3 an KHK-Gestorbenen pro 100.000 Einwohner (EW) (2021: 129,7)
(Herzinfarkt 2022: 49 Gestorbene pro 100.000 EW). „Diese Anstiege
gegenüber dem Vorjahr bedürfen der genaueren Analyse, sie stellen jedoch
in der Gesamtschau noch keine Trendwende dar. Ganz klar muss allerdings
das Ziel aller für die herzmedizinische Versorgung verantwortlichen
Institutionen sein, die Sterblichkeit durch Verbesserungen in Prävention,
Therapie und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken“,
betont der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender
Deutschen Herzstiftung, bei der Vorstellung des neuen Deutschen
Herzberichts – Update 2024. Dieser kann unter
<www.herzstiftung.de/herzberic
Besonders fällt bei den Anstiegen die erhöhte Todesrate der Herzschwäche
(Herzinsuffizienz) ins Auge. „Bei der Sterblichkeit der Herzschwäche
könnte sich nach mehreren Jahren der Rückläufigkeit eine Trendwende
abzeichnen, die wir genauer beobachten müssen“, so Voigtländer. Erstmalig
steigt nämlich die Sterberate der Herzschwäche nach einer Phase der
kontinuierlichen Abnahme von 2015 (51,9 Gestorbene pro 100.000 EW) bis
2021 (auf 35,8) wieder an auf 37,7 Gestorbene pro 100.000 EW. Die
chronische Herzschwäche ist in den meisten Fällen das Endstadium von
verschiedenen anderen Herzkrankheiten wie KHK/Herzinfarkt,
Herzklappenerkrankungen, Herzrhythmusstörungen und angeborenen
Herzfehlern. Zugleich stellt diese Volkskrankheit die häufigste
Einzeldiagnose für vollstationäre Krankenhausaufnahmen mit 446.814
vollstationären Fällen (2022) dar. Nicht umsonst hat die Deutsche
Herzstiftung den Fokus ihrer Bemühungen um eine verstärkte
Patientenaufklärung und intensive Herz-Forschung auf die Herzinsuffizienz
mit den bundesweiten Herzwochen im November beziehungsweise einer
umfangreichen Sonderforschungsförderung „Herzinsuffizienz“ in Höhe von
einer Million Euro gesetzt.
Zusätzliche Krankheitslast durch Bluthochdruck und hohes Cholesterin
Die koronare Herzkrankheit, die Grunderkrankung des Herzinfarkts, und die
Herzschwäche sind immer noch die häufigsten Todesursachen und maßgeblich
für den Plötzlichen Herztod verantwortlich. Beide Herzkrankheiten gehen in
aller Regel mit Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck,
Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Vorhofflimmern und
Vorhofflattern, aber auch chronischer Nierenschwäche einher. Dies
dokumentiert der aktuelle Herzbericht anhand von Zahlen aus der
stationären und hausärztlichen Versorgung. „Die konsequente Behandlung von
Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen durch zu viel LDL-Cholesterin
im Blut mit gesundem Lebensstil und Medikamenten ist der entscheidende
Hebel zum Eindämmen der KHK und Herzschwäche“, betont der Herzstiftungs-
Vorsitzende Prof. Voigtländer. Hoher Blutdruck ist laut Herzbericht sowohl
in der hausärztlichen als auch in der stationären Versorgung die häufigste
Begleitdiagnose von Herzinsuffizienz (hausärztlich: 74,2/stationär: 74,6
Prozent) und von KHK (hausärztlich: 74,1/stationär: 75,3 Prozent), gefolgt
von Fettstoffwechselstörungen, Diabetes und Vorhofflimmern/Vorhofflattern.
„All diese Begleiterkrankungen sind mit einem hohen Schadenspotenzial für
Herz und Gefäße durch die Gefahr von Schlaganfällen und Herzinfarkten
verbunden – besonders dann, wenn sie unbehandelt bleiben“, betont
Voigtländer.
Auch Herzkrankheiten früh erkennen, bevor es zum Eingriff kommt
In der Summe sind auch die vollstationären Krankenhausaufnahmen wegen
Herzkrankheiten 2022 leicht angestiegen. In absoluten Zahlen von 1.560.441
(2021) Krankenhausaufnahmen auf 1.574.352 im Jahr 2022. „Die
vollstationären Krankenhausaufnahmen bewegen sich weiterhin auf einem
hohen Niveau, allen voran bei der KHK, den Herzrhythmusstörungen und der
Herzinsuffizienz, die zusammengenommen rund 1,4 Millionen vollstationäre
Fälle ausmachen“, betont Prof. Voigtländer. Allein die KHK führte 2022 zu
538.277 Krankenhausaufnahmen, Herzrhythmusstörungen zu 460.962
Klinikeinweisungen. Bei Männern setzt der Anstieg der Krankenhausaufnahmen
wegen KHK früh ein: mit dem 45. bis 50. Lebensjahr. Bei den
Herzrhythmusstörungen setzt ein Anstieg ab dem 50. bis 55. Lebensjahr ein.
„Umso wichtiger ist eine frühzeitige Erkennung und Behandlung dieser
Herzkrankheiten, bevor es zur Notwendigkeit von Eingriffen kommt“, so
Herzspezialist Prof. Voigtländer. „Dank wesentlicher Weiterentwicklungen
in der Herz-Diagnostik durch neue bildgebende Verfahren wie beispielsweise
dem Kardio-MRT und der nicht-invasiven Koronaren CT-Angiographie, kurz:
CCTA, haben wir sehr zuverlässige Verfahren für eine bessere Versorgung
von Menschen mit einer KHK und einem Risko für Herzinfarkt und plötzlichen
Herztod“, berichtet der Ärztliche Direktor des Agaplesion Bethanien-
Krankenhauses in Frankfurt am Main. Kardio-MRT und die CCTA, die 2024 nach
einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in den
Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen aufgenommen wurde, können
Veränderungen der Herzkranzgefäße (Plaques, Verengungen) und deren
Auswirkung auf die Durchblutung des Herzmuskels frühzeitig erfassen.
„Dadurch reduzieren wir invasive Herzkatheterdiagnostik und stationäre
Aufenthalte“, erklärt Voigtländer.
Pandemiejahr 2022: Stationäre Versorgung rückläufig – „Resilienz der
medizinischen Versorgung im Fokus behalten“
Die bereits für die Pandemiejahre 2020 und 2021 dokumentierte
Covid-19-bedingte Rückläufigkeit in der kardiologischen und
herzchirurgischen Versorgung von Erwachsenen und Kindern, insbesondere bei
den sogenannten elektiven, d. h. planbaren Eingriffen und in der
kardiologischen Reha, setzte sich 2022 fort. Von 2018 zu 2022 kam es
teilweise zu einer moderaten, aber teilweise auch zu einer deutlichen
Abnahme bei herzchirurgischen und kardiologischen Eingriffen wie
Koronarangiographien (-4,1 Prozent), PCIs (Herzgefäßaufdehnung durch
Stent/Ballon) (-1 Prozent), Schrittmacher-/ICD-Implantatio
Prozent) beziehungsweise isolierten Koronaroperationen (-25,9 Prozent).
„Diese rückläufigen Zahlen lassen darauf schließen, dass auch noch in 2022
Patienten entweder aus Angst vor einer Infektion einen
Krankenhausaufenthalt vermieden oder umgekehrt Kliniken ihre Aufnahmen
zweitweise auf Notfälle beschränkt haben und selbst für diese nicht immer
ausreichende Kapazitäten vorhalten konnten. Welche Effekte diese
vermeintliche Nichtinanspruchnahme der Krankenhausversorgung auf
kardiovaskuläre Sterblichkeit haben wird, bedarf der Analysen“, so der
Herzstiftungs-Vorsitzende und Kardiologe Voigtländer. „Für die Zukunft
muss auch die Resilienz der herzmedizinischen Versorgung in
Ausnahmesituationen wie der Covid-Pandemie im Fokus der Herzmedizin
bleiben“, so sein Fazit.
Ungenutztes Therapie- und Innovationspotenzial?
Dass die Sterblichkeit bei KHK/Herzinfarkt und Herzschwäche in den
vergangenen Jahrzehnten gesunken ist, hingegen die Zahlen der Patienten
mit Herzinsuffizienz und damit verbunden auch die vollstationären
Krankenhausaufnahmen kontinuierlich steigen, führen Experten unter anderem
auf verbesserte medikamentöse, interventionelle und chirurgische Therapien
zurück. „Auch dank dieser Verfahren können Menschen mit ihren zwar
behandelten, aber chronisch bleibenden Rhythmusstörungen, Klappen- und
Koronarerkrankungen sowie angeborenen Herzfehlern eine bessere Prognose
erhalten, so dass ihnen eine Herzschwäche erspart oder zumindest um Jahre
hinausgezögert werden kann“, erklärt Prof. Voigtländer. Zu nennen seien
hier vor allem:
- Akutversorgung des Akuten Koronarsyndroms (ACS) (Herzinfarkt,
instabile Angina pectoris) mittels PCI (Gefäßaufdehnung durch
Stent/Ballon); bei bestimmten komplexen Mehrgefäßerkrankungen und
komplexen Stenosen des linken Hauptstamms die koronare Bypassoperation
- kathetergestützter Aortenklappenersatz (TAVI) oder operativ zur
Behandlung der Aortenklappenstenose
- kathetergestützte/
Mitralklappeninsuffizienz
- katheterbasierte Vorhofflimmer-Ablation – seltener auch
chirurgisch als kombinierter Eingriff mit anderen herzchirurgischen
Eingriffen
- Schrittmacher- und Defibrillator-(ICD)-Therapien zur Prävention
lebensgefährlicher Herzrhythmusstörungen nach einem großen Herzinfarkt,
bei Herzmuskelerkrankungen (Kardiomyopathien, Myokarditis)
„All diese Verfahren verbessern die Durchblutung des Herzmuskels,
stabilisieren diesen oder verhindern wie im Fall der Stenttherapie oder
Bypass-Chirurgie Todesfälle. Bei Nicht-Behandlung erhöhen sie die Gefahr
für Herzinsuffizienz und Komplikationen wie Herzinfarkt, plötzlicher
Herztod oder Schlaganfall wie im Fall des Vorhofflimmerns“, betont
Voigtländer. Es müsse aber in Deutschland gewährleistet sein, dass auch
außerhalb der Ballungsgebiete herzkranke Menschen Zugang zu Kliniken mit
einer entsprechenden kardiologischen Ausstattung hätten, so Voigtländer.
Etwa zu den Chest-Pain-Units (CPU), ausgestattet mit einem Katheterlabor
bei einer 24/7-Erreichbarkeit. CPUs sind eine wichtige Notfall-Einheit in
der Versorgung schwerwiegender Erkrankungen wie dem ACS, aber auch anderer
lebensbedrohlicher kardialer Ereignisse wie Lungenembolie, dekompensierte
Herzschwäche oder krisenhaft erhöhten Bluthochdruckwerten.
Regionale Unterschiede in der Versorgung von Herzpatienten bestehen fort
Die in Deutschland weiterhin unterschiedliche Versorgungsdichte mit
Kliniken, die ein Katheterlabor oder eine CPU vorhalten, hat zur Folge,
dass in Regionen mit einer niedrigeren Versorgungsdichte
behandlungsbedürftige Erkrankungen zu spät oder schlimmstenfalls gar nicht
behandelt werden. „Rund 47.000 Herzinfarkte pro Jahr und 65.000 plötzliche
Herztodesfälle, darunter eine Vielzahl aufgrund unentdeckter und nicht
oder zu spät behandelter Herzkrankheiten, sind das beste Beispiel dafür“,
so der Frankfurter Kardiologe und Intensivmediziner. So bestehen auch
heute regionale Unterschiede in der Verbreitung beispielsweise von
Kinderherzzentren, EMAH-Ambulanzen und überregionaler EMAH-Zentren, ebenso
in der Verbreitung von CPUs und in der Kardiologendichte. Kommen
beispielsweise in Hamburg auf einen Kardiologen 12.872 Einwohner, sind es
im Saarland 49.633 Einwohner pro Kardiologe.
Regionale Unterschiede zeigen sich darüber hinaus in der Sterblichkeit und
den Krankenhausaufnahmen wegen Herzkrankheiten, wie der aktuelle Deutsche
Herzbericht dokumentiert. Östliche Bundesländer haben weiterhin die
höchste Sterblichkeit durch KHK und Herzinfarkt. So haben 2022 die höchste
Sterbeziffer (altersbereinigt) Sachsen-Anhalt mit 181 KHK- und 65
Herzinfarkt-Sterbefällen pro 100.000 EW, gefolgt von Mecklenburg-
Vorpommern mit 180 KHK- und 68 Herzinfarkt-Gestorbenen und Sachsen mit 157
KHK- und 56 Herzinfarkt-Gestorbenen pro 100.000 EW. Am niedrigsten sind
die Sterbeziffern für KHK und Herzinfarkt in Hamburg (KHK: 91/Herzinfarkt:
34), Nordrhein-Westfalen (111/33) und in Baden-Württemberg (121/50).
Bei der Herzinsuffizienz sind die höchsten Sterbeziffern in Sachsen-Anhalt
mit 53 und Thüringen mit 50 Gestorbenen pro 100.000 EW, in Niedersachsen
mit 48 und in Bremen 43 mit Gestorbenen pro 100.000 EW. „Die genauen
Ursachen für diese teils ausgeprägten regionalen Gefälle bedürfen der
Analyse. Mögliche Einflussfaktoren neben Alter und Geschlecht, die
berücksichtigt werden müssen, sind Raucheranteil, Erwerbsstatus,
Arbeitslosenquote und die Häufigkeit von Begleiterkrankungen“, so
Voigtländer.
Effekte von Präventionsprogrammen im Kindesalter nutzen
Die Diskussion um das Gesunde-Herz-Gesetz hat die öffentliche
Aufmerksamkeit insbesondere auf Defizite in den Präventionsbemühungen
Deutschlands zur Vermeidung von kardiovaskulären Erkrankungen gelenkt.
Zwar haben neben Fortschritten in Diagnostik, Therapie und nicht zuletzt
auch verstärkte Präventionsaktivitäten – insbesondere gegen die
Risikofaktoren Rauchen, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen (hohes
LDL-Cholesterin), Diabetes mellitus, Übergewicht sowie psychosozialer
Stress – zur Senkung der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit durch die KHK und
Herzinsuffizienz in den vergangenen Jahrzehnten gesorgt. Allerdings zeigen
Studiendaten (1) auch, dass Deutschland bei der durchschnittlichen
Lebenserwartung im Vergleich mit anderen westeuropäischen Ländern weit
hinten steht. Die Gründe hierfür sehen die Studienautoren u.a. in
Defiziten bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Neben Alter
und Genetik sind durch einen ungesunden Lebensstil verursachte
Risikofaktoren wesentlich am Entstehen von KHK und anderen Herzkrankheiten
wie Herzschwäche beteiligt. „Wir müssen für eine Verbesserung der
Herzgesundheit in der Bevölkerung neben bestehenden Instrumenten der
medizinischen Therapie, Screenings und Vorsorge-Check-Ups verstärkt die
Effekte von frühzeitigen Präventionsprogrammen im Kindesalter für mehr
Bewegung, gesunde Ernährung und Wissen über die Herzgesundheit nutzen“,
fordert der Vorsitzende der Deutschen Herzstiftung.
(wi)
Hinweis – Bei Abdruck/Nutzung der Presse-Information bitten wir um
folgende Angabe: Der Deutsche Herzbericht – Update 2024 wird von der
Deutschen Herzstiftung zusammen mit den wissenschaftlich-medizinischen
Fachgesellschaften für Kardiologie (DGK), für Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie (DGTHG), für Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler
(DGPK)
und für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen
(DGPR) alljährlich herausgegeben. Infos und ePaper:
<www.herzstiftung.de/herzberic
Service
Der Deutsche Herzbericht – Update 2024 ist kostenfrei als ePaper mit
vielen weiteren Infos abrufbar unter: <www.herzstiftung.de/herzberic
Infos für Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen bietet die
Herzstiftung kostenfrei unter <www.herzstiftung.de> an.
Tipp
Podcast: Was der Herzbericht - Update 24 über Herzschwäche verrät
Der Herzbericht fasst die aktuellen Daten zu den wichtigsten
Herzerkrankungen zusammen. Bei der Herzschwäche etwa zeigt sich
Handlungsbedarf. Dies ist Thema der aktuellen Podcastfolge mit
Expert:innen aus allen Bereichen der Herzmedizin und der Herzpatientin
Tamara Schwab.
<www.herzstiftung.de/podcast-h
Herzinfarkt-Risikotest: Die Herzstiftung bietet unter
www.herzstiftung.de/risiko einen kostenfreien Herzinfarkt-Risikotest an.