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Die Fledermaus,Johann Strauss Libretto Karl Haffner und Richard Genée, neue Texte im dritten Akt von Patti Basler, Opernhaus Zürich, besucht von Marinella Polli

Die Fledermaus Opernhaus Zürich

Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer

Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer

Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer

Musikalische Leitung: Lorenzo Viotti Inszenierung: Anna Bernreitner
Bühnenbild und Video: Hannah Oellinger, Manfred Rainer
Arthur Arbesser Choreografie: Ramses Sigl
Choreinstudierung: Ernst Raffelsberger Lichtgestaltung: Martin Gebhardt Dramaturgie: Jana Beckmann
Besetzung: Gabriel von Eisenstein Matthias Klink Rosalinde Golda Schultz
Regula Mühlemann  Frank Ruben Drole Prinz Orlofsky Marina Viotti
Alfred Andrew Owens  Dr. Falke Yannick Debus  Dr. Blind Nathan Haller
Ida Rebeca Olvera  Schicksal 1 Lucia Kotikova  Schicksal 2 Melina Pyschny
Schicksal 3 Barbara Grimm
>Tänzerinnen und Tänzer: Sara Pennella   Sophie MelemGabriela Hinkova
Roberto Tallarigo
Roberto Tallarigo Lukas Bisculm
Chor der Oper Zürich
Orchester der Oper Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich

Johann Strauss‘ ‚Die Fledermaus‘(1874 am Theater an der Wien uraufgeführt) ist seit letztem Sonntag am Opernhaus zu sehen. Lorenzo Viotti dirigiert das ‘Orchester der Oper Zürich’, die österreichische Opernregisseurin und Opernproduzentin Anna Bernreitner inszeniert.  

Die ‚Königin der Operetten‘ oder die ‚Operette aller Operetten‘

Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer
Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer

Die Bausteine der ‚Fledermaus‘, der ‚Königin der Operetten‘, oder der ‚Operette aller Operetten‘ sind sicher vor allem, Witz, Intrigen, und lustige Verwechslungsspiele; Ironie, Tiefe und Psychologie fehlen jedoch auch nicht; in der ‘Fledermaus‘ bringt Strauss alle diese Elemente genial zusammen.

 

 

 

 

 

Eine beeindruckende musikalische und gesangliche Leistung

Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer
Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer

Am Dirigentenpult steht Maestro Lorenzo Viotti, der mit Puls und Kompetenz für funkelnde musikalische Momente sorgt. Er leitet ein sehr aufmerksames, präzises und involviertes ‘Orchester der Oper Zürich’ durch die mit anderen Stücken (darunter Bernsteins ‚Mambo‘ und Offenbachs ‚Cancan‘) ergänzte sensationelle Partitur; und die SängerInnen machen mit. In primis Regula Mühlemann als fröhliche, muntere und quicklebendige Zofe Adele. Die Sopranistin aus Luzern glänzt schauspielerisch mit ihrem charmanten Selbstvertrauen, und berauscht das zahlreiche Premierenpublikum mit der Ausdruckskraft ihrer beweglichen und brillanten Stimme. Auch die südafrikanische Sopranistin Golda Schultz gibt ihr Debüt als Rosalinde mit einer wunderbar höhensicheren, runden und unverwechselbar timbrierten Stimme, und dies nicht nur im Moment des berühmten Csárdás ‚Klänge der Heimat‘. Nicht alle gut, für unsere Begriffe, die Männer: Matthias Klink enttäuscht schauspielerisch (aber dies hat wahrscheinlich mit dem Inszenierungskonzept zu tun) als Gabriel von Eisenstein, Rosalindes Ehemann; dasselbe gilt für Yannick Debus als Dr. Falke. Viel besser sowohl schauspielerisch als auch stimmlich, sind Ruben Drole als Gefängnisdirektor Frank sowie Andrew Owens als Alfred. Der amerikanische Tenor begeistert besonders mit dem bekannten Ohrwurm ‘Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist‘. Für unsere Begriffe, nicht wirklich vollkommen entspannt als bizarrer, zynischer Prinz Orlofsky ist Marina Viotti, die uns mit ihrem fantastischen Mezzo vor einiger Zeit als Carmen so gefallen hatte.

Eine ziemlich chaotische Inszenierung

Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer
Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer

Im Mittelpunkt der Handlung steht bekanntlich die ‘Freundschaft’ zwischen Gabriel von Eisenstein und Dr. Falke. Dieser hat nur Rache im Kopf, und zwar dafür, dass er mal stark betrunken und mit einem Fledermaus-Kostüm von Gabriel von Eisenstein auf einer Strasse in Wien zurückgelassen wurde. Die Regisseurin Anna Bernreitner verwandelt jedoch die aristokratische Wiener Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in eine Art Disneyland mit viel Kolorit und Klamauk (buntes Bühnenbild und Video von Hannah Oellinger und Manfred Rainer, sehr farbige 70er Kostüme vom Wiener Modedesigner Arthur Arbesser, Light Design von Martin Gebhardt). Mit anderen Worten wird das Premierenpublikum nicht mit einer klassischen, traditionellen Inszenierung der Johann Strauss‘ Operette, sondern eher mit einer Revue konfrontiert, in welcher Spass, Schwank, Farce, Frivolitäten und Champagner im Vordergrund stehen. In einem Video während der Ouverture sieht man zum Bespiel Rosalinde, Eisenstein, Falke und Alfred als Clubbesucher, eigentlich zwanzig Jahre bevor die Handlung anfängt. Last but not least, wird im dritten Akt die Figur des Gerichtsdieners Frosch weggelassen und mit den drei Nornen Skuld, Verdandi und Urd (Lucia Kotikova, Melina Pyschny und Barbara Grimm) ersetzt. Diese sollen mit ziemlich banalen Worten und Sprüchen (neue Texte der Schweizer Autorin, Komikerin und Kabarettistin Patti Basler) die Protagonisten zu ihren Träumen, Sehnsüchten und persönlichen Chancen führen.

Ovationen und nur einige Buhs

Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer
Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer

Für alle Mitwirkende gab es am Ende der dreistündigen Vorstellung einen nicht endend wollenden Applaus, vor allem für die SängerInnen, den Maestro Viotti und das ‚Orchester der Oper Zürich‘, für den von Ernst Raffelsberger (hier das letzte mal vor seiner Pensionierung) perfekt vorbereiteten Chor der Oper Zürich, sowie für Ramses Siegls Choreographien. Einige starke Buhs gab es für das Regieteam. 

Text: https://marinellapolli.ch/

Fotos: Herwig Prammer    www.opernhaus.ch 

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Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer

Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer

Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer

Die Fledermaus Szenenfoto von Herwig Prammer

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Xavier de Maistre kommt zu adventlichem Saisonkonzert der Festival Strings Lucerne am Mi., 10. Dez. 2025 in das KKL Luzern

Xavier de Maistre Foto Gregor Hohenberg

Harfen-Weltstar Xavier de Maistre kommt nicht nur zu einem adventlichen Saisonkonzert der Festival Strings Lucerne in das KKL Luzern, sondern stellt auch die Ende August erschienene gemeinsame CD mit Instrumentalkonzerten von Georg Friedrich Händel dem Luzerner Publikum vor.

Xavier de Maistre ist sicherlich der zurzeit bekannteste Harfenist und kreativer Musiker. Als leidenschaftlicher Verfechter seines Instruments hat er das Repertoire für Harfe erweitert und neue Werke in Auftrag gegeben. Ausserdem erstellt er oder veranlasst zahlreiche Transkriptionen wichtiger Instrumentalwerke.

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The Count Basie Orchestra, KKL Luzern, 18.11. 2025. besucht von Léonard Wüst

The Count Basie Orchestra Bild Allblues Konzert AG

Die  Bühne ist bereit Foto  Maria Ulrich

Sängerrin Gunhild Carling

Scotty Barnhart und sein Orchester

The Count Basie Orchestra Bild Allblues Konzert AG

 

Besetzung:
Scotty Barnhart, trumpet/musical director – Gunhild Carling, vocals & The Count Basie Orchestra

 

Scheidender Präsident des Jazz Club Luzern  Roman Schmidli
Scheidender Präsident des Jazz Club Luzern Roman Schmidli

Die Begrüssung startete mit einem Dank an den (Noch)Präsidenten des www.jazzuzern.ch, Roman Schmidli, der das Präsidenten Zepter nach sagenhaften 51 Jahren (1974 bis Ende 2025) im Dienste der Freunde des Jazz, notabene ehrenamtlich, also unentgeltlich, in jüngere Hände, namentlich an Roli Bühler & Peter Wespi (im Co Präsidium) übergeben wird, mit ein Grund, dass das heutige Konzert der Legende Roman Schmidli und seiner Frau Monika gewidmet sei.

Der neue Vorstand des Jazz Clubs Luzern ab 2026
Der neue Vorstand des Jazz Clubs Luzern ab 2026

Das Konzert des Count Basie Orchestra im KKL Luzern war ein Ereignis, das Tradition, Virtuosität und pure Spielfreude auf unverwechselbare Weise vereinte. Bereits mit den ersten Takten wurde klar, dass diese Formation – unter der musikalischen Leitung von Scotty Barnhart und mit der charismatischen Gunhild Carling als Special Guest – weit mehr ist als ein bloßes Erbe des großen Count Basie. Sie ist ein lebendiger Organismus, der Swing und Big-Band-Jazz mit unerschütterlicher Eleganz und modernem Drive in die Gegenwart trägt. Der akustisch perfekte Saal des KKL verstärkte diesen Eindruck noch, indem er jede Feinheit hörbar machte: den präzisen Punch der Trompeten und den federnden Puls der Rhythmusgruppe.

Scotty Barnhart – Präzision, Persönlichkeit und musikalische Vision

Scotty Barnhart Trompete und Leitung
Scotty Barnhart Trompete und Leitung

Barnhart, ein Musiker von beispielloser Klarheit und Wärme im Ton, führte das Orchester mit einer Mischung aus Autorität und partnerschaftlicher Offenheit. An der Trompete brillierte er sowohl in lyrischen Linien als auch in scharf artikulierten Akzenten, die den typischen Basie-Swing aufblühen ließen. Als musikalischer Leiter gelang es ihm, die Balance zwischen Traditionspflege und aktualisierter Klangsprache zu halten: Klassiker wie „Corner Pocket“ und unbekanntere Nummern, mitunter von Quincy Jones geprägt, erklangen in frischer, nie musealer Gestalt. Barnhart gab seinem Ensemble Raum, und dieses gab ihm Tiefe zurück. Die einzelnen Mitmusiker erhielten ausreichend Geegenheit, ihr Können solistisch am vorderen Bühnenrand zu demonstrieren, immer durch Gesten des Bandleaders aufgemuntert und das Auditorium beklatscht. Seine moderierenden Worte zwischen den Stücken waren knapp, sein Akzent leider schwer verständlich – stets auf die Musik ausgerichtet, nie auf sich selbst.

 

 

Gunhild Carling – Virtuosin, Entertainerin, Stimmwunder

Gunhild Carling
Gunhild Carling

Der Auftritt von Gunhild Carling war einer der magischen Momente des Abends. Ihre Präsenz ist eine Mischung aus Vintage-Charme, Entertainment und atemberaubender musikalischer Präzision. Mit ihrer kraftvollen, warmen Stimme interpretierte sie Standards wie „Something’s Gotta Give“ nicht nur technisch perfekt, sondern emotional glaubwürdig und spielerisch frei. Carling interagierte tänzerisch mit dem Orchester, forderte hier ein Lächeln, dort eine kleine rhythmische Überraschung heraus – und das Ensemble reagierte sofort. Zudem glänzte sie mit instrumentalem Können, das weit über einen Show-Effekt hinausging. Besonders ihre Fähigkeit, zwischen Gesang, Posaune und Steptanz-Rhythmen zu wechseln, sorgte beim Publikum für Enthusiasmus, der sich in langem und lautem Applaus entlud. Dann verblüffte sie uns, als sie auch noch den „Mackie Messer“von Kurt Weil, aus Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“ intonierte

Das Orchester – kollektive Meisterschaft und individuelle Klasse

Count Basie Orchestra Konzertimpression von Maria Ulrich
Count Basie Orchestra Konzertimpression von Maria Ulrich

Das Count Basie Orchestra zeigte erneut, weshalb es seit Jahrzehnten zur Weltspitze gehört. Die Saxophon-Sektion überzeugte mit geschmeidigen Ensemblepassagen und expressiven Soli, die an frühere Größen erinnerten, ohne sie zu kopieren. Die Trompeten glänzten mit strahlenden Höhen und unerbittlicher Präzision, während die Posaunen eine satte, erdige Klangfarbe beisteuerten. Die Rhythmusgruppe – mit federndem Schlagzeug, wandelbarem Bass und klarem, ökonomischem Klavierspiel – verlieh jedem Stück jenen charakteristischen Basie-Groove, der gleichzeitig entspannt und glühend ist. Die Arrangements lebten von dynamischem Feingefühl: mächtige Tutti-Stellen, filigrane Solopassagen und elegante Übergänge, die den Abend dramaturgisch perfekt strukturierten.

Die Lady is a Tramp und begeistert am schottischen Nationalinstrument
Die schwedische Gesangsdiva Gunhild Carling, an diesem Abend in vier verschiedenen Outfits agierend, toppte ihren Auftritt noch indem sie bei einem Rockn Roll als Dudelsacksolistin mit viel „Pfuus“ brillierte.

Als krönenden Abschluss intonierten die 18 Musiker Billy Strayhorn`s „Take the A Train“, Duke Ellintons Erkennungsmelodie. Den hab ich dann aber nicht mehr erreicht, aber für die S Bahn hats gereicht.

Fazit – ein Abend, der bleibt

Gunhild Carling hat jedezeit genügend Puste
Gunhild Carling hat jedezeit genügend Puste

Dieses Konzert im KKL war mehr als eine musikalische Darbietung: Es war ein Statement. Ein Statement für die Lebendigkeit des Swing, für das Potenzial der Big-Band-Kunst im 21. Jahrhundert und für die Verbindung von Tradition und Innovation. Mit Scotty Barnhart als souveränem Leiter und Gunhild Carling als emotionalem Zentrum des Abends erlebte das Publikum ein Konzert, das gleichermaßen begeistert, berührt und elektrisiert hat. Ein Abend, der noch lange nachhallt – im Ohr, im Herzen und im Rhythmus des eigenen Schritts.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Maria Ulrich www.allblues.ch    und Homepage https://thecountbasieorchestra.com/

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veranstaltet von: www.allblues.ch und https://www.jazzluzern.ch/

Count Basie Orchestra Konzertimpression von Maria Ulrich

Count Basie Orchestra Konzertimpression von Maria Ulrich

Scotty Barnhart Trmpete und Leitung

Gunhild Carling beherrscht sogar noch den Dudelsack

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LAC Lugano, Re Lear William Shakespeare / Gabriele Lavia besucht von Marinella Polli

Re Lear am LAC Szenenfoto

Re Lear Szenenfoto von Tommaso le Pera

Übersetzung
Angelo Dallagiacoma, Luigi Lunari
Regie
Gabriele Lavia
mit
Gabriele Lavia
und mit (in alphabetischer Reihenfolge)
Giovanni Arezzo, Giuseppe Benvegna, Eleonora Bernazza, Beatrice Ceccherini, Federica Di Martino, Ian Gualdani, Luca Lazzareschi, Mauro Mandolini, Andrea Nicolini, Giuseppe Pestillo, Gianluca Scaccia, Silvia Siravo, Lorenzo Tomazzoni, Alessandro Pizzuto
Bühnenbild Alessandro Camera Kostüme Andrea Viotti
Licht Giuseppe Filipponio Musik Antonio Di Pofi
Ton Riccardo Benassi Regieassistenten Matteo Tarasco, Enrico Torzillo
Bühnenbildassistentin Michela Mantegazza
Kostümassistentin Giulia Rovetto Souffleur Nicolò Ayroldi
Produktion Teatro di Roma – Teatro Nazionale, Effimera srl, LAC Lugano Arte e Cultura

Am LAC ist in diesen Tagen dem italienischen Regisseur Gabriele Lavia (der krankheitshalber die Tessiner Première am letzten Mittwoch annullieren musste) und seinem Team ein grosser, faszinierender König Lear-Abend gelungen. Seine Inszenierung des Shakespeares Meisterwerks (sehr gute Übersetzung ins Italienische von Angelo Dallagiacoma und Luigi Lunari), das unter den grausamsten zu spielenden Tragödien des englischen Autors zu zählen ist, hat das Luganeser Publikum begeistert.

Eine konventionelle aber interessante Inszenierung

Re Lear Szenenfoto von Tommaso le Pera
Re Lear Szenenfoto von Tommaso le Pera

Lavias besonders am Anfang konventionelle, traditionelle aber nie banale Inszenierung (nicht zuletzt auch dank des sehr eloquenten Bühnenbildes von Alessandro Camera, dank der bunten Kostüme von Andrea Viotti, des sehr präzisen Light Design von Giuseppe Filipponio und der (eigentlich nicht immer notwendigen) Musik von Antonio Di Profi, besteht vor allem aus soliden Handwerk, wobei magnetische, profunde Momente auch nicht fehlen. Der italienische Regisseur zeichnet König Lear und alle dramatis personae in allen ihren Facetten – die guten und die bösen, die narrenhaften und die königlichen -, so dass es sich sicher lohnt, über sie tief nachzudenken. In diesem Sinne leistet Gabriele Lavia eine sehr aufmerksame Regiearbeit, die darauf achtet, dass keine Figur, auch keine Nebenrolle, einseitig, d.h. als nur böse oder als nur gut, erscheint. Dazu geht es auch für ihn darum, Fragen zu stellen eher als Antworten zu finden: was ist Leiden und was ist Glück? Was ist ein Mensch? Was ist ein guter Vater überhaupt? Wie sollten sich gute Kinder verhalten? Ist man den eigenen Kindern etwas schuldig? Und umgekehrt? Darf man den Vater im Alter verstossen, ihn vor die Tür setzen? Und vor allem: ist man auf die Welt nur gekommen, um etwas oder alles – Güter, Beziehungen, Macht, Integrität, den Verstand und am Ende sogar das Leben – zu verlieren?

 

 

 

Fantastische Leistung Gabriele Lavias als Lear

Re Lear Szenenfoto von Tommaso le Pera
Re Lear Szenenfoto von Tommaso le Pera

In dieser Inszenierung kann man Gabriele Lavia selber als König Lear bewundern: einen versatilen Lear, dessen Gesicht von Altersmilde und Sanftheit, aber auch von Verbissenheit und Verzweiflung, und später von Einsamkeit und Sehnsucht nach Liebe, gezeichnet ist. Ja, bereits am Anfang, als er entscheidet, sein Erbe zu verteilen und nicht mehr so viel Verantwortung zu übernehmen, ist König Lear ein gequälter Greis und nicht nur weil er weiss, dass er bald viele Privilegien abgeben muss. Besonders gequält ist er auch, weil er versteht, dass er in den Augen seiner Töchter vielleicht nur noch ein Symbol eines gnadenlosen Patriarchats ist. Das ist aber im Grunde auch nur eine Frage. Hier ist Gabriele Lavia wirklich grossartig. Ihm ebenbürtig sind jedenfalls ausgezeichnete Schauspieler*innen wie Giovanni Arezzo, Giuseppe Benvegna, Eleonora Bernazza, Beatrice Ceccherini, Federica Di Martino, Ian Gualdani, Luca Lazzareschi, Mauro Mandolini, Andrea Nicolini, Giuseppe Pestillo, Gianluca Scaccia, Silvia Siravo, Lorenzo Tomazzoni, Alessandro Pizzuto in den vom Regisseur sehr gut charakterisierten anderen Rollen. Wir erwähnen hier insbesondere die drei Töchter: die strenge Goneril und die schwächere Regan, dann natürlich die bevorzugte, direkte und geradlinige Cordelia, die nicht bereit ist, mit Komplimenten und Liebesworten dem Vater zu schmeicheln. Am Ende gab es einen langen Applaus und enorme Begeisterung für alle und besonders für Gabriele Lavia.

Text: https://marinellapolli.ch/

Fotos   Tommaso le Pera  https://www.luganolac.ch/it/lac/home

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Re Lear Szenenfoto von Tommaso le Pera

Re Lear Szenenfoto von Tommaso le Pera

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