«Chabis und Schaffleisch» – das Urner Chilbi-Essen ist ein den Gaumen erfreuender Seelenwärmer, besonders geeignet für kalte Tage. Dieses währschafte Gericht wird in jedem Urner Haushalt gegessen und geliebt. Was ist richtig und wichtig bei der Zubereitung? Die Meinungen sind hier mehr als nur vielfältig.
Chabis mit Schaffleisch
Selbst als Koch bin ich der Überzeugung, dass der Hafächabis, wie er vor 100 Jahren zubereitet wurde, uns heute nicht besonders schmecken würde. Er wäre zu fettig und im Gout zu intensiv – dabei kommt einem unweigerlich das Wort «böckelen» in den Sinn. Der Grund ist, dass damals auch ältere Tiere «verkocht» wurden. Und meistens mit dem Fett am Fleisch und statt Jungschafen auch Hammel, das männliche kastrierte Hausschaf.
In Kochbüchern wird der «Hafächabis» erstmals in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erwähnt. Je nachdem als besonders typisches Gericht für Schwyz und Nidwalden. In Uri lässt man den Begriff «Hafä» weg und überlässt das generös den Nachbarn. So wird in Schwyz der Hafächabis in erster Linie mit gut gewürztem Schweinsvoressen zubereitet. In selbst gemachter brauner Sauce wird das Fleisch zart gekocht, bevor die Chabisblätter ebenfalls in der braunen Sauce weich gegart und dann kurz vor dem Servieren mit dem Fleisch vermischt werden.
Ältestes Rezept von 1749
Hafechabis - Eintopf mit Chabis, Lammfleisch, Speck und Kartoffeln
Die Urner reden wiederum von «Chabis mit Schaffleisch». Dieses Gericht wurde ursprünglich fast ausschliesslich mit Schaffleisch zubereitet und vor allem mit den Knochen. Es ist ein herbstliches Chilbigericht, dessen ältestes erhaltenes Rezept von 1749 stammt, wie der Urner Autor Karl Iten in seinem Werk «Rings ums Urner Chuchigänterli» festhält. Ein Rezept, bei dem der Eintopf ähnlich wie beim heutigen Siedfleisch nicht nur mit Chabis, sondern auch mit Lauch, Sellerie, Zwiebeln sowie Knoblauch gewürzt, aufgepeppt wird.
Einsiedler «Hafächabis» besiegt Urner «Schaffleisch mit Chabis»
Doch das nicht überall. Wobei wir bei einem unkomplizierten Rezept wären, welches mir die Urner Wirtin Astrid Dittli vom Bergheim Gurtnellen verriet.
Rezept einer Urner Wirtin
Die Zutaten für sechs bis acht Personen sind:
Chabis mit Schaffleisch
2 Kilo Schaffleisch, Salz, Bratbutter oder Rapsöl, 7dl leicht gebundene Bratensauce, 2 Kilo Chabis. Fleisch vom Schweizer Schaf mit Knochen zu Ragout geschnitten bestellen. Ihr Hausmetzger ist verantwortlich für die beste Qualität. In der Regel wählt er Schulterstücke oder Brust. Das Fleisch muss mindestens drei Wochen gelagert sein. Mit Salz und Pfeffer würzen. Gut rundum heiss anbraten. Auffüllen mit brauner, selbst gemachter Bratensauce und das Fleisch «süferli» weich garen. Keinen Wein dazugeben, betont Astrid. (Wenn man will, darf man aber!)
Chabis in Würfel schneiden und mit Fett leicht anbraten und dann mit der Fleischsauce dämpfen. Den Chabis la minute mit dem weichgegarten Fleisch vermischen. So kann man besser portionieren. Aufgewärmt mundet dieses Urner Gericht am besten. Dazu gehören gewürfelte Salzkartoffeln, mit Schnittlauch bestreut.
Altdorfer küren an der Kilbi den besten Chabis-und-Schaffleisch-Koch.Er ist der König des Altdorfer Chabis- und-Schaffleisch-Wettkochens: Wendel Aschwanden. Zum Video: Livio Baldelli und Matteo Schenardi performen ihren «Chabis-und-Schaffleisch-Song». (Foto: F.X. Brun)
Bereit für das folgende Konzert ist der grosse Konzertsaal der Zürcher Tonhalle Foto Vanessa Bösch
Besetzung und Programm:
Jean-Yves ThibaudetKlavier Lisa BatiashviliVioline Gautier CapuçonVioloncello
Joseph HaydnKlaviertrio Nr. 44 E-Dur Hob. XV:28 Anton ArenskijKlaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 32 Johannes BrahmsKlaviertrio C-Dur op. 87
Joseph Haydn Klaviertrio Nr. 44 E-Dur Hob. XV:28
Das Klaviertrio E-Dur, Nr. 28, gehört zu einer Gruppe von drei Werken, die er während seines zweiten Londoner Aufenthaltes 1795 für eine damals gefeierte englische Pianistin schrieb: Miss Theresa Jansen, spätere Mrs. Bartolozzi.
Die verschiedenen harmonischen und klanglichen Schattierungen im Allegretto von Hob. XV:30, einem barockisierenden Nachtstück von geheimnisvoller Tiefe, werden nur schwach ausgeleuchtet, die Musik prescht zu schnell am Ohr des Hörers vorbei. In Kopfsatz des Trios Hob. XV:30 wird der regelrecht mozartianische Reiz der Themengestaltung hervorgehoben, werden die verschiedenen Stimmungsmuster plastisch genug herausgearbeitet.
Diese Komposition deutet Haydns Stilwechsel an
Es zeigt sich, wie sehr sich die Musik Haydns gegen Ende seines Lebens schon vom Idealbild klassischer Ausgewogenheit entfernt hatte und ähnlich wie bei Mozart die individuellen Stimmungen widerspiegelte – wie sich die Musik also der Romantik näherte. Das gibt der Musik Leichtigkeit und Transparenz in den Allegros, die langsamen Sätze gewinnen viel Stille und Intimität. Batiashvili und Capuçon treten mit weniger Individualität in Erscheinung. Dadurch, dass sich ihr Spiel an das von Thibaudet anpasst, erscheint die Musik aber auch sehr ausgewogen und harmonisch, ein Bild von klassischem Ebenmaß perfekt abbildend.
Jean-Yves Thibaudet Klavier
Pianist Thibaudet bekam da schon einige Hals- oder besser Fingerbrecherische Tastenkombinationen vorgesetzt, die er aber scheinbar locker und mühelos bewältigt, die Läufe quasi aus dem Handgelenk schüttelt. Mit seinem Landsmann Gauthier Capuçon, 1981 in Chambéry geboren am Violoncello und der Georgierin Lisa Batiashvili (*1979 Tiflis) mit ihrer Violine, standen mit ihm zwei ebenbürtige Partner*innen auf der Bühne. Für die stilvolle Darbietung bedankte sich das Publikum mit langanhaltendem Applaus.
Johannes Brahms Klaviertrio C-Dur op. 87
Lisa Batiashvili Violine
Es folgte das C-Dur-Trio aus Opus 87 von Johannes Brahms. Wunderbar ließ man hier die musikalischen Charaktere wachsen, verlieh ihnen Kraft und Weite. Und so drangen die Musiker in ihrem Spiel ein bis in die kleinsten Verästelungen dieses raffinierten und oft vielschichtigen Satzes und machten diese für die Hörer nachvollziehbar. Keine Frage: Das war Interpreten Kunst vom Feinsten. Mehr als 25 Jahre hat Brahms gewartet, bis er seinem (falls man das ihm zugeschriebene A-dur-Trio ausser Betracht lässt) ersten Klaviertrio ein neues folgen liess. Es waren sogar zwei geplant, doch ist das gleichzeitig in Bad Ischl begonnene Es-Dur-Fragment verschollen. Dem umfangreichen Opus 8 von 1854 mit seiner Demonstration gelehrten kompositorischen Könnens und emotionalen Übersteigerungen stellte er nun ein knapperes, konzentriertes Werk gegenüber. Die vier Sätze des op. 87 dauern nur wenig länger als die beiden ersten der Erstfassung von op. 8. Gleichwohl stehen im 1880 entstandenen Kopfsatz den beiden Hauptthemen nicht weniger als sechs Nebengedanken gegenüber, was den ersten Brahms-Biographen nach dessen Tod, Heinrich Reimann, 1897 zur Kritik veranlasst hat, es seien «etwas heterogene Stimmungen aneinandergeschweisst». Die drei übrigen Sätze kamen erst 1882 dazu.
Beeinflusst von seiner Ungarnreise?
Gautier Capuçon Cello Foto Gregory Batardon
Das Andante in a-Moll ist ein Variationen Satz über ein pathetisches Thema mit magyarischem Einschlag. Auf das spukhafte, von einem klangvollen Trio unterteilte Scherzo folgt ein helles, oft geistreich-witziges Finale in Form eines Sonatensatzes. Clara Schumann war ganz begeistert: «Welch ein prachtvolles Werk ist das wieder! Wie vieles entzückt mich darin, und wie sehnsüchtig bin ich, es ordentlich zu hören. Jeder Satz ist mir lieb, wie herrlich sind die Durchführungen, wie blättert sich da immer ein Motiv aus dem anderen! – Wie reizend ist das Scherzo, dann das Andante mit dem anmutigen Thema, das eigentümlich klingen muss in der Lage der doppelten Oktaven, ganz volkstümlich!» Die Uraufführung fand am 29. Dezember 1882 mit Mitgliedern des Joachim-Quartetts und dem Komponisten am Klavier in Frankfurt statt, nur knapp drei Wochen, nachdem Brahms seinen «Gesang der Parzen» in Basel zur Uraufführung gebracht hatte.
Denkwürdiger Abend in der ehrwürdigen Zürcher Tonhalle
Jean-Yves Thibaudet Klavier Symbolbild
Es war ein denkwürdiger Abend. Der 1961 in Lyon geborene Starpianist Jean–Yves Thibaudet spielte den Klavier-Part in der ihm eigenen breiten, prägnanten Weise. Das Werk ist jung und lebhaft ohne jede Überschwänglichkeit. Auch das Andante will nicht in die Tiefe bohren, süss und schwärmerisch wie ein alter Minnesang, aber einfach und natürlich strömt es dahin. Die Streicher auf der einen, das Klavier auf der anderen Seite führen einen überaus reizvollen Wechselgesang. Ist es ein altes Lied, auf das sich beide besinnen müssen? Wo die eine Gruppe den Faden verlor, nimmt ihn die andere auf und spinnt ihn weiter, und so ergänzen und erwärmen sie sich gegenseitig. Das Trio führt die Sprache des Komponisten Brahms, der aus dem Vollen schöpft; mit leichter Hand führt er seine Stimmen durch die sonnigen Gefilde quellenden Wohllautes, seltener als früher durch zerklüftete Engpässe. Der französische Pianist entwickelt eine Eleganz und Geschmeidigkeit in seinem Spiel, wohin ihm seine beiden Agonist*innen nur zu gerne folgen und ab und an Solosequenzen einfügen können, die Thibaudets Spiel veredeln und nicht etwa unterbrechen. Ein perfektes Trio jede*r für sich schon brillant, im Zusammenspiel aber schlicht meisterhaft.
Anton Arenskij Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 32
Der Erfolg des d-Moll-Trios erklärt sich schon aus dem ersten Satz, einem Allegro moderato. Es beginnt mit einer der schönsten Violinmelodien der Spätromantik. Über dem Triolen-Klanggrund des Klaviers setzt die Geigerin auf der G-Saite ein und schwingt sich langsam in die Höhe. Ihre ausdrucksvolle Melodie berührt statt des Leittons Cis ständig die dorische siebte Stufe C, weshalb sie zwischen d-Moll und F-Dur zu schwanken scheint. Diese reizvolle Zweideutigkeit bleibt auch erhalten, wenn das Thema vom Cello wiederholt wird und sich im Dialog der Streicher leidenschaftlich steigert. Erst mit dem Fortissimo-Einsatz des Klaviers zum Tremolo der Geige hört man den ersten Dominantakkord A-Dur. Danach spielt auch der Pianist seine Variante des schönen Hauptthemas. Die Überleitung lebt von leichtfüßigen Arabesken alla Schumann, das Seitenthema vom langen Atem eines Cellogesangs auf der A-Saite, in den die Violine einstimmt. Das Duett der Streicher wird von wogenden Klavier-Arpeggios getragen und steigert sich zu wehmütigem Ausdruck. Massive Klavierakkorde wollen die Zweisamkeit der Streicher stören, wodurch ihr Duett immer leidenschaftlicher wird. Eine knappe tänzerische Wendung im Staccato bildet die Schlussgruppe.
Kombination von kurzen, lebhaften Intentionen mit dem Leitmotiv
Lisa Batiashvili Violine Symbolfoto
Diesen kurzen, lebhaften Gedanken hat Arensky in der Durchführung wirkungsvoll erst mit dem Hauptthema kontrastiert, dann mit den Schumann-Arabesken aus der Überleitung. Daraus hat er einen riesigen Spannungsbogen gebaut, der vom langen anhaltenden Piano allmählich ins leidenschaftliche Fortissimo übergeht. Im Tremolo scheinen die Streicher den Höhepunkt anzusteuern, doch er bleibt aus und wird durch die leise Reprise des Hauptthemas ersetzt. Diese Antiklimax ließe Raum für eine gewaltige Schluss-Steigerung in der Coda, doch auch sie hat Arensky verweigert. Stattdessen klingt der Satz mit einem tief bewegenden Adagio über das Hauptthema aus, vom Cello eröffnet. Die Totenklage auf den Cellisten Davidow verhindert den rauschenden Schluss.
Moll überschattet D Dur mit einem Trauerflor
Das Scherzo steht an zweiter Stelle, ein Allegro molto im heiteren D-Dur, das freilich ständig von Moll überschattet wird. Nicht nur daraus erklärt sich das gespenstische Zwielicht dieses Satzes, sondern auch aus dem raffinierten Klang: Eine knappe Dreitonfigur der Geige fügt sich mit dem Pizzicato des Cellos und irrwitzigen Klavierläufen zu einer Art groteskem Springtanz zusammen. Raffiniert wird dieses Klangbild variiert, bis kurz vor dem Trio noch Flageolett-Töne der Geige hinzukommen. Das Trio (Meno mosso) ist im Ton kräftiger, in der Anlage simpler: ein robuster russischer Walzer in B-Dur, dessen Melodie die Streicher einander gegenseitig zusingen. Am Ende kündigt sich die Reprise des Hauptteils an, die natürlich im Pianissimo ausklingt.
Wo die melancholische russische Seele durchschimmert
Gautier Capuçon Cello Symbolfoto
Das Cello eröffnet den langsamen Satz, der den Titel Elegie trägt. Es ist Arenskys Trauermarsch auf den großen Cellisten Davidow. Schwer lastende punktierte Rhythmen des Klaviers deuten den Duktus eines Kondukts an. Darüber stimmt das Cello mit Dämpfer auf den Saiten sein Klagethema in g-Moll, das von der Violine ebenfalls con sordino aufgegriffen wird. Wenn sich beide Instrumente zu Duett vereinen, wird aus dem Marsch ein tief bewegender Klagegesang. Plötzlich aber wechselt die Tonart ins helle G-Dur. Über murmelnden Triolen der Streicher erscheint in der hohen Klavierlage wie eine Vision eine G-Dur-Variante des Elegie-Themas – die Apotheose des Helden in den Höhen des Himmels. Wenn das Klavier die changierenden Triolen aufgreift und mit gezupften Cellotönen betörend mischt, erscheint die G-Dur-Melodie in der hohen Violinlage als wahrer Engelsgesang. Danach kehrt die Totenklage wieder und klingt im Pianissimo aus.
Arenskys Finale kurz und bündig aber schlüssig
Die viel gepriesene Kürze der Finalsätze bei Arensky, die sich so wohltuend von den ausufernden Finali der Spätromantik abhebt, zeigt sich auch im d-Moll-Trio. Das wuchtige Hauptthema im Allegro non troppo „nimmt den Stil Rachmaninows vorweg, und die Coda enthält eine schöne, höchst effektvolle Reminiszenz an das zweite Thema aus der Elegie“ (Belaiev). Nach einer gewaltigen Steigerung des wuchtigen d-Moll-Finalthemas bricht die Musik plötzlich ab und gibt den Blick frei auf die himmlische Vision aus dem langsamen Satz. Con sordino wiederholen die Streicher*innen in die Apotheose des Helden und erinnern danach senza Sordino an das traurige Hauptthema des ersten Satzes, bevor das Finale im Strudel der Erregung ungestüm zu Ende geht. Die drei Protagonisten transformierten Kammermusik zu einem wahrhaften Kammerspiel, obwohl die Kammer, also der Konzertsaal der Tonhalle dafür schon etwas zu voluminös ist, die Lautstärke dadurch etwas zurückhaltend, gar zu leise rüberkam. Nichtsdestotrotz feierte das Auditorium das Künstlertrio mit stürmischem Applaus, garniert mit einigen Bravorufen und liess mit klatschen nicht nach, bis die erhoffte Zugabe in Form des 2. Satzes aus Felix Mendelssohn-Bartholdys Klaviertrio Nr.1d-Moll op. 49 gewährt wurde.
Der Abschlussfilm von Rebana Liz John „Ladies Only" wurde zu den Internationalen Filmfestspielen Berlin eingeladen. Auch drei Filme von Absolvent*innen der KHM werden ihre Weltpremiere auf der Berlinale feiern, darunter einer sogar im Wettbewerb des Festivals. Prof. Philip Scheffner präsentiert seinen neuen Spielfilm "Europa" in Uraufführung. 10. bis 20. Februar 2022, Internationale Filmfestspiele Berlin, Potsdamer Platz 11, 10785 Berlin
Die Internationalen Filmfestspiele Berlin 2022 präsentieren in diesem Jahr zahlreiche Filme von Studierenden, Absolvent*innen und Lehrenden der KHM. Unter den eingeladenen Filmen befinden sich ein Abschlussfilm der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM), drei Filme von Absolvent*innen der KHM sowie der neue Film von Prof. Philip Scheffner.
Der Dokumentarfilm „Ladies Only“ (2021, 80 Min.) wurde in die Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ der Berlinale eingeladen. Mit dem in Indien gedrehten Film hat Rebana Liz John ihr Postgraduiertenstudium an der KHM im vergangenen Jahr erfolgreich abgeschlossen. „In Ladies Only treffen wir in Damenabteilen der Nahverkehrszüge in Mumbai auf Frauen, die uns Einblick in ihre Sichtweisen, Hoffnungen und ihre Wut geben und damit ein buntes Bild aus Gesichtern, Sprachen und Kulturen der indischen Gesellschaft entwerfen, das aus einem stilvollen Schwarz-Weiß-Film heraus leuchtet", schreibt die Sektionsleiterin Linda Söffker zur Auswahl des diesjährigen Programms.
Die Regisseurin begab sich noch vor der Pandemie 2019 mit einem kleinen Filmteam in die für Frauen reservierten Wagen indischer Züge, führte Interviews und beobachtete die Interaktionen der Reisenden. Rebana Liz John schreibt: „Mit einer feministischen Linse wollte ich erforschen, was Ambitionen und Freiheiten für Frauen in einer hochindustriellen, wohlstandsorientierten und komplexen Welt bedeuten. Die Tiefe, die sich in den Gesprächen herstellte, hat wohl auch mit der Flüchtigkeit der Begegnung in einem fahrenden Zug zu tun.“
"Ladies Only", Dokumentarfilm von Rebana Liz John, 2021, 80 Min. Regie und Montage: Rebana Liz John; Bildgestaltung: Milann Tress John; Ton: Navya Sah, Ankita Purkayastha; Gedichte: Kamla Bhasin; Musik: Jin Jim, Lucas Pizzini, Daniel Manrique Smith, Nico Stallman, Johann May; Sounddesign: Tim Elzer; Color Grading: Max Rüngeler; Schnitt- und Dramaturgieberatung: Hansa Thapliyal, Radhamohini Prasad; Förderung: Film- und Medienstiftung NRW; Betreuung: Prof. Sophie Maintigneux, Prof. Dr. Lilian Haberer, Prof. Ulrike Franke, Prof. Matthias Müller, Prof. Marcel Kolvenbach; Produktion: Kunsthochschule für Medien Köln (KHM), Rebana Liz John
Auch die Absolventin der KHM Mareike Wegener ist mit ihrem ersten Kinospielfilm in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ vertreten. „Echo“ (2022, 90 Min.) wurde von Petrolio Film GmbH Köln in Koproduktion mit dem WDR hergestellt.
Der Absolvent der KHM Mehmet Akif Büyükatalay ist als Co-Autor und Produzent des neuen Dokumentarfilms von Cem Kaya „Aşk, Mark ve Ölüm“ („Liebe, D-Mark und Tod“, 2022, 98 Min.) über 60 Jahre türkische Musik in Deutschland in die Sektion „Panorama“ der Berlinale eingeladen. Gemeinsam mit Claus Reichel gründete der KHM-Absolvent Mehmet Akif Büyükatalay die Filmproduktion Filmfaust in Köln und war 2020 Stipendiat des Mediengründerzentrums NRW. Für seinen Abschlussfilm „Oray“ (Regie und Buch) wurde er bei der Berlinale 2019 mit dem Preis für den besten Erstlingsfilm ausgezeichnet.
In den Wettbewerb des Festivals eingeladen wurde der zweite lange Kinospielfilm des KHM-Absolventen Michael Koch "Drii Winter" (2022, Schweiz/Deutschland, 136 Min.). Michael Koch ist Regisseur und Autor des Films, die Montage des Films verantwortet der KHM-Absolvent Florian Riegel. Der Film wurde von hugofilm features GmbH, Pandora Film, SRF, SSR und ARTE hergestellt.
In der Sektion Forum wird der neue Film von KHM-Professor Philip Scheffner "Europa" (2022, 105 Min.) seine Uraufführung feiern. Philip Scheffner ist seit 2021 Professor für Dokumentarische Praxen an der KHM.
Vorführtermine aller Filme mit KHM-Bezug im Überblick:
"Ladies Only", Abschlussfilm von Rebana Liz John (Regie & Buch), 2021, Dokumentarfilm, 80 Min. Premiere: 15.02., 18:45 Uhr, Kino International
Weltpremieren von Absolvent*innen der KHM:
Im Wettbewerb: "Drii Winter", 2022, 136 Min. Spielfilm von Michael Koch (Regie & Buch) Premiere: 14.02., 14:45 Uhr, Berlinale Palast
In der Sektion "Perspektive Deutsches Kino": "Echo", 2022, 98 Min. Spielfilm von Mareike Wegener (Regie & Buch) Premiere: 14.02., 18:45 Uhr, Kino International
In der Sektion "Panorama": "Aşk, Mark ve Ölüm", 2022, 96 Min. Dokumentarfilm von Cem Kaya (Regie & Buch) und KHM-Absolvent Mehmet Akif Büyükatalay (Co-Autor und Produzent) Premiere: 15.02., 16 Uhr, Kino International
Weltpremiere von Professor*innen der KHM:
"Europa", 2022, 105 Min. Spielfilm von Philip Scheffner (Regie, Buch & Schnitt) Premiere: 13.02., 17:45 Uhr, Delphi Filmpalast
Das Festival findet mit einem besonderen Konzept für Präsenzveranstaltungen in den Berlinale-Spielstätten vom 10. bis 20. Februar statt.
Das Luzerner Sinfonieorchester mit Dirigent Michael Anderling und Marc-André Hamelin Foto Patrick Hürlimann.
Besetzung und Programm: Luzerner Sinfonieorchester Michael Sanderling, Leitung Marc-André Hamelin, Klavier
Johannes Brahms (1833 – 1897) Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 83 Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73
Das früher jeweils im November programmierte «Lucerne Festival am Piano» wird von sehr vielen Konzertgängern schmerzlich vermisst. Das Luzerner Sinfonieorchester ist nun hier in die Bresche gesprungen, oder nutzt geschickt die Möglichkeit, ein eigenes kleines Festival unter dem Namen «Le piano symphonique» zu etablieren, was bis anhin erfolgreich gelungen ist. Nach den, von Besuchern und Kritik gefeierten Konzertabenden mit Klavierwerken von Camille Saint-Saëns, waren nun Werke von Johannes Brahms an der Reihe.
Die manchmal unterschätze Bedeutung von Brahms Klavierwerken
Le piano symphonique Johannes Brahms Dirigent Michael Sanderling
Die Klavierkonzerte von Johannes Brahms sind zwar nicht mit den virtuosen Monumenten à la Liszt, Tschaikowsky oder Rachmaninow vergleichbar, dennoch sind sie beim Publikum sehr beliebt, vielleicht auch etwas aufgrund der Biografie des Komponisten. Trotzdem: Lange Zeit galt es unter Pianisten als das überhaupt schwierigste aller Klavierkonzerte. Vor allem in den Ecksätzen weist es grosssinfonische Dimensionen auf; der langsame, durch ein elegisches Solo-Cello gekrönte Satz ist im Gegensatz dazu von exquisiter kammermusikalischer Intimität.
Reinfall mit dem ersten, Triumph mit dem zweiten Klavierkonzert
Marc-André Hamelin Solist am Klavier
Mit seinem Ersten Klavierkonzert war Brahms im Alter von 25 Jahren noch entschieden durchgefallen. Denn das Publikum erwartete vor allem wirkungsvolle Zirkusnummern und pianistische Bravour. Brahms bot stattdessen ein Konzert aus dem strengen Geist der großen Symphonie. Auch in seinem Zweiten Konzert blieb sich Brahms darin absolut treu, doch diesmal war das Publikum hin und weg vor Begeisterung. Das lag zum einen schlicht daran, dass Brahms mittlerweile, im Jahr 1881, weltberühmt war. Man wusste eben, dass man von diesem Meister kein kompositorisches «fast food» zu erwarten hatte, sondern reiche und dichte Musik, emotional packend, aber nicht auf äußere Wirkung berechnet.
Brahms ordnet dem Solisten neue Rolle zu
Der andere Grund für den großen Erfolg des 2. Klavierkonzerts war die neue Rolle des Solisten: Er wird zur Schaltzentrale, ist fast immer aktiv, gibt die Impulse, dialogisiert und treibt das Geschehen voran. So steht gleich am Beginn ein romantisches Horn Solo, aus dem sich eine ausgedehnte Klavierkadenz entwickelt. Dann erst antwortet das ganze Orchester. Auch der langsame Satz ist über weite Strecken eigentlich intime Kammermusik. Ein Solocello wird zum Partner des Klaviers – und in den Klarinetten zitiert Brahms aus seinem Lied “Todessehnen” den Vers: Hör es, Vater in der Höhe, aus der Fremde fleht dein Kind.
Schwerbepackt auf Italienreise
Warum kann man sich Brahms so schwer als bildungsbürgerlichen Kunstreisenden in Italien vorstellen? Und doch arbeitete er sich, mit Reiseführern schwer bepackt, von Kathedrale zu Kathedrale pilgernd, im Frühjahr 1881 bis nach Sizilien vor – mit seinem Freund, dem Chirurgen Billroth. Von dieser schönsten seiner acht Italienreisen brachte er Skizzen für ein neues Konzert mit. Die italienische Musik unterwegs wird ihn nicht abgelenkt haben, die fand Brahms nämlich „schauderhaft“. Doch wann immer ihm ein neues Werk zur Herzensangelegenheit wurde, schrieb er darüber in krampfig witzelndem Ton.
Aus angekündigtem «ganz kleinen Konzert» wurde ein Chef d`oeuvre
Solist Marc-André Hamelin
Das vierhändige Probespiel des neuen Klavierkonzertes – „ganz ein kleines Konzert“ nannte Brahms es – kündigte er Bülow gegenüber als „das lange Schrecknis“ an. Und in gewisser Weise war das B-Dur-Konzert auch ein „Schrecknis“. Mit seinem ersten Klavierkonzert hatte Brahms 1859 die furchtbarste Niederlage seiner Laufbahn erlebt, und er brauchte über zwanzig Jahre, um Mut für einen zweiten Anlauf zu fassen. Vielleicht gab ihm die Schönheit Italiens Sicherheit, dieses mächtigste aller romantischen Konzerte zu schaffen, das mit seinen Gebirgen von Sexten und Oktaven so extrem schwer zu spielen ist, dass der eigentlich zurückhaltende Alfred Brendel einmal gar von „pianistischen Perversionen“ sprach. Mit seiner breiten, marmorhaft getürmten Größe hat das Werk – allzu selbstsicher vielleicht – die Zweifler verstummen lassen, doch man vermisst auch jene sehnsüchtige Wehmut, jenes fast intime Aroma, das Brahms´ Formkunst das Abweisende nimmt. Es ist am Solisten, all den Akkordmassen eine menschliche Stimme zu geben, die füllig-wärmsten Klänge zu formen. Kraftvoll-gelassen erspielt sich Hamelin dieses Werk, kann größte Wildheit im zweiten oder die schlendernde Lässigkeit im ungarischen Finale entfalten, ohne seine wahrhaft olympische Balance zu verlieren. Vielleicht hat er da den zum majestätischen Ebenmaß strebenden Wesenszug des Konzertes erspürt, den es den Kunstekstasen seines Schöpfers in Italien verdankt. Marc-André Hamelin sprengt mit wilder Attacke diese tönende Abgewogenheit. Er greift die Kadenzen des ersten Satzes mit kalter Wut an, gönnt sich kaum Pedalabsicherung bei den riesigen Sprüngen. Er will das Stück bezwingen. Erregend hörbar wird, wie gefordert er ist, sein Ziel einer schlanken, gar aggressiven Deutlichkeit hier zu erreichen. Das zweite Klavierkonzert von Johannes Brahms ist ein Schwergewicht, keine Frage. Und dies nicht nur aufgrund seiner Länge von gut fünfzig Minuten, sondern weil es Sinfonisches mit pianistischer Klanggewalt verbindet, daneben aber auch Kammermusikalisches enthält. Gewissermaßen die Quadratur des Kreises also für die Interpreten. Wenn es zündet, ist es eine Offenbarung. Das Luzerner Sinfonieorchester hat unter der Leitung von Michael Sanderling einen feurigen Zugriff, Leidenschaft kommt durch, und auch die filigranen Passagen kommen zu ihrem Recht, die Farben sind gekonnt abgemischt. Solist Marc-André Hamelin stößt mit technischer Meisterschaft, in die dramatischen und ekstatischen Höhen vor.
Hamelin kann sanft, aber auch grantig
Solist Marc-André Hamelin Symbolbild
Auch die leichtfüßigen und lyrischen Teile, ebenso das Duftige, das Verträumte in diesem Konzert liegen ihm. Also, ob grantig oder lyrisch, kraftvoll oder feinfühlig, der frankokanadische Solist weiss zu überzeugen und begeistern, auch dank kongenialer Unterstützung des, von Michael Sanderling sehr engagiert geleiteten Luzerner Sinfonieorchester, dem Residenzorchester des Hauses.
Das Auditorium war begeistert und applaudierte den Solisten und den Dirigenten immer wieder zurück auf die Bühne und liess nicht locker, bis Hamelin sich wieder an den Flügel setzte und noch ein kurzes Werk von Philippe Emmanuel Bach als Zugabe gewährte.
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73
Kurzbeschrieb :
Eine einladende Geste der Bässe – und ein freundliches Hornthema eröffnet den ersten Satz. Das lange, gestikulierende Cellothema im zweiten Satz weiß, dass der Weg das Ziel ist. Der dritte Satz ist ein nostalgisches Menuett – ein tanzendes Paar aus Porzellan auf dem Kaffeetisch. Im vierten Satz wird ein lustiger Überraschungsangriff vorbereitet. Es beginnt pianissimo, alle gehen in Stellung – dann tobt es los: ausgelassen, überkandidelt. Am Schluss heißt es: hau den Lukas, Fanfare, alles gut!“
Die am leichtesten zugängliche aller Brahms Sinfonien
Von den vier Brahms-Sinfonien ist die zweite wohl am leichtesten zugänglich: Nichts von norddeutscher, tiefschürfender Grübelei, sondern viel lichtstrahlende Helle und ebenso viel elegische Melodik. Für Brahms möglicherweise fast zu viel des Guten, sodass er warnend meinte: «Die neue Sinfonie ist so melancholisch, dass Sie es nicht aushalten.» Die Musikgeschichte hat es längst bewiesen: Wir halten es nur zu gerne aus.
Brahms komponierte künstlerisch befreit
In einem Gefühl der „künstlerischen Befreiung“ komponierte Brahms seine zweite Sinfonie innerhalb von wenigen Monaten und behauptete sich damit als souveräner Sinfoniker. Während des Schaffensprozesses 1877 am Wörthersee sagt Brahms sogar, es sei dort so schön und harmonisch, dass die Melodien geradezu in der Luft herumflögen. Die erste Sinfonie wird gerne als „Pathetische“ bezeichnet, wohingegen seine zweite Sinfonie als „Pastorale“ in die Musikgeschichte eingegangen ist. Die ersten beiden Sinfonien sind unmittelbar nacheinander in den Jahren 1876 und 1877 entstanden. Daraus wird oft der Schluss gezogen, dass es sich um Gegensatzpaare handele: Die zweite Sinfonie als optimistisches Gegenstück zur ernsten ersten Sinfonie.
Selbst nach der erfolgreichen Uraufführung seiner zweiten Sinfonie plagten Brahms noch Selbstzweifel
Denn noch vor dem ersten Konzert feilte Brahms intensiv an der Blechbläser-Instrumentation der beiden Ecksätze und gestaltete sogar die Streicherbegleitung in der Coda des ersten Satzes neu, Auch nach der umjubelten Uraufführung waren die Selbstzweifel des Komponisten noch nicht restlos verschwunden. Zudem verwirrte er Verleger sowie Kritiker mit Kommentaren wie: „Die neue Sinfonie ist so melancholisch, dass Sie es nicht aushalten. Die Partitur muss mit Trauerrand erscheinen.“
Melancholie durchweht das Werk
Michael Sanderling Leitung
In diesen Äußerungen des Komponisten steckt sicherlich eine gehörige Portion Mystifizierung. Dennoch ist die Betonung der melancholischen Aspekte nicht ganz unberechtigt. Bei genauerer Betrachtung erweist sich das Werk als durchaus nicht unproblematisch. So ist beispielsweise der lange erste Satz nicht durchgehend heiter, sondern voller harmonischer und kontrapunktischer Verwicklungen und Kontraste. Auch die Instrumentierung des tiefen Bläserregisters mit drei Posaunen und Tuba, anstelle einer Bassposaune, bewirkt eine dunkle Stimmung. Brahms setzte die Tuba bereits in seinem Requiem immer dort ein, wo von den letzten Dingen die Rede ist. Umso erstaunlicher, dass Brahms zwei – dreimal die «Marseillaise» zu zitieren scheint und zwar genau den Aufbruch, also den Optimismus ( tä tä tä tä tä tä tä tä tädä).
Insbesondere im zweiten Satz, einem sehnenden Adagio, schwingt der Wunsch nach etwas Unerreichbarem mit. Ist es die Naturidylle, die Brahms für kurze Zeit in Kärnten gefunden zu haben glaubt? Aber auch diese entpuppt sich als Utopie, als etwas, das nicht von dieser Welt zu sein scheint. Ein tiefer Ernst liegt auch in diesem eigentlich hellen H-Dur-Satz.
Verwirrend tänzerischer 3. Satz
Der dritte Satz mit seinem tänzerischen Rhythmus, überschrieben “Allegretto grazioso”, erscheint als eine kurze Auflockerung zwischen den großen, bedeutungsvollen Gedanken dieses Werks. Aber auch hier: Brahms lässt der Heiterkeit niemals freien Lauf. Diverse Musiker*innen äusserten schon: “Er spielt mit uns die ganze Zeit”. “Es ist ein bisschen wie ein Spiel mit einem Spiegel. Nichts ist, wie es scheint. Für das Orchester ist das immer eine Herausforderung. Vom Metrum her ist es wahnsinnig schwer. Die Musiker klagen immer, dass es in dem Satz total leicht ist, sich zu verzählen. Brahms gibt eine Melodie vor, die eigentlich einfach ist. G-Dur, die einfachste aller Tonarten. Und dann macht er durch dieses Spiel mit dem Rhythmus und den Zeitverhältnissen aus etwas Einfachem ein kleines Kunstwerk. ”
Ein Kunstwerk machten die Luzerner, unter der souveränen Leitung ihres Chefdirigenten Michael Sanderling aus dieser zweiten Sinfonie, knüpften nahtlos an ihre Ausstrahlung von vor der Pause beim Klavierkonzert an. Die ca. 1500 Besucher bedankten sich denn auch mit stürmischer, langanhaltender Akklamation bei den Protagonisten.
Das Luzerner Sinfonieorchster geniesst den verdienten Schlussapplaus