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Lifestyle

Luzerner Theater, Macbeth von Giuseppe Verdi, Première, 22.1.22, besucht von Léonard Wüst

Macbeth Luzerner Theater Hrólfur Saemundsson und Koenige Foto Ingo Hoehn
Macbeth Luzerner Theater Hrólfur Saemundsson und Koenige Foto Ingo Hoehn

Produktionsteam und Besetzung:
Musikalische Leitung: Hossein Pishkar Regie: Wolfgang Nägele Bühne und Kostüme: Valentin Köhler Licht: David Hedinger-Wohnlich Musikalische Assistenz und Nachdirigat: Jesse Wong Dramaturgie: Johanna Mangold , Christine Cyris Choreinstudierung: Mark Daver

Hrólfur Sæmundsson (Macbeth) Christian Tschelebiew (Banco) Susanne Elmark (Lady Macbeth) Eyrún Unnarsdóttir (Dame der Lady Macbeth) Diego Silva (Macduff) Robert Maszl (Malcolm) Sebastià Peris (Arzt / Diener / Mörder / Herold) Luzerner Kantorei (Erscheinungen) Statisterie des Luzerner Theaters (Erscheinungen) Chor- und Extrachor des Luzerner Theaters Luzerner Sinfonieorchester

Uraufgeführt wurde die Oper am 14. März 1847 im Teatro della Pergola in Florenz,
eine revidierte Fassung wurde am 21. April 1865 im Théâtre-Lyrique in Paris uraufgeführt. Die Luzerner haben sich entschieden, eine Mischung der beiden grundsätzlichen Versionen zu Inszenieren. Dafür konnte die international gefeierte dänische Sopranistin Susanne Elmark gewonnen werden und als Macbeth der isländische Bariton Hrólfur Sæmundsson.

Ab Homepage des Luzerner Theater

Ist Macht ein Fluch oder Segen? Und ist Liebe zwischen zwei Menschen immer ein positives Gefühl?

Susanne Elmark  als Lady Macbeth Foto Lars Andreas
Susanne Elmark als Lady Macbeth Foto Lars Andreas

1847 schafft der 34-Jahre junge Giuseppe Verdi auf der Basis von William Shakespeares gleichnamigem Drama mit «Macbeth» ein musikdramatisches Werk, das eine skrupellose Welt vor Augen führt. Macbeth, dem von drei Hexen der Königstitel verheissen wurde, ermordet gemeinsam mit der Lady unter seinem eigenen Dach den König, um dessen Krone und Macht an sich zu reissen. Es ist eine Welt geprägt von Macht, Terror und Mord, in der zwei Menschen, um der Herrschaft willen herrschen wollen. Hier entscheiden Willkür und Zufall über Aufstieg und Fall von Königreichen, die Skrupellosen erzwingen die Gunst der Stunde mit Gewalt.

In der Rezeptionsgeschichte der Oper wird immer wieder betont, Verdi habe im «Macbeth» auf eine Liebesgeschichte verzichtet. Für Regisseur Wolfang Nägele sind Macbeth und die Lady durch eine mächtige Liebe miteinander verbunden, die zum Katalysator der destruktiven Kräfte wird. Realitätsverlust, Wahnvorstellungen und eine symbiotische Verschmelzung sind die Folgen, die musikalisch vor allem in der zweiten Fassung von 1865 übersetzt sind. Verdis Oper spricht mit voller Wucht zu uns und erzählt von der manischen Liebe eines Paares, das die gesamte politische Welt und die Menschen um sich herum mit in den Abgrund reisst.

Aufschrei von Feministinnen zu befürchten?

Hrólfur Sæmundsson als Macbeth Symbolfoto
Hrólfur Sæmundsson als Macbeth Symbolfoto

Entgegen dem Weiblichkeitstrend, manchmal Wahn gar «Gschtürm» präsentiert das LT eine Oper, die fast ohne weibliche Stimmen auskommt, klammert man die überragende dänische Sopranistin und die Chorstimmen mal aus. Die Hexen betrachte ich hier geschlechtsneutral  als Sache, also das Hexe, plural die Hexen, da ich den Shitstorm nicht erleben möchte, wenn ich die dem weiblichen Geschlecht zuordnen würde. Obwohl sie ja in sämtlichen Märchen, siehe z.B. «Hänsel und Gretel», gendergerecht «Gretel und Hänsel», weiblichen Geschlechts sind.

Grundsätzliches zu Verdis Macbeth

Verdi wollte mit Macbeth die Tradition des «Bel canto» hinter sich lassen, wurde dafür von der Kritik als «Totengräber des italienischen bel canto» und Stimmenvernichter bezeichnet, das konnte aber den grossen Zuspruch des Publikums nicht bremsen. Verdi überarbeitete aber die erste Version, fügte mehr Chorsequenzen hinzu.

Eyrún Unnarsdóttir Dame der Lady Macbeth
Eyrún Unnarsdóttir Dame der Lady Macbeth

Die auf Shakespeare zurückgehende Schauergeschichte um das machthungrige Ehepaar Macbeth, das, durch Weissagungen ermutigt, den schottischen König und weitere Adlige umbringt, um selbst den Thron zu besteigen, interpretiert Hossein Pishkar mit einer an Alfred Hitchcock erinnernden Berechnung. Leichtigkeit und sogar Witz bilden hier die Grundlage für grauenerregende Akzente seines analytischen Dirigats.
Hrólfur Sæmundsson in der Titelrolle ist mit jeder Faser seines Körpers Macbeth: in den kantablen Momenten und in den dramatischen. Er ist ohne Zweifel ein überragender Bariton, sowohl die Stimmkultur betreffend als auch die Intelligenz seiner Interpretation. Seine Arie “Pietà, rispetto, amore” gehört zu den Stücken, die man sich wieder und wieder anhören möchte – er gibt dieser Musik, die oft zu Reißern verkommen ist, Bedeutung und Noblesse. Susanne Elmark beherrscht die Rolle der Lady Macbeth. Sie hat Sinn für der Lady`s  dämonische Seite, besonders ihre Anrufung der Hölle im ersten Akt betreffend (“Or tutti sorgete”). Sie überzeugt gequält in der großen Nachtwandelszene. Großartig ebenso ihr “Trinklied” am Ende des zweiten Aktes. Das Premierenpublikum geizte nicht mit jeweiligem Szenenapplaus.

Postmoderne Klagemauer an der Plaza de Mayo

Macbeth Luzerner Theater Susanne Elmark als Lady Macbeth Foto Ingo Hoehn
Macbeth Luzerner Theater Susanne Elmark als Lady Macbeth Foto Ingo Hoehn

Neben einigen substantiellen, gar etwas vulgären  Einfällen zu Beginn, etwa der teilweise entblössten Darstellung des Königs und anderen Edelleuten ( mit Windeln bekleidet, an Rollator schreitend etc.) oder der zweiten “Erscheinung” in der Hexennacht, ist die Inszenierung von Wolfgang Nägele mit treffenden Symbolen «garniert»: Der sich teilweise aufrichtende Boden wird von den Schott*innen später als Pinwand genutzt, um die Fotos von Ermordeten und Verschollenen anzupinnen, eine postmoderne Klagemauer, vor der die schottischen Bürger*innen ihre Verluste, die Ermordung ihrer Führer beklagen, eine Szene, erinnernd an die argentinischen Mütter, die «Madres de Plaza de Mayo»,  die sich auf dem Platz vor dem Regierungsgebäude versammelten, um an den Verlust ihrer Männer und Kinder unter der Militärdiktatur zu erinnern und protestieren.  Bedrückend die düstere Gesamtwirkung der Bühne, wo sich trauernde, verloren wirkende Gestalten bewegten.

Der Baritonvulkan von der Feuerinsel und seine ebenfalls skandinavische Sopranistinnen Bühnenkollegin sangen  und spielten überragend

Macbeth Luzerner Theater_Hrólfur Saemundsson Susanne Elmark Foto Ingo Hoehn
Macbeth Luzerner Theater_Hrólfur Saemundsson Susanne Elmark Foto Ingo Hoehn

Der isländische Gastbariton Hrólfur Sæmundsson singt kräftig und dann fast lyrisch schwermütig. Susanne Elmark meistert mühelos und schnell den Wechsel von gurrenden Tiefen zu höchsten Tonlagen. Verdi ging es in dieser noch frühen Oper bereits schon weniger um Schöngesang, sondern um abgründige, oft expressive Effekte. Auch Diego Silva als Macduff überzeugte. Für Sängerinnen ist die Lady Macbeth eine besondere Rolle. Sie ist die einzige wirklich präsente Frauenrolle in diesem Werk. Und sie ist – seltenst für das 19. Jahrhundert – diejenige, die die Fäden zieht. Mal abgesehen von den Hexen als Schicksalsbild – gesungen von einem vielstimmig durchscheinend und verführerisch reinen Chor zum hervorragend plastisch musizierenden Luzerner Orchester unter Hossein Pishkar.

Chor des Luzerner Theaters
Chor des Luzerner Theaters

Aber zurück zu Elmark. Sie bestimmt die ersten beiden Akte. Vom grausamen Kalkül zum Machtrausch, den sie ins Psychotische kippen lässt. Ihre Stimme ist wahnsinnig vielsagend. Sie verfügt über ein beinahe gurrendes Vibrato in den Höhen, wenn sie bezirzt, ohne je schrill oder hart zu werden. Sie lässt die Koloraturen überschnappen wie ein Wahnsinn, der sich ankündigt. Sie sirrt und summt die Chorlinien mit, während des Festes im zweiten Akt und ist da psychisch eigentlich schon am Ende. Hrólfur Sæmundsson als Macbeth geht dazu den umgekehrten Weg. Die ersten beiden Akte ist er fahl im Gesicht und gesanglich noch etwas zurückhaltend. Lässt der Kraft der Frau allen Raum, den sie braucht, um derart zu beeindrucken. Später dann, im Duett mit einem in Höchstform agierenden Diego Silva  als Macduff, gibt er dem Macbeth mehr Profil. Aber so lange die Frau an seiner Seite ist, ist sie das Zentrum, politisch und strategisch.

Aussergewöhnlich beeindruckende Stimmen

Macbeth Luzerner Theater Szenenfoto von Foto Ingo Hoehn
Macbeth Luzerner Theater Szenenfoto von Foto Ingo Hoehn

Von den Stimmen an diesem außergewöhnlichen Premierenabend kann man nicht genug bekommen: Christian Tschelebiew muss als Banco mit edlem Bass viel zu früh sterben, und Robert Maszl kommt erst am Schluss als rächender Malcolm richtig zum Zug, wenn das ganze Imperium Macbeths in mächtigen Gefühlsausbrüchen untergeht. Zuvor hat sich Susanne Elmarks Lady in der Schlafwandel-Szene eher innig und verletzlich gezeigt und verschwindet fast nebenbei. Der Kommentar von Macbeth, “Was bedeutet schon ein Leben?” bekommt auf diese Weise großes Gewicht, genauso wie sein Schluss-Fluch auf “la vile Corona” – die “niederträchtige Krone” – besonders überzeugend wirkt. Hrólfur Sæmundsson singt auf diesem sehr hohen Niveau, begleitet vom Luzerner Sinfonieorchester in nicht enden wollender Perfektion. Die großen Chorszenen – von den Hexen bis zum gegen den Unterdrücker aufbegehrenden Volk – sind exzellent gearbeitet und schaffen Gänsehautmomente mit feinsten Nuancen und mächtigen Fortissimi. Das, mit Ausnahme eines hängenden Lichtervorhanges, gänzlich schwarz-düstere Bühnenbild ist perfekt auf die Musik abgestimmt.

Perfektion bis zum bitteren Ende

Robert Maszl als Malcolm
Robert Maszl als Malcolm

Auch im dritten Akt gelingt erneut ein optimales Zusammenspiel von Szene und Musik, wenn sowohl Macbeth, als auch der bereits gestorbene Banco und zuletzt die ekstatisch wirkende Lady Einblicke in ihr Seelenleben gewähren. Da entfaltet Verdis Musik eine faszinierende Kraft, auch  ganz ohne Gesang. Besonders berührend auch alle Szenen mit den Kinderdarstellern, die auch gesanglich glänzten.

Luzerner Sinfonieorchester
Luzerner Sinfonieorchester

Zu Macbeth allgemein  passt ein Zitat von Hannah Arendt:

«Macht aber besitzt eigentlich niemand, sie entsteht zwischen Menschen, wenn sie zusammen handeln, und verschwindet, sobald sie sich wieder zerstreuen.»

Fazit: Eine herausragende, trotz der sehr düsteren Shakespearegeschichte, strahlende Galavorstellung der Protagonisten, die das Premierenpublikum restlos begeisterte, und die von ebendiesem mit einer langanhaltenden «Stehenden Ovation» belohnt wurde.

Die Akteurinnen verdanken die Standing Ovation Foto Sandra Neumeister
Die Akteurinnen verdanken die Standing Ovation Foto Sandra Neumeister

 

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.luzernertheater.ch     Ingo Hoehn

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«Kreativität» auf Teufel komm raus. Das einzig Wahre? fragt sich Herbert Huber

Kreativität und Perfektion
Kreativität und Perfektion

Kreativität. Der eigenartige Modebegriff fliegt uns seit Jahren um die Ohren. So ein Allerweltsanspruch: Kreativ sein, kreative Lösungen suchen, kreativ auftreten. Wenn ich den Begriff «kreativ» bei Google eingebe, wird mir ob der Abermillionen Treffer schier schwindlig.

Und gleichzeitig nährt das meinen Verdacht, dass nur schon die Benutzung des Begriffs «kreativ» vielleicht nicht mehr der absolute Gipfel der Kreativität ist.

Ich glaube, dass meine Gertrude und ich kreative Gastgeber waren. Nur haben wir uns nicht mit diesem Wort geschmückt und dargestellt. Wir waren es quasi automatisch, weil wir unsere Betriebe liebten und uns gegenseitig auch.

Forderung der Zeit - Kreativität

Hoffentlich ist das Essen dann so kreativ ist wie das Interieur
Hoffentlich ist das Essen dann so kreativ ist wie das Interieur

Nun gut, «Kreativität» scheint nun mal eine Forderung der Zeit zu sein. Und wenn der Wirt nach getaner Arbeit von Seiten der Mitarbeiter*Innen oder der Gäste einer Nörgelwelle ausgesetzt ist, wenn in der Zeitung ein wüstes Lamento über die trüben Zustände in der Branche zu lesen ist und wenn mit dem Blick in die Jahressbilanz sich des Gastgebers Stirne ganz von alleine in schwerste Gewitterfalten legt, dann bleibt wohl tatsächlich nicht viel anderes übrig, als nach «kreativen» Lösungen zu suchen.

Es ist kreativ angerichtet aber auch umständlich
Es ist kreativ angerichtet aber auch umständlich

Gerade in diesen Momenten einer gewissen Verzweiflung möchte man sich mit einem «kreativen» Befreiungsschlag entfesseln, indem man irgendein brachiales originelles Konzept zu gebären versucht. Auch auf die Gefahr hin, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Unbedacht verfällt so manch einer schnell einem Aktionismus und ersetzt die bewährte Bernerplatte mit Nasi Goreng oder Mexican Food.

Mitbewerber kopieren ist nicht gerade kreativ

Es ist kreativ angerichtet aber nicht kundenfreundlich
Es ist kreativ angerichtet aber nicht kundenfreundlich

Meine Überzeugung: Man muss nicht auf die Mitbewerber schielen, sondern auf seine Gäste hören. Kreativität kann wohl mithelfen, neue Märkte zu entdecken, keinesfalls aber kann sie grundlegende persönliche Schwächen überdecken.

Es ist kreativ angerichtet aber auch zum verhungern
Es ist kreativ angerichtet aber auch zum verhungern

Wer mit dem Begriff Kreativität umzugehen weiss, wird auch wissen, dass das Finale sich nicht an der Kreativität, sondern an der Perfektion in der Umsetzung misst. Ein «angefressener» Koch sucht immer nach Verfeinerung, einer Verbesserung des Rezeptes. Der Unternehmer sucht ständig nach Kostenoptimierung und Verbesserung in der Leistung. Beide sind Menschen, welche logisches Denken mit «Eingebungen» koordinieren können – ohne dabei die Details zu übersehen.

Und was sagt der Philosoph René Descartes dazu?

Kreative Menüs mit frischen Zutaten
Kreative Menüs mit frischen Zutaten

So glaube ich, dass wirklich kreative Menschen ein fein justiertes Empfinden für die menschlichen Bedürfnisse haben, der eigenen wie die der anderen. Das lateinische «creare» bedeutet nichts anderes als «schaffen, zeugen, ins Leben rufen». Also, wer schöpferisch sein will, muss selbst leben. Wer durch und durch lebt, ist per Definition schöpferisch. So ist wahre Kreativität das Spiegelbild des Seins. Ich bin, also denke ich. René Descartes hat es zwar umgekehrt gesagt, aber ihm haben wir schliesslich auch den Rationalismus zu verdanken und nicht die Kreativität.

 

 

 

 

Das ist kreativ angerichtet
Das ist kreativ angerichtet

Als Wirt wäre sein Erfolg wohl nicht so durchschlagend gewesen wie als Philosoph. Wiewohl über einen Zusammenhang zwischen Ersterem und Letzterem gut zu philosophieren wäre. So oder so, die Geisteshaltung wird den Ausschlag geben. Immer. Auch in Zukunft.

Text www.herberthuber.ch

Fotos: www.pixelio.de

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Luzerner Sinfonieorchester «Mein Vaterland» 12. 1. 2022, KKL Luzern, besucht von Léonard Wüst

Pianist Martin Helmchen bei seinem Auftritt im KKL Foto Roger Grütter
Pianist Martin Helmchen bei seinem Auftritt im KKL Foto Roger Grütter

Besetzung und Programm:
Luzerner Sinfonieorchester
Pinchas Steinberg, Leitung
Martin Helmchen, Klavier

Franz Liszt (1811 – 1886)
«Totentanz», Paraphrase über «Dies irae» für Klavier und Orchester

Bedřich Smetana (1824 – 1884)
«Mein Vaterland» («Má vlast»), Zyklus sinfonischer Dichtungen

Die Moldau wird in ihrem Lauf durch Prag von insgesamt 15 Brücken überspannt
Die Moldau wird in ihrem Lauf durch Prag von insgesamt 15 Brücken überspannt

Man schrieb das Jahr 1965 als Frère Felix, Laienbruder im „Institut catholique des jeunes gens“ in Neuchâtel unser Interesse an klassischer Musik wecken wollte und uns (120 Schüler im Alter von 15/16 Jahren) dazu eines nachmittags im Refektorium versammelte. Er erläuterte uns, dass Komponisten manchmal mit ihrer Musik eine Geschichte erzählen wollen, er habe zur Erläuterung das Werk „Ma Vlast“ („Mein Vaterland“) des böhmischen Komponisten Bedrich Smetana ausgesucht bei dem dies besonders eindrücklich zu hören sei. Darauf postierte er ein grosses Grammophon auf dem Pult, zog eine Langspielplatte geheimnisvoll aus der Hülle, uns dazu erklärend, dass der Komponist u.a. den Weg der Moldau schildere, von Geschichten, die sich an deren Ufern abspielen und zwar von ihrer Quelle in Elbwiese im Krkonoše (Riesengebirge), zum Erreichen der goldenen Stadt Prag und schlussendlich bis zu ihrer Einmündung in die Elbe. Dann legte er die Platte auf den Plattenteller setzte die Nadel auf den Anfang und schon ertönten sanfte Harfenklänge.

Bravo und ein grand merci Frère Felix – Ziel erreicht

Grammophon Symbolbild
Grammophon Symbolbild

Frère Felix hat sein Ziel, zumindest bei mir, erreicht, ab da galt mein Interesse nicht mehr nur dem Rock n Roll, Freddy Quinn oder Johnny Hallyday. Bis heute begleitet mich diese sinfonische Dichtung und auch ich benutze sie gerne, um jemandem, mit ähnlichen Worten wie damals der Neuenburger Frère, Klassik zu erklären. Erstaunlicherweise kennen die meisten diese schon, oder zumindest teilweise, meist natürlich «Die Moldau» https://youtu.be/bWcoNzKRnrw?t=16

“Die Komposition schildert den Lauf der Moldau, angefangen bei den beiden kleinen Quellen, der kalten und der warmen Moldau, über die Vereinigung der beiden Bächlein zu einem Fluss, den Lauf der Moldau durch Wälder und Fluren, durch Landschaften, wo gerade eine Bauernhochzeit gefeiert wird, beim nächtlichen Mondschein tanzen die Nymphen ihren Reigen. Auf den nahen Felsen ragen stolze Burgen, Schlösser und Ruinen empor. Die Moldau wirbelt in den St.-Johann-Stromschnellen; im breiten Zug fließt sie weiter gegen Prag, am Vyšehrad vorbei, und in majestätischem Lauf entschwindet sie in der Ferne schließlich in der Elbe.”

Beim Konzert stand aber zuerst ein Werk von Franz Liszt auf dem Programm

«Totentanz», Paraphrase über «Dies irae» für Klavier und Orchester

Pinchas Steinberg Dirigent
Pinchas Steinberg Dirigent

Das Werk entstand 1847–1849 in Weimar und wurde in den Folgejahren von Liszt mehrfach überarbeitet, 1853 und 1859 besonders intensiv. Liszt schuf mehrere Versionen

Johann Wolfgang Goethe schrieb diese Ballade um 1813. Die siebenstrophige Ballade handelt davon, dass der Türmer nachts den Friedhof bewacht und das Auferstehen der Untoten aus ihren Gräbern beobachtet, die sich zu Mitternacht zum höllischen Tanz zusammenfinden. Ein Skelett provoziert den Türmer dabei so sehr, dass er selbst in Schwierigkeiten gerät.

Das Werk verbindet in Variationen ein Thema aus der Gregorianik (‘Dies Irae’) mit einem wilden, rasenden Thema, dem des Totentanzes. Satzgrenzen gibt es für Liszt nicht mehr, das ganze musikalische Geschehen spult sich scheinbar unaufhaltsam düster und tröstlich-strahlend ohne Unterbrechung vor einem ab, auch wenn es immer wieder intensive Momente der Besinnung gibt. ‘But no rest for the wicked’, sofort bricht der eigentliche Totentanz wieder hinein.

Natürlich muss der Solist hochvirtuos spielen können, besonders in den ‘Tanz’-Passagen. Aber wie immer bei Liszt ist es damit nicht getan. Virtuosität nicht als Selbstzweck, sondern als Voraussetzung, als Beherrschung des Handwerks.

Es fasziniert immer wieder, wie modern Liszt z.B. in seinen Klavierkonzerten (und rechnet man den ‘Totentanz’ einfach mal mit dazu) oder auch der h-Moll-Sonate ist, wie er die formalen Strukturen der Klassik und Romantik (z.B. was den Aufbau in Sätzen angeht) aufbricht, obwohl er inhaltlich weiterhin ganz der Romantik verpflichtet ist. Da steht jemand an einem Wendepunkt der musikalischen Entwicklung, bzw. treibt sie auch voran. Gleiches gilt aber auch für mein Empfinden für die Intensität im Ausdruck. Das Werk enthält zahlreiche technische Schwierigkeiten, wie z.B. schnelle Glissandi, Ton Repetitionen, atemberaubende Sprünge in Oktaven, und so weiter.

Totentanz wird Helmchens superber Tastentanz

Pianist Martin Helmchen
Pianist Martin Helmchen

Ob hingeknallte Harmonien, explosive Staccato oder filigrane Läufe, Martin Helmchen wendet alles meisterhaft an, wenn er sich in der Partitur vergräbt und in seine Welt der 88 Tasten eintaucht. Das Luzerner Sinfonieorchester ermöglichte des Solisten Entfaltungsmöglichkeit mit seinem dichtgewobenen Klangteppich. Helmchen, mal herrisch aufbrausend, dann nachdenklich hingebungsvoll modulierend, ob die Tasten streichelnd oder traktierend, der perfekte Hörgenuss war es immer. Spektakulär bombastisches Finale mit den alles überfliegenden Fanfaren der Posaunen, dem mächtigen Tutti und letzten kraftvollen Läufen von Helmchen.

 

 

 

 

Solist am Piano Martin Helmchen, Symbolbild
Solist am Piano Martin Helmchen, Symbolbild

Das begeisterte Publikum bedankte sich für diese Parforceleistung mit einer kräftigen, langanhaltenden Akklamation bei den Protagonisten.

Darauf wurden die ersten drei Teile von Smetanas «Vaterland» intoniert

Smetanas sinfonische Dichtung «Ma Vlast»

Gastdirigent  Pinchas Steinberg
Gastdirigent Pinchas Steinberg

Wenn Harfen sonst mal ein Arpeggio einstreuen dürfen, gehört ihnen hier zu Beginn die vollste Aufmerksamkeit beim magischen Anfang! Mit den poetischen Harfenklängen eines Barden beschwört Friedrich Smetana gleich zu Beginn von “Mein Vaterland” eine mythische Stimmung aus uralter Zeit herauf. Pinchas Steinberg gibt den Luzerner Musikern alle Zeit der Welt, ihre Instrumentalfarben nach und nach ins Geschehen einzubringen und ihre gerühmten Qualitäten auszuspielen: das runde Blech, das warme Holz, den edlen Streicherklang. Gemeinsam lassen sie in der ersten Tondichtung die sagenhafte Prager Königsburg auf dem Berg Vyšehrad in all ihrer Pracht erstrahlen.

Verblüffender Nuancenreichtum

Auch das bekannteste Stück des Zyklus, “Die Moldau”, hört man bei Steinberg und den Luzerner Sinfonikern mit einem Nuancenreichtum, der verblüfft. Selten erlebt man es, dass ein Dirigent derart genau im Detail arbeitet – und mit flexibler Tempogestaltung doch dem freien Atem der Musik folgt, ihrem natürlichen Fluss. Steinberg entdeckt in der “Moldau” vorimpressionistische Stimmungen und lässt die Paare in der Bauern-Polka graziös ihre Runden drehen.

Lodernde Dramatik

So wird aus einem abgespielten Klassik-Hit wieder ein spannendes Hörstück. Einen schroffen Kontrast dazu bildet in “Mein Vaterland” die dritte Episode um die Maid Šarka und ihr männermordendes Amazonenheer. Mit federnder Energie entwickelt der Dirigent hier lodernde Dramatik.

Das Auditorium spendete stürmischen Beifall bevor es die Musiker in die kurze Pause entliess.

Idyllisches Naturbild

Ähnlich wie die “Moldau” zeichnet auch der vierte Teil “Aus Böhmens Hain und Flur” ein idyllisches Naturbild. Mit leidenschaftlicher Hingabe und fein ausgehörten Details kostet Steinberg Smetanas Melodienreichtum wunderbar aus. Wem da nicht das Herz aufgeht …

Verinnerlichte Lesart

Pinchas Steinberg Leitung
Pinchas Steinberg Leitung

Pinchas Steinbergs Sehnsuchtston geht unter die Haut, seine verinnerlichte Lesart von Smetanas “Vaterland” entfaltet eine zarte Melancholie. Seine breiten Tempi vermag er mit seinen Musikern beseelt auszufüllen. Auch in den letzten beiden Teilen des Zyklus, die den Freiheitskampf der Hussiten verherrlichen, meidet der Dirigent heroisches Säbelrasseln und nationales Pathos. Stattdessen verströmt der Zyklus hier kitschfreies Heimatgefühl fern aller folkloristischen Klischees. Mit echter Hingabe, hoher Spielkultur und glutvollem Klang folgen die Luzerner Musiker ihrem Gastdirigenten.

Magisch, welche Energie der 76-jährige istaelischstämmige Gastdirigent noch aufbringt. Das Publikum geizte denn auch nicht mit stürmischem Schlussapplaus, zu einer stehenden Ovation reichte es dann aber doch nicht.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.sinfonieorchester.ch

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Neujahrskonzert mit Charles Dutoit & Gautier Capuçon, KKL Luzern, besucht von Léonard Wüst

Das Orchester auf der Konzertbühne Foto Claudine Mensch
Das Orchester auf der Konzertbühne Foto Claudine Mensch

Besetzung und Programm:
Luzerner Sinfonieorchester
Charles Dutoit, Leitung
Gautier Capuçon, Violoncello
Peter Solomon, Orgel

Maurice Ravel (1875 – 1937)
Rhapsodie espagnole

Édouard Lalo (1823 – 1892)
Konzert für Violoncello und Orchester d-Moll op. 33

Camille Saint-Saëns (1835 – 1921)
Sinfonie Nr. 3 c-Moll op. 78 «Orgelsinfonie»

Maurice Ravel  Rhapsodie Espagnole

Plakat des Neujahrskonzertes
Plakat des Neujahrskonzertes

Dass ein Welterfolg, ein Megahit nicht nur seine guten, sondern auch Schattenseiten hat, kann man bei Ravel erahnen. Sein «Bolero» kennt praktisch jeder, auch solche, die mit klassischer Musik gar nichts am Hut haben. Darüber geht meist vergessen, dass Ravel kompositorisch aus dem Vollen schöpfte und eben auch andere, sehr schöne Melodien erschaffen hat, zu Unrecht weniger bekannt, auch nicht so oft gespielt wie sein Markenzeichen. Es gehörte zu den ganz besonderen Talenten von Maurice Ravel, Musik zu schreiben, die auf den ersten Eindruck leicht und folkloristisch klingt und beim näheren Hinhören, viel mehr entdecken lässt: Tiefschürfendes, Nachdenkliches, oft auch Abgründe. Eine spanische Rhapsodie, das klingt nach sinnlich-glutvoller Klanglandschaft. Doch schon die Eröffnung der Suite ist ein filigranes Klanggerüst mit tiefgründigen Untertönen. Fast gespenstisch wirkt die andalusische Tonfolge, die permanent wiederkehrt: Das “Prélude à la nuit”  – “Präludium der Nacht”. “Das Prélude fängt  mit einem sehr sensual und sehr nächtlichen Gefühl an und man muss eine Möglichkeit finden, ein Ewigkeitsgefühl zu entwickeln. Diese ‘Andalous scale’ kommt mit sehr viel Gefühl daher. Es wird immer wiederholt und egal welche anderen Lichter, Farben erscheinen, es bleibt immer eine sensuale Frage.” Auf dieses Prélude folgen in der “Rhapsodie Espagnole” noch drei weitere Sätze, ebenfalls mit spanischen Tanzrhythmen. Ravels Mutter stammte aus Frankreich. Doch für Charles Dutoit ist auch der Einfluss des Vaters hier zu spüren. Schon Igor Strawinsky nannte Ravel einen “Schweizer Uhrmacher”. “Ravel hat einen Vater, der in der Schweiz (Versoix GE) geboren ist und vielleicht kommt daher ein Uhrmachergefühl bei ihm. Diese Präzision und dieser sehr kleine Mechanismus, den er sehr liebte und den er auch in seiner Musik macht, seiner Orchestration. Und seine Mutter war aus Südwestfrankreich. Seine Eltern haben sich in Spanien getroffen. Und dann kommt dieses Spaniengefühl für Ravel, diese Verbindung mit Sonnenlicht. Und in der ‘Rhapsodie’ kann man wirklich beide Welten hören».

Interpretation durch das Luzerner Sinfonieorchester

Der Konzertsaal des KKL Luzern
Der Konzertsaal des KKL Luzern

Dutoit entwickelte die «Rhapsodie» zur puren rhythmisch funkensprühenden, spanischen Lebensfreude, musste so nicht auf einen Wiener Musikverein Strausswalzer zurückgreifen, um musikalisch fulminant ins Luzerner Musikjahr 2022 zu starten. Dunkel wie eine köstliche Lindt Schoggi, magisch wie der Duft einer “Brazil” Cigarre aus Havanna, das Intro durch die feinen Striche der Violinen, beantwortet von ebenso subtilen “Kleinbläsern”, die dann alle vom Dirigenten in ein sattes, trotzdem zurückhaltendes Tutti geleitet wurden, das elegisch orchestriert ist und entsprechend ausgekostet werden kann.

 

 

 

 

 

Der Konzertsaal des KKL Luzern
Der Konzertsaal des KKL Luzern

Den einzelnen Registern wird später vom Komponisten genug Platz eingeräumt, um  alternierend Ihr Können zu demonstrieren. Für Musiker kann es eine wahre Herausforderung sein, sich in solche Sphären einzufühlen: spanische Rhythmen und Melodien, eingebettet in eine zutiefst französische Klangsprache. Charles Dutoit forderte dafür vom Luzerner Sinfonieorchester einen ganz transparenten Klang – für ihn der Inbegriff französischer Musik. Und das Orchester konnte ihn liefern. Es ist für ein Orchester sehr schwer, den Puls zu vergessen. Die Musiker mögen sehr, dass es einen gemeinsamen Puls gibt und sie zusammenspielen. Aber in der französischen Musik ist es individualistischer, man muss den Rhythmen mehr malen – und das ist eine andere Fassung, um eine Musik zu phrasieren. Und wie sie diese Rhapsodie malten, da wurde die gesamte Farbpalette ausgepackt, mal mit dem gröberen, mal mit dem ganz feinen Pinsel phrasiert.

Das  Publikum war hingerissen von diesem energischen Konzertauftakt und bedankte sich mit dem entsprechenden Beifall.

Édouard Lalo  Konzert für Violoncello und Orchester d-Moll op. 33

Gauthier Capuçon Solocellist auf der Konzertbühne
Gauthier Capuçon Solocellist auf der Konzertbühne

Das Cellokonzert beginnt mit einer langsamen und beeindruckenden Einleitung, die von Passagen für den Solisten unterbrochen wird, der dann im Folgenden Allegro maestoso in das Hauptthema des Satzes einleitet, das mit der Durtonart des eher lyrischen Nebenthemas kontrastiert wird. Elemente der Einleitung sollen durchgängig, aber konkret im Zuge der zentralen Entwicklung wiederkehren. Die gekürzte Reprise bringt die beiden Themen zurück, gefolgt von einer brillanten Coda, die von einem unheilvollen Hinweis auf die langsame Einleitung gekrönt wird. Das Intermezzo kombiniert langsamen Satz und Scherzo, wobei das eröffnende g-Moll Andantino con moto in ein G-Dur- Allegro-Presto übergeht.ein Vorgang, der sich wiederholt. In der Introduktion des letzten Satzes gibt es einen spanischen Touch, der sich mit Unterbrechungen im folgenden lebhaften thematischen Material fortsetzt, das sowohl in der Melodie als auch in schwungvollen rhythmischen Elementen präsent ist. Lalos Cellosonate entstand 1856, als er sich als Interpret und als Komponist mit Kammermusik beschäftigte. Die Sonate beginnt dramatisch, wobei ein zweites Thema den notwendigen Kontrast von Tonart und Stimmung zu der im Motiv der Sonate impliziten Drohung liefert. Im zweiten Satz gibt es eine sanfte Lyrik und Gelassenheit. Dies wird sofort durch die unverblümte Kraft des letzten Allegros, unterbrochen von einer zögernden Passage, zerstreut , bevor der Satz seinen ursprünglichen Schwung wieder aufnimmt und zu seinem rhetorischen Abschluss übergeht. Édouard Lalo schrieb sein Cellokonzert in d-Moll 1876 ​​in Zusammenarbeit mit dem belgischen Cellisten Adolphe Fischer (1847-1891). Das Werk wurde im folgenden Jahr im Cirque d’Hiver mit Fischer als Solist uraufgeführt.

  1. Präludium , lento – Allegro maestoso
  2. Intermezzo , andantino con moto – Allegro presto – Andantino – Tempo I
  3. Einleitung , andante – Allegro vivace

Der erste Satz eröffnet das Lento und geht dann in ein Allegro maestoso über , das sich durch den Rest des Satzes fortsetzt. Die Eröffnung hat mehrere Takte Orchestermusik, bevor das Solocello mit einem Ad-lib- Thema einsetzt, das dreimal gespielt wird. Dies führt in den schnellen Abschnitt mit vielen schnellen und aggressiven Arpeggien und schnellen und unerbittlichen Sechzehntelnoten.

Der zweite Satz beginnt mit einem langsamen Andantino Abschnitt und geht dann in ein lebhaftes Allegro Presto über. Die Musik kehrt zum Andantino Tempo zurück. Vor dem Ende des zweiten Satzes kehrt das Allegro Presto zurück. Das Solocello endet mit Pizzicato- Akkorden mit dem Orchester.

Das Solocello beginnt mit einem langsamen Andante im dritten Satz; das Orchester macht mit und übernimmt dann. Die Musik wird zu einem lebhaften Rondo, das allegro vivace markiert ist , wobei das Cello-Solo mit einem kraftvollen Einstieg in das Rondo-Thema zurückkehrt. Das Hauptthema basiert auf der D-Dur-Tonleiter und einem schnellen Herunterfallen. Der Rest des Satzes setzt sich im Allegro vivace-Tempo fort. Das Solocello endet mit einer sehr schnellen Tonleiter, die auf einem Cis-Triller landet, der sich in die Tonika auflöst.

In meisterlicher Hochform präsentierte sich der französische Starcellist Gauthier Capuçon in Édouard Lalos auch spanisch inspiriertem Cellokonzert, wo das Orchester sich ganz in den Dienst des Sollisten stellte, ohne seiner Linie dabei untreu zu werden.

Elegantes Outfit, betörendes Spiel

Capuçon, im königsblauen Frack, intoniert schlicht grossartig, äusserst gefühlvoll in den ruhigeren Sequenzen, energisch wo geboten und entlockt seinem Instrument Töne die vom dunkelsten Keller der Tonleiter bis hinauf in das hellste Firmament des Notenhimmels führen mit einer unglaublichen Präzision, mal filigran jubelnd, dann dumpf brummend. Er sequenziert die Partitur, schält ungeahnte Feinheiten heraus, um dann in einen fulminanten Lauf zu starten, dabei seine überragende Technik demonstrierend.

Das tief beeindruckte Auditorium applaudierte den Solisten einige Male zurück auf die Bühne und wäre es das Konzertende gewesen wäre, hätte man sich wohl zu einer «Standing Ovation» erhoben. So aber verebbte der stürmische Applaus nach und nach, bevor man sich in die Kurze Konzertpause begab.

Camille Saint-Saëns Sinfonie Nr. 3 c-Moll op. 78 «Orgelsinfonie»

Charles Dutoit dirigiert das  Luzerner Sinfonieorchester
Charles Dutoit dirigiert das Luzerner Sinfonieorchester

Der Symphony No. 3 in C – Moll , Op. 78, durch abgeschlossen wurde Camille Saint-Saëns im Jahr 1886 an , was war wohl der künstlerische Höhepunkt seiner Karriere. Sie wird im Volksmund auch Orgelsymphonie genannt , obwohl es sich nicht um eine echte Orgelsinfonie handelt , sondern einfach um eine Orchestersymphonie, bei der zwei von vier Sektionen die Pfeifenorgel verwenden . Der Komponist beschriftete es als: Symphonie Nr. 3 “avec orgue” (mit Orgel).

Über die Komposition des Werkes sagte Saint-Saëns: “Ich habe alles gegeben, was ich geben konnte. Was ich hier erreicht habe, werde ich nie wieder erreichen.” Der Komponist schien zu wissen, dass es sein letzter Versuch der symphonischen Form sein würde, und er schrieb das Werk fast als eine Art “Geschichte” seiner eigenen Karriere: virtuose Klavierpassagen, brillanter Orchestersatz, der für die Romantik charakteristisch ist , und den Klang einer Pfeifenorgel, die für eine Kathedrale oder den größten Konzertsaal geeignet ist.

Peter Solomon Orgel Symbolbild
Peter Solomon Orgel Symbolbild

Die Sinfonie wurde von der Royal Philharmonic Society in England in Auftrag gegeben und am 19. Mai 1886 in London in der St. James’s Hall unter der Leitung des Komponisten uraufgeführt. Nach dem Tod seines Freundes Franz Liszt am 31. Juli 1886 widmete Saint-Saëns das Werk dem Andenken an Liszt. Der Komponist dirigierte auch die französische Erstaufführung der Sinfonie im Januar 1887Nach seiner langsamen Einleitung führt der erste Satz zu einem Thema von mendelssohnischem (oder schubertianischem ) Charakter, gefolgt von einem zweiten Thema einer sanfteren Besetzung, mit verschiedenen Nebenthemen in Dur gespielt und bald darauf in Mollformen wiederholt; chromatische Muster spielen in beiden Sätzen eine wichtige Rolle. Dieses Material ist in ziemlich klassischer Sonaten-Allegro-Form ausgearbeitet und verblasst allmählich zu einer ruhigeren Stimmung, die zu einer leicht bedrohlichen Reihe von gezupften Tönen in Cello und Bass wird , die auf einer G-Tonhöhe enden, gefolgt von einem langsamen und sanft gehaltenen A ♭ Anmerkung in der Orgel in die neuen Schlüssel zur Lösung D ♭ für den Poco-Adagio-Abschnitt des Satzes. Daraus entwickelt sich ein Dialog zwischen Orgel und Streichern, der an das frühere Hauptthema des Satzes vor der Reprise erinnert . Der Satz endet in einem leisen Morendo .

Der zweite Satz beginnt mit einer energischen Streichermelodie, die einer Presto-Version des Hauptthemas weicht, komplett mit extrem schnellen Skalenpassagen im Klavier. Das Thema wird dann in kraftvollen Orgelakkorden wiederholt, die von Blechbläserfanfaren unterbrochen werden. Diese bekannte Bewegung erheblich variiert, einschließlich , wie es tut polyphones fugierten Schreiben und ein kurzes pastorales Zwischenspiel , von einem massiven Höhepunkt der ganzen Symphonie durch eine Rückkehr zu dem einleitenden Thema in Form gekennzeichnet ersetzt Dur – Tonleiter Variationen .

Ausgewiesener Kenner der französische Musikliteratur am Pult

In Luzern stand mit dem gebürtigen Lausanner Charles Dutoit ein ausgewiesener Kenner der französischen Musikliteratur am Pult. Er leitete das immer souveräne Orchester mittels Mimik, Augenkontakt und klaren Gesten durch die anspruchsvolle Partitur, geizte nicht mit Forte und Tempo, konnte aber auch zurückhaltend sanft, ohne an orchestraler Strahlkraft einzubüssen.

Bemerkenswert auch, mit welcher Energie Altmeister Charles Dutoit (Jahrgang 1936) die Sache noch angeht und wie er seine, noch immer aussergewöhnliche Dynamik auf seine Mitmusiker übertragen kann.

So durften dann er und die anderen Protagonisten einen stürmischen, langanhaltenden Schlussapplaus entgegennehmen, den sie schlussendlich noch mit der Zugabe «Farandole aus der  lArlesienne Suite» von Bizet verdankten.

Fazit: Ein mehr als gelungener Auftakt, ein akustisches Ausrufezeichen in das Luzerner Musikjahr 2022

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.sinfonieorchester.ch und Claudine Mensch

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