Text: WWW.NOEMIEFELBER.CH
Fotos: http://www.konzerttheaterbern.ch Isabel Janosch
Homepages der andern Kolumnisten: annarybinski.ch www.gabrielabucher.ch
leonardwuest.ch www.herberthuber.ch Paul Ott/Lascaux http://paul-lascaux.ch
Musikalische Leitung Péter Halász Regie Nigel Lowery
Ausstattung Nigel Lowery Licht Bernhard Bieri
Chorleitung Zsolt Czetner Dramaturgie Gerhard Herfeldt
Chor Chor Konzert Theater Bern Orchester Berner Symphonieorchester
Rezension:
Eine farbenfrohe Hafenszenerie blickt dem Publikum entgegen, als sich der Vorhang öffnet. Die schnellen Eröffnungsnoten der Ouvertüre untermalen das Gehetze auf der Bühne. Die Vorbereitung für die Hochzeit zwischen Madama Butterfly und Benjamin Franklin Pinkerton befinden sich in vollem Gange. Ganz Nagasaki scheint bei dem Fest beteiligt zu sein. Doch wer die Geschichte kennt, weiss, dass diese freudige Stimmung nicht von langer Dauer sein wird. Im Verlaufe des Abends wird das Publikum Zeuge, wie die Titelfigur von einem Leben voller hoffnungsvoller Freude und Liebe in eines voller Armut, Elend und Trauer versinkt. Nicht umsonst nennt sich die Oper von Giacomo Puccini, Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica «tragedia giapponese».
Tragische Liebesgeschichte
Die Oper erzählt die tragische Geschichte der Geisha Cho-Cho-San, genannt Butterfly, und ihrem Mann Pinkerton. Dieser verlässt sie kurz nach ihrer Hochzeit, um in seine Heimat Amerika zurückzukehren, wo er eine andere Frau ehelicht. Erst nach drei Jahren, die Butterfly mit hoffnungsvollem Warten verbringt, kehrt der Offizier mit seiner amerikanischen Frau nach Japan zurück. Als ihm zu Ohren kommt, dass Butterfly Mutter seines Kindes ist, möchte er seinen Sohn abholen und nach Amerika bringen. Der Verlust von Mann und Kind bricht Butterfly das Herz und die Oper endet mit ihrem Selbstmord.
Ein Hauch Exotik
Unter der Regie von Nigel Lowery, der bereits zum dritten Mal mit dem KTB zusammenarbeitet, bekommt die Oper den passenden Hauch Exotik. Die beiden Bühnenbilder des ersten und zweiten Aktes überzeugen durch eine kontrastierende Ästhetik, welche die Handlung passend unterstützt, sowie atmosphärischem Lichterspiel. Auch die Kostüme bereichern die Geschichte mit Einflüssen aus der japanischen und amerikanischen Kultur. Die asiatische Exotik zieht sich hin bis zur Musik: So versetzte Puccini die Partitur mit zahlreichen japanischen Einflüssen. Doch auch die amerikanische Nationalhymne wird mehrmals verarbeitet und ergänzt die Oper so mit einer Spur von Patriotismus. Ein besonderes Highlight der Inszenierung bietet die Pantomime nach dem zweiten Akt, die von fünf puppenartigen Figuren dargestellt wird. Dabei orientiert sie sich in ihrer Darstellung sowohl an ihrem traditionellen asiatischen Vorbild, beinhaltet aber auch Verweise auf die moderne Manga-Ästhetik.
Herausragende Leistung
«Madama Butterfly» zeichnet sich durch vieles aus, insbesondere auch durch ihre wunderschöne Musik. Die virtuosen Gesangspartien wurden von den Hauptdarstellern scheinbar mühelos gemeistert und auch schauspielerisch überzeugen sie mit einer stimmungsvollen Interpretation ihrer Charaktere. Unterstützt werden sie dabei vom Chor des Konzert Theater Bern und dem Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Péter Halász, welche das Geschehen auf höchstem Niveau untermalen.
Auch wenn das Stück bei seiner Uraufführung 1904 auch nicht gut beim Publikum ankam, so gilt es heute als ein Klassiker der Opernliteratur. Das Werk überzeugt sowohl mit seiner tragischen Handlung als auch seiner zeitlosen Musik. Und ganz anders als bei der Uraufführung wird die kunstvolle Inszenierung und das hervorragende Team des KTBs bei der Premiere mit tosendem Applaus belohnt, der mehrere Minuten anhielt. Wer sich die Berner Interpretation der Tragödie um Cho-Cho-San nicht entgehen lassen will, kann sie noch bis Ende Juni in Bern erleben.
Text: WWW.NOEMIEFELBER.CH
Fotos: http://www.konzerttheaterbern.ch Isabel Janosch
Homepages der andern Kolumnisten: annarybinski.ch www.gabrielabucher.ch
leonardwuest.ch www.herberthuber.ch Paul Ott/Lascaux http://paul-lascaux.ch
Produktion und Besetzung:
Produktionsleitung und musikalische Gesamtverantwortung: isabelle Ruf – Weber
Inszenierung, Choreografie und Bühne: Björn B. Bugiel
Choreinstudierung und musikalische Assistenz: Achim Glatz
Technik , Licht und Bauten: Flynn Bolliger, Köstüme: Ariann Gloor
Frisuren und Maske: Hanni Nievergelt, Requisiten: Daniela Bucher Schmidlin
Flora/Frau Luna Raya Sarontino
Fritz Steppke: Andres Esteban, Lämmermeier: Stefan Wieland
Pannecke: Jens Olaf Müller, Frau Pusebach Cécile Gschwind
Marie/Jungfrau: Corinne Achermann, Theophil: Andreas Fitze
Ella/Stella: Gianna Lunardi, Egon/Prinz Sternschnuppe: Livio Schmid
Anna/Venus: Gaby Meier – Felix, Bierkutscher/Mars: Pius Berger
Stenzeichen: Corinne Achermann, Lars Bolliger, Vera Christen, Larissa Deplazes, Cédric Dillier, Colin Dillier, Serge Dillier, Elena Erni, Aline Ghidoni, Urs Heller, Philipp Riedweg, Marion Sidler, Mara Wyder, Nina Wyder
Chor, Ballett und Orchester des Stadttheaters Sursee
Rezension:
Mitten auf dem Platz steht eine der typischen, vom gebürtigen Berliner Ernst Theodor Amandus Litfaß „erfundenen“ Säulen, die nach ihm benannt sind, natürlich vollbeklebt mit Plakaten. Auf einem in typischem berlinisch vermerkt: Det Auge det Jesetzes wacht! Links davon richtet Wirtin Anna ihre Terrassentische und Stühle, während Pannecke schon ungeduldig nach einem Bier verlangt, derweil Berliner und Berlinerinnen über den Platz schreiten, vorbeispazieren oder kurz verweilen. Hier streut Regisseur Bugiel schon mal eine kleine Tanzeinlage ein um das Treiben im Berlin der goldenen 1920/30er Jahre noch zu unterstreichen.
Grundlage der Geschichte
2 Bühnenbilder in 3 Aufzügen und einer Pause
Nach ungefähr der Hälfte des ersten Aktes wird ein zusätzliches Bühnenelement von rechts auf die Bühne geschoben. Es zeigt das Geschehen in der Wohnung der, wie sie sich selbst nennt, möblierten Zimmerwirtin Witwe Pusebach, der Tante von Marie (Mieze) Pusebach und Zimmervermieterin von Fritze Steppke, dem Verlobtem eben dieser Mieze.
Witwe Pusebach (grandiose Cècile Gschwind) besingt mit „O Theophil“ eine amouröse Enttäuschung, die sie immer noch beschäftigt, während ebendieser Theophil, Polizist mit typischer preussischer Pickelhaube, vokal mit „Schenk mir doch ein kleines bisschen Liebe» mit Ella anbandeln will.
Top besetzte Rollen u.a. Raya Sarontino Frau Luna, Göttin des Mondes, Andres Esteban als Fritze Steppke, Wachtmeister Theophil (Andreas Fitze), der selbstverliebte Egon , Prinz Sternschnuppe (Livio Schmid), die klar singende Marie (Corinne Achermann) oder der mondbesessene Lämmermeier (Stefan Wieland, diesmal Bariton nicht Countertenor).
Die Litfaßsäule öffnet sich, die vier Berliner Raumfahrer steigen ein und unter Feuerwerk und Getöse verwandelt sich die Säule in eine Rakete, hebt ab, fliegt in die unendlichen, noch unbekannten Weiten des Weltraums. Die Traumreise, oder die Reise im Traum hat begonnen, der Vorhang schliesst sich.
Nach einer kurzen Ouvertüre hebt sich der Vorhang und – wir sind, zusammen mit den Berlinern, auf dem Mond in einer spektakulären Umgebung, umgeben vom tiefblauen Weltall mit über 1200 funkelnden Sternen, eine halbmondförmige Treppe führt Richtung Unendlichkeit, in die unerforschten Weiten des Universums. Wie es den vier Berlinern bei ihrem Besuch unseres Erdtrabanten ergeht! Man träumt mit, lässt sich mitreissen und anstecken, wird infiziert von diesem „Mondfieber“ der andern Art. Für einmal sind wir die „Aliens“, werden von den Mondbewohnern gemustert, ja neugierig interessiert begafft, begutachtet und eingeordnet. Erstaunlicherweise existiert von jedem Mondfahrer jeweils ein „Alter Ego“ auf dem Erdtrabanten, fast fühlt man sich in vertrauter persönlicher Umgebung. Trotz mehrheitlicher Nichtexistenz dieser Rasse, „menschelet“ es auch hier. Aber anders als zuhause, haben die Bewohner hier keinen regierenden Bürgermeister, wie die Berliner, sondern eine Alleinherrscherin, die Göttin des Mondes „Frau Luna“, die in glamourösem Ambiente, umgeben von illustren Gästen ihre Herrschaft zelebriert. Ganz oben auf der Treppe intoniert Raya Sarontino die Arie Von Sternen umgeben umhüll‘ ich die Welt (Bin Göttin des Mondes – Frau Luna genannt), stimmgewaltig und selbstbewusst. Nebst den anderen Trabanten, wie Venus, Mars usw. sind auch alle Sternzeichen anwesend, was besonders Hobbyastrologe Lämmermeister fasziniert, ein ganzer Hofstaat von Elfen Pagen etc. ist Frau Luna zu Diensten und mit Prinz Sternschnuppe ist auch ein langjähriger Verehrer der Mondgöttin mit seinem Raumschiff angereist, muss aber feststellen, dass seine Angebetete im Moment nur Augen für den „Exoten“ Fritze Steppke hat. Der Mond scheint ein ewiger Vergnügungspark zu sein. Venus, Mars und die Götter der Gestirne geben sich ein Stelldichein bei rauschenden Festen, deren absoluter Höhepunkt die «Milchstrassenparade» ist, bei der alle Sternzeichen die Mondtreppe herabschreiten und in deren Verlauf man auch vernimmt, dass die Zwillinge von der Jungfrau mit dem Wassermann gezeugt wurden! Prinz Sternschnuppe liebt Frau Luna, doch diese interessiert sich momentan nur für Steppke. Theophil erkennt in Frau Pusebach einen seiner amourösen Fehltritte auf der Erde. Pannecke, mit dem sie eigentlich verbunden ist, bändelt mit Frau Venus an. Theophil liebt Stella und leiht für der Reisenden Rückreise das Sphärenmobil des Prinzen aus, denn deren Ballon ist geplatzt. Nach einigen Turbulenzen findet jeder Topf seinen Deckel, und die Erdbewohner reisen zurück in der Erkenntnis, dass es auf dem Mond auch nicht anders zugeht als in der heimischen Mansardenwohnung.
Wir finden uns wieder im Bühnenbild des ersten Aktes. Etwas verändert hat sich dieser Alltag aber doch. Fritz Steppkes Traum vom Fliegen wird wahr, seine Verlobte Marie verschafft ihm eine Stelle beim ersten Luftschiffkapitän Graf Zeppelin. Es werden die Hochzeitstermine für Pannecke und seine Witwe Pusebach und ebenso für Marie und Fritze Steppke fixiert, ansonsten geht das Berlinerleben seinen üblichen Lauf. Die Berliner feiern das junge Brautpaar, die Musik der freiwilligen Feuerwehr Alexanderplatz spielt dazu auf. Sie alle sind versammelt, inkl. Ihrer Alter Egos vom Mond und atmen wieder die gewohnte „Berliner Luft“, die sie im fulminanten Finale auch besingen.
Fazit:
Die eigentlichen Hauptdarsteller sind die vier Berliner Mondfahrer, nicht die der Revue namensgebende Titelfigur Frau Luna. Eine großartige Leistung aller Beteiligten, ob auf oder hinter der Bühne und im Orchestergraben. Meene Begleitung und ikke waren hell begeestert und haben die Berliner Luft förmlich eingesogen, nicht nur eingeatmet. Mit dieser Inszenierung ist klar, sind die Sorser alles andere als hinter dem Mond zuhause, noch möchte man sie dorthin schiessen und wenn doch, würden sie mit dieser Inszenierung auch dort oben grosse Erfolge feiern.
Text www.leonardwuest.ch
Fotos: stadttheater-sursee.ch/willkommen
Kleine Fotodiashow der Produktion von Roberto Conciatori:
Eine kleine Geschichte die das Theaterleben schrieb von Gabriela Bucher – Liechti: die „Zimmis und die Operette“:
Besetzung:
Vesselina Kasarova (Mezzosopran)
Richard Galliano (Akkordeon)
Willi Zimmermann (Konzertmeister)
Zürcher Kammerorchester
Jahreswechsel! Diese Zeit bietet Gelegenheit sich vielleicht etwas Aussergewöhnliches auszudenken und auszusuchen. Was soll es dieses Jahr sein? Wohin soll allenfalls die Reise führen? In eine wärmere Gegend? Aber wie sieht es mit der Klimaneutralität aus?… Es wäre ja schon schön, aber…. Nein, ich verwerfe den Reisegedanken und entschliesse mich, den Jahreswechsel in meinem Umfeld zu verbringen! Ich lasse mich von verschiedenen Angeboten inspirieren und dabei fällt mein Blick auf OPUS, das Programmheft des Zürcher Kammerorchesters. Der Programmbeschreibung kann ich entnehmen, dass die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova und der Akkordeonist Richard Galliano zusammen mit dem Zürcher Kammerorchester, geleitet vom Konzertmeister Willi Zimmermann, für einen perfekten Einstieg in die Silvesternacht garantieren! Das gebotene musikalische Spektrum reicht von Südamerika über Frankreich nach Italien; von der grossen Oper zum argentinischen Tango bis zum neapolitanischen Volkslied! Das bedeutet, es werden Musikstücke unterschiedlicher Genres zu einem stimmungsvollen Ganzen zusammengetragen!
Ein Wiederfinden in bester Gesellschaft
Also machen wir – meine Frau und ich – uns auf den Weg ins KKL in Luzern. Ausgewählte Kleidung zu Ehren der Protagonisten inklusive! Beim Eintritt ins Konzertgebäude ist auffallend, dass wir nicht auffallen, denn wir finden uns in einer lebendigen, gut gelaunten eher etwas angejahrten Gesellschaft wieder, suchen die Garderobe auf, um uns von den vor Kälte schützenden Mänteln zu befreien und lassen uns in den Konzertsaal führen. Beeindruckend! Immer wieder!
Begrüssung und Konzertbeginn
Kurze Begrüssung und Programmvorstellung durch Lena Catharina Schneider, der neuen Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros der ZKO und dann betreten die Stars die Bühne! Die virtuos vorgetragenen Stücke ziehen uns in den Bann und es bleibt Raum und Zeit zusammen mit der Musik die Blicke herumschweifen zu lassen. Mir fallen – da ich in etwa auf Augenhöhe mit dem Bühnenrand bin – die Schuhe des Orchesters auf: glänzende schwarze Lackschuhe, getoppt mit roten Schnürsenkeln; ein echter Hingucker. Oder High-Heels, wenn der Schuh als Modeaccessoire dient oder als funktionale Fussbekleidung, wie im Falle der Harfenistin. Farbtupfer, soweit das Auge, das Ohr reichen, seien sie musikalischer oder optischer Herkunft.
In der Pause bleibt Zeit, sich über das Gehörte auszutauschen und sich auf den zweiten Teil zu freuen! Der Kunstgesang in Kombination mit einem Akkordeon, dem alles entlockt wird was man sich vorstellen kann, begeistert. Grenzen des musikalischen Könnens werden ausgelotet, ausgedehnt, ja vielleicht gar überschritten.
An der Schwelle zum neuen Jahr war dieses Konzert eine «Grenzerfahrung» der besonderen Art. Es ist ein schönes Gefühl in diesem Rahmen Grenzen zu überschreiten um letztlich wieder bei sich selbst anzukommen: erste Schritte in eine neue Dekade nach einem perfekten, stimmigen Konzert und einem gediegenen Essen machen zu dürfen; einfach herrlich!
Text: Max Thürig
Link auf:
Fotos: www.zko.ch
Besetzung und Programm:
Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Marsch für Militärmusik Nr. 2 C-Dur «Zapfenstreich»
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61
–
Johann Strauss II (1825 – 1899)
Ouvertüre zur Operette «Die Fledermaus»
«Seid umschlungen, Millionen», Walzer op. 443
«An der schönen blauen Donau», Walzer op. 314
«Unter Donner und Blitz», Polka op. 324
–
Johannes Brahms (1833 – 1897)
Ungarischer Tanz Nr. 1 G-Dur
Ungarischer Tanz Nr. 4 fis-Moll
Rezension:
Dass Beethoven musikalische Schlachtengemälde durchaus liebte, demonstrierte er mit «Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria». Auch seine Militärmärsche gehören in diese musikalische Kategorie. Und sogar sein einzigartiges Violinkonzert eröffnete Beethoven mit einem Instrument, das sich vorzüglich für Märsche eignet – nämlich mit der Solopauke, die zumindest im ersten Satz immer wieder eine wichtige Rolle spielt. Sonst aber herrscht hier pures Melos: Wohl in keinem anderen Werk verwöhnt Beethoven das Ohr des geneigten Musikfreundes mit einem derart opulenten Melodienreichtum. Nach der Konzertpause heisst es dann: alles Walzer. Von Wiener Walzermelodien, aber auch von Brahms’ Ungarischen Tänzen geht eine besondere Anziehungskraft aus – eine melancholische Aura von nostalgischer Zartbittersüsse. Walzerklänge locken und verführen, und sie künden insgeheim von kleinen, süssen Herzensgeschichten, von schüchternem Werben und heimlichen Neigungen, von schwärmerischem Glücksgefühl und verstohlener Wehmut. Ausgelassener Scherz und stiller Schmerz, leidenschaftlicher Frohsinn und federleichte Trauer gehen hier sozusagen eng umschlungen Hand in Hand.
Mix aus zwei Reminiszenzen
Es liegt nahe, dass einerseits der heuer zu feiernde 250ste Geburtstag Beethovens und andrerseits die weltweite Beachtung, das kulturelle Neujahrs TV Ereignis schlechthin, das alljährliche Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker im Saal des Musikvereins in der österreichischen Hauptstadt, die Programmierung bestimmt haben. Beethoven im Jahr 2020 fast ein must, Walzer andererseits, weltweit eine never ending Erfolgsstory, besonders zum Jahresanfang als publikumswirksame Absicherung? Andererseits haben sich die Luzerner in den letzten Jahren jeweils, mit Erfolg, deutlich von den Wienern abgegrenzt mit ihren Neujahrsprogrammen. Sei es, wie z.B. letztes Jahr mit Rossini, 2017 mit Gershwin usw.
1. Konzertteil mit Beethovens Violinkonzert
Beethovens Violinkonzert, uraufgeführt 1806, war völlig neuartig für seine Zeit. Es hat einen Umfang, wie noch kein Violinkonzert davor. Anfangs verurteilten die Kritiker das Werk. Seinen verdienten Durchbruch erlebte es, nachdem Joseph Joachim es als Dreizehnjähriger 1844 unter der Leitung von Felix Mendelssohn in London gespielt hatte. Seither hat es seinen festen Platz im Konzertrepertoire. Obwohl das einzige Violinkonzert Beethovens und von allen grossen Violinisten geschätzt, ja geliebt, wird es dennoch recht selten programmiert.
Der erste Satz entspricht der Sonatensatzform. Vier leise Paukenschläge, gefolgt von der Vorstellung des Hauptthemas durch die Holzbläser, leiten den Satz ein, dessen liedhaftes und doch majestätisches Hauptthema eine lyrische Stimmung verbreitet. Das Paukenmotiv kehrt an mehreren Stellen des Satzes wieder. Die Solovioline setzt erst nach der Vorstellung der beiden Hauptthemen und einer etwa dreiminütigen Orchesterpassage ein.
Für den 2. Satz, das Larghetto machen Leibowitz und Kolisch in ihrem“ Dialoge über Aufführungsfragen bei „Beethoven“ einen Andante-Charakter geltend, dessen Bewegungsform sich ebenfalls in Halben artikuliere. Aufgrund des charakteristischen Motivs aus Viertelnote mit angebundenem Achtel ordnet Kolisch diesen Satz dem Typ ›Adagio alla breve‹ zu. In Partitur und Stimmensatz trägt Leibowitz die Alla-breve-Vorschrift nach. Der Metronomwert= 30 wird aus den von Beethoven gemachten Metronomangaben(= 60) für die langsamen Sätze des Streichquartetts op. 59,2 und der Neunten Sinfonie abgeleitet. Vorurteilsfrei und leidenschaftlich hat sich hier Gluzman für einen Weg entschieden, der die technischen Herausforderungen zum Strahlen bringt. Er demonstriert, auch und Dank dem kongenialen Zusammenspiel mit dem grossartigen Orchester, emotionale Überzeugtheit, ohne je sentimental oder selbstgefällig zu werden. Den dritten Satz spielt der Solist so klar und zugleich so verwegen und hingebungsvoll wie kaum ein anderer in neuerer Zeit. Kenntnisreich und leidenschaftlich Gluzman geht mit nicht weniger Ernst zur Sache als andere Interpreten. Aber um wie vieles leichter, quasi dem Himmel näher wirkt seine Darbietung, wie viel tiefer in die Musiksubstanz aus Artikulation, Tongebung und Phrasierung dringt er ein. Gluzman ist bedingungslos virtuos. Sein Können stellt er ganz in den Dienst von Beethovens wundervollem Bewegungsdrang, heißblütig spielend und präzis kalkulierend. Das Orchester ist in der Größe ideal besetzt und ausbalanciert. Unter Leitung seines Chefs, James Gaffigan, hält es ohne Mühe mit. Kenntnisreich, unbelastet und engagiert hat sich Guzman für einen Weg entschieden, der die technischen Herausforderungen zum Strahlen bringt. Ein stürmischer, langanhaltender Applaus belohnte die Protagonisten für diesen Ohrenschmaus und schlussendlich gewährte uns der Solist noch die Gavotte aus der E-Dur-Partita von Bach als Zugabe.
2. Konzertteil alles Walzer, zumindest fast
Neujahrskonzert ganz ohne Walzer, davon rückten die Luzerner für einmal ab, ergänzten das Set aber noch passend mit zwei ungarischen Tänzen von Brahms, kannten und mochten sich doch diese beiden Komponisten sehr gut. Schon brauste eine Fledermaus durch den Konzertsaal und zwar in Form der Ouvertüre aus der gleichnamigen Strauss Operette, welche mit rasantem Drive und packendem Rhythmus fulminant den „Wiener Teil“ des Konzertes einläutete. Ebenso überzeugend kamen dann die übrigen Werke von Johann Strauss II, der eher sanfte Walzer «Seid umschlungen Millionen», die rasante Polka «Unter Blitz und Donner» und natürlich der Walzer der Walzer «An der schönen blauen Donau».
Gaffigan schöpfte grosszügig aus dem Vollen, liess sein Orchester fast zügellos laufen, ja galoppieren in das neue Jahr. Die zugegebene „Tritsch-Tratsch-Polka“ hob den Stimmungspegel noch mehr und fast logisch dann noch, wie in Wien alle Jahre wieder, der das Konzert abschliessende, schlicht unvermeidliche «Radetzky-Marsch»,-bei dem das Mitklatschritual noch nicht ganz dem Wiener Original entsprach, aber Innerschweizer sind ja bekanntlich schnell lernfähig und bis ganz am Ende, nachdem Gaffigan den Dirigentenstab noch an den Fagottisten abgetreten hatte und selber mitklatschte, ja fast mittanzte, passte fast alles. Der Applaussturm und die Bravorufe sowie auch die vielen strahlenden Gesichter im KKL gaben den Programmveranwortlichen Recht
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: sinfonieorchester.ch/home und
Homepages der andern Kolumnisten:
www.herberthuber.ch www.annarybinski.ch
www.gabrielabucher.ch
http://paul-lascaux.ch/