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Lifestyle

Wiener Staatsoper, Benjamin Britten A Midsummer Night’s Dream, 13. Oktober 2019, besucht von Léonard Wüst

A midsummer nights dream Foto APA Georg Hochmuth
A midsummer nights dream Foto APA Georg Hochmuth

Produktion und Besetzung:

Dirigentin Simone Young
Regie Irina Brook
Bühnenbild Noëlle Ginefri-Corbel
Kostüme Magali Castellan
Licht Jean Kalman
Choreographie Martin Buczko
  Théo Touvet
 
Oberon Lawrence Zazzo
Tytania Erin Morley
Puck Théo Touvet
Theseus Peter Kellner
Hippolyta Szilvia Vörös
Lysander Josh Lovell
Demetrius Rafael Fingerlos
Hermia Rachel Frenkel
Helena Valentina Naforniţa
Bottom/Zettel Peter Rose
Flute/Flaut Benjamin Hulett
Quince Wolfgang Bankl
Snout Thomas Ebenstein
Snug William Thomas
Starveling Clemens Unterreiner

 

Rezension:

Théo Touvet als Puck Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Théo Touvet als Puck Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Zum Auftakt seiner letzten Saison hat sich der scheidende Direktor Dominique Meyer Benjamin Brittens Oper „A Midsummer Night’s Dream“ ausgesucht – nach Shakespeares berühmtester Komödie, als erste Premiere der aktuellen Spielzeit Die Oper des britischen Komponisten Benjamin Britten nach der gleichnamigen Shakespeare-Komödie wurde zum ersten Mal nach über 50 Jahren wieder an der Staatsoper aufgeführt. Irina Brook, Tochter von Regielegende Peter Brook, inszeniert den „Sommernachtstraum“ Brittens, das Staatsopernorchester wird von der Australierin Simone Young geleitet. Frauenpower im Haus am Ring.

Brooks Vorliebe für zeitgemässe Kostümierung

Erin Morley als Tytania Peter Rose als Bottom Zettel Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Erin Morley als Tytania Peter Rose als Bottom Zettel Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Brook sagte in einem Interview mit der APA, dass sie eine besondere Beziehung zu dem Shakespeare-Stück habe: Sie sei mit der Inszenierung ihres Vaters aufgewachsen, sie selbst inszenierte das Drama zuerst in einem „freien Wald-und-Wiesen-Theater, ohne Geld, ohne Bühne“. Die Regisseurin gibt Antworten auf oft gestellte Fragen. Ist die Inszenierung zeitgenössisch wie Brooks bisherige Arbeiten? Mit dem Begriff ist sie nicht glücklich: „Ich bin sehr klassisch in meinem Denken, ich erzähle Geschichten linear und werktreu.“ Mit ihrem Faible für heutige Kostüme gilt die britisch-französische Regisseurin unter Konservativen gleichwohl als „modern“. „Ich sitze zwischen den Stühlen“, sagt Brook, findet das Thema Ausstattung aber insgesamt überbewertet: „In der Opernwelt entscheidet das Setting, wie du wahrgenommen wirst – als Traditionsbrecher oder als Konservativer. Aber das ist oberflächlich.“ Den „Sommernachtstraum“ wird sie in einer waldigen Ruine ansiedeln und die vier Liebhaber in Internatskleidung auftreten lassen, sich im Kern aber um die psychologische Kontur der Figuren bemühen. Und wie geht es ihr mit der modernen, wenn auch nicht avantgardistischen Musik aus dem Jahr 1960? „Sie wirkte zwar beim ersten Mal etwas schwierig auf mich, aber schon nach ein paar Tagen war ich völlig begeistert. Wenn ich vom Proben heimkomme, singe ich diese Melodien in der Nacht.“ Seltsam übrigens im Vergleich: „Als ich eine Oper von Donizetti inszeniert habe, konnte ich mich deutlich schlechter an die Musik erinnern.“

Die Inszenierung begeistert ebenso wie das stringente Dirigat

Lawrence Zazzo als Oberon Théo Touvet als Puck Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Lawrence Zazzo als Oberon Théo Touvet als Puck Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Sie haben ja schon einen etwas eigenartigen Geschmack, die Briten. Die Schuluniformen zum Beispiel: Überdimensionale mintgrüne Schlipse, Schottenröcke mit steifen Falten und riesigem Karo in grellen Farben. Irgendwie passend für eine Nation, die Nierenauflauf und Pfefferminzsauce für den Gipfel kulinarischen Glücks hält. In England versteht man sich eben darauf, Dinge, die anderswo seit Ewigkeiten aus der Mode gekommen ist, lustvoll zu übertreiben und als Exzentrik zu zelebrieren. Auch die Klangfarben Brittens sind klar von der Insel und werden von der kanadischen Dame mit dem Taktstock im Orchestergraben kongenial adaptiert und mit ihren souveränen Mitmusikern sinngemäss umgesetzt.

Provinzielles Britannia

Peter Rose als Bottom Zettel Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Peter Rose als Bottom Zettel Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Der neue“ Midsummer Night’s Dream“ an der Wiener Staatsoper ist eine Feier dieser sehr spezifischen Britishness. Kein Cool Britannia, nicht das stylishe trendige London, sondern eher die etwas angestaubte, aber liebenswert exzentrische Britshness der Provinz gibt die Richtung vor in der Inszenierung von Irina Brook. Das ungeniert kitschige Bühnenbild zeigt die von Schlingpflanzen malerisch überwucherten Ruinen eines Rokoko-Schlösschens. Der Elfen-Kinderchor trägt süße Kapuzen-Pullis, Oberon einen silbernen Glitzeranzug, Titania orangenes Haar und Puck eine mintgrüne Perücke.

Akrobatische Stunts mit Spielfreude

Theo Touvet  als Puck
Theo Touvet als Puck

Dieser Puck ist eine Augenweide: Die Saltos, Flugübungen und halsbrecherischen Sprünge des Schauspielers und Akrobaten Théo Touvet würden jedem Zirkus gut anstehen. Die beiden Liebespaare, deren Begehren dank Pucks Sommernachts-Zauberei so folgenschwer durcheinandergerät, stecken in grünen, sehr britischen Schuluniformen und verhandeln ihre hormonellen Verirrungen mit großer Spielfreude. Etwas zäher, aber immer wieder hübsch sind die komödiantischen Bemühungen der Handwerker, die als trottelige Laienspielschar die Tragödie von Pyramus und Thisbe als Theater auf dem Theater zum Besten geben. Spaß macht vor allem der britische Bass Peter Rose als Bottom – stimmlich ebenso souverän wie das gesamte Ensemble.

Gelungene Besetzung ohne Überraschungen

Valentina Naforniţa als Helena Rafael Fingerlos als Demetrius Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Valentina Naforniţa als Helena Rafael Fingerlos als Demetrius Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Nicht weniger als 14 Gesangssolisten fordert die Oper, und fast alle haben ähnlich viel oder wenig zu singen. Der Wiener Staatsoper gelingt das Kunststück, wirklich jede Rolle gesanglich stark zu besetzen. Große Klasse ist vor allem der Countertenor Lawrence Zazzo als Feenkönig Oberon. Handwerklich ist das alles ziemlich gut gemacht, dabei komplett harmlos und im guten wie im schlechten Sinn kulinarisch. So wie man es eben von der in punkto Regie stockkonservativen Wiener Staatsoper oder einer sehr guten Musicalbühne erwartet.

Britisches Fest der Klangfarben

Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Großartig ist die Orchesterleistung unter der sicheren Leitung von Simone Young. Benjamin Brittens Partitur hat sich erstaunlich jung gehalten, in der „von schwerer Harmonik durchzogenen Partitur“ ist „vor allem zauberisch-lichtes Material detailverliebt“ herausgearbeitet. Dieser britischste aller Komponisten liebte kräftige und eigenwillige Farben – und das ist ein großer Spaß beim Hören. Da gibt es exzentrische Kontrabass-Soli mit schräg durcheinander springenden Cembalo-Akkorden, sphärische Harfen- und Glockenspielklänge und groteske Trompeten-Purzelbäume. Die Wiener Philharmoniker haben hörbare Freude dran.

Selten zu sehendes Meisterwerk

Rachel Frenkel als Hermia  Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Rachel Frenkel als Hermia Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Textlich hielt sich Britten ziemlich brav an Shakespeares Originaltext, doch seine Musik taucht den Klassiker in ein unverwechselbares Licht. Schade, dass man diese Oper nicht öfter hört. Denn auch wenn uns der eigenwillige Geschmack der Briten manchmal überrascht – ohne ihren wunderbaren Sinn für Exzentrik ist Europa einfach nicht komplett. Und auch wenn diese Inszenierung sicher kein bleibendes Meisterwerk ist, Brittens Oper ist eines. Und so wünscht man nach diesem Abend umso mehr: Stay with us.

Kräftiger Applaus für Shakespeare-Interpretation

Rafael Fingerlos als Demetrius Valentina Naforniţa als Helena Rachel Frenkel als Hermia Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Rafael Fingerlos als Demetrius Valentina Naforniţa als Helena Rachel Frenkel als Hermia Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Auch das Publikum zeigte sich am Ende zufrieden: Nach dem Fallen des Vorhangs gab es lauten Jubel für die Britten-Oper, die heuer als erste Premiere auf dem Spielplan des Hauses am Ring stand. Brittens Oper wurde erstmals 1960 in England aufgeführt, sie zählt zu den erfolgreichsten Werken des britischen Komponisten. 1962 kam die Oper nach Wien, inszeniert vom Schweizer Regisseur Werner Düggelin. Es gibt nichts, das gegen diesen neuen „Sommernachtstraum“ in der Wiener Staatsoper spricht. Es ist eine klanglich wie optisch durch und durch stimmige Opernproduktion. Natürlich lässt die Regisseurin den Puck den einen oder andern Flic Flac oder Überschlag zu viel ausführen, aber solangs dem Publikum gefällt heiligt der Zweck die Mittel.

Man geht ja ins Theater, respektive in die Oper, um sich zu amüsieren und nicht, um sich zu grämen. Das Dirigat von Simone Young ist geprägt von einer raumfüllend substanziellen Leichtfüßigkeit. Wie sie Benjamin Brittens musikalische Welten kraftvoll erblühen und fokussiert durch den Raum huschen lässt, wird dem punktuellen Flirren, das der Partitur innewohnt, ebenso gerecht wie dem lautmalerischen Klangwitz des Komponisten. Das Orchester dankte Youngs plastischer Übersicht und Klarheit mit punktgenauem Klangfarbenzauber und auch in den kompakten Linien aufblitzender Spielfreude.

Traum- Zauberwelt auf Bühne drapiert

Szilvia Vörös als Hippolyta Peter Kellner als Theseus Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Szilvia Vörös als Hippolyta Peter Kellner als Theseus Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Spielfreude und Poesie, Zauber und Witz sind auch die Schlagworte, die die szenische Umsetzung des „Midsummer Night’s Dream“ prägen. Regisseurin Irina Brook hat mit ihrem Team eine zeitlose, angedeutet verwunschene Traum-Zauberwelt auf die Bühne gestellt. Spielplatz aller Szenen ist ein verfallendes Schloss (Bühne: Noëlle Ginefri-Corbel), in dem sich die Natur ihren Platz schon von der Zivilisation zurückzuerobern beginnt. Mit einfachen Mitteln und den detailverliebten, die Figuren klar in ihre Sphären einordnenden Kostümen (Magali Castellan) grenzt sie die einzelnen Spielwelten klar voneinander ab und verschränkt sie doch liebevoll wie geschickt.

Die Leichtigkeit des Seins und der Traumwelt visuell umgesetzt

Théo Touvet als Puck Ensemble Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Théo Touvet als Puck Ensemble Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Hier dürfen Feen Glitzerkronen aus vergoldeten Dornen tragen, Handwerker Arbeitskleidung und der quirlige Puck ein Efeu-Kostüm mit grünem Haarschmuck. Eben jener Puck durchzieht die Produktion – bis in den Zuschauerraum – in Form des niemals still haltenden, schelmischen wie Salto springenden Akrobaten Théo Touvet mit charmanter Lebendigkeit. Doch nicht nur er durchbricht die Statik so manch anderer Opernproduktion.

Eindringliche Farben

Lawrence Zazzo als Oberon Erin Morley als Tytania Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Lawrence Zazzo als Oberon Erin Morley als Tytania Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Auch die übrigen Figuren zeichnet Brook liebevoll vital, behält bei allem Witz stets den maßvollen Blick für das Wesentliche und erzählt die Geschichte des Feenkönigspaares mit ebenso viel Empathie wie die irregeleiteten Liebesturbulenzen der vier jungen Athener oder die Vorbereitungen des Theaterstücks der Handwerker. Die Sänger scheinen unter ihrer Regie in Spielfreude zu erblühen. Der amerikanische Countertenor Lawrence Zazzo ist bei seinem Staatsoperndebüt als Oberon der sängerische Schwerpunkt der Produktion, säuselnd und giftig, höchst textverständlich und mit eindringlichen Farben. Klar und präzise auch Erin Morley als Titania, pointiert komödiantisch Peter Rose als Bottom.

Kanadier weckt Hoffnungen auf einen neuen „Haus Tenor“

Clemens Unterreiner als Starveling William Thomas als Snug Wolfgang Bankl als Quince Thomas Ebenstein als Snout Benjamin Hulett als Flute Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Clemens Unterreiner als Starveling William Thomas als Snug Wolfgang Bankl als Quince Thomas Ebenstein als Snout Benjamin Hulett als Flute Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Einen gelungenen Einstand feierte der junge Kanadier Josh Lovell, der mit der aktuellen Spielzeit neu im Ensemble ist und als Lysander tenorale Hoffnungen weckt. Mit Rafael Fingerlos, Rachel Frenkel und Valentina Nafornita wurde das junge Liebesquartett mit Wanderrucksack und in Schuluniform bestens aus dem Ensemble komplettiert. Es ist eine klanglich wie optisch durch und durch stimmige Opernproduktion. Abgründe jeglicher Art sucht man vergebens. Zauberhaftes Wohlgefallen statt düsterer Magie – mit dieser Deutung ist die Staatsoper klar näher bei Shakespeare als bei Britten, eine Inszenierung, die das Auditorium zu stürmischem, langanhaltenden Schlussapplaus animierte.

Kleine Fotodiashow der Produktion:

fotogalerien.wordpress.com/2019/12/08/wiener-staatsoper-benjamin-britten-a-midsummer-nights-dream-13-oktober-2019-besucht-von-leonard-wuest/

 

Text : www.leonardwuest.ch   Fotos:https://www.wiener-staatsoper.at/

 

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Stephan Eicher, Homeless Songs Tour, KKL Luzern, 2. Dezember 2019,, besucht von Léonard Wüst

Stephan Eicher Singer Songwriter
Stephan Eicher Singer Songwriter

Besetzung:

Stephan Eicher, vocals/guitars/piano – Heidi Happy, vibraphone/xylophone/mandoline/cello/vocals – Ludovic Bruni, guitars – Reyn Houwehand, piano – Baptiste Germser, bass/corsynthe – Simon Baumann, drums

Rezension:

Reyn Houwehand Piano
Reyn Houwehand Piano

Der international  bekannteste Schweizer Chansonnier präsentierte neue, sparsam und akustisch instrumentierte Songjuwelen ab seinem neuesten Album «Homeless Songs», mit souveräner Band und wie immer mit viel Charme interpretiert. Die Lieder, die gemäss Eicher «nicht wissen, wohin sie gehören», hat er zwischen 2016 und 2019 eingespielt, er singt sie auf französisch, englisch und natürlich auch auf schweizerdeutsch. «Si tu veux (Que je chante)» und die weiteren «homeless songs» zeigten den Songpoeten einmal mehr von seiner besten Seite und wussten das Auditorium zu begeistern.

Stilsicher in jedem Genre, überzeugend in Ton und Text

Stephan Eicher links und Baptist Germser rechts
Stephan Eicher links und Baptist Germser rechts

Dieser Mann kann einfach alles, ob auf Französisch oder seinem Mutterdialekt berndeutsch, mal rau, dann zärtlich, er kann lieb, aber ebenso  aggressiv, ob flüsternd oder  schreiend, er trifft den Hörnerv seiner treuen Fangemeinde, lässt raus, muss sich nie verbiegen. Nimmt mal einen Text von Martin Suter, einen von Philippe Djian, auch eigene. lässt sich auch spontan von seinen Mitmusikern inspirieren, von der Stimmung beim gemeinsamen Musizieren.

Pianovaritionen als Amuse gueules

Ludovic Bruni Gitarre
Ludovic Bruni Gitarre

Zum Auftakt liess Eicher seinen holländischen Pianisten Reyn Houwehand einige Pianominiaturen improvisieren, bevor er selber, zusammen mit den andern acht Musikern, darunter als Special Guest, die in der Innerschweiz natürlich bestens bekannte Priska Zemp aus Dagmersellen, alias „ Heidi Happy“, die Bühne betrat.

Eicher erläuterte dann die Entstehung des neuen Albums, das aufgrund der noch nicht beigelegten Auseinandersetzung mit seiner ehemaligen Plattenfirma eben homeless, also heimatlos benannt wurde, dafür habe er aber die künstlerische Freiheit nutzen können und nicht die üblichen zwölf  3 –  4 minütigen Lieder abliefern müssen, sondern jetzt auch mal kürzere oder auch  längere verwenden könne.

Wie beim Eiskunstlauf gäbe es jetzt auch eine Pflicht und eine Kür

Heidi Happy mit Stephan Eicher und Band
Heidi Happy mit Stephan Eicher und Band

Zu zehnt wurde dann, wie Eicher es nannte die Kür, heisst Songs vom neuen Album „Homeless Songs“ intoniert, bevor das Pflichtprogramm folgte, also in etwa wie beim Eiskunstlauf. Ein Pflichtprogramm, das, so der Wahlfranzose, vom Publikum mitbestimmt werden dürfe. Er dürfe aber so führte der Barde aus, nicht alle Lieder spielen, da er, im Laufe des Rechtsstreits mit seiner ehemaligen Plattenfirma, nicht nur viel Geld in Anwalts – und Gerichtskosten usw., sondern auch die Rechte an vielen seiner Chansons an Universal abtreten musste. Was er aber tun dürfe: die Lieder anstimmen, damit diese vom Auditorium selber gesungen werden könnten, was später dann auch mehr oder weniger tonlagensicher praktiziert wurde.

Ausgezeichnete Mitmusiker mit herausragender Heidi Happy

Drums Simon Baumann
Drums Simon Baumann

Supportiert von einer hervorragenden Band, darunter vier Streichern und einer starken Multiinstrumentalistin Heidi Happy (Gesang, Xylophon, Melodica, Cello und Mandoline), wurde das Set, gewürzt mit ein paar Eicher Anekdoten, zelebriert.  So boten denn Heidy und Stephan gar den Heidi Happy Song „My Love Won’t Wait forYou“ im Duett zum Besten.Danach, vor allem bei „Eldorado“ wurde es etwas laut, etwas sehr laut, sodass es überschlug, also der massive Hall den Gesang überdeckte, was bei doch drei agierenden Tontechnikern nicht passieren sollte, oder es wär denn wie bei den Köchen, wo zu viele….na, Sie wissen schon! Schön gings dann mit den von Martin Suter getexteten „Drissg Jahr“ und „Ds alte Paar“ wieder in angenehmere akustische Gefilde.

Eichers Erläuterungen zum Rechtstreit mit Universal

Heidi Happy
Heidi Happy

Das dauert nun schon sechs Jahr. Universal hat in der Musikindustrie ihre Leistung mir gegenüber einseitig halbiert. Als ich mich dagegen wehrte, haben sie mich blockiert. Keine Interviews, keine Fernsehauftritte, nichts. Um Geld zu sparen, entwickelte ich mein Solo-Projekt mit den Automaten und war anderthalb Jahre allein unterwegs. Das funktionierte zwar, war aber trotzdem manchmal etwas traurig. Während der fast 110 Konzerte merkte ich, dass ich gern ein Team um mich habe. Sieben Jahre und etliche Prozesse in Frankreich gegen seine dortige Plattenfirma hat Stephan Eicher bisher gebraucht und noch ist kein Ende in Sicht.

Versöhnlicher Ausklang des Konzertes

Bass Baptiste Germser
Bass Baptiste Germser

Weiter im Programm mit „Spil no eis“, dann war das Publikum gefordert zum Singen. Das Konzert endet anders als erwartet, als „Sing along,  sing mal mit“: weil der Chansonnier die Rechte für «Déjeuner en paix» nicht mehr besitzt, bittet er ganz pragmatisch das Publikum, seinen Hit zu singen, was dieses dann, mehr oder weniger stilsicher, auch tat und feierte dabei die Protagonisten und auch sich selbst gleich mit. Stehend gings weiter mit den herausgeklatschten Zugaben: „Campari Soda“  gefolgt vom Rumpelstilz Cover „D`Rosmarie und ig“, man feierte weiter mit dem titelgebenden „Homeless Song“ und zwei weiteren kurzen Stücken, ehe das beigeisterte Auditorium die Künstler in den Feierabend entliess.

 

Text: www.leonardwuest.ch

http://allblues.ch/Home

Fotos: www.allblues.ch

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Bartók in Graz, Eine Reportage von Anna Rybinski

Altersgruppe I

In Graz wurde zwischen Wiener Klassik und osteuropäischen Klängen eine Brücke geschlagen. Auf Haydn und seine Zeitgenossen folgten Bearbeitungen ungarischer Bauernlieder, rumänischer Tänze und bulgarischer Rhythmen. Die Magie der klassischen Vollkommenheit wich  den rauen Klängen bäuerischer Volksmusik – und das alles von Jugendlichen, sogar von Kindern vorgetragen, die eine erstaunliche Reife und seelische Verwandtschaft zu beiden Stilrichtungen offenbarten, die unterschiedlicher nicht sein können

Der 6. Internationale Béla Bartók Klavierwettbewerb für junge Pianisten 2019 ist erfolgreich über die Bühne gegangen.

Wichtigster Teil des Vorspielprogramms war: Wiener Klassik und Bartók.

Nach den Anfangsjahren in Wien wurde er zum zweiten Mal in Graz ausgetragen und scheint jetzt an seinem richtigen Platz angekommen zu sein.  Die jungen Talente waren gut umsorgt und konnten unter idealen Bedingungen ihre Auftritte absolvieren. Und sie kamen in Scharen, nahezu 100 an der Zahl, aus 24 Ländern und von 3 Kontinenten, im Alter zwischen 7 und 25 Jahren. Man lauschte und freute sich ob der glücklichen Umstände, so viel musikalische Begabung in sieben Tagen zu erleben. Gründliche, solide Aufbauarbeit oder gar fantastische Leistungen: Die Schüler mit ihren Lehrpersonen leisteten Grossartiges.

 

Organisatoren des Wettbewerbs waren die Béla Bartók Gesellschaft Österreich und das Konservatorium des Landes Steiermark.

Das Institut blickt auf eine lange Geschichte zurück: 1815 als Akademischer Musikverein von Grätz gegründet, ist es der zweitälteste noch bestehende Musikverein der Welt. In seinem Gründungsjahr war Beethoven 45 Jahre alt und der junge Schubert musste noch als Schulgehilfe seines Vaters zum Haushaltsgeld beitragen. Aber ihre Musik, zusammen mit den Werken von Haydn und Mozart beherrschte bald die ganze westliche Welt.

Ein namhafter Grazer Komponist, Pianist und Dirigent prägte besonders die ersten Jahrzehnten des Musikvereins, dem von Anfang an auch eine Vereinsmusikschule angegliedert war: Anselm Hüttenbrenner, den Schubert als «treuen Freund bis in den Tod» bezeichnete. Kein Wunder, dass in Graz eine weitere Hochburg der Wiener Klassik entstand!

Das Institut erweiterte sein Lehrfächerangebot ständig und dementsprechend wuchsen die Schülerzahlen. Erfreulicherweise steigerte sich auch das künstlerische Niveau: Ab 1920 konnte der Name «Konservatorium» eingeführt werden, es fanden also parallel Berufs- und Laienausbildung statt.

 

Das Steiermärkische Landeskonservatorium

Es erlebte nach dem 2. Weltkrieg eine Blütezeit und musste Zweigstellen eröffnen, um den Ansturm der Jugendlichen gerecht zu werden.

Der stolze Name des Instituts ab 1991:

«Johann-Josef-Fux-Konservatorium des Landes Steiermark in Graz»

Der steirische Namenspatron, ein Grossmeister des Barocks ist heute vielleicht weniger berühmt als seine Kontrapunktlehre: «Gradus ad Parnassum»

In Graz liegt also Klassik und Barock in der Luft, schon wegen der prächtigen Architektur.  Doch ist sie offen für Modernes!

Die Stadt gibt seit 1969 unter anderem dem «Steirischen Herbst» mit experimenteller Musik und dem „impuls“-Festival mit zahlreichen Uraufführungen ein Zuhause. Daneben klingt Béla Bartóks Musik nahezu archaisch – aber die neue Plattform für seine Werke in Graz hat eine besondere Bedeutung.

Béla Bartók – Ein Grosser der klassischen Moderne

Der ungarische Komponist gilt als radikaler Erneuerer – seine Modernität ist jedoch durchdrungen von Melodien aus Ungarn und seinen Nachbarländern. Wie es dazu kam?

In den Jugendjahren war er ein Suchender, der das bedrückende Erbe der genialen Vorgänger hinter sich lassen wollte. Er schrieb:

«Vielen begann die Masslosigkeit der Romantik unerträglich zu werden und es gab Komponisten, die das Gefühl hatten, unser Weg führe ins Uferlose …»

          Bartók sprach aus eigener Seele – aber nach dieser schöpferischen Krise fand er eine neue Inspirationsquelle in der Bauernmusik seiner Heimat. Damals, 1905, bezog sich Heimat nicht nur auf ungarische Gebiete, sondern auf die ganze Habsburgermonarchie. Er begann das riesige Land zu bereisen, nahm Entbehrungen auf sich, lebte in entlegenen Dörfern mit den Bauern und hörte unermüdlich zu. Notierte alles, was die Kinder und Erwachsene sangen oder auf ihren einfachen Instrumenten spielten. Er sammelte ca. 13.000 Melodien, unter anderem slowakische, ungarische, serbische, ruthenische und rumänische Motive und katalogisierte sie.  Seine Notiz über die Volksmusik wirkt wie ein Glaubensbekenntnis:

«Einfach, häufig auch rau, aber niemals dumm, bildet sie den idealen Ausgangspunkt für eine musikalische Wiedergeburt.»

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie fiel Bartók bei der Regierung in Ungnade. Er wurde von nationalistischen Kreisen sogar als Landesverräter beschimpft, weil ihm die Musik der «feindlichen Nachbarn» ebenso wichtig war, wie die ungarische.

Was er jedoch durch seine Werke weiterhin sagen wollte: Wir gehören zueinander, trotz Landesgrenzen. Jede Ethnie ist einmalig, jede Volksmusik eine reine Quelle!

Jetzt gehören wir wieder zueinander, wir alle sind Europa. Und in der Steiermark schlägt die Jugend eine Brücke zwischen der Hochkultur des Westens und der Volksmusik des Ostens. Ganz im Sinne des Komponisten.

1. Preise und Sonderpreise des Wettbewerbs 2019:

Altersgruppe I

Altersgruppe I (7-9 Jahre)

Znamirovský Adam, Tschechien                       1. Preis und Sonderpreis für die beste Bartók Interpretation

 

 

 

Altersgruppe II

Altersgruppe II (10-12 Jahre)

Weller Emil, Österreich                                    Bartók Sonderpreis

Huang Tzu-Ning, Taiwan                                   Beste Interpretation eines steirischen Komponisten

Csibi Orsolya Boglárka, Ungarn                        Bartók Sonderpreis

Kádár Viktória, Ungarn                                     Bartók Sonderpreis

 

Altersgruppe III

Altersgruppe III (13-15 Jahre)   

 Rozsonits Ildikó, Ungarn                                 1. Preis und Bartók Sonderpreis

 

 

 

Altersgruppe IV

Altersgruppe IV (16-18 Jahre)  

  Eydman Maria, Deutschland                          1. Preis und Bartók Sonderpreis

 

 

 

Altersgruppe V

Altersgruppe V (19-21 Jahre)   

Ratiu Emanuel Gabriel, Deutschland                Bartók Sonderpreis

 

 

 

 

Altersgruppe VI

Altersgruppe VI (22-25 Jahre)

Zając Tomasz, Polen                                      1. Preis

Szabó Eszter, Ungarn                                     Bartók Sonderpreis

 

Die Jurymitglieder des 6. Béla Bartók Internationalen Klavierwettbewerbs 2019:

Eva Ott Pianistin, Künstlerische Leiterin der Béla Bartók Gesellschaft Österreich und Initiatorin des Wettbewerbs

Eduard Lanner Pianist, Direktor des Johann-Joseph-Fux-Konservatoriums, Organisator des Wettbewerbs

Markus Schirmer, Konzertpianist, Professor der Kunstuniversität Graz

Elisabeth Väth-Schadler, Pianistin, Professorin der Gustav Mahler Privatuniversität Klagenfurt

István Székely, Konzertpianist und Kammermusiker, Professor am Konservatorium Madrid

Meisterkurs in Wien 2019

Die Béla Bartók Gesellschaft Österreich führte im Herbst mit den Jurymitgliedern des Wettbewerbs erneut einen Meisterkurs durch. Vorspielprogramm war die Wiener Klassik. Er wurde rege besucht, die Jugendlichen kamen vor allem aus der näheren Umgebung, Wien und Ungarn.

Eine wichtige Voraussetzung dafür ist das regelmässige Üben auf dem richtigen Instrument, nämlich auf einem akustischen Klavier».

Der nächste Meisterkurs findet im Oktober 2020 statt.

Änderungen   in der Austragung des Internationalen Béla Bartók Klavierwettbewerbs

Mag. Eduard Lanner, Direktor des Landeskonservatoriums hat, die Organisation betreffend, wichtige Änderungen bekannt gegeben:

  1. Der Termin des zweijährlich stattfindenden Wettbewerbs wird aus organisatorischen Gründen von November auf Februar des darauffolgenden Jahres verschoben; der nächste Wettbewerb findet also Ende Januar / Anfang Februar 2022 statt.
  2. Die ältesten Teilnehmer (Altersgruppen V und VI) werden ihr Vorspiel in zwei Runden absolvieren: Nach der Vorrunde wählt die Jury die besten für das Finale aus.
  3. Die Preisträger/innen dieser zwei Altersgruppen können sich in einem öffentlichen Konzert präsentieren.
  4. https://www.verwaltung.steiermark.at/cms/dokumente/12717102_74836685/f81030e8/Bartok-Wettbewerb-2019_DE_web.pdfText: www.annarybinski.ch
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Lucerne Festival am Piano, Rezital 6 Igor Levit, 24. November 2019, besucht von Leonard Wüst

Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli
Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli

Besetzung und Programm:

Igor Levit  Klavier
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Klaviersonate A-Dur op. 2 Nr. 2
 
Klaviersonate D-Dur op. 10 Nr. 3
 
Klaviersonate F-Dur op. 10 Nr. 2
 
Klaviersonate Es-Dur op. 31 Nr. 3

 

Rezension:

Als Klaviervirtuose hatte sich Beethoven in Wien längst sein Publikum erobert. Hier war er außer Konkurrenz. nun galt es aber auch, seinen Platz als »erster« Komponist in der Musikmetropole zu sichern – ein Unterfangen, bei dem ihm das Instrument, das er nicht nur perfekt beherrschte, sondern mit dem man sich auch ohne großen Aufwand präsentieren konnte, als Partner zu Seite stand. So haben die Klaviersonaten op. 2 mit ihren Vorgängern bei Haydn und Mozart kaum mehr etwas gemein, sondern zeigen vielmehr einen jungen Komponisten – entschlossen, mit seiner Musik die Welt zu erobern. Über die damalige Konvention hinaus weist bereits die formale Anlage: Statt drei Sätze komponierte Beethoven – wie in einer Sinfonie – vier.

Stürmisch, dies aber nicht im Forte, sondern im Piano

Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli
Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli

Stürmend und drängend eröffnet er die Zweite Sonate mit einem markant fallenden Quartsprung und einem 32stel-Motiv – dies alles nicht auftrumpfend im Forte, sondern im Piano zurückgenommen in eine spielerische Leichtigkeit, die durch die strahlende A-Dur-Tonart noch unterstrichen wird. Der Seitensatz hebt dreimal leise klagend in E-Moll an. Festumrissene Konturen vermag er nicht zu gewinnen aus diesem Material. Dafür Sprunghaftes, überraschende dynamische Umschwünge, schroffe Kontraste, jähes Umschlagen von Jubel und Glück in tiefste Verzweiflung – Konstellationen die sich auch in Schumanns Partituren finden.

Levits Fähigkeit, Beethovens Intentionen umzusetzen

Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli
Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli

All diese so unterschiedlichen Komponenten, tiefste Melancholie steht plötzlich jugendlichem Übermut gegenüber, vermag Igor Levit unmittelbar zu transportieren. Insbesondere in den langsamen Sätzen manifestiert der Pianist eine Spannung, zaubert Klangfarben, lässt die Leere, die Pausen sprechen, aber alles mit Homogenität und dem natürlichen Sinn dieser Musik entsprechend. Seine Musik fächert sich in ihren unzähligen Facetten farbenreich auf, oft sehr gesanglich; Beethovens Brio drängt forsch, aber nie brutal. Levit denkt in diesen Sonaten wechselnd kammermusikalisch und orchestral.

Igor Levits Talent wurde schon früh erkannt und gefördert

Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli
Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli

Der 1987 geborene deutsch-russische Pianist wurde schon in sehr jungen Jahren gefeiert, sein Talent früh entdeckt und gefördert. Mit vier Jahren debütierte er als Solist mit einer Ecossaise von Ludwig van Beethoven das erste Konzert gab er mit sechs mit dem Philharmonie-Orchester von Nischni Nowgorod, Händels F-Dur-Klavierkonzert. Levit nahm ab 1999 für ein Jahr am Mozarteum in Salzburg Klavierunterricht bei Hans Leygraf und begann anschließend, 13-jährig, sein Studium am neugegründeten Institut zur Frühförderung musikalisch Hochbegabter (IFF) der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover.

Levit mag besonders die nicht so bekannten Sonaten

Die Popularität der Beethoven-Sonaten hängt auch mit ihren Beinamen zusammen. Kein Wunder also, dass die „Pathétique“, die „Mondschein“ oder die „Waldstein-Sonate“, die „Appassionata“ und dieSturm-Sonate“ in der Beliebtheit weit oben rangieren. Über den künstlerischen Wert sagen die Titel allerdings nichts aus. Und so findet sich im Quartett der vier «Namenlosen», mit denen Igor Levit das Piano-Festival beschloss, einer seiner grossen Lieblinge: die D-Dur-Sonate op. 10 Nr. 3. «Unheimlich mitreissend» sei schon der Kopfsatz, findet Levit. Aber es kommt noch besser, mit dem «Largo e mesto» an zweiter Stelle: «Ich kenne keinen langsamen Satz, der so in die Tiefe schürft wie dieser.» Dem Menuett attestiert er die skurrile Kombination von «Humor und Andacht», und das Finale hält er für schier unglaublich: «Es ist totale Innerlichkeit. Wenn ein Finale schon mit einer Frage beginnt. Levits Neugier will eine neue Lösung für das jeweilige Recital. Also ist er immer etwas aufgeregt. Beethovens Fantasien spielt er impressionistisch frühromantisch: klar, nachgebend in der Rhythmik, ruhig und versonnen.

Die eigentlich sehr verschiedenen Sonaten fügt Levit schlüssig zusammen

So ergänzt das Auftakt-Allegretto der A-Dur-Sonate bruchlos die genauso versonnene Welt der später folgenden E-Dur-Sonate. Im A-Dur-Alla-marcia mildert Levit sowohl das Bizarre wie das Marschmäßige, das Stück gerät ihm zu einem skurrilen Tanz voll Übermut und Doppelsinn. Und im Adagio führt Levit das Publikum in die Urgründe des Daseins: Staunen ob dieses Mysteriums. Aus dem sich Beethoven mit wilden Oktavsprüngen, Achtelakkorden und Tonleiterfragmenten befreit, ein ganz starkes Statement des 32jährigen Pianisten.

Immer hoch konzentriert wirkt er manchmal fast verbissen

Die Art, wie Igor Levit Werke umsetzt, wirkt oft sehr verbissen und hat fast den Anschein, er spiele nur für sich selbst, was durch sein meist spartanisches, fast immer graues Outfit, noch verstärkt wird, alles andere, als ein Showpianist, wie einige Asiaten, insbesondere Lang Lang. Levit wirkt spröde, völlig auf seine Aufgabe konzentriert, was dann eben durchaus wie Arbeit aussieht. Natürlich ist es harte Arbeit, aber man sollte es nur möglichst nicht merken. Levit entwickelt seine Interpretation stark aus dem Detail und behält doch immer den Gesamtzusammenhang im Blick. Besonders eindringlich führt er dies an diesem Abend in der frühen A-Dur-Sonate aus Opus 2 vor, die man selten so facettenreich gestaltet hört.

Beethoven nah bei Dantes Inferno

Igor Levit geniesst die stehende Ovation Konzertfoto von Peter Fischli
Igor Levit geniesst die stehende Ovation Konzertfoto von Peter Fischli

Beethovens pianistischer Höllenritt in f-Moll war immer schon ein ästhetisches Unding, verlangt er doch das Paradox einer Entäusserung, klanglicher wie seelischer Art, die dennoch irgendwie kontrolliert bleiben muss. Levit weiss um diese gefährdete Balance, er lässt sie immer wieder wanken, aber erst die jedes Instrument sprengende Coda kippt endgültig ins Rauschhaft-Traumatische. Dieser Beethoven ist nicht nett unterhaltend, er springt an, packt  und schüttelt uns gründlich durch. Der Interpret weiss durch sein akkurates, wenn auch manchmal etwas düsteres Spiel zu fesseln und zu begeistern. Langanhaltender kräftiger Schlussapplaus belohnte den Künstler für diese Meisterleistung und mündete schlussendlich in einer stehenden Ovation. Ein würdiger Abschluss des, vorläufig, letzten Lucerne Festival am Piano. Ein Festival, das wohl nicht nur ich sehr vermissen werde und das, davon bin ich überzeugt, in ein paar Jahren wieder im Jahresprogramm gelistet sein wird,

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch

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