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Lifestyle

Nationaltheater Bratislava, Wolfgang Amadeus Mozart Così fan tutte, 23. Oktober 2019, besucht von Léonard Wüst

Szenenfoto von Pavol Breier
Szenenfoto von Pavol Breier

Inszenierung und Besetzung:

Dirigent Ondrej Olos
Regie Marek Weiss
Bühne und Kostüme Hanna Szymczak
Chorleiter Ladislav Kaprinay
Dramaturgie Martin Bendik
Fiordiligi Eva Hornyáková
Dorabella Monika Fabianová
Guglielmo Daniel Čapkovič
Ferrando Martin Gyimesi
Despina Andrea Vizvári
Don Alfonso Jozef Benci

 

Rezension:

Die Handlung der Mozart Oper

Zu Beginn der Oper „Così fan tutte“ schließen die beiden Offiziere Ferrando und Guglielmo mit ihrem Mentor Don Alfonso eine Wette ab. Sie behaupten, dass ihre Geliebten, Fiordiligi und Dorabella, immer treu wären. Die beiden Männer täuschen vor, in den Krieg ziehen zu müssen, um von der Bildfläche verschwinden zu können. Als verkleidete Fremde kreuzen sie wieder auf und machen sich jeweils an die andere Schwester ran. Das „kreuzweise“ Betrügen auf Zeit wird durch Don Alfonso und die in verschiedenen Verkleidungen daher kommende Kammerzofe Despina unterstützt.

Trotz verschiedenster romantischer Bemühungen bleiben die Schwestern standhaft. Erst als sich die verkleideten Freunde Ferrando und Guglielmo schon sicher sind, dass die Wette gewonnen ist, werden die angehimmelten Schwestern schwach. Die angesetzte Blitzhochzeit endet im Desaster. Die demaskierten Offiziere sind wieder da und sehen den von Despina aufgesetzten „Ehevertrag“. Don Alfonso gewinnt die Wette, Ferrando und Guglielmo sind wütend und die untreuen Schwestern schämen sich in Grund und Boden.

Ludwig van Beethoven nannte sie bereits „frivol“, und auch andere Zeitgenossen mokierten sich über das Unmoralische in Wolfgang Amadeus Mozarts Così fan tutte, als in der Zeit des beginnenden Bürgertums in einer zunächst typischen Buffo-Handlung ein solcher Umgang von Liebe, Treue und Moral abgebildet wurde. Dabei hatte der aufgeklärte österreichische Kaiser Joseph II. selbst Mozart und seinem Textdichter Lorenzo da Ponte diesen (angeblich auf wahren Begebenheiten basierenden) Stoff zur Vertonung angetragen.

Über die Inszenierung

Historisches Slowakisches Nationaltheater, Bratislava, Slowakei Foto Teres Maria Kristan
Historisches Slowakisches Nationaltheater, Bratislava, Slowakei Foto Teres Maria Kristan

Die Aufführung fand nicht im Neubau des Staatstheaters statt, sondern in der Altstadt im historischen Gebäude. Das Opernhaus Bratislavas – offiziell bekannt als das alte Gebäude des Slowakischen Nationaltheaters – ist ein Bauwerk im Neorenaissance Stil, welches im Jahr 1886 als Stadttheater eröffnet wurde. Etwas verblasst ist das Interieur schon, was früher, wie in fast allen Opernhäuser dieser Welt,  bordeaux – farben war, ist jetzt eher dunkelbraun und abgewetzt, trotzdem nicht ohne diese gewisse Würde und Charme, die solch traditionsreichen  Häusern halt innewohnt. Ob diese Bühne nur noch aus Nostalgie bespielt wird, oder aus anderen Gründen,  hat  sich mir nicht erschlossen, war auch nicht in Erfahrung zu bringen.

Das neue Gebäude des Slowakischen Nationaltheaters (2007)
Das neue Gebäude des Slowakischen Nationaltheaters (2007)

Dabei stünde doch ein komplett neues, modernes Haus zur Verfügung, das am 14. April 2007 offiziell eröffnet wurde und nahe dem Donauufer prominent platziert ist. Der Entwurf des  neuen Gebäudes des Slowakischen Nationaltheaters stammt vom Architekten-Team Martin Kusý, Pavol Paňák und Peter Bauer, der aus 53 Einsendungen gewählt wurde. Das Gebäude hat sieben Stockwerke, über zweittausend Räume und drei Hauptsäle (Opern- und Ballettsaal, Schauspielsaal, Studio). Außerdem verfügt es über ein Restaurant für 120 Gäste, Klub, Café, Libresso und Küche.

 

 

 

 

 

 

Mässig besuchte Aufführung

Szenenfoto von Pavol Breier
Szenenfoto von Pavol Breier

Erstaunlich wenig Besucher waren anwesend an diesem schönen Spätherbstabend, dies trotz sehr moderaten Eintrittspreisen, ab 10 Euro,  im europäischen Vergleich,  aber eben, Mittwoch ist halt nicht Wochenende. Das Orchester, fast unsichtbar in seinem Graben, intonierte die Ouvertüre schwungvoll und selbstbewusst, der Vorhang öffnete sich und es bot sich uns der Blick auf ein doch recht braves, konservatives Bühnenbild für das Hanna Szymczak, ebenso wie für die Kostüme,  verantwortlich zeichnete.

Rasante Inszenierung durch Regisseur Marek Weiss

Szenenfoto von Pavol Breier
Szenenfoto von Pavol Breier

Das Geschehen, zügig, aber nicht atemlos inszeniert von Regisseur Marek Weiss, nahm unmittelbar Fahrt auf, dominiert von Don Alfonso, der unverzüglich zur Erläuterung seines Plans schritt und die Strippen zog in diesem Spiel um Liebe, (Un) Treue, Verwechslungen und Wirrungen. Gebaut ist der Abend um die Figur des Alfonso, verkleidet als zynischer, wenn nicht gar sadistischer General, er ist der Oberbefehlshaber des Abends, die Figuren um ihn herum bewegen sich wie von ihm geführte Puppen ohne Fäden. Kein einziger Gang, keine Geste wirkt normal, alles ist leicht überzeichnet und reine Behauptung. Alles gaga, das aber in Perfektion.

Ausgezeichnete Sänger*innen mit grossem schauspielerischem Talent

Szenenfoto von Pavol Breier
Szenenfoto von Pavol Breier

Viel Spaß machten an diesem Abend gerade die sängerischen Qualitäten, mit denen, ganz im Sinne von Mozarts Komposition, die sechs Solisten ihre Rollen charakterisierten: in ausdrucksvoller klarer Höhe das „Come scoglio“ der Fiordiligi, mit betörend dunklem Mezzo Dorabellas „Smanie implacabili“, in perfekter vokaler Abstimmung auch in den Duetten ein glaubhaftes Geschwisterpaar. Wandlungsfähig und stimmlich überzeugend besetzt ebenfalls Ferrando (ein traumhaft schönes „Un’aura amorosa“) sowie Guglielmo, dessen Enttäuschung in „Tradito, schernito“ anrührte. Mit viel Drama im Bodycheck finden die Freunde als vorgeführte Verführer im zweiten Akt eine Wahrheit, die sie eigentlich gar nicht wissen wollten. Hier blitzte die existentielle Dimension des Experiments für Partner im 18. Jahrhundert auf, dessen Dramma giocoso bei der Verlegung in Zeiten freier Liebe eher gemildert wird.

Szenenfoto von Pavol Breier
Szenenfoto von Pavol Breier

Absolut selbstbewusst, geradezu artistisch beweglich und mit facettenreicher Höhe gestaltete Andrea Vizvári die Kammerzofe Despina, ein raffiniertes Kätzchen, das schnell Zweifel an der Treue der Männer sät. Ebenso, wenn sie fix als herbeigerufener Arzt mit magnetischem Mesmerismus die scheinbar sterbenden Freunde auferweckt oder als durchtriebener Notar den Ehevertrags buchstabiert, hat sie die meisten Lacher auf ihrer Seite. Jozef Benci ist als Don Alfonso umtriebiger Strippenzieher, der beim Raufen im Knock-Out auch mal zu Boden geht; in seinem voluminös-markanten Bass war er ein hochkultivierter Gegenspieler der Partnertausch-Probanden.

Kongeniales Orchester ermöglichte sängerische Glanzleistungen

Szenenfoto von Pavol Breier
Szenenfoto von Pavol Breier

Ondrej Olos ließ schon in der Ouvertüre einen athletischen Orchesterklang im staatsphilharmonischen Orchestergraben erblühen, der in kraftvollen Tutti ebenso Mozartsches Brio ausstrahlte wie in mühelos fein seidigen Kommentaren zu den Arien. Naturhörner und Naturtrompeten rauhten die Klangflächen apart auf, herrliche Kantilenen der Holzbläser glichen den Perlenketten des abschließenden Festes. Da wurde das komödiantische Spiel ebenso wie die finale Ent-Täuschung der Paare behutsam auf goldenem Klangteppich getragen. Ladislav Kaprinays bestens einstudierter Chor des Staatstheaters umrahmte das Verwirrspiel in heiterem Schwung.

Szenenfoto von Pavol Breier
Szenenfoto von Pavol Breier

Während sich die Damen ganz links und rechts auf der Bühne zwischendurch an ihren Spiegeltischchen aufbrezelten, bzw. verkleidete, wie Despina für ihre verschiedenen Rollen, spulten die Herren der Schöpfung ihre Dialoge ab, diskutierten ihre Taktik und das weitere Vorgehen. Neben der rasant-schauspielerischen Präsenz waren es die Terzette, Quartette und Sextette, die an diesem Abend unendlich zart und austariert gelangen, die Mozarts Musik vokal wie instrumental so perfekt Klang und Gefühl gaben und in Erinnerung bleiben.

Kleine Fotodiashow der Produktion von Pavol Breier:

fotogalerien.wordpress.com/2019/11/06/nationaltheater-bratislava-wolfgang-amadeus-mozart-cosi-fan-tutte-23-oktober-2019-besucht-von-leonard-wuest/

Text : www.leonardwuest.ch  Fotos: http://www.snd.sk/de

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Heuriger mit Schrammelmusik im 12 Apostelkeller Wien, 15. Oktober 2019, eine Reportage von Léonard Wüst

Heuriger mit Schrammelmusik im 12 Apostelkeller in Wien mit Ursula und Michael Pewny
Heuriger mit Schrammelmusik im 12 Apostelkeller in Wien mit Ursula und Michael Pewny

Schrammelmusikduo mit Ziehharmonika und Geige, Zwölf Apostelkeller,5 % Rabatt auf Ihre gesamte Konsumation vom 15.Jänner 2020 bis 28. Februar 202 mit Codewort "Apostel Paulus"

Der legendäre Film „Der 3. Mann“ aus dem Jahre 1949 mit Orson Wells, Joseph Cotten und Alida Valli unter der Regie von Carol Reed und mit dem Filmsoundtrack des Zithervirtuosen Anton Karas. spielt im Wien der Nachkriegsjahre, zu Beginn des sogenannten „Kalten Krieges“, der erst mit dem Berliner Mauerfall am 9. November 1989 ein, vorläufiges,  Ende nahm. Die damals östlichste Hauptstadt Westeuropas unter der Verwaltung der vier alliierten Siegermächte, war eine Agentendrehscheibe und der Kultfilm spiel teilweise auch in den Abwasserkanälen der Stadt.

Abtauchen in die Wiener Unterwelt

Oberer Keller im Zwölfapostelkeller
Oberer Keller im Zwölfapostelkeller

Ganz so weit hinunter geht es dann doch nicht, wenn man in den Zwölfapostelkeller zum Stadtheurigen geht, aber ein paar Treppen geht’s halt schon hinunter in die „Unterwelt“, ins historische Kellergewölbe, dessen Geschichte bis in Jahr zurück 1339 belegt ist. Eine Gämse muss man nicht grad sein um das zu schaffen, aber für nicht ganz so bergtaugliche wie mich, nicht grad so ideal, aber geschafft, wenn auch langsam und vorsichtig, hab ichs dann doch, zumindest in den obersten der verschiedenen Keller, ohne mich abseilen zu müssen.

Ganz unten war ich nicht

Zuunterst, von mir nicht erreicht der Brunnenkeller, die einzig noch komplett erhaltene gotische Brunnenstube Wiens. In Begleitung meines guten Wiener Freundes, dem besten Boogie Woogie –  & Bluespianisten Österreichs, Michael Pewny und seiner Mutter Ursula, traf ich schon um ca. 18.00 Uhr, nicht auf Orpheus, aber auf den freundlichen Ober mit kroatischen Wurzeln in der Unterwelt. Alsbald genossen wir  die, von uns georderten, von den netten Apostelmitarbeitern aufgetischten, typisch österreichischen Hausspezialitäten und warteten gespannt auf die, täglich ab 19.00 Uhr aufspielenden, Schrammelmusiker.

Infos ab Homepage des Zwölfapostelkellers:

Drei Kellergeschoße in bis zu 18m Tiefe behüten Denkmäler der Geschichte. Die Ursprünge des Bauwerkes gehen bis in die Romanik und Gotik zurück, erwähnt wurde es bereits 1339. Das Mauerwerk des Brunnenkellers, mit seinen für die vornehmen Bauten der Romanik charakteristischen Steinquadern, stammt aus den Jahren um 1100. In den Jahren 1716 – 1721 wurde vom Wiener Baumeister Lucas von Hildebrandt die bis heute erhaltene Barockfassade gestaltet, eine der schönsten in Wien, die dem Bauwerk den Namen Hildebrandthaus verschaffte und unter Denkmalschutz steht.

Österreichische Hausmannskost in üppigen Portionen

Ich verpflegte mich mit einer saisonalen Wildsuppe mit Speck, die aber, aufgrund des etwas sehr vielen Specks, eher eine Specksuppe mit etwas Wildgeschmack war, aber gut abgeschmeckt war sie. Meine Begleiter*innen lobten ihre Rindssuppe mit Griessnockerln, bevor sie sich an Schweinsbraten mit Serviettenknödel und  Speckkrautsalat gütlich taten und ich mich dem Spanferkel zuwandte. Schön zart zubereitet aber eine so grosse  Portion, dass  locker zwei hungrige Fernfahrer davon satt geworden wären. Währenddessen brummte der Laden, ein ständiges Kommen und Gehen, grosse und kleine Gruppen, Familien, eine Bande Jugendfreunde mit weiblichem Anhang, Touristenpärchen aus aller Herren Länder wurden durch die Gewölbe geschleust, platziert und bedient. Die Servicemitarbeiter  kamen da schon manchmal an den Anschlag, blieben aber immer freundlich und aufmerksam.

Der langersehnte Auftritt der „Schrammler“

Heuriger mit Schrammelmusik im 12 Apostelkeller in Wien mit Ursula und Michael Pewny
Heuriger mit Schrammelmusik im 12 Apostelkeller in Wien mit Ursula und Michael Pewny

Dann endlich  kamen sie vom unteren Keller zu uns herauf, die beiden Schrammelmusiker und intonierten am Nebentisch schon mal die Mutter aller Schrammellieder „Die Reblaus“, dessen Version von Hans Moser weltweit begeisterte und zu einem Synonym für diesen Musikgenre wurde. An jedem Tisch machte die Musiker ihre Aufwartung und erfüllten die Musikwünsche der Gäste, die „Reblaus“ war fast jedes Mal dabei, so dann auch bei uns. Leider hatte ich mir diesbezüglich keine Notizen gemacht und eines meiner liebsten Wienerlieder (nicht ein typischer Schrammel, aber passend), „Im Prater blühn wieder die Bäume“ von Robert Stolz schlicht vergessen zu wünschen.

Auch Puszta Klänge fehlten nicht

Zwölf Apostelkeller
Zwölf Apostelkeller

So beglückten uns die „Schrammler“, ein Akkordeonist, ein Geiger, noch mit einem Potpourri aus der Operette „Die Csárdásfürstin“  und so ging im Zwölfapostelkeller halt die Chose auch nicht ganz ohne Weiber. Natürlich ist das ganze Drum und Dran auch sehr auf Touristen ausgerichtet, es waren aber auch mindestens ebenso viele Eingeborene, oder zumindest österreichische Gäste anwesend. So sind denn die Preise sehr moderat kalkuliert, die Portionen dagegen sehr grosszügig bemessen. Trotzdem, ein Apfelstrudel mit Vanillesauce musste dann aber doch noch bestellt sein, obschon ich mir eigentlich vorher bewusst war, dass ich den nicht mehr schaffe. So gings denn gutgelaunt und gutgenährt an den Aufstieg aus den Katakomben, um ein Erlebnis reicher, zurück in die reale Welt.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Michael Pewny, Léonard Wüst und https://www.zwoelf-apostelkeller.at/https://www.zwoelf-apostelkeller.at/

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Luzerner Theater, Märchen im Grand Hotel, Operette von Paul Abraham, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn
Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Produktionsteam:
Musikalische Leitung: William Kelley, Inszenierung: Bram Jansen, Bühne: Robin Vogel,
Kostüme: Ulrike Scheiderer, Choreographie: Ryan Djojokarso, Video: David Röthlisberger,
Licht: Marc Hostettler, Sounddesign: Jorg Schellenkens, Dramaturgie: Julia Jordà Stoppelhaar,
Johanna Wall
Besetzung:
Tora Augestad (Sounddesignerin), Heidi Maria Glössner (Zimmermädchen / Infantin Isabella),
Samuel Streiff (Kellner / Albert), Robert Maszl (Prinz Stefan / Koch), Jason Cox (Manager /
Chamoix), Vuyani Mlinde (Verwandlungskünstler), Giulia Bättig (Trainée Hotel), Norma
Haller (Trainée Hotel), Chiara Schönfeld (Trainée Hotel), Anna Vogt (Trainée Hotel)
Luzerner Sinfonieorchester

Rezension:

Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn
Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Kellner Albert ist verzweifelt: In «seinem» Grand Hôtel ist nichts mehr, wie es einmal war. Die Qualitäts-Touristen fehlen, Albert wünscht sich sehnlichst, sein geliebtes Hotel vom Billig-Tourismus zu retten, um dort weiterhin wie eh und je seiner Arbeit nachgehen zu können und in der Nähe seiner Isabella zu sein, der Putzfrau, die er seit 20 Jahren liebt und verehrt. Der Hoteldirektor Chamoix hat da aber andere Pläne. Er lässt gerade einen Werbespot drehen, um das Haus besser verkaufen zu können. Der angereiste Scheich mit Gefolge zeigt grosses Interesse. Für diesen Werbespot fehlt allerdings noch die Tonspur, die wird jetzt aufgenommen, aus Spargründen mit den Stimmen der Angestellten des Hotels. Die Geschichte des Werbespots ist Paul Abrahams Operette «Märchen im Grand Hotel». Auch diese Geschichte spielt, wie könnte es anders sein, in einem Grand Hôtel und dreht sich um eine verarmte spanische Prinzessin, ihre Entourage und um einen unbeholfenen Kellner.

Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn
Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Dies in groben Zügen das «Märchen im Grand Hôtel» in der Inszenierung von Bram Jansen, welches seit Ende Oktober 2019 und noch bis März 2020 im Luzern Theater gezeigt wird. Jansen hat die 1934 uraufgeführte Operette speziell für Luzern umgeschrieben und angepasst. Luzerner Geschichten, Lokalitäten und typische Touristen-Clichés tauchen dann auch immer wieder auf in seiner Inszenierung.

Kissenklopfer und Orangenküsse

Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn
Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Marylou, die Sounddesignerin, baut also ihr Tonstudio auf im Keller des Grand Hôtels. Bühnentechnisch ist das so gelöst, dass im oberen Teil des Bühnenraums ein nobles Hotelambiente nachgebildet ist, im unteren Teil, durch eine enge Treppe und einen Lift zugängig, der ziemlich chaotische Keller des Hotels mit allerlei Getränkekisten, Weingestellen und sonstigem Kram. Marylou (eine herrlich agile, mit viel Lust und Verve spielende und singende Tora Augestad) empfängt in diesem improvisierten Studio die verschiedenen Sprecher des Films. Es sind diers u.a. Trainees, Koch Andreas, Hoteldirektor Chamoix, Kellner Albert, Putzfrau Isabella, sie alle treten an, um die ihnen zugeteilten Rollen zu sprechen und zu singen. Marylou kümmert sich um die Koordination aber vor allem um die Soundeffekte, was immer wieder Anlass gibt für Lacher im Publikum. Kissenklopfer bei Schlägen, aber vor allem Orangengequetsche bei Kussszenen – da «designt» Marylou besonders ausgiebig und mit viel Wollust.

Die Geschichte in der Geschichte

Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn
Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Immer wieder schwappt der Hotelalltag ins Aufnahmestudio: Ein staubsaugender Angestellter stört, der angereiste Scheich wünscht eine Pizza, einen Berner Sennenhund, einen speziellen Champagner. Der Hoteldirektor, ständig an seinem Handy (ein aalglatter Jason Cox), erfüllt die Wünsche oder lässt sie erfüllen. Eine japanische Touristengruppe verirrt sich im Keller und schiesst Selfies mit Handysticks. Die Putzfrau (Heidi Maria Glössner, souverän, mit unglaublicher Bühnenpräsenz) wehrt die Avancen des verliebten Kellners Albert (Samuel Streiff, schüchtern, verträumt, melancholisch) ab. Concierge Lossas (Vuyani Mlinde, herrlich wandlungsfähig, stimmlich und darstellerisch) sieht sich aus Personalknappheit mal die Rolle des Grossfürsten, mal jene der Gräfin Ines zugeteilt und wechselt völlig mühelos zwischen den verschiedenen Tonlagen. Während den Aufnahmen finden Marylou und Koch Andreas Gefallen aneinander, Putzfrau Isabella leider aber immer noch nicht an Kellner Albert, Chamoix steht in Verkaufsverhandlungen mit dem Scheich, Albert funkt dazwischen, um den Verkauf zu verhindern und Isabella verkündet, dass dies ihr letzter Arbeitstag sei im Hotel.

Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn
Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Das viel besungene Happy-End passiert nur im Werbespot, der inzwischen fertiggestellt worden ist. Albert betrachtet das Werk, in Schwarz-Weiss, mit nostalgischen Bildern aus dem Hotel Schweizerhof Luzern und mit clichéhaften touristischen Aufnahmen aus der Umgebung. Ob für ihn im realen Leben noch eine Chance auf ein Happy End mit seiner Isabella besteht, bleibt offen.

Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn
Märchen im Grand Hotel Szenenfoto von Ingo Hoehn

Das «Märchen» ist unterhaltend, köstlich, die Musik ein bunter Mix aus Walzer, Jazz, Tango. Kellner Albert besingt seine «schönste Rose» auf beste Operettenmanier und schmachtet dabei selbstvergessen einen Putzmob an, Heidi-Maria Glössner ist eine wunderbar unnahbare Putzfrau und – im Werbefilm – eine noble Prinzessin und lässt mit ihrer schönen Stimme Marlene Dietrich aufleben. Das LSO unter William Kelley schwelgt, fetzt und walzert aufs Schönste aus dem Orchestergraben.

Ein Besuch dieses Märchens, schauspielerisch und musikalisch auf hohem Niveau, sei jedem empfohlen, der einen vergnüglichen Abend verbringen möchte.

 

Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Hoehn:

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Text: www.gabrielabucher.ch  Fotos: luzernertheater.ch

Fotos: Ingo Hoehn  Luzerner Theater

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Oper und Ballett arbeiten zusammen in der Neuproduktion von Les Indes galantes am Grand Théâtre de Genève

Fotomotiv von Matthieu Gafsou
Fotomotiv von Matthieu Gafsou

Als ein Werk, in dem Gesang und Tanz sich die Waage halten, bietet sich Jean-Philippe Rameaus Opéra-ballet Les Indes galantes bestens an für eine erstmalige künstlerische Zusammenarbeit von Oper und Ballett am Grand Théâtre de Genève.

In Rameaus Werk wird in vier verschiedenen Episoden das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen und die daraus entstehenden amourösen und gesellschaftspolitischen Konflikte geschildert. Das Europäische begegnet dem Türkischen, dem Persischen und dem Indigenen in Nord- und Südamerika.

Die Amerikanerin Lydia Steier setzt das Stück als die Vision einer neuen, besseren Gesellschaft der Zukunft in Szene, durch die es erst möglich ist, die Kontroversen zu lösen, die sich aus gegensätzlichen Weltbildern ergeben. „Dies ist ein wichtiger Aspekt unseres Projekts für Genf, eine Stadt, die wie keine andere für Menschen-rechte steht. Wir zeigen auf niemanden mit dem Finger, aber wir legen ihn genau auf die Wunden, damit es weh tut“, so Steier. Die Regisseurin hat in letzter Zeit vor allem im deutschen Sprachraum für Aufsehen gesorgt, etwa mit ihrer Zauberflöte bei den Salzburger Festspielen 2018.

Der argentinisch-deutsche Choreograph Demis Volpi studiert mit der Genfer Ballettkompagnie die ausgedehnten Tanzszenen ein, die integraler Bestandteil von Rameaus Oper sind und die ihrerseits die fremden Kulturen widerspiegeln. Für das Bühnenbild zeichnet Heike Scheele verantwortlich, für die Kostüme Katharina Schlipf und für das Licht Olaf Freese.

Mit einem ausgewählten Barockensemble sowie dem von Alan Woodbridge einstudierten Chor des Grand Théâtre de Genève wird der in Genf bestens bekannte Alte-Musik-Spezialist Leonardo García Alarcón am Pult seiner Cappella Mediterranea Rameaus Opéra-ballet erarbeiten, in der gerade die farbenreichen und raffinierten Orchestersätze eine ganz besondere couleur locale des Exotischen erzeugen.

Die Besetzung wird angeführt von Kristina Mkhitaryan, die in die Rollen von Hébé, Émilie und Zima schlüpfen wird. In Genf hat sie bereits in Cavallis Il Giasone begeistert, außerdem hat sie in letzter Zeit etwa an Covent Garden, der Bayerischen Staatsoper oder der New Yorker MET von sich reden gemacht. Des Weiteren singen Roberta Mameli (Amour/Zaïre), Claire de Sévigné (Phani), Amira Edris (Fatime), Renato Dolcini (Bellone/Osman/Adario), Gianluca Buratto (Ali), Anicio Zorzi Giustiniani (Don Carlos/Damon), François Lis (Huascar/Don Alvaro) und Cyril Auvity (Valère/Tacmas).

 

Grand Théâtre de Genève

Premiere: 13. Dezember 2019, 19.30 Uhr

Weitere Aufführungen: 15., 17., 19., 21., 23., 27. und 29. Dezember

LINK: https://www.gtg.ch/les-indes-galantes/

 
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