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Lifestyle

Cher «Here we go again» Tour, Support Act Crimer, Hallenstadion Zürich, 9. Oktober 2019, beucht von Léonard Wüst

Cher on Stage im Zürcher Hallenstadion, 9.10.2019, Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Zürcher Hallenstadion, 9.10.2019, Foto Ruedy Hollenwäger

Besetzung: Cher und Band
Support Act Cimer

Rezension:

Crimer der Support Act
Crimer der Support Act

Man kann nicht über Cher reden, ohne ihr Alter zu thematisieren. Deshalb gleich vorweg: Ja, Cher ist 73 Jahre alt. Eine mutige und beinahe lebensmüde (aber auch lukrative) Entscheidung, sich in diesem Alter nochmal eine Welttournee mit 82 Terminen in 74 Städten (davon 19 in Europa, davor 14 in Australien und Neuseeland, 34 in Nordamerika, danach nochmal 15 in Nordamerika, Ende ist am 19. Dezember in Dallas) ans Bein zu binden, oder? Könnte man meinen. Aber Cher wäre nicht Cher, wenn sie diesen Umstand im Laufe ihres Konzerts nicht selbst mehrfach, ironisch und herzlich ansprechen würde.

Support Acts zum Abtörnen

Vorher aber wurde das Publikum noch angeheizt von einem D.J. namens „Kid cut up“, der nach einer halben Stunde die Bühne temporär freimachte für den offiziellen Support Act: „Crimer“. Alexander Frei mit richtigem Namen, ein zappelnder Ostschweizer, irgendwie eine Mischung aus Michael von der Heide in den Flegeljahren und einem Spastiker gab sich und hatte Mühe, das Auditorium mitzunehmen, bleibt aber trotzdem endlos lange auf der Bühne. Jetzt kommt sie, hofft man, als er endlich abtaucht, aber es erscheint nochmals der D.J. und lässt seine immer gleichen Beats erneut hallen.

Dann endlich erscheint Superstar Cher

Cher wie von einem andern Stern
Cher wie von einem andern Stern

Als dann um Viertel nach Neun, nach einem Videovorspiel der Vorhang fällt, schwebt sie ein. In einem goldenen Stehthron wird die Diva engelsgleich und mit blauer Perücke, ein bisschen wie Galactica aus „Hallo Spencer“, von der Decke hinabgelassen. Unten warten ihre Tänzerinnen und Tänzer im Römer Gladiatoren Outfit sowie eine Live Band auf ihre Anführerin. Die tut sich sichtbar schwer, in der Choreografie zum Opener „Woman’s World“ nicht unterzugehen. Der Gesang scheint hier noch Playback zu sein. Nach dem zweiten Song „Strong Enough“ von ihrem 22. Studioalbum BELIEVE (1998), setzt Cher zu einer zentralen, leider viel zu langen Rede an.

Elendlanger Monolog liess die Stimmung hurzzeitig absinken

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Nach ein paar Scherzen über ihre Deutschkenntnisse und David Letterman („die unsympathischere Version von Thomas Gottschalk) erinnert sie sich an ihren 40. Geburtstag. Damals musste sich die Schauspielerin und Sängerin unter anderem von Jack Nicholson anhören, dass sie nun zu alt für bestimmte Rollen sei. Die Geschichte gab ihr recht: „Nur weil du alt bist, bist du nicht zwingend weg vom Fenster“, so ihr Fazit, und, in bester Cindy-Lauper- oder Sheryl-Crow-Manier: „Girls can do anything they wanna do.“

Was macht Deine Oma denn heute Abend

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Bevor Cher sich in die Garderobe zum nächsten von noch sehr vielen kommenden Kostüm-, Perücken- und Kulissenwechseln verabschiedet, stellt sie noch eine rhetorische Frage an ihr Publikum: „What is your granny doing tonight?“ – „Was macht eure Oma heute Abend?“ Spätestens jetzt hatte Cher alle für sich gewonnen. Die älteren Damen und Herren unter den Zuschauern, ihre Fans aus der LGBTQ*-Community, für die sie auch eine Heldin ist, alle, die die Chance nutzen wollten, einen der noch wenigen ganz großen Popstars vielleicht zum letzten Mal live zu sehen.

Aufklärung für die, die den Superstar nur als Sängerin kennen

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Für die Anwesenden, die Cher nur als Sängerin kennen, werden in den Kostümwechselpausen alte Interviews, Sketche und Szenen aus den Filmklassikern gezeigt, in denen sie mitspielte: „Silkwood“, „Suspect“ und „Die Hexen von Eastwick“, zum Beispiel. Für ihre Hauptrolle in „Moonstruck“ als Frühwitwe Loretta Castorini gewann Cher 1988 einen Oscar als „Beste Schauspielerin“. Ihr Dilemma, das sich durch ihre Karriere zog und aus dem sie eine Tugend machte, fasst Cher in einem eingespielten Zitat ebenfalls selbst zusammen: „Sänger sahen mich nicht als Sängerin, Schauspieler nahmen mich nie als Schauspielerin ernst. Ich gehörte niemals irgendwo dazu.“

Ein würdiger Bühnenabschied – wenn es denn einer ist

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Es folgt ein übersichtliches, spektakulär dargebotenes und live gesungenes Best-Of aus ihrer 54-jährigen Musikkarriere: Zu „Gayatri Mantra“ reitet Cher auf einem mechanischen Elefanten ein, singt danach „All Or Nothing“, schmeißt zu „Welcome To Burlesque“ eine, logisch,  Burlesque-Einlage, in der sie selbst aber niemals übertrieben lasziv und erotisch posiert . Sie feiert eine Party zu drei ABBA-Songs ihres 2018 erschienenen Cover-Albums DANCING QUEEN, covert zudem Michael Bolton. Unter all der glitzernden Oberfläche schafft die Popikone es immerhin, mit drei von ihren bekanntesten Liedern nicht nur zu unterhalten, sondern auch zu berühren.

Western Feeling auf Leinwand projiziert

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Ihr Marc-Cohn-Cover „Walking In Memphis“ singt sie vor einer projizierten Midwestern-Kleinstadt, in der lauter Plakate mit dem Worthybrid „Chelvis“ hängen; der „Shoop Shoop Song (It’s In His Kiss)“ verzückt ebenso; „If I Could Turn Back Time“ mündet in ein minutenlanges Solo ihres Livegitarristen, der auch als Duff-Mc-Kagan-Double durchgehen könnte. Der ewige Kirmes-Hit und Autotune-Durchbruch „Believe“ darf als Finale wohl oder übel nicht fehlen, schließlich bescherte er Cher ihren größten kommerziellen Single-Erfolg aller Zeiten und wurde dementsprechend vom begeisterten Auditorium bejubelt und beklatscht.

Hommage an ihren verstorbenen Ex Mann und Duo Partner Sonny Bono

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Der bewegendste zugleich auch skurrilste Moment aber ist der, als Cher, recht früh im Set, „The Beat Goes On“ und „I Got You Babe“ im Duett mit Sonny Bono singt: Ihr vor 20 Jahren verstorbener Ex-Ehemann wird, seinen Part quäkend, auf einer Leinwand gezeigt, Cher schaut ihn bei ihren Gesangseinlagen an. Sie weiß wohl selbst um die Fragwürdigkeit dieses Unterfangens: „Ich habe überlegt, ob ich das, was jetzt kommt, jetzt mache oder erst auf meiner nächsten Welttournee.“ Was wie ein weiterer Witz klingt, muss nicht unbedingt einer gewesen sein: Eigentlich wollte Cher schon 2004, nach ihrer „Dressed To Kill“-Tournee, ihre Livekarriere beenden. Vielleicht ist das hier wirklich ihre letzte Tour. Sie wäre ein würdiger Bühnenabschied gewesen.

Text: www.leonardwuest.ch

Veranstalter und Fotos: https://www.abc-production.ch

Kleine Fotodiashow des Events von Ruedy Hollenwäger:

http://fotogalerien.wordpress.com/2019/10/10/cher-here-we-go-again-tour-support-act-crimer-hallenstadion-zuerich-9-oktober-2019-beucht-von-leonard-wuest/

Trailer des Konzertes:

youtu.be/ijz6FYYVUEI

youtu.be/JSA8vRXH_OE

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Das Chamber Orchestra of Europe (COE) plant neben dem Sitz in London eine Stiftung in Deutschland

Chamber Orchestra of Europe Foto Julia Wesely
Chamber Orchestra of Europe Foto Julia Wesely

Das Chamber Orchestra of Europe (COE) wurde im Mai 1981 in London von beinahe 50 Europäischen MusikerInnen aus 15 verschiedenen Ländern gegründet. Die ehemaligen Mitglieder des European Community Youth Orchestra (heute: EUYO) legten den Grundstein für das COE, um auch nach dem Ausscheiden aus dem renommierten internationalen Jugendorchester auf höchstem Niveau weiterhin zusammenzuarbeiten. In den vergangenen 38 Jahren hat das COE seinen Ruf als Ensemble von herausragender musikalischer Qualität durch die enge Zusammenarbeit mit den führenden Dirigenten und Solisten unserer Zeit stetig untermauern können. Eine besonders enge künstlerische Beziehung verband das Orchester zu Claudio Abbado und Nikolaus Harnoncourt, mit denen zahlreiche preisgekrönte CD-Veröffentlichungen entstanden sind. Heute arbeitet das COE eng mit Bernard Haitink, Yannick Nézet-Séguin und Sir András Schiff zusammen – alle drei zählen zu den Ehrenmitgliedern des Orchesters.

 

Aufgrund der anhaltenden Ungewissheiten, die durch die Brexit-Verhandlungen verursacht wurden, plant das Chamber Orchestra of Europe, eine unabhängige Stiftung in Deutschland zu gründen. Diese soll es dem Ensemble ermöglichen, in Deutschland und anderswo in der Europäischen Union auch in POST-Brexit-Zeiten effizient arbeiten zu können. Die Stiftung des COE wird eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung der bereits bestehenden und überaus wichtigen künstlerischen Partnerschaften des Orchesters in Deutschland haben. Allen voran steht dabei die besondere Verbindung mit der Kronberg Academy, in deren neuem Casals Forum das COE eine Residenz für seine Arbeitsphasen und Konzertvorbereitungen finden soll. Aber auch die langjährigen Beziehungen mit der Stiftung Berliner Philharmoniker, dem Festspielhaus in Baden-Baden und selbstverständlich auch mit der Alten Oper in Frankfurt und der Kölner Philharmonie würden künftig zusätzlich durch die Stiftung auf dem Kontinent gepflegt.

 

Kommende Konzerte des COE in Deutschland und Italien

Das nächste Konzert des COE in Deutschland findet im Rahmen des Kronberg Academy Festivals statt. Einen Tag nach dem Richtfest des Casals Forum wird András Schiff in Kronberg (Hessen) am 30. September zum 100. Mal mit dem Ensemble auf der Bühne stehen. Die Solisten sind Junge MusikerInnen der Kronberg Academy. Auf dem Programm stehen neben Beethovens Violinromanzen Nr. 1 und Nr. 2 Haydns Overtüre „L’isola disabitata“ und das Cellokonzert in C-Dur, außerdem Mozarts Sinfonia Concertante in Es-Dur KV 364.

Eine Woche später, vom 6. bis 8. Oktober, geht Schiff mit dem COE auf Tour von dem Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin (6. Oktober) über Mailands Conservatorio bis nach Verona ins Teatro Filarmonico. Haydn und Mendelssohn sind hier die Schwerpunkte: Unter anderem spielt das Orchester Haydns Sinfonie in G-Dur Nr. 88 und Mendelssohns 4. Sinfonie A-Dur „Italienische“.

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Fado as its best Carminho, Kaufleuten Zürich, 2. Oktober 2019, besucht von Léonard Wüst

Carminho performs at Music Club in Elmwood Hall, during the 2013 Ulster Bank Belfast Festival at Queen’s. Photo/Paul McErlane www.belfastfestival.com.
Carminho performs at Music Club in Elmwood Hall, during the 2013 Ulster Bank Belfast Festival at Queen’s. Photo/Paul McErlane www.belfastfestival.com.

Besetzung:

Carminho, vocals – Flávio Cardoso, guitar – Pedro Geraldes, pedal steel guitar – Luis Guerreiro, Portuguese guitar – Tiago Maia, bass

Rezension:

Carminho, auch äusserlich gereift
Carminho, auch äusserlich gereift

Fast auf den Tag genau fünf Jahre waren es her, seit meiner letzten Begegnung mit Maria do Carmo an gleicher Stätte. Der Interviewtermin war von ihrem neuen Manager auf knapp zehn Minuten limitiert worden, Fotos waren, im Gegensatz von vor 5 Jahren leider nicht gestattet. Fragen nach Carminhos Privatleben tabu. So blieb leider nicht mehr viel Fleisch am Knochen. Meine Begeisterung darüber hielt sich natürlich in Grenzen, konnten wir doch letztes Mal einfach drauflosplaudern, über ihre Karriere, gemeinsame Bekannte usw., kenne ich sie doch schon bald 20 Jahre. Dass auch ja alles so wie vom Manager gewünscht ablief, wurde vom, nicht von unserer Seite weichenden, Road Manager Hugo Coelho akribisch überwacht. Immerhin erfuhr ich, dass Carminho das Projekt mit  den Jobims nicht weiterverfolge und sich im Moment ganz auf Fado konzentriere, da sie jetzt auch fast alle Lieder (Texte und Musik) selber komponiere, so auch auf ihrem neuesten Album „Maria“.

Zum zwischenzeitlichen Experiment Jobim

Portuguese Guitars Symbolbild
Portuguese Guitars Symbolbild

Mit dem Album „Carminho Canta Tom Jobim“ nahm sich der portugiesische Star Carminho im Jahre 2016 einem der bekanntesten Komponisten der lateinamerikanischen Welt an: Antonio Carlos Jobim, auch Tom Jobim genannt, der am 25.1.2017 seinen 90. Geburtstag gefeiert hätte.  Es war sogar die Familie von Tom Jobim selbst, die anregte, dass Carminho tief in das Repertoire Jobims eintauchen sollte, das voller Klassiker wie The Girl From Ipanema, Wave, Meditation oder Sabiá steckt. Begleitet im Studio wurde sie von Banda Nova, Jobims letzter Live- und Studioband. Gemeinsam mit Jobims Sohn Paulo und seinem Enkel Daniel sowie dem gefeierten Cellisten Jaques Morelenbaum, der bereits an Carminhos letztem Album beteiligt war, sowie dem Drummer Paulo Braga, widmete sie ihr  Album der unsterblichen brasilianischen Ikone.

Zurück zu den Wurzeln, dem traditionellen, authentischen Fado

Pedal Steel Guitar, Symbolbild
Pedal Steel Guitar, Symbolbild

Das Kapitel „Carminho Canta Tom Jobim“ von 2016 ist also, für den Moment zumindest, ad acta gelegt. Dass Carminho weiter reift, sich noch immer hohe Ziele setzt und ihren Weg konsequent weitergeht, war mir sofort bewusst, als ich sie, noch keine 18 Jahre alt, im April 2002 zum ersten Mal, an einer von mir, zusammen mit Luis Felipe Penedo (Gründer und Präsident der „Academia da guitarra portuguesa e do Fado“ und des Fado Museums in der Alfama von Lissabon), organisierten Serenade der portugiesischen Gitarre und des Fado singen hörte. Sie hatte schon damals alles, ausser der Lebenserfahrung, was eine grosse Fadista auszeichnet. Als Tochter einer bekannten Fadosängerin, die zusammen mit ihrem Mann ein kleines Restaurant in der Alfama besass und betrieb, wurde sie in die faszinierende Welt des Fado hineingeboren und eiferte schon früh ihrer Mutter nach und sang selbstverständlich auch schon bald vor den Gästen. Trotzdem beendete sie ihr Studium (Werbung und Marketing), wandte sich danach aber ganz dem Fado zu. Sie galt nun, als Tochter der in Fado-Kreisen bekannten Sängerin Teresa Siqueira, als die neue Hoffnung des Fado. Dass sie diesen Vorschusslorbeeren mehr als gerecht wurde und weiterhin wird, beweist sie seitdem immer wieder aufs Neue, bleibt nicht stehen beim schon Erreichten, strebt nach immer Höherem, noch Perfekterem. Deshalb, unter anderem, komponiert sie jetzt auch fast alles selber und schreibt auch, für schon existierende Melodien, neue, eigene Texte dazu.

Der unübliche Griff zur Gitarre

Carminho
Carminho

Der Kaufleutensaal war voll besetzt, darunter auch sehr viele in der Schweiz lebende Portugiesen, die die Gelegenheit nutzten, ihre weltweit gefeierte Landsfrau live zu erleben. Fast Ritusgemäss betraten, in faktischer Dunkelheit, zuerst die vier Instrumentalisten die Bühne, zupften ein paar Töne auf ihren Saiteninstrumenten, bevor Carminho, ganz in schwarz gekleidet, sich zu ihnen gesellte und ein paar Worte auf Deutsch ans Publikum richtete und auch ihre Landsleute mit ein paar Worte auf Portugiesisch beglückte, natürlich heftigst applaudiert. Sie beginnt mit „A Tecedeira“ einer feinfühligen Ballade ab ihrem neuen Album „Maria“ gefolgt vom  fröhlicheren „O Começo (Fado Bizarro)“. So folgt ein Fado nah dem andern, immer schön abwechselnd, mal etwas romantisches, dann wieder ein optimistischeres. Dann griff sich Carminho eine Gitarre, um sich für das äusserst gefühlvolle „Estrela“ gleich selbst mit zu begleiten. Für mich ein Novum, benutzt sie doch sonst Gitarre und auch das Klavier, ausschliesslich zum Komponieren.

Es hatte auch Platz für ein paar kurze „Guitarradas“

Bei der folgenden Interpretation von „Pop Fado“ erhielt Luis Guerreiro mit seiner portugiesischen Gitarre Gelegenheit, ein paar kurze „Guitarradas“ einzuflechten, die vom sachkundigen Publikum mit Zwischenapplaus belohnt wurden und auch die andern Musiker gaben kurze Kostproben ihres Könnens zum Besten. Weiter gings Schlag auf Schlag, ein Fado nach dem andern, die meisten ab ihrem neuesten Album.

So wie Carminho das macht, versteht jedermann, was „Fado“ bedeutet

FADO 2002 im Orgelsaal, Hotel Hirschen in Sursee, mit Carminho, dritte von rechts
FADO 2002 im Orgelsaal, Hotel Hirschen in Sursee, mit Carminho, dritte von rechts

Carminho versteht es, wie keine andere, mit sentimentalen Liedern zu Tränen rühren, auch wenn man kein Wort versteht. Denn der Fado ist Melancholie, die überall verstanden wird. Auch bei Carminho lässt sich die Saudade erahnen – dieses Gefühl einer existenziellen Sehnsucht, für das es weder im Deutschen noch im Englischen eine richtige verbale Entsprechung gibt. Es ist dieser „O gosto de ser triste“ (der Genuss, traurig zu sein) den die Lusitaner, wie kein anderes Seefahrervolk so verinnerlicht haben. Die Vorfreude, aber eben auch vermischt mit dem Trauer des Abschieds, beim Aufbruch, neue Welten zu entdecken.

Die Künstlerin macht den „Saudade“ auch Nichtportugiesen verständlich

Sie beherrscht die Kunst, Trauer und Schmerz einzufangen und auszudrücken – auf der Suche nach dem Fado neuer Prägung, der sinnlich-samtenen Bluesmusik Portugals, die 2011 zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Die Essenz des Fados ist für sie „ein urbaner Aufschrei der Leute, die sich plagen und abrackern, um zu überleben, und kaum Zeit haben, Tränen zu vergießen“. Natürlich gibt es auch fröhlichere Fados, aber irgendwie wird man das Gefühl nicht los, die Portugiesen fühlen sich erst in den richtig schmerzhaft traurigen am wohlsten.  Ein Grund, warum Stücke wie „Lágrimas Do Céu“ so intensiv sind und Carminho jede Facette der trauernden Seele nach außen kehrt. Das Auditorium war begeistert und klatschte die Protagonisten noch zu zwei Zugaben und mein Frust über das unbefriedigende Interview war auch schon fast verflogen.

https://www.youtube.com/watch?v=eDlzwlVAmhc&feature=youtu.be

Exklusivinterview mit Carminho im Oktober 2014: http://innerschweizonline.ch/wordpress/carminho-interview-im-kaufleuten-zuerich-4-oktober-2014/

Text: www.leonardwuest.ch

Videotrailer: https://www.youtube.com/watch?v=iMUB0FGZ4fs#t=18

Veranstalter und Fotos: www.allblues.ch

Facebookseite von Carminho: https://www.facebook.com/CarminhoMusic

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Landestheater Innsbruck, Première Don Giovanni, 29. September 2019, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Ensemble Foto Rupert Larl
Ensemble Foto Rupert Larl

Produktion und Besetzung:

    • Musikalische Leitung Lukas Beikircher Regie Kurt Josef Schildknecht
    • Bühne Heinz Hauser Kostüme Gera Graf Choreografie Kathrin Eder Dramaturgie Susanne Bieler
    • Don Giovanni Alec Avedissian Il commendatore Andreas Mattersberger, Johannes Maria Wimmer Andreas Mattersberger (13.09, 19.09, 21.09, 25.09, 29.09)Johannes Maria Wimmer (03.10, 20.10, 03.11) Don Ottavio Jon Jurgens Donna Anna Jessica Muirhead, Susanne Langbein Jessica Muirhead (13.09, 19.09, 21.09, 25.09)Susanne Langbein (29.09, 03.10, 20.10, 03.11) Donna Elvira Amira Elmadfa Leporello Johannes Maria Wimmer, Andreas Mattersberger Johannes Maria Wimmer (13.09, 19.09, 21.09, 25.09, 29.09)Andreas Mattersberger (03.10, 20.10, 03.11) Masetto Unnsteinn Árnason Zerlina Camilla Lehmeier Sophie Mitterhuber (19.09, 21.09) Tiroler Symphonieorchester Innsbruck Chor des Tiroler Landestheaters
      Statisterie des Tiroler Landestheater

 

Rezension:

Alec Avedissian als Don Giovanni und Chor Foto Rupert Larl
Alec Avedissian als Don Giovanni und Chor Foto Rupert Larl

Das Tiroler Landestheater nimmt nach dem fulminanten Saisonfinale im Juni 2019 das «dramma giocoso» Don Giovanni nochmals auf. Gleich vorneweg: Das Plateau des «Don Giovanni» am Tiroler Landestheater begeistert. Ein unglaublich homogenes Ensemble beschert dem Publikum einen herrlichen Hörgenuss. Alec Avedissian verkörpert perfekt den getriebenen Don Giovanni, immer wieder auf neue Errungenschaften aus, immer auf der Suche nach dem nächsten Kick, immer wieder mit dem «odore di femmina» in der Nase. Dazu verteilt er auch immer wieder dieselben weissen Lilien an seine Frauen. Lilien übrigens, welche bei der Eingangsszene während der Ouvertüre aus Geisterhand an weisse Geisterfiguren im Friedhof verteilt wurden, wohl eher als Anspielung auf den Tod denn auf Unschuld.

Johannes Maria Wimmer als Komtur mit  Alec Avedissian als Don Giovanni Foto Rupert Larl
Johannes Maria Wimmer als Komtur mit Alec Avedissian als Don Giovanni Foto Rupert Larl

Susanne Langbein überzeugt als edle, trauernde Donna Anna, Jon Jurgens als Don Ottavio mit einem wohltuend klaren Tenor ohne den übertriebenen Schmelz, der ab und an bei dieser Rolle zu hören ist. Géraldine Chauvet gibt die rachsüchtige und trotzdem immer wieder Don Giovanni verfallende Donna Elvira. Auch Camilla Lehmeier und Unnsteinn Árnason sind eine perfekte Besetzung für Zerlina und Masetto. Schade um den vollen Bass des Komturs Johannes Maria Wimmer, der sich so früh verabschieden muss. Einer sticht aber heraus durch sein darstellerisches Können: Andreas Mattersberger ist ein umwerfend guter Leporello, man spürt seine Spielfreude und wie er die Arie «Madamina» interpretiert ist einzigartig. Er schafft es, gewisse Passagen sprechend zu singen, oder singend zu sprechen, eigentlich sollten die Frauen reihenweise ihm verfallen!

Verstrickungen in leuchtendem Rot

Unnsteinn Arnason als Masetto mit Camilla Lehmeier als Zerlina Foto Rupert Larl
Unnsteinn Arnason als Masetto mit Camilla Lehmeier als Zerlina Foto Rupert Larl

Regisseur Kurt Josef Schildknecht setzt das Geschehen mehrheitlich im Friedhof an. Auf der Bühne, fast durchgehend in Schwarzgrau gehalten (Bühnenbild Heinz Hauser), stehen anfänglich Grabsteine. Dann steigen sie auf und ziehen rote Gummiseile hinter sich her, welche als Säulen stehen bleiben. Je nach Stimmung werden diese mehr oder weniger beleuchtet (Licht Ralph Kopp) stehen mal gerade, mal in Schräglage. Sie sind Sinnbild für die Verstrickungen Don Giovannis und schlussendlich verfängt und erstickt er auch darin. Auf der rechten und linken Seite der Bühne hängt je eine Bahn aus durchsichtigem Gewebe, auf welche je nach Szene Frauenköpfe, Kreuze, Fenster projiziert werden. Das erzeugt sehr starke Bilder und fasziniert, lässt aber nicht sehr viel Spielraum und verdammt Sängerinnen und Sänger dazu, mehrheitlich zwischen diesen beiden Bahnen vorne am Bühnenrand zu singen. Das hat etwas Statisches und man wünschte sich ab und zu etwas mehr Interaktion zwischen den Figuren.

Opulente Roben und Hüte

Alec Avedissian als Don Giovanni und Camilla Lehmeier als Zerlina Foto Rupert Larl
Alec Avedissian als Don Giovanni und Camilla Lehmeier als Zerlina Foto Rupert Larl
Alec Avedissian als Don Giovanni und Chor Foto Rupert Larl
Alec Avedissian als Don Giovanni und Chor Foto Rupert Larl

Die Kostüme (Gera Graf) sind gewollt keiner Epoche zugeordnet, sinnbildlich für die Zeitlosigkeit des Don Juan-Stoffes, wie Regisseur Kurt Josef Schildknecht im Programmheft erklärt. Mehrheitlich wird Schwarz getragen, elegante Gehröcke und hohe Lederstiefel für Don Giovanni, ab und an tragen die Damen ausladende Hüte, bei der Ballszene kommen opulente farbige Roben ins Spiel. Nur Zerlina trägt ein buntes Kleid und erinnert mit ihrem roten Blumenkopfschmuck irgendwie an Frida Kahlo.

Alec Avedissian als Don Giovanni mit  Susanne Langbein als Donna Anna Foto Rupert Larl
Alec Avedissian als Don Giovanni mit Susanne Langbein als Donna Anna Foto Rupert Larl

Während das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter Lukas Beikircher in den ersten Momenten die Sänger noch etwas zudeckt, findet es schnell die richtige Balance. Wohltuend auch die Begleitung der Rezitative durch das Hammerklavier an Stelle des Cembalos.

Weitere Aufführungen 20. Oktober und 3. November 2019

KleineFotodiashow von Rupert Larl  Landestheater Innsbruck:

http://fotogalerien.wordpress.com/2019/09/25/landestheater-innsbruck-premiere-don-giovanni-29-september-2019-besucht-von-gabriela-bucher-liechti/

Text: www.gabrielabucher.ch  Fotos: https://www.landestheater.at/

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