Zum Hauptinhalt springen

Sinfoniekonzert 1 Filarmonica della Scala | Riccardo Chailly | Denis Matsuev, KKL Luzern, 11. April, besucht von Léonard Wüst

UCERNE FESTIVAL 2019. OSTER-FESTIVAL. Sinfoniekonzert 1 vom 11. April 2019. Die Filarmonica della Scala und ein strahlender Solist Denis Matsuev, rechts, neben Dirigent Riccardo Chailly, links, Foto Peter Fischli
UCERNE FESTIVAL 2019. OSTER-FESTIVAL. Sinfoniekonzert 1 vom 11. April 2019. Die Filarmonica della Scala und ein strahlender Solist Denis Matsuev, rechts, neben Dirigent Riccardo Chailly, links, Foto Peter Fischli

Besetzung und Programm:

Denis Matsuev  Klavier
Pjotr Iljitsch Tschaikowsky (1840–1893)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23
Modest Mussorgsky (1839–1881) / Maurice Ravel (1875–1937)
Bilder einer Ausstellung

 

Rezension:

Die Filarmonica della Scala, Riccardo Chailly, Denis Matsuev, Tschaikowsky und | Mussorgsky, eine Kombination, die jeden Liebhaber klassischer Musik glatt in Verzückung versetzt.

Nebst Beethovens Ta Ta Ta…ta Sinfonie (der fünften), Mozarts Kleiner Nachtmusik, Verdis Triumphmarsch, seinem Gefangenenchor und vielleicht noch Smetanas Moldau, ist Tschaikowskys erstes Klavierkonzert wohl das Stück, das auch jeder Nicht Klassikkenner nach den ersten paar Tönen erkennt.

Der, 1975 im sibirischen Irkutsk geborene, Tastenmagier Denis Matsuev ist allein schon aufgrund seiner Herkunft für die Interpretation  von Werken russischer Komponisten prädestiniert.

Klangmagier Denis Matsuev am Klavier Foto  Matthias Creutziger
Klangmagier Denis Matsuev am Klavier Foto Matthias Creutziger

Matsuev agiert vor allem in den Überleitungen pianistisch vollgriffig brillant, immer wieder aber auch lyrisch schwelgerisch. Die Durchführung verzahnt zunächst im Orchesterspiel das erste und das dritte Thema, ehe das Klavier mit donnernden Oktavketten übernimmt und über zweites und erstes Thema „frei phantasiert“, schließlich auch im Wechselspiel mit dem Orchester, ehe das erste und das dritte Thema, um die Vorherrschaft streitend, zur Reprise führen. Die ausgeschriebene Klavierkadenz bietet weitere Metamorphosen der drei Themen, bis die Coda des ersten Satzes mit dem dritten Thema ansetzt und der Satz effektvoll abgerundet wird.

Eine träumerische Melodie, vom Solisten schwelgerisch, nicht aber süss interpretiert,  prägt den zweiten Satz, ein Andantino semplice, zuerst erklingt die Melodie von der Flöte gespielt, dann übernimmt das Klavier, und das Geschehen wird in Sechzehntel Girlanden weitergesponnen. Völlig überraschend bricht ein irrwitzig filigran-virtuoses Prestissimo in den Satz, spukhaft rasch, fast wie ein verkapptes Scherzo, sanft aber heftig treibend, bis eine Klavierkadenz zur träumerischen Melodie zurückführt, die Matsuev fein ziseliert und so  den Satz feinfühlig zu Ende führt.

Konzertfoto von  Peter Fischli Lucerne Festival  Dirigent Riccardo Chailly
Konzertfoto von Peter Fischli Lucerne Festival Dirigent Riccardo Chailly

Drei Themen auch im dritten Satz, Allegro con fuoco – das erste ein Höllenritt, intoniert vom russischen Pianisten dämonisch kraftvoll, dennoch düster. Das zweite ein übermütig enthusiastisches Volksfest, bei dem sich der Solist zum schalkhaft -lustigen Musikanten wandelte, das dritte ein ganz großer Melodiebogen, voluminös nachgezeichnet von Matsuev der sich zum Ende hin „freikämpft“ und mit einer alles überstrahlen wollenden Apotheose triumphiert. Wunderbar, dass sich der Pianist sehr sparsam des Pedals bediente und somit die Variationen immer gestochen scharf und nie verschwommen daherkamen. Es war eine atemberaubende Interpretation, wahnwitziger Tastendonner, aberwitzig virtuos, und wo es ruhiger zugeht, zeigt sich Matsuev als großer, souveräner Gestalter, getragen von einem grossartigen Orchester unter engagierter Leitung von Maestro Chailly. Klar bediente diese Umsetzung des Mussorgsky Klassikers sämtliche Clichées russischer Musik Seele, aber genau dies schien dem Auditorium im sehr gut besetzten Konzertsaal zu gefallen. Dies manifestierte sich in einer wahren Applauskaskade, die den Solisten und den Dirigenten mehrere Male zurück auf die Bühne beorderte, bis sich Matsuev nochmals an den Flügel setzte und eine kleine Zugabe gewährte.

Das Orchester führte uns grandios durch Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung

Konzertfoto von Peter Fischli Lucerne Festival
Konzertfoto von Peter Fischli Lucerne Festival

Natürlich, auch an diesem Abend, die von Maurice Ravel orchestrierte Fassung. Das sehr einprägsame Intro, immer kehrt es wieder zurück zwischen den einzelnen Bildern, das wehmütig – sehnsüchtige Thema, jedes Mal von andern Instrumenten, in leicht variierten Formen. Mussorgsky  charakterisiert das Flanieren in der Ausstellung in wechselnden Stimmungen, in denen das jeweils vorherige Motiv nachwirkt oder das aufkommende seine Schatten vorauswirft. Das wiederkehrende Zwischenspiel der „Promenade“ verbindet die Bilder und spiegelt die Stimmung des Betrachters wider.

Mussorgskys Hommage an seinen Freund Viktor Hartmann

Konzertfoto von Peter Fischli Lucerne Festival
Konzertfoto von Peter Fischli Lucerne Festival

«Ich schaue zu Mussorgsky auf, denn ich halte ihn für den grössten russischen Komponisten», bekannte Dmitri Schostakowitsch. Aber gerade das russischste der russischen Werke dieses Grössten, seine Bilder einer Ausstellung, spielt auch in Frankreich und Italien, in den Tuilerien, in Limoges, in den römischen Katakomben. Mussorgsky zeichnet musikalisch die Bilder nach und dabei fügt er, ansonsten sturer Verfechter der urrussischen Musik, auch „unrussisches“ ein, wie z.B. „Il vecchio Castello“, Tuileries, Limoges, le marché und Catacombae, Sepulcrum Romanum und skizziert so die Werke seines viel zu jung verstorbenen Freundes, des Malers und Architekten Viktor Hartmann (1834 – 1873).

Die Filarmonica della Scala zelebriert ihr grossartiges Können unter Riccardo Chailly.

Konzertfoto von Peter Fischli Lucerne Festival
Konzertfoto von Peter Fischli Lucerne Festival

Seit Januar 2015 trägt Riccardo Chailly als Musikdirektor die Verantwortung an der Mailänder Scala, und seit dem Sommer 2016 amtiert er dazu als Chefdirigent des Lucerne Festival Orchestra, so sind also die Mailänder bestens aufeinander abgestimmt. Trotzdem ist es kein routiniertes „Abspulen“ des Werkes, sondern eine höchst feinfühlige Darbietung in der die einzelnen Register dieses renommierten Orchesters ihre Fähigkeiten demonstrieren können. der Dirigent seziert das Werk förmlich, kitzelt die diversen Finessen heraus, animiert die einzelnen Register mittels Gesten und Augenkontakt, ermuntert die Solostimmen zu Spitzenleistungen. Die filigran schimmernde Dichte der Streicher perfekt als Kontrapunkt und gleichzeitig Ergänzung der intensiv klangigen Bläser. dazwischen ein Harfenarpeggio, ein Triangel der sich einmischt. Ein wunderbares Klang  Bild der Bilder., bessergeht fast nicht. Riccardo Chailly, der zurückhaltend, aber dennoch bestimmt dirigierte verzögerte das Finale hochdramatisch bis hin zum musikalischen Orgasmus. Das Publikum applaudierte begeistert, auf Bravorufe folgte, fast zwangsläufig und hochverdient, eine stehende Ovation.

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch

Homepages der andern Kolumnisten: annarybinski.ch  www.noemiefelber.ch

www.gabrielabucher.ch  Paul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

  • Aufrufe: 674

Claudio Baglioni AL CENTRO Tour, Hallenstadion Zürich, 7. April 2019, besucht von Léonard Wüst

laudio Baglioni Hallenstadion Zürich, 7. April 2019 Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger
laudio Baglioni Hallenstadion Zürich, 7. April 2019 Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger

Besetzung: Claudio Baglioni und Band

Rezension:

50 Jahre Musik, 60 Millionen verkaufte Exemplare auf der ganzen Welt. Das sind die wesentlichen Zahlen der einzigartigen und unvergleichlichen Karriere von Claudio Baglioni.

Der am 16. Mai 1951 geborene Römer zelebriert einen sanft – lyrischen Italo Soft Pop Rock. Claudio Baglioni ist Musiker, Autor und Interpret. Wie kein anderer hat er es geschafft, von den späten sechziger Jahren bis heute, eine Generation nach der anderen zu erobern. Mit seinem populären, melodischen und verfeinerten Repertoire, in dem er Songwriting und Rock, internationale Klänge, Weltmusik und Jazz verschmelzen lässt, gelingt es ihm seit über 50 Jahren die italienische Musikge-schichte mit zu prägen.

Der Durchstart 1972 mit dem Album „Questo piccolo grande amore“

Claudio Baglioni Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger
Claudio Baglioni Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger

Mit dem Album „Questo piccolo grande amore“ (1972) und dem gleichnamigen Titelsong setzte ein bis heute anhaltender Erfolg ein; insgesamt stand Baglioni zwölfmal an der Spitze der Albumcharts. Drückte er in seiner Musik anfangs hauptsächlich „unter Jugendlichen verbreitete Gefühle“ aus, wandelte sich sein Stil im Verlauf der Jahre zu einem immer reiferen und stärker artikulierten musikalischen Feingefühl. Dass er nicht, wie viele seiner Sangeskollegen, auch sozialkritische Aussagen in seinen Liedern machte, schadete seiner Popularität nur kurze Zeit. Nichtsdestotrotz hat er bis heute eine Protagonistenrolle in der italienischen Musikszene beibehalten.

Baglioni schrieb auch Filmmusik und wurde oft gecovert

Einige seiner Lieder wurden auch von andern italienischen Sangesgrössen, wie z.B. Mia Martini und Rita Pavone gecovert. Im Jahr 1972 komponierte Baglioni drei Lieder für den Film Bruder Sonne, Schwester Mond des Regisseurs Franco Zeffirelli. Mit dem Titellied „Fratello sole, sorella luna“ gelang ihm der erste Singleerfolg in den Charts. Außerdem landete Rita Pavone mit dem von ihm geschriebenen Lied „Bonjour la France“ einen grossen Erfolg in den französischen Charts. Den Durchbruch bedeutete für Baglioni jedoch sein drittes Album „Questo piccolo grande amore“. Im Jahr 2003 wurde Baglioni von Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi mit dem Verdienstorden der Italienischen Republik(Komtur) ausgezeichnet.

Konzert auf dem Petersplatz in Rom als Höhepunkt einer glanzvollen Karriere

Claudio Baglioni Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger
Claudio Baglioni Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger

Zur Millennium Feier in Rom wurde Claudio Baglioni die unglaubliche Ehre zuteil, das einzige Popkonzert, das je auf dem Petersplatz stattgefunden hat vor 300.000 Zuhörern und Papst Paul II. zu geben. In der NZZ wurde der Barde mal so beschrieben: Eine italienische Freundin beschreibt ihn so: Claudio Baglioni ist Teil des nationalen Kulturerbes wie die Pizza. Der Vergleich ergibt Sinn. Wie das Holzofengebäck repräsentiert Baglioni geschmackvolle Einfachheit, folkloristische Italianità – und wird weltweit geschätzt.

Grosser Aufwand für die Jubiläumstournee

Claudio Baglioni Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger
Claudio Baglioni Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger

Mit seinem Jubliläumsalbum «50 Anni Al Centro» ist der Sänger nun auf grosser Tournee. Der Startschuss zur AL CENTRO Tour wurde überall sehnlichst erwartet. Im Oktober 2018 startete Claudio Baglioni in den grössten Arenen Italiens und tourt nun durch ganz Europa, wo es ja fast überall  grössere „Italodiasporas“ gibt, durch deren Einwanderung als Gastarbeiter ab den 1950er Jahren. Bei den Italienern in der Schweiz ist der Liedermacher besonders beliebt, weil er als einer von ihnen gilt. Baglioni entstammt einfachen Verhältnissen, wuchs in einer Vorstadt Roms auf.

Ein Mix aus Commedia dell`Arte, Cirque du Soleil und Las Vegas Show

Claudio Baglioni Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger
Claudio Baglioni Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger

Claudio Baglioni hat sich in den letzten Jahrenzehnten gewandelt: Aus dem einfachen Nachbarjungen in Jeans und T-Shirt ist ein stets gebräunter Anzugträger geworden. Seine Texte sind nun doch etwas tiefgründiger. Ob der beste Baglioni aber der frühe Baglioni war, darüber streiten sich die Fans nicht. Für diese zählt das hier und jetzt und sie saugen die Canzone förmlich auf, singen mit, illuminieren alles mit ihren Handys, stehen auf und schwenken die Arme im Rhythmus, jubeln durchaus auch mal. Dank der Bühne im Zentrum bei 360 Grad aufgestellt, liess sich zusammen mit dem Künstler ein halbes Jahrhundert seiner unvergesslichen Erfolge zurückverfolgen. Ein Instrumental-Track, der eigens als Soundtrack für  50 Jahre Karriere komponiert wurde gibt dem Publikum neue und aufregende Einblicke in das Schaffen des Künstlers: kein neuer Popsong, sondern eine echte Instrumentalsuite, die das Herzstück der außergewöhnlichen Tour „Al Centro“, der Super-Show ist. Nachgezeichnet wird die 50-jährige Beziehung zwischen Claudio Baglioni und der Musik, aber auch die unerschöpfliche und intensive Beziehung zwischen seiner Musik und der Sprache, Sitte und Kultur seines Heimatlandes Italien. Eine emotionale Reise zwischen Musik und Bildern, mit einer  spektakulären Besetzung von über 40 Mitwirkenden, Musiker, Schauspielern, Tänzern.

Ein spektakuläres Bühnenbild nach dem andern

Claudio Baglioni Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger
Claudio Baglioni Konzertfoto von Ruedy Hollenwäger

Der Showverantwortliche von Baglioni verwandelte das Hallenstadion in einen Kultur- und Kunstraum, versammelte um den Sänger eine Supergruppe gestaltete so eine großartige Performance. Die Musiker waren nicht als Gruppe kompakt an einem Ort, sondern rund um die quadratische Bühne aufgereiht, aufgeteilt in kleine Grüppchen. So waren die Bläser zusammen mit der Keyboarderin, die Streicher bildeten mit einem Gitarristen eine Einheit, je ein Schlagwerker war rechts und links der Bühne. Einzelne Musiker performten auf dem Podium, inmitten der Tänzer und den mystischen Gestalten aus der Commedia dell`Arte Welt, Gaukler, Pierrots usw. All diese Figuren und Tänzer wirbelten über die Bühne, zu jedem Bühnenbild in andern Kostümen, die Lichtshow in wechselnden, auf die Bühnenrequisiten angepassten passenden Farben. Hätte der Sänger einmal den Text nicht mehr gewusst, wär das wohl kaum aufgefallen, so inbrünstig, lautstark und sehr textsicher sang das Publikum mit.

Konzert war ein Volltreffer mit begeistertem Auditorium

Claudio  Baglioni Tour Plakat
Claudio Baglioni Tour Plakat

Das ganz spezielle Bühnenlayout im Zentrum des Hallenstadion mit dem 360Grad Entertainment-Erlebnis, ein Sänger in Hochform mit einer Band auf Augenhöhe, Darsteller und Tänzer in passenden Outfits erfreute die begeisterten Fans, die den Grande des Italo Soft Pop, und ein bisschen auch sich selbst,  ausgiebig feierten, Der italienische Superstar musste selbstredend auch noch eine Zugabe geben.

Text und Fotos: Léonard Wüst www.leonardwuest.ch

Fotos: http://www.abc-production.ch/index,  Léonard Wüst, Ruedy Hollenwäger

Homepages der andern Kolumnisten: www.gabrielabucher.ch    https://noemiefelber.ch/  https://annarybinski.ch/    Paul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

  • Aufrufe: 767

Seebühne Bregenz, Rigoletto-Richtfest, 3. April 2019, besucht von Gabriela Bucher Liechti

Wolfgang Urstadt (Technischer Direktor der Bregenzer Festspiele), Elisabeth Sobotka (Intendantin der Bregenzer Festspiele), Philipp Stölzl (Bühne und Inszenierung Rigoletto
Wolfgang Urstadt (Technischer Direktor der Bregenzer Festspiele), Elisabeth Sobotka (Intendantin der Bregenzer Festspiele), Philipp Stölzl (Bühne und Inszenierung Rigoletto

Auf der Bregenzer Seepromenade ist nicht viel los an diesem Mittwoch, 3. April. Ein paar Mütter stossen Kinderwagen, ein paar Hunde ziehen an Leinen. Ein Lastwagen bringt zwei riesige Palmen aus ihrem Winterquartier zurück an ihren Sommer-Standort, ein paar Arbeiter in orangen Westen bereiten die Bootsanlegestelle vor, zwei Jugendliche kaufen Eis und Energy Drinks an einem der wenigen offenen Kioske. Von der Seebühne her hört man ein Klopfen und Hämmern, aber allmählich wird es ruhig auf der Baustelle dort. Die knapp 7000 Sitze der Tribüne sind leer bis auf zwei. Interessiert verfolgen dort zwei Besucher, wie drüben zwei schwarzgekleidete Männer eine rot-weiss bemalte runde Scheibe über die leicht abgeschrägte Bühne rollen, einmal rundherum bis sie wieder am selben Ort steht. «Was war das denn?», sagt der eine zum anderen. «Arbeitsbeschaffung wohl» meint der andere.

Buntes Gemenge

Philipp Stölzl (Bühne und Inszenierung Rigoletto) und Elisabeth Sobotka (Intendantin der Bregenzer Festspiele)
Philipp Stölzl (Bühne und Inszenierung Rigoletto) und Elisabeth Sobotka (Intendantin der Bregenzer Festspiele)

Die Ruhe, die nun über der Seebühne liegt, hat etwas Erwartungsvolles. Stative mit Lautsprechern werden aufgestellt, von links ertönt ein leises metallenes Geräusch: Der Kranführer ist unterwegs in seine Kabine. Wenig später schwebt ein rechteckiger schmaler Käfig über die Bühne, zwei Fotografen stehen drin, schwenken ihre riesigen Objektive in alle Richtungen und geben mit Handzeichen an, wo sie hingeführt werden wollen. Der riesige Clownkopf unter ihnen lächelt unbeirrt vor sich hin, die geschlossenen Augenlider wie gewölbte Sonnen-Markisen. Eine Besucher-Gruppe inspiziert die Technik an der «Hand Bregenz», welche aus dem Wasser ragt. Zwei Haubentaucher verfolgen sich lautstark zwischen den Pfählen der Bühne. Möven umkreisen den riesigen Kopf und setzen sich respektlos auf Augen und Ohren. Immer mehr Leute strömen nun über den Steg Richtung Seehinterbühne. Ein Reporter des RTV Vorarlberg und sein Kameramann proben noch kurz eine Ansage bei der Tribüne, ehe sie sich dem Besucherstrom anschliessen. Fotografen mit riesigen Kameras, Rohren, geschulterten Stativen und umgeschnallten Taschen und Beuteln, lässig gekleidete Männer mit Schals und extravaganten Lederschuhen, Arbeiter in bauchigen Hosen und schweren Arbeitsstiefeln, junge Frauen mit trendigen Sonnenbrillen, gestandene Männer in Anzügen; eine bunte Mischung geladener Gäste hat sich eingefunden auf der Seebühne zum Richtfest von «Rigoletto».

Wenn ein Projekt zum Leben erweckt wird

Elisabeth Sobotka (Intendantin der Bregenzer Festspiele) und Wolfgang Urstadt (Technischer Direktor der Bregenzer Festspiele)
Elisabeth Sobotka (Intendantin der Bregenzer Festspiele) und Wolfgang Urstadt (Technischer Direktor der Bregenzer Festspiele)

Man kennt sich mehrheitlich und begrüsst sich herzlich. Man bestaunt die unglaubliche Hydraulik-Installation, schaut dem Clown direkt in den Kopf und in die Augenkugeln. Stative werden aufgestellt, Kameras gezückt, eine Drohne hat sich zu zwei Krähen gesellt, als wollte sie nicht auffallen. Die Kommunikationsverantwortliche Barbara Hingsamer schlängelt sich durch die Gäste, prüft die Schlange am Empfangstisch, schaut auf die Uhr. Dann endlich ist es soweit, DIE Rigoletto-Arie «La Donna è mobile» erschallt, dann wird es ruhig. Pressesprecher Axel Renner begrüsst seine Gäste: Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl, Intendantin Elisabeth Sobotka, Technikdirektor Wolfgang Urstadt, Bühnenmeister Manfred Achberger, Arbeitstaucherin Jessica Vogel und den Vertreter der Firma Steurer, Thomas Kaufmann. In kurzen, knappen Statements erzählen diese vom Abenteuer «Rigoletto».

Philipp Stölzl (Bühne und Inszenierung Rigoletto)
Philipp Stölzl (Bühne und Inszenierung Rigoletto)

Stölzl schwärmt von der unglaublich tollen Zusammenarbeit des ganzen Teams und vergleicht den Arbeitseifer und den Willen, etwas wirklich Ausserordentliches zu schaffen mit dem Credo der Oberammergauer Passionsspiele. Die Idee, welche er vor 3 Jahren gehabt habe, nun langsam Wirklichkeit werden zu sehen, das habe etwas unglaublich Aufregendes und Berührendes. Die Intendantin Elisabeth Sobotka bestätigt, wie begeistert sie sei, den Rigoletto, dieses knackige, knappe Stück, wie sie es nennt, zum allerersten Mal auf die Bregenzer Seebühne bringen zu dürfen. Auf die Frage, ob es auch statische Herausforderungen gegeben habe, antwortet Technikdirektor Urstadt mit einem kräftigen «Ja» und fügt an, dass diese sehr gross seien und sie weiterhin beschäftigten und Bühnenmeister Achberger meint, Rechtwinkliges bauen könne jeder, sie könnten aber eben auch mehr als das. Nur Arbeitstaucherin Jessica hält sich eher etwas bedeckt, wäre wohl lieber gleich wieder abgetaucht dorthin, wo’s ihr einfach grossen Spass mache zu arbeiten!

Wurst, Kraut und Bretzel

Impression des Rigoletto Richtfestes von Gabriela Bucher . Liechti
Impression des Rigoletto Richtfestes von Gabriela Bucher -. Liechti

Die Präsentation wird kurz und knapp gehalten, man bekommt aber eine gute Idee davon, was hier geleistet wurde und noch wird. Es dürfen noch Fragen gestellt und Interviews gemacht werden, kurze Baustellenführungen werden angeboten, Fotografen schweben nach wie vor über der Bühne, aber jetzt ist die Baustellen-Jause angesagt.  Bretzel, Würstchen, Sauerkraut, alles in rauen Mengen vorhanden, Gläser mit Sekt, Weisswein, Bier und Mineral werden immer wieder nachgeschoben. Man sitzt an Festtischen, verteilt sich auf die Stehtische, Palettentürme werden umfunktioniert zu Ablageflächen, es herrscht ein emsiges Treiben zwischen Werkzeugen, Kabeln, Gestängen, Holzbeigen und einem einsamen Kräutergärtchen, dort, wo sich in dreieinhalb Monaten die Operncrew tummeln wird. Die farbige, gutgelaunte Besucherschar geniesst das gelungene Richtfest in vollen Zügen unter der wohlwollend milden Abendsonne.

Trailer Bregenz Seebühne Aufbau im Zeitraffer

www.youtube.com/watch?time_continue=4&v=c_KUaN_eWw8

Kleine Fotodiashow des Richtfestes von Karl Forster und Gabriela Bucher – Liechti:

http://fotogalerien.wordpress.com/2019/04/07/seebuehne-bregenz-rigoletto-richtfest-3-april-2019-besucht-von-gabriela-bucher-liechti-2/

Text: www.gabrielabucher.ch  Fotos: bregenzerfestspiele.com/de

Homepages der andern Kolumnisten: www.marvinmueller.ch  www.irenehubschmid.ch

www.leonardwuest.ch  Paul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst
  • Aufrufe: 646

Andreas Ottensamer, Klarinette Schumann Quartett, Theater Casino Zug, 6. April 2019,besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Schumann Quartett Foto Kaupo Kikkas
Schumann Quartett Foto Kaupo Kikkas

Besetzung und Programm:

Andreas Ottensamer Klarinette

Schumann Quartett:
Erik Schumann Violine
Ken Schumann Violine
Liisa Randalu Viola
Mark Schumann Violoncello

Felix Mendelssohn Bartholdy
Streichquartett Es-Dur op. 12

Leoš Janáček
Streichquartett Nr. 2 «Intime Briefe»

Carl Maria von Weber
Klarinettenquintett B-Dur op. 34

 

Rezension:

Theater Casino Zug
Theater Casino Zug

Das Schumann Quartett, das sind die drei Brüder Erik Schumann, erste Violine, Ken Schumann, zweite Violine, Mark Schumann, Cello und Liisa Randalu, Bratsche. Sie spielten vergangenen Samstag im Casino Zug, und wie sie spielten! Vom ersten bis zum letzten Ton des Streichquartetts Nr. 1 in Es-Dur von Felix Mendelssohn Bartholdy war man gefangen und hörte und schaute gebannt hin, fasziniert vom unglaublich präzisen Zusammenspiel der vier Ausnahmemusiker, von den Phrasierungen, der Lust am Spielen. Wie aus einem Guss musizieren und verschmelzen sie zu einem einzigen homogenen Klangkörper, nur ab und zu schält sich eines der Instrumente virtuos aus dem Klangteppich. Der erste Satz innig, mit Zurückhaltung dort, wo sie gefragt ist, das Allegro leicht und luftig und mit jugendlicher Frische, hingehauchte Passagen im Andante espressivo, mit schmerzvollem, glühendem Verlangen im Molto Allegro.

Liebe und Leidenschaft

Schumann Quartett Foto Kaupo Kikkas
Schumann Quartett Foto Kaupo Kikkas

Gebannt, begeistert und fasziniert erwartete man die «Intimen Briefe» von Leoš Janáček. Janáček schrieb das Werk im Alter von 74 Jahren und widmete es Kamila Stöslová, seiner 38 Jahre jüngeren Geliebten. Dazu schrieb er ihr: «Jetzt habe ich begonnen, etwas Schönes zu schreiben. Unser Leben soll darin enthalten sein. Es soll «Liebesbriefe» heissen. Ich glaube, es wird reizend klingen. (…) Es ist meine erste Komposition, deren Töne von all dem Liebeswürdigen durchglüht sind, das wir miteinander erlebt haben.» Wie die jungen Musiker die Gefühle dieses um zig Jahre älteren Mannes übersetzten war schlicht grandios. Das «Thema der Frau», hingehaucht von Bratsche und Cello, in absoluten Pianissimi, die innigen Betrachtungen, der Sturm der Gefühle. Zwischen zärtlichen Schwärmereien und leidenschaftlichen Beteuerungen, alles war spür- und hörbar. Auch die Verzweiflung im Vivace im zweiten Satz und immer wieder unterschwellig das Sehnsuchtsthema. Dabei aber auch Leichtfüssigkeit, dann der bebende Ausbruch im dritten Satz und zuletzt, im Allegro, das schmerzvolle, glühende Verlangen, die drängende Sehnsucht. Das alles bringen die vier Musiker mit einer solchen Überzeugung, einer solchen Ernsthaftigkeit und ohne Manierismus, ohne grosse Gesten herüber, das Publikum war verzaubert.

Unglaubliche Läufe

Andreas_Ottensamer Solist Klarinette
Andreas_Ottensamer Solist Klarinette

Nach der Pause folgte das Klarinettenquintett B-Dur Op. 34 von Carl Maria von Weber mit Andreas Ottensamer, dem ersten Soloklarinettisten der Berliner Philharmoniker. Schwindelerregende Läufe legte Ottensamer hin, mit einer unglaublichen Leichtigkeit, Pianissimi, welche man so bei einer Klarinette noch nicht gehört hat, nicht für möglich halten würde. Kein noch so schneller Lauf konnte ihm etwas anhaben, im Gegenteil, es schien ihm richtig Spass zu machen. Locker sass er da und lächelte immer wieder komplizenhaft zu seinen Musikerkollegen rüber.

Die Unkompliziertheit der Musiker war unglaublich wohltuend und übertrug sich auch aufs Publikum. Obwohl eher im oberen Alterssegment, liess es sich dazu hinreissen, mit Stampfen die fünf immer wieder aufs Podium zu holen. Ottensamer versprach etwas ganze Neues als Zugabe, hantierte nicht sofort ganz erfolgreich mit seinem IPad und erklärte, sie hätten da auf dem Weg nach Zug was ausprobiert: Das Venezianische Gondellied für Klavier von Mendelssohn ihn einer mehrfach bearbeiteten Version nun für Streichquartett und Klarinette. Wenn er bei Weber mit Virtuosität brilliert hatte, spielte er jetzt noch seine ganze Musikalität aus und liess seine Klarinette singen, samtweich und verführerisch

Ein Ausnahmetalent und eine Entdeckung

Andreas Ottensamer, ein Ausnahmetalent, das Schumann-Quartett eine Entdeckung und eine wahre Freude zu sehen, wie unkompliziert und locker es auf der Bühne zugehen kann. Wenn das die neue Generation der klassischen Musiker ist, dann besteht Hoffnung, dass auch Junge sich nach und nach dafür begeistern lassen und die manchmal etwas angestaubte Atmosphäre in den Konzertsälen langsam aufgebrochen wird.

Text: www.gabrielabucher.ch Fotos: http://www.theatercasino.ch/

Homepages der andern Kolumnisten: www.leonardwuest.ch
 
 
Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

 

  • Aufrufe: 353