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Luzerner Theater, Die Grossherzogin von Gérolstein, besucht von Gabriela Bucher - Liechti

Die Grossherzogin von Gérolstein, Szenenfoto von  Ingo Hoehn, LT

Die Grossherzogin von Gérolstein, Szenenfoto von Ingo Hoehn, LT

Produktion:

Musikalische Leitung: Alexander Sinan Binder Inszenierung: Lennart Hantke Bühne: Natascha von Steiger Kostüme: Elke von Sivers Licht: Clemens Gorzella Choreinstudierung: Mark Daver Dramaturgie: Johanna Wall

Besetzung

Marina Viotti (Grossherzogin) Christian Joel (Prinz Paul) Robert Maszl (Fritz) Diana Schnürpel (Wanda) Jason Cox (General Bumm) Max von Lütgendorff (Baron Puck) Vuyani Mlinde (Baron Grog) Chor des LT Luzerner Sinfonieorchester

Rezension:

Eine Aufführung der etwas anderen Art am Ostersamstag

Die Grossherzogin von Gérolstein, Szenenfoto von Ingo Hoehn, LT
Die Grossherzogin von Gérolstein, Szenenfoto von Ingo Hoehn, LT

Wie wird man einer Aufführung gerecht, welcher das Herzstück fehlt? Was sagen, wenn jene, die eigentlich das Sagen hätte, nichts sagen kann? Die Dramaturgin des Luzerner Theaters, Johanna Wall, erklärte in ihrer Einführung, was niemand hören wollte: Die Grossherzogin von Gérolstein, d.h. Marina Viotti, hatte sich eine böse Erkältung geholt und dabei ihre Stimme verloren. Auftreten würde sie trotzdem, aber für den gesanglichen Part habe man in aller Eile Maren Engelhardt aus Kassel eingeflogen und die Dialoge würden von einer Sprecherin übernommen.

Stummfilm in der Königsloge


Eigenwillige Raumaufteilung

Die Grossherzogin von Gérolstein, Szenenfoto von Ingo Hoehn, LT
Die Grossherzogin von Gérolstein, Szenenfoto von Ingo Hoehn, LT

Trotzdem, abgesehen von der stimmlosen Grossherzogin kam das Publikum in den Genuss einer amüsanten, unglaublich farbenfrohen, frechen und teilweise rasanten Aufführung. Wenn man das Glück hat, im 1. Rang zu sitzen, ist man, wie versprochen in der Ankündigung, mitten im Geschehen. Denn nicht nur die Loge der Grossherzogin befindet sich dort, sondern oft auch das Volk, d.h. der Chor. Er habe schnell gemerkt, dass das Stück den ganzen Raum bespielen müsse, erklärt Regisseur Hantke im Interview im Programmheft. Die Leerstellen – also das, was die Zuschauer im Parterre nicht sehen können – seien wie die Gerüchte, die Intrigen, die in unserem Rücken gesponnen werden, es werde im wahrsten Sinn des Wortes «über unsere Köpfe hinweg» gesprochen. Ob das die Parterre-Besucher darüber hinwegtröstet, dass sie teilweise wenig mitbekommen von dem, was sich oben abspielt, sei dahingestellt. Denn wie sich die Grossherzogin da in den Rängen ziert und räkelt, sich aufspielt und grosstut, oder dem Soldaten Fritz verschämt und indirekt ihre Liebe zu gestehen versucht, das ist sehenswert, auch stimmlos, und geht trotz Spiegelwand auf der Bühne an den Parterre-Besuchern vorbei.

Slapstick und Halloween à la Offenbach

Die Grossherzogin von Gérolstein, Szenenfoto von Ingo Hoehn, LT
Die Grossherzogin von Gérolstein, Szenenfoto von Ingo Hoehn, LT

Trotzdem zum Zweiten: Man konnte etwas erleben in dieser «Grossherzogin von Gérolstein». Allein die Kostüme begeistern: Alle möglichen Farben, Materialien und Beschaffenheiten werden kombiniert, man kann sich kaum sattsehen: Faltenrock unter geblümter Weste, Umhänge wie luxuriöse Bademäntel, Tarnanzüge, Federbüsche, gestrickte Tarnkappen, trendige Sonnenbrillen, alles ist vorhanden und verwebt sich zu einem urkomischen und schrillen Gemälde, wenn sich z.B. bei der Hochzeitsnachts-Szene alle auf der Bühne zusammenfinden. Das hat etwas von einer Halloween-Party, gruselig und schräg. Und immer wieder blitzen zeitgenössische Details auf, eine Modezeitschrift, Popcorntüten, Playmobil-Männchen. Fake-News werden verbreitet, ab und an donnert ein Flugzeug durchs Theater, so realitätsnah dass alle die Köpfe einziehen. Es ist ja schliesslich Krieg, ein Krieg, welchen General Bumm und Baron Puck angezettelt haben, damit es der Grossherzogin nicht langweilig wird und sie nicht auf falsche Gedanken kommt. Auch sonst bemühen sich die beiden um die junge Frau, wollen sie verheiraten mit dem eher trotteligen Prinzen Paul. Den will sie aber nicht, hat ein Auge geworfen auf den Soldaten Fritz, der wiederum seine Wanda liebt. Wie die Grossherzogin den einfachen Soldaten zum General befördert, kleidertechnisch, und gleichzeitig Bumm degradiert ist höchst amüsant. Schlussendlich führen aber all die Intrigen, Kriegsspiele, Mordkomplotte und Liebesbeschwörungen nur dazu, dass ausser der Grossherzogin jeder mehr oder wieder das hat, was er anfänglich hatte und wollte. Die Grossherzogin ist die einzige Verliererin, sie muss sich begnügen mit dem, was sie kriegt, nachdem sie nicht haben kann, was sie wünscht.

Musikalische Leichtfüssigkeit

Die Grossherzogin von Gérolstein, Szenenfoto von Ingo Hoehn, LT
Die Grossherzogin von Gérolstein, Szenenfoto von Ingo Hoehn, LT

Die leichtfüssige Musik Offenbachs täuscht über das triste Thema hinweg, tönt oft mehr nach Fest, Ballsaal und Fröhlichkeit und lässt einen die angezettelten Kriege, Intrigen, die Ränken und Machtspiele vergessen. Alles bleibt leicht-luftig, das Luzerner Sinfonieorchester lässt sich von seinem Dirigenten Alexander Sinan Binder mitreissen, schwelgt in den Melodien und legt ab und an atemberaubende Tempi hin.

Man muss es nehmen wie es kommt, ein Leitsatz dieser Operette. Das Luzerner Theater hat alles daran gesetzt, seinem Publikum trotzdem einen schönen Abend zu bescheren, Pausen-Cüpli inklusive. Die Stimmen überzeugen, allen voran Jason Cox als General Bumm. Ob der etwas verhaltene Schlussapplaus mit dem nicht sehr zahlreich erschienen Publikum zu tun hatte (wohl saisonal bedingt) oder doch mit der leisen Enttäuschung, nicht in den vollen Genuss dieser Produktion gekommen zu sein? Bleibt zu hoffen, dass Marina Viotti schnell wieder zu ihrer Stimme zurückfindet, damit sie bei den kommenden Aufführungen die ganze Breite ihres Könnens zeigen und sich das Publikum rest- und bedingungslos einlassen kann auf dieses fulminante Spektakel.

Kleine Fotodiashow von Gregory Batardon:

http://fotogalerien.wordpress.com/2019/04/18/luzerner-theater-die-grossherzogin-von-gerolstein-besucht-von-gabriela-bucher-liechti/lerien.wordpress.com/2019/04/18/luzerner-theater-die-grossherzogin-von-gerolstein-besucht-von-gabriela-bucher-liechti/

Text: www.gabrielabucher.ch Fotos:Gregory Batardon     luzernertheater.ch

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Karfreitag, 19. 4. 2019, Musikalische Meditation „Aus der Tiefen“, Musik von Johann Sebastian Bach, besucht von Léonard Wüst

Vokalensemble Sursee unter der Leitung von Peter G. Meyer, links
Vokalensemble Sursee unter der Leitung von Peter G. Meyer, links

Das Vokalensemble Sursee, das Kesselberg Ensemble, Basel, die Solisten Kathrin Hottiger (Sopran), Nino Gmünder (Tenor) und Reinhard Mayr (Bass) zelebrierten Musik aus Kantaten von Johann Sebastian Bach in der Klosterkirche in Sursee. Die Leitung hatte Peter G. Meyer.

Rezension:

Während Petrus uns am Karfreitag die letzten paar Jahre meist schlechtes Wetter bescherte, von Nieselregen bis Schneeflocken, herrschte dieses Jahr eitel Sonnenschein bei fast schon sommerlichen Temperaturen. Trotzdem war die Klosterkirche auch dieses Jahr wieder bis auf den letzten Platz gefüllt und wer nicht schon mindestens eine halbe Stunde vor Beginn da war, hatte Mühe, einen freien Platz zu finden.

Kesselberg Ensemble
Kesselberg Ensemble

Ihren Platz in der Nähe des Altars nahm dann das „Kesselberg Ensemble“ aus Basel ein. Diese Spezialistinnen für alte Musik spielen auch auf historischen Instrumenten, wie z.B. Barockvioline, Barockoboe usw., was, wie sich zeigen sollte, das ganze Konzert äußerst authentisch machte, den Sound des 17./18. Jahrhunderts in die ehrwürdige Kirche zauberte. Dahinter stellten sich die Mitglieder des Vokalensembles auf, die Damen, vom Zuschauer aus  gesehen, links, die Herren rechts. dann folgte der Auftritt des musikalischen Leiters Peter G. Meyer aus Sursee. Die Barockoboe setzte das Motiv, kontrapunktiert vom Bass, das dann vom  ganzen Ensemble und vom Chor weitergesponnen wurde.

Peter G. Meyer, Leitung
Peter G. Meyer, Leitung

Dann erläuterte uns eine Pastoralassistentin, dass der erst 22jährige J.S. Bach die Kantate „Aus der Tiefen rufe ich, Herr, zu Dir“ (BWV 131), unter dem Eindruck des verheerenden Brandes der thüringischen Stadt Mühlhausen im Jahr 1707 geschrieben hat, es bleibt aber offen, ob die Kantate zur Busse oder als Begräbnismusik gedacht war. Auf jeden Fall handelt es sich um Musik aus dem Blickwinkel einer Katastrophe, aus deren Bann Bach die Zuhörer zu führen versucht. Es bleibt jedoch nicht verborgen, dass er nach überschwänglichem Jubel mit reichen Koloraturen in allen Stimmlagen am Ende eine offene Frage im Raum stehen lässt, die Zuhörer darin zurück lässt.

Überzeugende Solostimmen

Reinhard Mayr, Bass
Reinhard Mayr, Solist Bass

Die Musikalische Meditation beginnt mit den letzten Worten Jesu. „Es ist vollbracht“. – Der Basssolist, in diesem Fall Reinhard Mayr, fügt hinzu: „Das Leid ist alle“ und der Chor ergänzt „Jesu Deine Passion ist mir lauter Freude“. Es ist keine jubelnde Freude, noch nicht, sondern ein Klangbild, innig und betroffen, verhalten gesungen. Der volle Bass, fast in der Bariton Lage, wurde vom ausgezeichneten Orchester und dem gutaufgelegten Chor harmonisch getragen. Besonders auffällig die Barockoboe, die in relativ vielen Sequenzen von Bach in der Vordergrund geschrieben ist.

Kathrin Hottiger, Solistin Sopran
Kathrin Hottiger, Solistin Sopran

Es folgte der Cantus firmus im Sopran (Andante) von der, in Sursee durch ihre Mitwirkung bei den Operettenaufführungen, bestens bekannten Kathrin Hottiger.

Auch Tenor Nino Aurelio Gmünder agierte auf hohem Niveau

Nino Aurelio  Gmünder Solist Tenor, Foto Lucian Hunziker
Nino Aurelio Gmünder Solist Tenor, Foto Lucian Hunziker

Nach diversen Zwischenspielen dann das Solo (Tenor Nino Aurelio Gmünder) mit Choral als Cantus firmus im Alt (Lento). Auch er supportiert vom spielfreudigen Basler Ensemble und dem immer selbstsicher werdenden Chor. Auch die noch folgenden Sätze gehen fließend und mit kontrastierenden Tempi ineinander über und alles klingt aus mit einem fast Rondo mässigen Finale, das dann noch etwas versöhnlich klingt und stimmt.

Vokalensemble Sursee mit Leiter Peter G. Meyer
Vokalensemble Sursee mit Leiter Peter G. Meyer

In diesem Werk wird die Thematik des Klagens und Flehens expressiv von Instrumenten und Gesang ausgemalt. Das Werk verrät bereits die große Meisterschaft des jungen Komponisten und gehört zu den bekannteren Kantaten Bachs. Peter Meyer hat es einmal mehr verstanden, den Laienchor so zu schulen, dass er mit den Profimusikern auf deren Level agieren konnte und so eine kongeniale Einheit zu schaffen, in der alle perfekt miteinander harmonierten, was das Publikum, nach einem kurzen Zögern, (darf man in einer Kirche klatschen?), mit reichlich Applaus honorierte.

Text: www.leonardwuest.ch Fotos:Diverse

www.vokalensemble-sursee.ch

www.kesselbergensemble.com

www.kathrinhottiger.ch

www.ninoaurelio-gmuender.com

www.reinhard-mayr.com

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Romantisches Rokoko mit Sol Gabetta, KKL Luzern, 17. April 2019, besucht von Léonard Wüst

Sol Gabetta Solistin Cello
Sol Gabetta Solistin Cello

Besetzung und Programm:

Ottorino Respighi (1879 – 1936)
«Antiche danze ed arie per liuto», Suite Nr. 3

Pjotr Tschaikowsky (1840 – 1893)
«Rokoko-Variationen» für Violoncello und Orchester op. 33

Pjotr Tschaikowsky
Lenskis Arie aus der Oper «Eugen Onegin» (für Violoncello gesetzt von Sol Gabetta)

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Sinfonie Nr. 40 g-Moll KV 550

 

Rezension:

Sol Gabetta wurde am 16. April 1981 in Villa Maria (Argentinien)  als Tochter französisch-russischer Eltern geboren. Bereits als Kind verblüffte sie durch ihr musikalisches Talent. So sang sie bei der Aufnahmeprüfung für einen musikalischen Kindergarten zur Überraschung der Jury die Melodie eines a-Moll-Violinkonzerts von Antonio Vivaldi. 2004 erlangte Sol Gabetta grössere Bekanntheit, als sie bei den Luzerner Festspielen als Gewinnerin des „Crédit Suisse Young Artist Award“ ihr Debüt mit den Wiener Philharmonikern unter Valery Gergiev gab. In der Folge gewann sie unzählige Preise im Laufe ihrer bisherigen Karriere

Das kurze Respighi Werk «Antiche danze ed arie per liuto» zum Auftakt

Stehend und ohne Dirigent James Gaffigan, in sparsamer Kammerkonzertformation – ähnlicher Besetzung, eröffneten die Musiker des Residenzorchesters des KKL Luzern den Konzertabend stimmig mit der selten aufgeführten neoklassizistischen Komposition des italienischen Avantgardisten Ottorino Respighi. In diesem Werk greift der Komponist auf Übertragungen von Lauten- und Gitarrentabulaturen des 16. und 17. Jahrhunderts zurück, die der italienische Musikwissenschaftler Oscar Chilesotti (1848–1916) editierte und für modernes Instrumentarium arrangierte. Der Untertitel des Werkes lautet Trascrizione libera per orchestra (freie Transkriptionen für Orchester). Das Publikum genoss vom ersten Ton an und belohnte die Musiker mit langanhaltendem Applaus.

Grundsätzliches zum folgenden Werk

Eigentlich ist es paradox: Um Neues zu kreieren, griffen Komponisten oft gerne auf Altes zurück und verwoben so Tradition und Innovation zu einem ganz speziellen musikalischen Stoff. Tschaikowsky orientierte sich für seine «Rokoko-Variationen » zwar nicht an einem konkreten Werk aus der Rokokozeit, sondern ahmte mit viel stilistischem Fingerspitzengefühl die verspielte, höfische Atmosphäre dieser Epoche täuschend ähnlich nach. Das Hauptthema seiner «Rokoko-Variationen» könnte jedenfalls problemlos aus der Wiener Klassik stammen, zumal es mit echt Mozartʼscher Eleganz auftritt. Genau das muss bei der Uraufführung auch Franz Liszt gespürt haben, der im Publikum sass und meinte: «Nun, das ist doch endlich wieder einmal Musik.»

Äusserst souveräne, hochkonzentrierte  Solistin

Dirigent James Gaffigan
Dirigent James Gaffigan

Eine Huldigung Tschaikowskys an das große, verehrte Vorbild Mozart und eine Herausforderung für den Solo-Cellisten: Die „Rokoko-Variationen“, deren Thema sich stilistisch an die Musik des 18. Jahrhunderts anlehnt, fordern dem Solo-Cellisten ein Äußerstes an Spielbrillanz und technischer Bravour ab. Musikalisch verbunden sind die Variationen durch Orchesterritornelle, die musikalisch-substantiell quasi eine zweite Variationen Folge bilden. Die junge Argentinierin betrat an der Seite des amerikanischen Dirigenten James Gaffigan die Bühne, empfangen vom warmen Applaus des Auditoriums im praktisch ausverkauften Konzertsaal. Sol Gabetta wurde dem, ihr vorauseilenden Ruf als eine der weltbesten Cellovirtuosen, ausgezeichnet mit sehr vielen relevanten Preisen, jederzeit gerecht. Glasklar und präzise in den kurzen Läufen, sehr gefühlsvoll in den Tremolo, durchaus auch mal rasant vorantreibend, dann wieder sich diskret in das sie begleitende, ausgezeichnete Orchester einfügend, spielte sie sich durch die Partitur.

Sol Gabetta  Foto Uwe Arens
Sol Gabetta Foto Uwe Arens

Zitat Sol Gabetta: Die Purheit dieses Themas ist das Schwierigste, was es überhaupt gibt. Und dann, was alles dazu kommt, mit allen diesen Verzierungen. Das ist für mich Rokoko. Rokoko muss für mich auch einen Stil haben. Eine Art von Stil, eine Feinheit (…), sehr artikuliert, sehr klar gezeichnet, galant – genau! Zitatende. Auffallend, wie zurückhaltend Dirigent James Gaffigan agierte, er, der sich sonst manchmal wie Rumpelstilzchen auf dem Dirigentenpult aufführt. Das würde sich im zweiten Konzertteil dann wieder zeigen. Das Auditorium konnte so der Darbietung all seine Aufmerksamkeit widmen, lauschte der Solistin gebannt zu, fasziniert von ihrer Fingerfertigkeit und der Intensität ihres Spiels, ihrer manchmal introvertierter, dann wieder sehr expressiver Interpretation, aber jederzeit äusserst einfühlsam. Fasziniert von dieser Demonstration wurden die Protagonisten mit einem Applausorkan überschüttet, ein Applaus, der nie aufzuhören schien, sich aber erstaunlicherweise nicht zu einer „Standing Ovation“ entwickelte. Die dann folgende Lenski Arie aus der Oper «Eugen Onegin» (für Violoncello gesetzt von Sol Gabetta) kam einem Schaulaufen gleich und wurde ebenso gefeiert, wie das vorherige Werk. Vergnügt aufgedreht begab man sich zur Pause in die Foyers, wo man sich angeregt über das gebotene unterhielt.

Mozart as its best im zweiten Konzertteil

Echtester Mozart – und was für Musik! – dann zum Schluss: Seine g-Moll-Sinfonie zählt zu den bedeutendsten Schöpfungen nicht nur innerhalb seines Oeuvres, sondern überhaupt in der Geschichte der sinfonischen Gattung. Im Sommer 1788 schrieb Mozart innerhalb von etwa sechs Wochen fast in einem Zug seine drei letzten Sinfonien nieder, die zugleich als seine bedeutendsten gelten: die Sinfonien Nr. 39, Nr. 40 und Nr. 41. Mozart hat fast nie ohne Aufführungsabsicht oder Auftraggeber komponiert und doch sind genau diese Angaben bei diesen drei gewichtigen Werken unbekannt geblieben. So glaubt man heute, Mozart habe vielleicht eine besonders große Anstrengung unternommen, um sich mit dieser Trias von seinen Geldsorgen zu befreien. Darüber hinaus hat die fast unerklärlich kurze Entstehungszeit den Mythos vom mühelos komponierenden Mozart begründet.
Besonders die Sinfonie g-Moll wurde wegen ihrer schmerzlich-düsteren Grundhaltung gerne als bekenntnishaftes Werk angesehen – als Ausnahme von der Regel, dass sich Mozarts Musik nie mit den Lebensumständen in Verbindung bringen lässt, in der sie entstand.

Zur Interpretation der Komposition durch das Residenzorchesters des KKL Luzern

Luzerner Sinfonieorchester Foto Vera Hartmann
Luzerner Sinfonieorchester Foto Vera Hartmann

Das Werk eröffnete sich mit der herrlichen Mozartschen Sinfonie aus G moll, dieser unsterblichen Arbeit des grossen Komponisten, welche mit höchster Erhabenheit die grösste Schönheit verbindet, und doch nie ins Wilde und Abenteuerliche abschweift. Es ist ein kolossales Bild, aber von den schönsten Verhältnissen, das zugleich Ehrfurcht und Liebe einflösst. James Gaffigan, nun ganz in seinem üblichen Element führte sein Orchester mit viel Spielfreude, u.a. ausgedrückt durch seine Körperhaltung, Gestik und Mimik zügig durch die eigentlich düstere Partitur, die einem aber nie so vorkommt, vor allem, wenn sie so schwungvoll – freudig serviert wird. Der Satz beginnt als teppichartige Achtelbegleitung der geteilten Violen mit grundierenden Bass-Vierteln, über denen auf der vierten Zählzeit des ersten Taktes die auftaktige Melodie in den oktaviert parallel geführten Violinen einsetzt. Kennzeichnend für die Melodie ist der gebundene Halbtonschritt abwärts mit Wiederholung des Zieltons im Rhythmus zwei Achtel – eine Viertel (diese Figur wird zunächst dreimal wiederholt) sowie die Sexte aufwärts. Das Seufzer Motiv des gebundenen Halbtonschritts abwärts mit der Tonwiederholung ist für den weiteren Aufbau des Satzes von Bedeutung. Den charakteristischen rhythmischen Partikel des zweiten Satzes hat Wagner als „Engelsflügel“ missverstanden. Bei Gaffigan geht es irdisch zu: Dramaturgisch „drohende“ Einwürfe der Hörner und weiträumige Steigerungen geben der Musik ein markantes Profil voller Spannung und Überraschungen – auch für den, der das Werk schon dutzendmal gehört hat. Die einzelnen Register und Solisten bekamen ausreichend Gelegenheit, ihr Können zu dokumentieren und wurden dafür beim Schlussapplaus auch noch mit Separatapplaus bedacht. Dieser Schlussapplaus, der äusserst lang anhaltend durch den Saal brauste, entrang den Protagonisten noch eine kurze Zugabe,

Trailer:Sol Gabetta Eugene Onegin: Lensky’s Aria (Arr. for Cello and Orchestra)

youtu.be/8bv2gr_cWIk

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: Luzerner Sinfonieorchester

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Sinfoniekonzert 2 Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks | Iván Fischer | Janine Jansen, KKL Luzern, 13. April 2019, besucht von Léonard Wüst

Iván Fischer dirigiert das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Janine Jansen als Solistin. Luzern, 13.04.2019 Foto: LUCERNE FESTIVAL Priska Ketterer
Iván Fischer dirigiert das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Janine Jansen als Solistin. Luzern, 13.04.2019 Foto: LUCERNE FESTIVAL Priska Ketterer

Besetzung und Programm:

Iván Fischer  Dirigent
Janine Jansen  Violine
Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791)
Sinfonie C-Dur KV 338
Béla Bartók (1881–1945)
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 Sz 36
Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791)
Sinfonie Es-Dur KV 543
Béla Bartók (1881–1945)
Rumänische Volkstänze für Orchester Sz 68

 

Rezension:

Konzertimpression von Priska Ketterer (4)
Konzertimpression von Priska Ketterer

Die Orchestrierung in den Sätzen 1 und 3, mit Pauken und Trompeten und in der blockhaften Gestaltung verleiht ihnen den festlichen Charakter, gar etwas Barockes und den Typus der Italienischen Ouvertüre. Man verfolgt das Sonatenschema (wie gestaltet Mozart erstes und zweites Thema, wie die Durchführung etc.) und schon bald ist man wieder fasziniert von Mozarts Schattierungskunst, von seiner farbigen Orchesterbehandlung, seinem Spiel mit Motiven und vor allem auch vom Dur-Moll Wechsel im ersten Satz, der ohne Wiederholungen abläuft.

Wolfgang Amadé Mozart Sinfonie C-Dur KV 338

Konzertimpression von Priska Ketterer
Konzertimpression von Priska Ketterer

Der zweite Satz, „Andante di molto più tosto Allegretto“, zweiteilig (der zweite Teil variiert den ersten leicht), packt mich in seiner Gesanglichkeit genauso wie mit einigen auf sich aufmerksam machen wollenden (zum Teil synkopischen) Akzenten.
Das festlich-flotte 6/8 Finale, „Allegro vivace“, wieder fast barock anmutend, setzt in seinem Achtelbewegungs-Drive die feine motivische und farbliche kompositorische Arbeit fort. Es ist wieder ein Sonatensatz, diesmal werden aber sowohl die Exposition als auch Durchführung/Reprise wiederholt. Klar, es gibt herausragendere Symphonien Mozarts, KV 338 ist quasi „die letzte vor den ganz Großen“, aber allein mit den Farbmischungen des Werks, von Fischer und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks klangschön in die Ohren gezaubert, packt einen die Mozart Magie auch hier.Ein Auftakt ganz nach dem Gusto des sachkundigen Publikums, das die Darbietenden entsprechend beklatschte.

Brillanter Vortrag von Janine Jansen

Dirigent Ivan Fischer im Dialog mit Solistin Janine Jansen
Dirigent Ivan Fischer im Dialog mit Solistin Janine Jansen

Janine Jansen brillierte mit dem Werk von Bela Bartok. Mal spielte sie sanft, wie die Brise über die Puszta weht, mal heftig, wie der dort auch manchmal vorkommende Steppenwind und begeisterte das Publikum im ausverkauften Saal. Wo immer nötig, korrespondierte sie mittels Augenkontakt, auch mal durch Kopfgesten mit Orchester und Dirigenten. Technisch natürlich völlig ausgereift, besonders ausgeprägt in den Tremolos und den fulminanten Fingerläufen, Saitensprünge der besonderen Art. Beim Andante sostenuto trieb sie voran, das Allegro giocoso spielte sie auch vivace, entsprechend ihrem Temperament durchaus auch mit vollem Körpereinsatz. Janine Jansen als ein weibliches Pendant zu dem als Teufelsgeiger bezeichneten Niccolò Paganini (1782 – 1840)?

Janine Jansen und Anton Barakhovsky bei den Zugaben
Janine Jansen und Anton Barakhovsky bei den Zugaben

Kann man durchaus so sehen, was das Auditorium auch tat und die Darbietung mit einem Applausorkan belohnte und die Künstlerin so lange beklatschte, bis sie noch eine Zugabe gewährte in Form zweier kleinen Bartok Liedchen für 2 Violinen, die sie dann mit dem ersten Geiger des Orchesters , Anton Barakhovsky noch zum Besten gab. Das erstere fast ausschliesslich Pizzicato, das zweite ziganangehaucht. Die Holländerin spielt die Stradivari „Rivaz, Baron Gutmann“ von 1707, die ihr nach einer Testphase für zehn Jahre vom Eigentümer Dextra Musica überlassen wird, der Stiftung eines norwegischen Finanzkonzerns.

2.Konzertteil auch mit Mozart und Bartok

Konzertimpression von Priska Ketterer
Konzertimpression von Priska Ketterer

Mozarts Drittletzte: ein Halbstünder mit gewichtiger Einleitung, mit dramatischen Kontrasten auch im langsamen Satz und mit einem für Mozart unüblichen Schluss-Spurt à la Perpetuum Mobile. Das sind die Eckdaten dieser Es-Dur Sinfonie. Ein, nach dem bejubelten 1. Konzertteil sichtlich gutgelaunter Dirigent startete, mit dem ihm anvertrauten Orchester, fulminant in die Mozartische Partitur. Iván Fischer versprühte pure Lebensfreude, Augenzwinkern und nur zu Beginn in der pointiert gestalteten Adagio-Einleitung des Kopfsatzes einen Hauch von Dramatik. Die von Mozart erstmals geforderten obligaten Klarinetten anstelle der Oboen bereicherten die Orchesterfarben mit ihrem samtenen Klang und erhielten im dritten Satz (Menuetto, Allegretto) prominent hervorgehobene, beinahe solistische Aufgaben, welche die beiden Klarinettisten des bayerischen Renommierorchesters mit Bravour meisterten. Iván Fischer und den Bayern gelang eine packende, konzentrierte Wiedergabe dieses wunderbaren Werks, fein ausgehorchte dynamische Abstufungen und klangliche Transparenz in den Tutti. Eindringlich wurden die zum Teil kontrastierenden Themen herausgearbeitet. Das getragene, leicht zögerliche Fortschreiten der Streicherlinien im Andante, das Dialogisieren innerhalb dieser Gruppe, die agitato-Einwürfe der Bläser gelangen dabei genauso überzeugend wie das federnd gestaltete Menuetto und das rasante Finale mit dem immer wiederkehrenden Hauptthema. Dessen Ohrwurmcharakter wurde von Mozart in vielerlei Variationen in diesem fröhlichen Allegro verarbeitet. Manchmal klang es wie ein Vogelgezwitscher, dann wieder bekam es einen leicht dunklen Unterton und endete mit einem überraschenden und schalkhaften Fragezeichen. Wie rasant Fischers Tempo war belegt der Fakt, dass das Werk schon nach ca. 28 Minuten wiedergegeben war. Das Auditorium bejubelte auch diese Glanzleistung mit langanhaltendem, stürmischem Applaus.

Béla Bartók Rumänische Volkstänze für Orchester Sz 68

Konzertimpression von Priska Ketterer
Konzertimpression von Priska Ketterer

Zitat des Dirigenten Ivan Fischer: Allein mit landsmannschaftlicher Verbundenheit habe seine Bartók-Begeisterung nichts zu tun: «Ich würde seine Musik auch lieben, wenn er aus Honolulu käme.» Dieser Abschluss des Konzertes wurde denn auch zu einem eigentlichen Schaulaufen der Protagonisten, bei dem sich einzelne Register noch in je einer der sieben Volksweisen profilieren konnten. Der Dirigent nahm jetzt noch einmal richtig Fahrt auf, tänzelte und gestikulierte auf dem Dirigentenpult mit vollem Engagement, sehr zum Vergnügen des Publikums, zu dem natürlich auch das tadellose, gut aufgelegte Orchester das Seinige beisteuerte. Die Künstler durften dafür einen stürmischen, langen Schlussapplaus geniessen und die begeisterten Zuhörer liessen nicht locker, bis sie sich eine Zugabe erklatscht hatten. Dirigent Fischer wählte für diese ein Mozart Medley aus dem Köchelverzeichnis 409.

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch

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