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Lifestyle

Das Schweigen der Lämmer interpretiert Herbert Huber

Das Schweigen der Lämmer
Das Schweigen der Lämmer

Lamm – mmhh – einfach wunderbar In aller Regel fragen wir bei einer privaten Einladung, was die Gäste nicht mögen. Eine der wenigen Ausnahmen: Für gute Freunde kochten wir mal ein Stroganoff. Mit Lammfleisch (siehe Rezept), ohne vorher zu fragen und auch ohne ihnen vor dem Essen etwas zu verraten.

Lammstroganoff
Lammstroganoff

Nach dem Schmaus waren die Gäste voll des Lobes über das gelungene Werk. Als wir ihnen dann «beichteten», dass es Lammfleisch gewesen sei, kamen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was, Lammfleisch? Das habe ja gar nicht geböckelt.

Auch den Gaumen kann man überlisten. Wer Stroganoff automatisch mit Rind assoziiert, kommt wohl gar nicht auf die Idee, dass es anderes Fleisch sein könnte. Vielleicht war es auch die pfiffige Paprikasauce, die das helle Fleisch fast schon zur Nebensache machte. Was man aber so oder so wissen sollte: Lammfleisch böckelt überhaupt nicht.

Dazu eine weitere Anekdote.

Gekräuterte Lammlachse
Gekräuterte Lammlachse

Es war vor Jahren in einem Urner Seerestaurant. Am Nebentisch vier Herren. Der Wirt empfahl ihnen direkt am Tisch «wunderbares Lamm oder für Fischliebhaber Felchen aus dem See». Bei einem der Herren kam es wie aus der Kanone geschossen: «Also Schaf esse ich prinzipiell nicht, ich hasse alles, was böckelt.» Der Wirt liess sich nicht aus der Fassung bringen: «Entschuldigung, ich sagte Lamm, in diesem Fall sogar Milchlamm. Das böckelt nicht», sagte er und ergänzte: «Wenn etwas am Tisch böckelt ist es sicher nicht mein Lamm.» Das sass. Alle bestellten das Lammgericht – und waren begeistert.

Weiterhin rückläufiger Schaffleischkonsum

Bacon Lamm mit Bärlauchrisotto
Bacon Lamm mit Bärlauchrisotto

Nicht alle rücken so schnell von vorgefassten Meinungen ab. Lamm und Schaffleisch ganz allgemein sind mit Vorurteilen behaftet. 1,17 Kilo betrug 2018 bei uns der Pro-Kopf-Konsum Schaffleisch (inklusive Lamm). Zum Vergleich: Rind 11,36 Kilo, Schwein 21,64 Kilo, Kalb 2,57 Kilo. Obwohl bereits auf tiefem Niveau, fällt beim Schaffleisch die Kurve kontinuierlich leicht ab.

 

 

Ostern ist eine gute Gelegenheit, es wieder einmal zu versuchen.

Lammkeule
Lammkeule

Lamm, Hammel oder Schaf? Das hängt vom Alter der Tiere ab. Schaffleisch ist der

Oberbegriff für alles und bezieht sich auf männliche wie auch auf weibliche Tiere. Hammel sind nicht älter als zwei Jahre, wobei es sich um kastrierte männliche

oder weibliche Tiere ohne Nachwuchs handeln kann. Böcke wiederum sind männliche, nicht kastrierte Tiere, die älter als ein Jahr sind. Ihr Fleisch hat einen strengen Geschmack, eben, es böckelt.

Nicht so die Lämmer. Sie werden geschlachtet, bevor sie zwölf Monate alt sind. Unterschieden wird zwischen dem Milchlamm (2 bis 6 Monate) und dem etwas jüngeren Lamm, desto heller das Fleisch. Beim Mastlamm ist es bereits dunkelrosa und leicht mit Fett marmoriert. Beim Kauf von Schaffleisch fragen Sie den Metzger woher das Fleisch stammt und wo die Tiere geweidet haben.

Ca 58 Prozent wird bei uns zwar importiert, was aus dem Ausland kommt ist Topqualität. Das Beste, aber auch das Teuerste stammt aus Frankreich, wo die Lämmer auf den Salzwiesen der Normandie und der Bretagne weiden, was dem «Agneau pré-salé» seinen einzigartigen Geschmack verleiht. Auch Lämmer aus Irland und Schottland sind häufig von hervorragender Qualität. Grossverteiler beziehen «Schöfigs» eher aus Neuseeland und Australien.

Tipps für die Zubereitung

Oster Lammkeule
Oster Lammkeule

Klassisch schmoren: Dazu eignen sich Lammhaxen, Schulter, Keule. Dauer: zirka 2 Stunden bei 180 Grad im Ofen für 1 kg Fleisch mit Knochen. Kurz anbraten und mit in Würfel geschnittenem Wurzelgemüse in den Bräter geben und dann ab in den Ofen. Etwas Wasser, Gemüsebouillon oder dunkles Bier dazugiessen.

Das Bratgeschirr sollte zugedeckt sein. Ist die Kerntemperatur von

75 Grad erreicht und hat sich das Fleisch leicht vom Knochen gelöst ist es fertig.

Mit dem Stabmixer den Saft und das Gemüse verquirlen – Eine wunderbare Sauce!

Niedergaren: Dazu eignen sich saftige Keulen und Schulter. Scharf anbraten und in eine Braisière (Schmortopf) legen. Bei 90 bis 110 Grad 5 bis 7 Stunden

garen. Die Kerntemperatur beträgt ebenfalls 75 Grad. Sauce siehe oben.

Kurz braten oder grillieren: Geeignet für Lammkoteletts, Lamm-Entrecôtes, Gigot, Lamm-Steaks: Braten wie Steaks auf dem Grill oder in der heissen Pfanne. Bitte

das Lammfleisch nicht «totbraten». Perfekt ist es rosa, mit einer Kerntemperatur von ca. 58 Grad.

-Wann wird Lammfleisch eingelegt (mariniert)? Nur dann, wenn es sich um ältere Tiere handelt. Ab einem Alter von 10 Monaten entwickelt sich der typische Schafgeschmack. Junges Lammfleisch sollte man nicht marinieren, es sei denn, man möchte eine bestimmte Geschmacksnote mit Kräutern geben. Auch Senf passt zu Lamm. Und in England ist Pfefferminz ein guter Begleiter.

Was hat das Lamm mit Ostern zu tun?

Das Schweigen der Lämmer
Das Schweigen der Lämmer

Je nachdem, wen man fragt, kriegt man leicht voneinander abweichende Erklärungen, weshalb zu Ostern Lamm gegessen wird. Vage erinnern kann ich mich,

wie mir meine sehr katholische Grossmutter einst zu erklären versuchte, dass das Lamm mit dem lieben Gott etwas gemeinsam habe. Das Lamm sei das Symbol für Reinheit, Unschuld und Frömmigkeit. Ich kapierte wenig bis nichts, nickte aber lammfromm zu ihren Ausführungen.

Später im Religionsunterricht lernte ich, dass das Lamm auch zum Osterfest gehört. Und das Gebet Agnus Dei («Lamm Gottes ») wurde so lange (lateinisch) geübt, bis es ohne Stolperer sass. Mit dem «Lamm Gottes» ist also Jesus gemeint, das «Opferlamm Gottes, das die Sünde der ganzen Welt wegnimmt» . Bei den Juden ist es das österliche „Pessach“ Fest. Das mehrtägige Fest erinnert an die Befreiung des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei.

Und zum Schluss – mein Stroganoff Rezept für einmal nach Ostern

Zutaten für 4 Personen

800 g Lamm-Entrecôte, in grobe Würfel geschnitten

Bratbutter zum Anbraten (Variante: Erdnussöl)

1 mittelgrosse Zwiebel, gehackt

2 Knoblauchzehen, fein gehackt

200 g Peperoni (rote und grüne), in feine Streifen geschnitten

200 g Champignons, in Scheibchen geschnitten

100 g Essiggurken, in feine Streifen geschnitten

1 weitere mittelgrosse, in feine Scheiben geschnittene Zwiebel 2 dl kräftiger Rotwein (am besten den, welchen man danach auch dazu trinkt)

Oder: 1 Glas für den Koch, eines zum ablöschen und den Rest für die Gäste!

1 EL Paprika scharf, für «milde Esser» edelsüss

1 dl Bratensauce, gebunden

2 dl Rahm

Etwas Sauerrahm, für Dekor am Schluss

Salz, Pfeffer, Sojasauce (zum Beispiel von Kikkoman), evtl. etwas Tabasco

1 TL Zitronensaft

Zubereitung

Das Fleisch portionenweise in der heissen Bratbutter oder dem Erdnussöl kurz und kräftig anbraten, herausnehmen. Warm stellen. Fleisch muss noch saignant sein.

Zwiebeln und Knoblauch in derselben Pfanne in Bratbutter andämpfen. Mitsamt dem Paprika leicht anrösten (gibt den urigen Paprika-Gout). Mit dem Wein ablöschen. Kurz einkochen. Mit der Bratensauce und dem Rahm auffüllen, aufkochen.

Abschmecken mit Salz und Pfeffer. Nach Bedarf ein paar Spritzer Sojasauce und Tabasco dazu, sowie Zitronensaft.

In separater Pfanne geschnittene Gurken, Pilze, Peperoni und Zwiebeln knackig andünsten.  Das Fleisch in die Sauce zurück. Ganz kurz aufkochen. Anrichten.

Die Pilze, Gurken, Peperoni, Zwiebeln über das Fleisch

geben. Einen Tupfer Sauerrahm darauf. Subito servieren.

Dazu passen: Spätzli, Kartoffelgnocchi, Trockenreis oder Rösti

von rohen Kartoffeln.

Text: www.herberthuber.ch

Fotos: www.-pixelio.de

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Ob des Fleisches Zukunft auch noch Fleischeslust sein wird, fragt sich Herber Huber

n Barcelona kommen die Steaks nicht aus der Fabrik, sondern aus dem Drucker. In nur zehn Minuten druckt ein spanisches Start-up vegane Steaks
n Barcelona kommen die Steaks nicht aus der Fabrik, sondern aus dem Drucker. In nur zehn Minuten druckt ein spanisches Start-up vegane Steaks

Eigentlich ist der Metzger vom Luzerner Wesemlinquartier schuld, dass ich zum sündigen Fleischesser wurde. Wobei Fleisch essen in den 50ger Jahren noch keine Sünde war, eher ein Zeichen des  Wohlstandes nach den Kriegsjahren. So erfreute mich der Metzgermeister jeweils mit einem Wursträdli. Je nach Grösse des Fleischstückes, das meine Mutter kaufte, sogar deren drei. Meine Mutter war eine hervorragende Köchin, und Vaters sorgfältig «gesüderlete» Kalbshaxen waren ein besonderes Essvergnügen. Ich erlernte den Beruf des Koches, anstatt mich weiter mit Latein  herumzuschlagen. Immerhin, Küchenlatein war auch etwas «Gscheites». Ich lernte mit Fleisch umzugehen. Tipps von einst sind heute noch fest in unserem Kochrepertoire verankert.

Die Vegetarier Welle

Ernährungstrends Wie wir uns ernähren werden
Ernährungstrends Wie wir uns ernähren werden

Dann erlebte allmählich der Vegetarismus eine Wiedergeburt. Der Fleischkonsum begann zu schrumpfen, geriet in Verruf. Auch bei unseren Kindern tönte es ab und zu: «Jööö, die armen Rindli, jööö, die noch ärmeren Säuli.» Ich versuchte unsere Kinder davon zu überzeugen, dass wir Menschen nun mal kein Gras verdauen. Also hätte der Herrgott  die Kühe erschaffen, damit diese den grünen Teppich der Weiden abgrasen, um diesen zu unserem Wohle in lebensnotwendiges Eiweiss zu verwandeln. Wobei auch mir bewusst ist, dass das dabei Wohl des Tieres nicht vergessen werden darf.

Fleischalternativen aus Pflanzen oder Zellkultur
Fleischalternativen aus Pflanzen oder Zellkultur

Fazit mit Kompromiss: Ab und zu kommt auch bei uns Vegetarisches auf den Teller, und im Luzerner «Tibits» habe ich auch schon mal ein (fleischloses) Tatar gegessen und anderes aus der Vegi-Küche versucht. Gut war’s ja schon, aber ein Cordon Bleu aus artgerechter Tierhaltung schmeckt mir halt immer noch besser. Wer ohne «Sünde» ist, werfe die erste Mortadella.

Wie sieht die Zukunft aus?

3 D gedrucktes Fleisch
3 D gedrucktes Fleisch

Die Zukunft des Fleisches? Dem Hummus (Kichererbsen) steht eine grosse Zukunft bevor. Das aus Hummus fabrizierte «Laborfleisch» soll den Markt erobern. Und jetzt kommen vegane Steaks als Alt-Meat-Produkte aus dem 3D-Drucker. Eshar Ben-Sherit aus Tel Aviv ass bis zu seinem 30. Lebensjahr Fleisch. Dann gründete er seine Firma Redfine Meat, welche «Edelstücke» mittels 3D-Drucker herstellt. Was gedruckt wird, sieht gebraten wirklich fleischähnlich aus. Sojabohnen und Erbsenproteine, Pflanzenfette und natürliche Aromastoffe dienen dazu, dass Textur und Mundgefühl eines echten Steaks nachgebildet werden. Von deutschen Experten wird es wie richtiges Fleisch beurteilt.

Immerhin nicht herzlos gedruckt
Immerhin nicht herzlos gedruckt

Als Wursträdli-Fan kapiere ich es noch nicht. Und wenn ich in einem Fachmagazin lese, dass ein 3D-Drucker zehn Kilogramm Steaks pro Stunde produzieren kann – also die gleiche Menge wie von einer ganzen Kuh, welche insgesamt etwa 250 kg Fleisch liefert –, wird’s mir nicht nur altersbedingt ziemlich schwindlig.

Das Fleisch das keines ist

Wohin mit den Kühen? Wohin mit dem Gras? Den Moment, wo ich meiner Gertrude zurufen werde, «schalte bitte den Drucker ein, heute gibt’s Rindsfilet», werde ich kaum mehr erleben. Dafür vorerst weiterhin genussvoll an meinem Wursträdli vom echten Säuli kauen.

Veganes Steak aus dem 3D-Drucker

youtu.be/mHx_QiOtkD0?t=5

Kleine Fotodiashow zur Kolumne:

fotodiashows.wordpress.com/2021/03/14/ob-des-fleisches-zukunft-auch-noch-fleischeslust-sein-wird-fragt-sich-herber-huber/

Text: www.herberthuber.ch

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Alles Geschmacksache findet Herbert Huber

Nestbeschmutzer?
Nestbeschmutzer?

Also, ich sei ein gastgewerblicher  Nestbeschmutzer, wenn ich als ehemaliger Wirt über negative Erlebnisse in einer Beiz schreibe… hat mir  ein Wirt an den Kopf gesprüht. Die Aussprache nach etwas übermäßigem Alkoholgenuss war nicht gerade die trockenste! Oder in Vino Veritas?

Bessere Qualifikation Der goldene Weg zum Wirt
Bessere Qualifikation Der goldene Weg zum Wirt

Wie dem auch sei, ich nehme die Bemerkung trotzdem zur Kenntnis und schreibe weiter nach dem Motto: Betroffene Hunde bellen oder wie man in den Wald ruft, tönt es zurück!

Nicht so optimal mhr Kohle denn Kartoffel
Nicht so optimal mhr Kohle denn Kartoffel
So eine Rösti erfreut Aug und Gaumen
So eine Rösti erfreut Aug und Gaumen

Also, da erzählte mir doch ein Bekannter folgende Geschichte: Er bestellte in einem Restaurant (zwischen den zwei Corona Wellen) Gschnätzlets mit Rösti. Naja, eine Röschti braucht etwas länger als ein einfacher Wurschtsalat. So freute er sich auf eine goldbraune, frische Röschti. Der Kellner servierte das Bestellte kommentarlos. Schwarz! Eine schwarze Rösti braucht auch keinen Kommentar. Höchstens ein Requiem.  Der Gast weiss auch, was schwarz, weiss oder goldbraun ist. Denn er ist Hobby Maler.  Und schwarze Rösti ist ungenießbar. Also reklamiert er beim Chef de service. Der gibt wohl die doofste aller Anworten: „Tja, mein Herr, das ist Geschmacksache“!  Ein „äxgusi“  oder ein „sorry“ wäre eher am Platz gewesen. Zwar wurde dann doch noch „Ersatz“ serviert. Man kann sich ja vorstellen, wie lange es dauert, bis wieder eine frische Rösti produziert ist. Schade, dieser Beizer hat bestimmt einen Gast weniger, dafür einen mehr, der dieses traurige Gschichtli weiter erzählt.

Bei ihm könnte reklamieren gefährlich werden
Bei ihm könnte reklamieren gefährlich werden
Bei den beiden  scheint reklamieren weniger gefährlich
Bei den beiden scheint reklamieren weniger gefährlich

Ja und da habe ich gleich noch persönliches Erlebnis. Mit einer dummen Antwort. Ich bestelle einmal einen Tagesteller: Rumpsteak mit Gemüse und  mit Vorfreude knusprige  Pommes! Schön angerichtet und heiß serviert kam das Ganze daher. Nur, das Fleisch war extrem zäh. Auf die Frage, ob es denn „rächt“ sei, bemerkte ich, im guten Glauben originell zu sein „ich sei beim Kauen schon etwas müde geworden“. Meldung also in die Küche.

Gastronomie der Zukunft
Gastronomie der Zukunft?

Anwort aus der Küche über die delegierte Service(fach)frau:  Jetzt hätten schon mehrere Gäste vom gleichen Stück gegessen und keiner hätte eine „Dumme“ gehabt. Nimmt mich nur wunder, ob auch das mit Geschmacksache oder mit Nestbeschmutzung etwas zu tun hat? Eher beschmutzen solche Wirte ihr Nest selber. Und in ein schmutziges Nest legt sich wohl kaum ein Gast. Geschmacksache.

Die Rechnung ohne den Wirt gemacht
Die Rechnung ohne den Wirt gemacht

Zurück zu Positivem. Ein Hoch auf die Gastgeber, welche Ihre Gäste ernst nehmen. Und grollen wir nicht denen, die nicht wissen, wie man mit Gästen umgeht. Es sind ja auch „nur“ Menschen.....

 

Kleine Fotodiashow zur Kolune:

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SUTTER THE SWISS, eine historische Geschichte von Anna Rybinski 3. Teil, Die Welt im Rausch

Coloma California Sutter Mill Replica
Coloma California Sutter Mill Replica

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

»Gold! Gold! Wir haben Gold gefunden!« Der kleine Junge tauchte plötzlich vor meinem Wagen auf, tanzte und schrie wie verrückt. Die Pferde bäumten sich und die Ladung kippte auf die Strasse. Ich sprang wütend vom Bock herunter und versohlte ihm den Hintern. »Rotzjunge, mach es nicht noch einmal, sonst breche ich dir alle Knochen!«

Im Jahr 1848 fuhr ich jede zweite Woche zum Amerikanerfluss hinauf, um die Leute bei der Baustelle mit Fleisch, Brot und Werkzeugen zu versorgen. Oben entstand inzwischen eine kleine Siedlung, ganze Familien, darunter viele Mormonen mussten wegen der neuen Sägemühle dauernd am Ort wohnen. Meine Pferde waren vom mühsamen Weg schon erschöpft genug, und der dumme Bubenstreich machte sie noch störrischer.

Ich las die schweren Säcke und Körbe fluchend vom Boden auf, als die wütende Mutter des Jungen, eine Mormonenfrau, vor mir erschien und lauthals gegen die Misshandlung ihres Sohnes protestierte.

»Ach was, hab lieber acht, dass er nicht vor einen Wagen springt und anständigen Menschen keine Lügengeschichten erzählt!«, wollte ich sie beschwichtigen. Die Frau wurde noch wütender. »Mein Junge lügt nie! Was hältst du für eine Lüge?« »Dass ihr Gold gefunden habt.«

Goldrausch in California 1849
Goldrausch in California 1849

Sie wurde plötzlich ganz still, anscheinend kämpfte sie mit sich selbst. Endlich kam ihre Antwort zögernd: « Unsere Religion verbietet das Lügen. Ja, es ist wahr. Im Flussbecken haben die Männer Gold gefunden.« Ich blickte sie ungläubig an. Als Beweis holte sie rasch ein gefaltetes Tuch aus dem Haus, öffnete es vorsichtig und hielt es mir vor die Nase. »Jetzt staunst du, was? Merke dir, mein Junge lügt nie!« Es wurde mir schwindlig: Auf dem Leinen verstreut lagen in goldigem Staub hie und da Körnchen, sogar Klumpen von unbeschreiblich schönem Glanz.

»Sutter weiss es schon seit zwei Wochen. Es gibt sogar richtige Goldadern, nicht nur Schwemmgold. Aber wir durften es niemandem erzählen, Gold verdirbt die Menschen, meint der Patron. Ich habe nichts gesagt, verstanden? Wenn Gott uns hilft, sind wir bald alle steinreich!« Ich war verdutzt. Die Frau – ganz zufrieden mit der Wirkung ihrer Worte – drückte mir zum Abschied einige Körnchen in die Hand. Ich weiss nicht, wie ich nach Hause kam; in meinem Kopf jagten sich die Gedanken: Gold! Sutter wird reich, sehr reich sogar, die Wirtschaft wird hier auf Goldgewinnung umgestellt und er kann seine treuen Mitarbeiter endlich gut bezahlen. Und wenn …, wenn wir selbst Gold finden?

Wie vom Teufel geritten

Das Museum Sutters Fort
Das Museum Sutters Fort

Leider muss ich jetzt meine unrühmliche Rolle in der Geschichte erzählen. Ich ging im Fort gleich in die Schenke und bestellte grossmäulig den besten Branntwein, den der Wirt auf Lager hatte. »Nono, ist heute Zahltag?« fragte der Alte misstrauisch. »Nei … hm … « Ich verschluckte mich in der Aufregung. »Ich zahle mit Gold.« Verdammt, es war ausgerutscht! Es gab kein Zurück mehr, weil alle Anwesenden in schallendes Gelächter ausbrachen und sich über mich lustig machten. Das konnte ich doch nicht auf mir sitzen lassen – und zog selbstbewusst die Goldkörner aus der Tasche!

Die Mäuler wurden still, die Köpfe beugten sich über meine Hand. Der Wirt machte die Zahnprobe, die Köchin holte irgendwoher Scheidewasser. Die ungehobelten Kerle standen in Ehrfurcht herum wie sonst nur ehrliche Christen vor dem Altar. Zuletzt kam der Schmied schweren Schrittes herbei und machte sich mit dem Hammer an die Arbeit: Aus einem Körnchen, klein wie ein Stecknadelkopf, wurde ein hauchdünnes Blatt, gross wie eine Münze. Er hielt es hoch und das Licht schimmerte durch.

Der Mann – der Wichtigkeit seiner Aussage bewusst – sprach nach reiflicher Überlegung: »Es ist Gold … feinsten Grades.« Und ich musste in meiner Dummheit noch nachdoppeln! »Ja, oben beim Amerikanerfluss liegt Gold, man muss es nur auflesen!« Der Bann war gewichen. Die Leute schrien wie verrückt und sprangen in die Luft, einer hatte sogar eine Schusswaffe abgefeuert.

»Gold, Gold, Gold!«

Der Lärm holte Sutter und andere Männer aus dem Kontor. Als er alles erfuhr, sagte er beschwichtigend: »Ja es ist wahr. Ich sehe, dass mein Geheimnis nun doch heraus ist. Lasst uns hoffen, dass wir alle reich werden. Aber wir müssen es für uns behalten, sonst ist der Berg von Goldsuchern überlaufen – dann ist alles zum Deifel.« Sein Lieblingsspruch war typische Basler Mundart. Sogar im Englischen sagte er oft: »Gone to the dyfel.«

Den Wahnsinn konnte niemand mehr aufhalten

Gold nuggets
Gold nuggets

Das Fieber packte zuerst die Arbeiter bei der Sägemühle: Die Männer suchten sonntags im Gebirge nach Gold. Bei der nächsten Fuhre merkte ich, dass die Leute schon während der Woche mit selbstgebastelten Werkzeugen beim Schürfen waren, sodass die Arbeit bei dem Bau nicht vonstattenging. Jeder hatte etwas gefunden, um damit zu prahlen oder sogar die Arbeit ganz zu quittieren. Die Nachrichten über Goldfunde vermehrten sich, aber alles wurde masslos übertrieben. Eines Tages rannten sogar die Mormonen bei Sutter die Tür ein und verlangten nach ihrer Entlassung: Auch sie konnten der Versuchung nicht widerstehen und wollten so schnell wie möglich reich werden.

Andere, die nicht so gottesfürchtig waren, verschwanden einfach über Nacht, ohne sich abzumelden. Das Gebiet war riesig und überall konnte man Gold finden: auf Sandbänken, zwischen Felsspalten, oder im ausgegrabenen Flussbett. Auch die Menschen aus Yerba Buena versuchten bald ihr Glück. Väter hatten ihre Familien verlassen, Arbeiter ihre Arbeit, Seeleute ihre Schiffe – sogar Schulen wurden geschlossen, weil Lehrer und Schüler zusammen in die Berge gingen.

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, es tauchten immer mehr Fremde auf und die Zeitungen schürten die Gier mit Schlagzeilen, wie:

Gold, Gold, Gold, wie viel ihr wollt!

Sutter's Mill National Register of   Historic Places
Sutter's Mill National Register of Historic Places

Schürfanlagen und Minen wurden hergerichtet. Aus ganz Amerika und sogar aus Europa strömten die Menschen herbei. In den ersten Wochen kamen ungefähr 80 Fremde, im nächsten Monat 800, bis Jahresende einige Tausend, im Jahre 1849 eine Horde von 100.000.

Wir selbst waren nicht gescheit genug, um etwas vom gefundenen Gold zu behalten, alles wurde gleich verjubelt. Das Beste kommt ja noch, dachten wir immer. So lebten wir tagaus tagein in einem Rausch, geblendet von schönsten Zukunftsträumen.

 

 

Sutters Dummheit übertraf uns alle

San Francisco during the Gold   Rush
San Francisco during the Gold Rush

Anfangs genoss er das plötzliche Interesse für seine Siedlung – im Mittelpunkt zu stehen war ja seine Lieblingsrolle. Er liess seine vergessene Schweizer Familie zu sich holen, um das Imperium mit den Söhnen besser verwalten zu können. Er gab wieder kostspielige Feste für seine Freunde und Bewirtung für alle, die es sich gut gehen lassen wollten – Gott ist Zeuge, wie viele Schmarotzer wir wochenlang verpflegen mussten. Er benahm sich wie ein König: Für jede Kleinigkeit bedankte er sich stilvoll mit Goldklümpchen. Mit jenen wohlgemerkt, die ihn noch erreichten – bald stahl aber ein jeder für sich selbst, und Sutters Tasche war letztendlich so leer wie zuvor.

Major General J. A. Sutter   1854
Major General J. A. Sutter 1854

Agenten und Abenteurer aller Art belagerten uns. Sie wollten neue Anlagen bauen, versprachen grosse Gewinne und Sutter glaubte ihnen aufs Wort. Doch sie alle waren Betrüger, die nur in die eigene Tasche wirtschafteten. Sutters Familie konnte die Lage auch nicht mehr retten. Schliesslich kam es zum offenen Bruch: Der älteste Sohn gab den Kampf mit der Gutgläubigkeit seines Vaters auf und verschwand nach Mexiko. Das alles mitzuerleben war bedrückend genug und Frau Sutter – halb taub, erbittert und frühzeitig gealtert – machte uns den Alltag im Fort noch schwieriger.

Das Schlimmste aber war, dass die Wirtschaft langsam zugrunde ging. Sutter musste wohl Höllenqualen erleiden, während er die Verwüstung in seinem Reich beobachtete: Die Ernte wurde gestohlen, der Acker zertrampelt, die Bauarbeiten eingestellt. In der Weberei standen die Webstühle still und die Gerber liessen die unfertigen Felle verderben. Wir hatten wenigstens das Fort als Versorgungsposten für die Goldwäscher eingerichtet und verkauften ihnen Werkzeuge und Proviant. Bald kamen aber Unternehmer neuer Art, die die Bedürfnisse dieses Lumpenpacks besser erkannt hatten: Saloons, Spielhöllen und Bordelle schossen aus dem Boden.

Niemand fragte, wem das Land gehört, denn es gab kein Gesetz mehr. Man baute und schürfte, wo es einem beliebte.

Sutter's Saw Mill Replica Gedenktafel
Sutter's Saw Mill Replica Gedenktafel

Sutter hatte kaum noch Mitarbeiter, nur einige Indianer und wir, die ›grundehrlichen Schweizer‹ hielten ihm die Treue. Tief enttäuscht von den Menschen zog er sich mit dem Rest seiner Familie und mit uns Schweizern auf eine höher gelegene Farm zurück. Es ist aus mit ihm, dachten wir alle. Er war aber mit seiner Weisheit noch nicht am Ende. Anstelle von Weizen und Biberfellen beschäftigte er sich mit etwas Neuem: Blühende Obstgärten und Rebberge machten aus seinem letzten kalifornischen Wohnsitz ein kleines Paradies.

Fortsetzung folgt:  Das Ende von New Helvetia

Kleine Fotodiashow zum Artikel:

fotodiashows.wordpress.com/2021/02/27/sutter-the-swisseine-historische-geschichte-von-anna-rybinski-3-teil/

Text: www.annarybinski.ch

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Link auf den ersten Teil der SUTTER Story von Anna Rybinski:

SUTTER THE SWISS Eine historische Geschichte 1. Teil von Anna Rybinski

 

Link auf den zweiten Teil der SUTTER Story von Anna Rybinski:

SUTTER THE SWISS Eine historische Geschichte von Anna Rybinski 2. Teil Sutter gründet ein Reich

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