Wie man aus Abfall Milch macht | DFG-Projekt untersucht Kreislaufwirtschaft zu Tierfutter in Indien

In der indischen Megastadt Bengaluru untersuchen deutsche Forschende die
Fütterungspraxis für die Nutztiere von Kleinbauern: Ihre Tiere bekommen
oft Lebensmittelabfälle zu fressen.Die Wissenschaftler*innen von der Universität Vechta und der Universität
Kassel wollen herausfinden, wie diese Kreislaufwirtschaft funktioniert,
wie es um die Hygiene des Futters steht und ob das Konzept hilft, den
Klimawandel zu bekämpfen.
Gefördert wird die Arbeit als Teilprojekt der Forschungsgruppe
„Sustainable Rurbanity - Resources, Society, and Regulatory Systems“ nun
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für eine erste Phase von
vier Jahren.
In Indien sind Kühe nicht nur heilig, dort befindet sich auch die größte
Milchkuhherde der Welt: Nirgendwo sonst werden so viele Kühe zur
Milcherzeugung gehalten. Beide Umstände tragen mitunter zu einem Stadtbild
bei, das „in Deutschland so nicht vorstellbar wäre“, bemerkt Prof. Dr.
Amelie Bernzen, die an der Universität Vechta als Wirtschaftsgeographin am
VISTRA, dem Vechta Institute of Sustainability Transformation in Rural
Areas, tätig ist.
„Manche ‚Bauernhöfe‘ liegen mitten im dichtbesiedelsten Gebiet, mit einem
gerade mal 40qm kleinen Innenhof. Im Reihenhaus dahinter stehen manchmal
überaschenderweise neun Kühe in einem der Räume. Zum Auslauf gehen die
Tiere oft auf die Straße vor dem Haus und drängen sich zwischen den
anderen Verkehrsteilnehmenden“.
Kreislaufwirtschaft bei indischen Kleinbauern
Über 85 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Indien zählen zu
Klein- und Kleinstbauern mit weniger als zwei Hektar Land. Auch wenn diese
Lebensrealität weit entfernt liegt von deutschen Großbetrieben, lassen
sich darin interessante Erkenntnisse gewinnen. Indische Kleinbauern nutzen
teilweise Lebensmittelabfälle als Futter für viele Nutztiere, vor allem
für Kühe.
Damit lassen sich die Kosten für das Futter senken und womöglich auch
ökologische Beiträge leisten. „Während sich Abfälle in Haushalten, auf
Märkten, in der Gastronomie oder der Lebensmittelindustrie oft noch nicht
vermeiden lassen, schauen wir gezielt darauf, wie man sie wenigstens
weiter verwerten kann. Und die Kleinbauern in Indien tun genau das“, sagt
Amelie Bernzen.
Aus der nicht verzehrten Nahrung von Menschen wird Nahrung für die Tiere,
die etwa mit ihrer Milch wieder Nahrung für Menschen liefern: eine
Kreislaufwirtschaft. Das Teilprojekt von Amelie Bernzen und Eva Schlecht,
Professorin für Tierhaltung in den Tropen und Subtropen an den
Universitäten Kassel und Göttingen, will nun unter anderem untersuchen,
wie die Wertschöpfungsketten der Lebensmittelabfälle von deren Ursprung
bis zum Landwirt funktionieren.
Weniger Methangas bei Kühen?
Das könnte Ergebnisse liefern, die möglicherweise Kleinbauern in anderen
Teilen des globalen Südens übernehmen könnten. Gleichzeitig ist denkbar,
dass einige Erkenntnisse auch einen Beitrag gegen den Klimawandel leisten,
denn vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kühe, die mit Gemüse-
oder Obstabfällen gefüttert werden, etwas weniger schädliches Methangas
ausstoßen als Kühe die keine solche qualitativ hochwertigen Futtermittel
erhalten.
Weil sich die Lebensbereiche von Mensch und Tier in diesem Kontext eng
verbinden, arbeiten die Forschenden interdisziplinär: Amelie Bernzen
untersucht sozio-ökonomische Aspekte, während Eva Schlecht die Tierhaltung
analysiert. Sie prüft die Lebensmittelabfälle auch darauf hin, ob sie
überhaupt gesund für die Tiere sind.
Herausforderung Hygiene
„Es liegt auf der Hand, dass verdorbenes oder verschmutztes Futter ein
Risiko darstellt“, sagt Eva Schlecht. „In Europa etwa hingen Ausbrüche von
BSE, Maul- und Klauenseuche oder der Afrikanischen Schweinepest oft mit
Schlampereien bei der Hygienisierung von Futterkomponenten zusammen.“ Die
Forschenden gehen daher also der Frage nach: Wie effizient können solche
abfall-basierten Futter-Systeme sein, wenn sie adäquate hygienische Regeln
berücksichtigen?
Die Arbeit von Amelie Bernzen und Eva Schlecht stellt ein Teilprojekt
eines größeren, von der DFG geförderten Verbundprojekts dar, welches
übergeordnete Fragen dazu stellt, wie ländliche und städtische Strukturen
und Lebensweisen verschmelzen – wie bei den Kühen im Reihenhaus. Genau
solche „rurbanen“ Phänomene untersucht die Forschungsgruppe „Sustainable
Rurbanity - Resources, Society, and Regulatory Systems“.