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Weltdiabetestag 2024: Allein 8.000 der 400.000 neuen Demenz-Fälle pro Jahr gehen auf das Konto von Diabetes

Übermorgen ist Weltdiabetestag. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie
(DGN) und die Deutsche Hirnstiftung möchten anlässlich des Aktionstags den
Fokus auf das erhöhte Demenz-Risiko von Menschen mit Diabetes lenken. Hier
besteht ein deutlicher Zusammenhang, allein 2 % aller Demenz-Fälle können
auf Diabetes mellitus zurückgeführt werden. Diabetes-Typ-2-Prävention ist
somit auch aktive Demenz-Prävention. Ein gesunder Lebensstil beeinflusst
nicht nur das Diabetes-Risiko, sondern auch andere Demenz-Risikofaktoren,
wie Cholesterin oder Bluthochdruck. Der additive Effekt für die
Hirngesundheit ist somit viel höher als „nur“ 2 %.

Jedes Jahr entwickeln ca. 400.000 Menschen in Deutschland eine Demenz –
und das Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE)
warnt: Die Zahl der von einer Demenz Betroffenen wird nach Prognosen
kontinuierlich von heute 1,8 Millionen auf bis zu 2,7 Millionen im Jahr
2050 ansteigen [1]. Auch die Diabetes-Rate (Typ 2) erhöht sich rasant, bis
2050 könnte sich die Zahl der Betroffenen womöglich verdoppeln [2].

Was viele nicht wissen: es besteht ein Zusammenhang zwischen beiden
Erkrankungen: Menschen mit Diabetes haben ein erhöhtes Demenz-Risiko. Im
Jahr 2021 kam eine große populationsbasierte Studie aus Großbritannien [3]
sogar zu dem Schluss: Je früher man an einem Typ-2-Diabetes erkrankt, umso
höher ist die Wahrscheinlichkeit, später eine Demenz zu entwickeln.

Bislang sind 14 Risikofaktoren für Demenz bekannt, die prinzipiell
modifizierbar sind und durch medizinische Vorsorge und gesunde
Lebensgewohnheiten zum Teil persönlich beeinflusst werden können [4]. Dazu
gehören unter anderem Bluthochdruck, Übergewicht, Sehstörungen,
Schwerhörigkeit, Fettstoffwechselstörungen, soziale Isolation – und eben
auch Diabetes mellitus.

Bei Beseitigung aller 14 Risiken wären rund 45 % aller Demenz-
Erkrankungen, also fast die Hälfte, vermeidbar – oder könnten zumindest
deutlich hinausgezögert werden. Der alleinige Anteil des Diabetes am
Demenz-Risiko wird in dieser großen Erhebung auf 2 % geschätzt [4]. Das
bedeutet: Allein 8.000 der 400.000 neuen Demenz-Fälle pro Jahr in
Deutschland gehen auf das Konto von Diabetes.

„Die Prävention von Diabetes mellitus ist somit ein Investment in die
eigene Hirngesundheit“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär
der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Wer mit Ernährungsumstellung
und viel Bewegung seinen Lebensstil gesundheitsbewusst gestaltet, um
Diabetes zu vermeiden, beugt gleichzeitig anderen Erkrankungen und
Faktoren vor, die eine Demenz begünstigen, wie z. B. Übergewicht, hohe
Blutfettwerte oder Bluthochdruck. Der additive Effekt auf das Demenz-
Risiko ist dann viel größer als nur die besagten 2 %.“

Wie schädigt Diabetes das Gehirn und führt zu einer Demenz?
Diabetes kann auf ganz unterschiedliche Weise das Gehirn schädigen: (1)
durch Veränderungen an den Gehirngefäßen, denn Diabetes führt zu
Gefäßverkalkungen, (2) durch Beeinträchtigung des Zucker- und
Insulinstoffwechsels im Gehirn und (3) durch Hypoglykämien
(Unterzuckerungen) durch die Diabetestherapie z. B. mit Insulin. Auch ein
instabiler Blutzucker-Langzeitwert HbA1c ist mit einem höheren Demenz-
Risiko verbunden [5].

Manche Stoffwechseleigenschaften des Diabetes schädigen das Gehirn direkt
– ohne Vermittlung durch den Blutzucker: Bei Diabetes-Typ-2 wurde die
Abnahme der Expression von Glukosetransportern ( GLUT-1 und GLUT-3) in
verschiedenen Hirnregionen beobachtet, auch die Zunahme von
Sauerstoffradikalen sowie mitochondriale Veränderungen, die im
Zusammenhang mit den pathophysiologischen Veränderungen bei Demenz stehen
könnten [6]. Entsprechend wurden bereits moderne Antidiabetika, sog.
SGLT2-Inhibitoren, daraufhin getestet, ob sie auch das Demenz-Risiko von
Menschen mit Diabetes senken können. Eine aktuelle koreanische Studie gibt
Hoffnung, denn die medikamentöse Intervention reduzierte dort das Risiko
um 21 % [7].

Ein weiterer demenzfördernder Effekt läuft über den Insulinstoffwechsel im
Gehirn, wo es zu einer Art Insulinresistenz der Hirnzellen kommen kann.
Dies hat negative Auswirkungen auf die Abbauvorgänge der Eiweißstoffe, Es
gibt Forschergruppen, die daher bei der Alzheimer-Demenz vom „Diabetes Typ
3“ sprechen [8].

Der Zusammenhang zwischen Diabetes und Demenz hat auch eine umgekehrte
Einflusskomponente: so wirkt sich eine beginnende Demenz negativ auf die
Diabetesbehandlung aus, weil die Betroffenen ihre Therapie und ihre
Lebensstilfaktoren schlechter handhaben können [9].

Diabetes-Prävention ist Demenz-Prävention
Dennoch: Die Prävention bleibt die wichtigste Säule im Kampf gegen Demenz-
Erkrankungen. „Diabetes-Prävention ist weitgehend auch Demenz-Prävention.
Die Deutsche Diabetes Stiftung hat elf Präventionsmaßnahmen [10]
zusammengetragen, die die Deutsche Hirnstiftung mitträgt. Die aufgeführten
Maßnahmen entsprechen zu großen Teilen unseren Empfehlungen für den Erhalt
der Gehirngesundheit bis ins hohe Alter. Was wir allerdings noch
zusätzlich zur Demenz-Prävention empfehlen, sind soziale Interaktionen und
Aktivitäten, die das Gehirn fördern und fordern, z. B. das Erlernen einer
Fremdsprache, eines Musikinstruments oder komplexer Schrittfolgen beim
Tanzen“, erklärt Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen
Hirnstiftung.


Quellen
[1] https://www.dzne.de/aktuelles/hintergrund/faktenzentrale/
[2] GBD 2021 Diabetes Collaborators. Global, regional, and national burden
of diabetes from 1990 to 2021, with projections of prevalence to 2050: a
systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2021. Lancet.
2023 Jul 15;402(10397):203-234. doi: 10.1016/S0140-6736(23)01301-6. Epub
2023 Jun 22. Erratum in: Lancet. 2023 Sep 30;402(10408):1132. doi:
10.1016/S0140-6736(23)02044-5. PMID: 37356446; PMCID: PMC10364581.
[3] Barbiellini Amidei C, Fayosse A, Dumurgier J, Machado-Fragua MD, Tabak
AG, van Sloten T, Kivimäki M, Dugravot A, Sabia S, Singh-Manoux A.
Association Between Age at Diabetes Onset and Subsequent Risk of Dementia.
JAMA. 2021 Apr 27;325(16):1640-1649. doi: 10.1001/jama.2021.4001. PMID:
33904867; PMCID: PMC8080220.
[4] Livingston G, Huntley J, Liu KY et al. Dementia prevention,
intervention, and care: 2024 report of the Lancet standing Commission.
Lancet. 2024 Aug 10;404(10452):572-628. doi:
10.1016/S0140-6736(24)01296-0. Epub 2024 Jul 31. PMID: 39096926.
[5] Underwood PC, Zhang L, Mohr DC, Prentice JC, Nelson RE, Budson AE,
Conlin PR. Glycated Hemoglobin A1c Time in Range and Dementia in Older
Adults With Diabetes. JAMA Netw Open. 2024 Aug 1;7(8):e2425354. doi:
10.1001/jamanetworkopen.2024.25354. PMID: 39093563; PMCID: PMC11297381.
[6] Rojas M, Chávez-Castillo M, Bautista J, Ortega Á, Nava M, Salazar J,
Díaz-Camargo E, Medina O, Rojas-Quintero J, Bermúdez V. Alzheimer's
disease and type 2 diabetes mellitus: Pathophysiologic and
pharmacotherapeutics links. World J Diabetes. 2021 Jun 15;12(6):745-766.
doi: 10.4239/wjd.v12.i6.745. PMID: 34168725; PMCID: PMC8192246.
[7] Kim HK, Biessels GJ, Yu MH, Hong N, Lee YH, Lee BW, Kang ES, Cha BS,
Lee EJ, Lee M. SGLT2 Inhibitor Use and Risk of Dementia and Parkinson
Disease Among Patients With Type 2 Diabetes. Neurology. 2024 Oct
22;103(8):e209805. doi: 10.1212/WNL.0000000000209805. Epub 2024 Sep 18.
PMID: 39292986.
[8] Janoutová J, Machaczka O, Zatloukalová A, Janout V. Is Alzheimer's
disease a type 3 diabetes? A review. Cent Eur J Public Health. 2022
Sep;30(3):139-143. doi: 10.21101/cejph.a7238. PMID: 36239360.
[9] Erbguth F. Diabetes und Gehirn. Der Diabetologe 2015; 11: 300-308
10] https://www.diabetesstiftung.de/11-tipps-zur-praevention

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Weltdiabetestag: Experten erwarten mehr Sehbehinderungen – auch in Deutschland

Diabetes mellitus und seine Folgeerkrankungen sind heute dank wirksamer
Medikamente und Therapien gut behandelbar. Trotzdem wird die
diabetesbedingte Sehbehinderung in Deutschland zunehmen, warnt Professor
Dr. med. Focke Ziemssen von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft
e.V. (DOG). Gründe sind neben der demographischen Entwicklung vor allem
Überforderung der Betroffenen, Therapieabbrüche und Krankheitsverdrängung.
„Wir müssen dringend ein Bewusstsein für die Gefahr des drohenden
Sehverlusts schaffen“, fordert der DOG-Experte anlässlich des
Weltdiabetestages, der am 14. November stattfindet.

Die Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus greift nicht nur Nieren, Füße
und Herz an. „Die schwankenden Blutzuckerwerte schädigen mit der Zeit auch
die feinen Blutgefäße im Auge und verschlechtern die Durchblutung der
Nervenzellen“, erläutert Ziemssen. In der Folge treten in der Netzhaut
kleine Blutungen und Eiweißablagerungen oder auch eine Ansammlung von
Wasser an der schärfsten Stelle des Sehens auf, der Makula. „Bis zu 25
Prozent der Betroffenen mit Diabetes Typ 2 entwickeln im Zeitraum von zehn
Jahren eine diabetische Retinopathie oder diabetische Makulopathie“, so
Ziemssen. „Bei diesen Augenerkrankungen droht ein Sehverlust bis hin zur
Erblindung.“

Jedes Jahr erkranken 450.000 Menschen neu an Diabetes
Zwar sind Retinopathie und Makulopathie mit Laser, Injektionen und
Operation gut behandelbar. „Dank dieses Fortschritts sind Erblindungen in
Folge von Diabetes erfreulicherweise stark gesunken“, berichtet der DOG-
Experte. „Dennoch erwarten Experten weltweit einen erneuten Anstieg an
Sehbehinderungen, auch in Deutschland“, betont der Netzhaut-Spezialist.
Das liegt zum einen an der Demographie: Diabetes Typ 2 nimmt zu – in
Deutschland erkranken über die fast 9 Millionen Betroffenen hinaus jedes
Jahr 450.000 Menschen neu. Die International Diabetes Federation (IDF)
prognostiziert, dass die Zahl der Erkrankten global von 527 Millionen in
2021 auf 643 Millionen in 2030 ansteigt.

Jeder Zweite verneint seine Augenerkrankung
Zum anderen spielen mangelhafte Information, organisatorische Hürden und
häufig auch fehlendes Krankheitsbewusstsein eine Rolle. Das beginnt bei
der Früherkennung: Untersuchungen großer Krankenkassen zeigen, dass zwei
Jahre nach der Diagnose eines Typ-2-Diabetes nur etwa die Hälfte aller
Betroffenen augenärztlich untersucht sind. „Als Barrieren werden fehlende
Informationen sowie lange Wartezeiten auf Termine und am Tag der
Untersuchung angegeben“, sagt Ziemssen. Verdrängung spiele ebenfalls
hinein. „Wir sehen immer wieder, dass Betroffene nicht realisieren, dass
sie bereits erkrankt sind. Selbst unter gelaserten Personen sagen 50
Prozent, dass sie keine Retinopathie haben“, erläutert Ziemssen, der dazu
forscht. Gewöhnung und anfangs geringe, unbemerkte Änderungen begünstigen
diese Einstellung.

Bis zu 60 Prozent brechen die Therapie ab
Als besonders dramatisch gilt die Zahl derer, die aus der Behandlung
ausscheren – die Abbruchraten bei der Injektionstherapie betragen zwischen
30 und 60 Prozent während des ersten Behandlungsjahres. „Menschen mit
Diabetes leiden ja häufig noch unter anderen Gesundheitsproblemen, etwa an
Fuß oder Niere“, erläutert der DOG-Experte. „Sie sind dann mit den vielen
Arztterminen, der Organisation der Transporte und dem Zeitaufwand
überfordert.“ Eine mögliche Erblindung mit ihren Folgen wird vor diesem
Hintergrund schlicht verdrängt.

Über die Dringlichkeit aufklären und empowern
Um unnötige Sehbehinderungen zu verhindern, müsse daher mittels
verstärkter Kommunikation ein Bewusstsein für diabetesbedingte
Augenerkrankungen geschaffen werden. „Ärztinnen und Ärzte sollten
Informationsmaterialien aushändigen und über die Dringlichkeit von
Untersuchungen und Therapie aufklären“, schlägt der Leipziger Augenarzt
vor. Hilfreich sei auch, Menschen mit Diabetes zu ermutigen, ihre
Angehörigen oder Freunde um Hilfe zu bitten. „Die Unterstützung bei einem
Transport ist wenig im Vergleich zur beeinträchtigten Lebensqualität und
den Problemen, die sich aus einer schweren Sehbehinderung ergeben“, stellt
der DOG-Experte fest.

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Neuer Grippe-Impfstoff ab 2025 zur Auswahl: Zusätzliche Substanz soll Schutz bei Menschen über 60 Jahren erhöhen

Zur Grippevorbeugung bei Menschen ab 60 Jahren empfiehlt die Ständige
Impfkommission (STIKO) jetzt alternativ zum bereits vorher empfohlenen
Hochdosis-Impfstoff einen neuen, verstärkten Impfstoff. Dieser enthält
zusätzlich den Hilfsstoff MF-59, um die Immunwirkung zu erhöhen. Ärzte
können diesen neuen Impfstoff ab Frühjahr 2025 bestellen, die Impfung wird
ab Herbst 2025 für Patientinnen und Patienten verfügbar sein. „Dieses
zusätzliche Angebot könnte dazu beitragen, die Akzeptanz der Schutzimpfung
zu steigern und die Impfquote zu erhöhen“, sagt Dr. Anja Kwetkat,
Sprecherin der Arbeitsgruppe Impfen der Deutschen Gesellschaft für
Geriatrie (DGG).

„Vor allem ältere Menschen sind nach wie vor von schweren Grippeverläufen
betroffen“, so die Altersmedizinerin. Laut Robert Koch-Institut (RKI)
haben sich in der Saison 2021/2022 lediglich 43 Prozent der Menschen ab 60
impfen lassen.

„Wir rufen insbesondere Arztpraxen dazu auf, im kommenden Frühjahr
rechtzeitig zusammen mit dem bisherigen Influenza-Hochdosis-Impfstopf auch
das Mittel mit dem neuen Wirkstoff MF-59 zu bestellen, um damit ältere
Menschen ab 60 Jahren umfassend vor den entsprechenden Viren zu schützen“,
sagt Kwetkat, Direktorin der Klinik für Geriatrie und Palliativmedizin am
Klinikum Osnabrück und Mitglied der STIKO. „Die STIKO empfiehlt einen
dieser beiden Impfstoffe für Ältere zu verwenden, da beide nach aktueller
Studienlage besser wirken als die Standardimpfstoffe.“

Impfung reduziert das Risiko von Hospitalisierungen und entlastet
Gesundheitssystem

Laut RKI wurden in der Grippesaison 2023/2024 rund 221.000 Grippe-
Erkrankungen registriert. Bei Menschen ab 60 waren es 62.451. Allerdings
gehe das Institut von einer deutlich höheren Zahl an Erkrankungen aus, da
nicht alle Fälle erfasst werden. „Im Jahr 2023 kam es zu 10.290
Hospitalisierungen und 852 Todesfällen aufgrund einer nachgewiesenen
saisonalen Influenza-Infektion“, heißt es in einem aktuellen RKI-Bericht.
In Zeiten von Grippewellen kann es zu Überlastungen der Krankenhäuser
kommen. „Eine Impfung senkt die Anzahl der Erkrankungen, reduziert das
Risiko von Hospitalisierungen und entlastet somit das Gesundheitssystem“,
sagt Anja Kwetkat.

Empfehlungen für Saison 2024/2025 unverändert: Impfung bis Mitte Dezember

Die aktuellen Empfehlungen der STIKO für die jetzige Impfsaison bleiben
unverändert: Bis Mitte Dezember sollten sich neben den Über-60-Jähringen
insbesondere Bewohner von Alten- und Pflegeheimen mit dem Hochdosis-
Impfstoff gegen Grippe impfen lassen – ab nächstem Jahr alternativ mit dem
adjuvantierten Impfstoff, der bereits für Menschen ab 50 Jahren zugelassen
ist. Eine grundsätzliche Impfung wird darüber hinaus für chronisch Kranke,
Schwangere ab dem zweiten Trimester sowie medizinisches Personal
empfohlen. Auch alle gesunden Erwachsenen, die mit alten oder mit
chronisch kranken Menschen Kontakt haben, sollten sich impfen lassen.

„Während sich rund 80 Prozent der Ärzte impfen lassen, sind es bei
Therapeuten und Pflegekräften in Gesundheitseinrichtungen nur rund die
Hälfte. Hier sehen wir deutliches Potenzial“, erklärt Kwetkat. „Mit dem
Herdenschutz, also einer hohen Impfquote in der Bevölkerung, wird der
Schutz für alle erhöht. Schließlich gibt es auch Menschen, die aus
gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können – auch die gilt es,
zu schützen.“ Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Europäische
Union empfehlen eine Durchimpfungsrate von mindestens 75 Prozent bei
älteren Personen und vulnerablen Gruppen.

Personalmangel in Kliniken und Arztpraxen: Impfung verringert Ausfallquote

Bei dem aktuell bestehenden Personalmangel in den Kliniken und Arztpraxen
verringert die Impfung von medizinischem Personal zudem durch eine
Verringerung der Ausfallquote eine Zuspitzung der Personalengpässe während
der Grippesaison. „Und schließlich profitieren die Beschäftigten im
Gesundheitswesen auch persönlich, wenn sie sich impfen lassen. Auch für
junge, gesunde Menschen ist eine Influenza-Infektion extrem unangenehm und
kann –wenngleich seltener als bei alten Menschen – auch zu schweren
Komplikationen führen“, erläutert Kwetkat.

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Stark mit schwachem Herz? Wie Bewegung, Entspannung und gesunde Ernährung helfen

Prof. Dr. Bernhard Schwaab, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung, Chefarzt der Curschmann Klinik, Rehabilitationskrankenhaus für Kardiologie und Angiologie, Timmendorfer Strand  DGPR
Prof. Dr. Bernhard Schwaab, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung, Chefarzt der Curschmann Klinik, Rehabilitationskrankenhaus für Kardiologie und Angiologie, Timmendorfer Strand DGPR

„Ohne aktive Rolle der Betroffenen geht’s nicht“: Herz-Reha-Spezialist
erklärt, wie sich Herzpatienten leicht mit Hilfe gesunder
Lebensstilmaßnahmen vor der Herzschwäche schützen oder eine bestehende
Erkrankung bremsen können

Zwar ist die Herzschwäche (Herzinsuffizienz) mit bis zu vier Millionen
Betroffenen in Deutschland nicht heilbar. Dennoch kann die Kardiologie
dank moderner Therapien in Form von Medikamenten, interventionellen und
chirurgischen Verfahren die Entwicklung einer Herzinsuffizienz
verlangsamen, die Prognose der Patienten verbessern und im Einzelfall den
plötzlichen Herztod abwenden. „Ein elementarer Baustein der
Herzinsuffizienztherapie ist jedoch die Prävention durch einen gesunden
Lebensstil“, betont der Reha-Spezialist und Kardiologe Prof. Dr. Bernhard
Schwaab, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung, anlässlich der
bundesweiten Herzwochen zur Herzinsuffizienz (Motto: „Stärke Dein Herz!
Herzschwäche erkennen und behandeln“) mit Infos unter
<herzstiftung.de/herzwochen>  Warum Prävention bei der Herzschwäche so
bedeutsam ist, lässt sich an den häufigsten Ursachen oder
Risikokrankheiten der Herzinsuffizienz zeigen. Das sind insbesondere

-       die koronare Herzkrankheit (KHK): Arteriosklerose oder
„Verkalkung“ der Herzkranzarterien, wodurch ein Herzinfarkt entstehen
kann,
-       ein unkontrollierter Bluthochdruck,
-       Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit),
-       und Übergewicht mit Schwerpunkt am Bauch.
-       Fehlende Entspannung, schlechter Schlaf

„Werden diese Herz- und Gefäßerkrankungen beziehungsweise Risikofaktoren
kontrolliert und bei Bedarf reduziert – auch durch einen gesunden
Lebensstil –, lässt sich effektiv eine Herzschwäche verhindern. Oder man
kann das Voranschreiten einer bestehenden Herzschwäche deutlich
verlangsamen“, hebt der Chefarzt an der Curschmann-Klinik, einem
Rehabilitationskrankenhaus für Kardiologie und Angiologie in Timmendorfer
Strand hervor. Weil die Medizin eine Herzschwäche bisher nicht heilen
kann, sei es umso wichtiger, „alle Möglichkeiten eines gesunden
Lebensstils auszuschöpfen, damit die Herzschwäche erst gar nicht entsteht
und das Leben mit dieser chronischen Erkrankung lebenswert bleibt. Dazu
zählt auch der Verzicht aufs Rauchen, eine der wichtigsten
Einzelmaßnahmen, Herz und Gefäße zu schonen“, erklärt Schwaab. Das
Eigenengagement der Betroffenen sei für einen gesunden Lebensstil als
Therapiebestandteil unerlässlich. „Ohne ihre aktive Rolle geht es nicht“,
betont Schwaab.

Herzinsuffizienz: Nicht nur das Herz, auch andere Muskeln leiden
Weil mit der Herzschwäche aufgrund der verminderten Pumpleistung alle
Organe wie Gehirn, Leber, Niere oder Lunge nicht mehr ausreichend
durchblutet werden, kommt es zu beschwerlichen Symptomen wie Luftnot bei
körperlicher Belastung oder Abgeschlagenheit. Neben dem Herzen sind auch
sämtliche Muskeln wie die Arm-, Bein-, Bauch-, Rücken- und Atemmuskulatur
von der verminderten Durchblutung betroffen. Deshalb erstreckt sich die
körperliche Schwächung auch auf diese Körperpartien – mit leidvollen
Folgen für die Patienten: das Treppensteigen wird zur Tortur oder Luftnot
bei Belastung erschwert den Alltag.

Fitter im Alltag: Neben Ausdauer auch Muskeln trainieren
Körperliches Training ist ein entscheidender Hebel für
Herzschwächepatienten, um im Alltag mobil bleiben zu können und dadurch
Lebensqualität zu behalten oder zu verbessern. Die Bewegungstherapie bei
Patienten mit Herzschwäche entlastet den Herzmuskel, indem vor allem die
periphere (äußere) Muskulatur und die Atemmuskulatur gestärkt werden. Der
Effekt dabei:

-       stärkere Bein-, Bauch- und Rückenmuskulatur lässt Betroffene
leichter Treppen steigen
-       kräftigere Arme können besser heben und tragen,
-       eine stärkere Atemmuskulatur wird auch bei häufigem und
schnellerem Atmen während einer Anstrengung nicht so schnell müde.

„Eine stärkere äußere Muskulatur entlastet den schwachen Herzmuskel und
die Patienten haben weniger Luftnot bei körperlichen Aktivitäten im
Alltag“, weiß Prof. Schwaab aus Erfahrung mit Patienten. Studien haben
gezeigt, dass diese Art Trainingstherapie für das schwache Herz
unbedenklich ist und von den Patienten gut vertragen wird.

Bessere körperliche Belastbarkeit im Alltag = bessere Lebensqualität
Grundlage der Bewegungstherapie ist ein Ausdauertraining auf dem
Fahrradergometer und/oder etwa Nordic Walking im Freien. Auch Rudern, auf
dem Laufband trainieren oder tanzen sind auch möglich – „im Prinzip jede
Form der Ausdauerbelastung“, so Reha-Spezialist Prof. Schwaab. Ein
Ausdauertraining von 30 Minuten mehrmals in der Woche kann die
Sauerstoffaufnahme und körperliche Belastbarkeit deutlich verbessern.
Hinzu kommt ein muskuläres Kraft-Ausdauer-Training, auch dynamisches
Krafttraining genannt, an Geräten, mit Hanteln oder elastischen Bändern.
Empfohlen werden geringe Gewichte und häufige Wiederholungen. „Pressatmung
während des Trainings ist unbedingt zu vermeiden. Stattdessen atmet man
mit offenem Mund im Rhythmus der Bewegung mit dem Gerät oder einer Hantel
ein und aus“, erklärt der Reha-Mediziner. Wichtig: Vor Beginn der
Bewegungstherapie sollten Patienten mit einem Kardiologen die geeignete
Trainingsstärke festlegen. Zu Beginn empfiehlt es sich außerdem, das
Training unter ärztlicher Kontrolle in einer ambulanten
Herzinsuffizienzgruppe zu betreiben. „Wer sich regelmäßig einer
Bewegungstherapie unterzieht sowie Dauer und Intensität des Trainings
langsam erhöht, kann so die körperliche Belastbarkeit im Alltag steigern.
Das verbessert die Lebensqualität“, betont der Herzstiftungs-Vorstand. Als
Sturz-Prophylaxe eignet sich zusätzlich eine spezielle Gymnastik zur
Verbesserung von Koordination, Gleichgewicht und Beweglichkeit.
Ambulante Herzinsuffizienzgruppen (HIG) ermöglichen Patienten mit
Herzschwäche ein wohnortnahes Trainingsprogramm. HIG sind seit 2022 von
allen Trägern der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Unfallversicherung
anerkannt. Jeder Arzt kann die Teilnahme an einer HIG verordnen. Infos zur
Kardiologischen Reha und HIG: <herzstiftung.de/reha-broschuere>

Hilfen bei Ängsten und Depressionen
Akute Luftnot und die damit verbundenen Einschränkungen im Alltag führen
bei Herzschwächepatienten sehr häufig zu Angstzuständen oder zu einer
Depression. Im Rahmen der ambulanten Betreuung kann bei Ängsten und
depressiven Zuständen eine psychologische Therapie eingeleitet werden, die
den Patienten hilft, die Krankheit besser zu verarbeiten, Ängste abzubauen
und sich entspannen zu können. Entspannungsformen können Musik, Malen,
Atemübungen, Yoga, autogenes Training, Spazierengehen oder anderes sein,
was individuell hilft. „Ziel einer begleitenden ärztlichen oder
psychologischen Therapie ist es, die Angst im Alltag zu nehmen, damit
Patienten das Vertrauen in den eigenen Körper und damit ihre gewohnte
Sicherheit zurückbekommen.“ In diesem Kontext spielt auch die Bewältigung
weiterer Belastungsfaktoren wie andauernder Stress und seine Auswirkung
auf Schlaf, den Konsum von Alkohol und anderen Rauschmitteln sowie
Atemstörungen im Schlaf (Atemaussetzer, Schnarchen) eine wichtige Rolle.
Denn diese Faktoren können wiederum das Risiko für Herzinfarkt und
Schlaganfall erhöhen und eine Entgleisung der Herzschwäche befördern.
Infos: <herzstiftung.de/podcast-herzschwaeche-psyche>

Gesund ernähren: Herzschwäche stabil halten oder verbessern
Eine ausgewogene und gesunde Ernährungsweise trägt durch verschiedene
Komponenten dazu bei, eine Herzschwäche stabil zu halten, indem sie etwa
hilft, Belastungsfaktoren wie Übergewicht, Muskelabbau, Bluthochdruck oder
Diabetes zu vermeiden. Dazu zählen folgende Komponenten:
Zufuhr von Eiweiß: Eine Zufuhr während des körperlichen Trainings von 0,8
bis 1,0 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag – bei gesunder
Nierenfunktion – ist wichtig für den Muskelaufbau und, um einem
schleichenden Muskelschwund (Kachexie) entgegenzuwirken.

Konsum von Salz: Bei Herzschwäche ist Salz nur begrenzt zu konsumieren.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt höchstens fünf Gramm Salz
am Tag. Die ideale Menge kann jedoch variieren, da Patienten sehr
unterschiedlich auf Salz in der Nahrung reagieren. Grundsätzlich: Salz
bindet Wasser im Körper, dadurch kann der Blutdruck ansteigen und dieser
höhere Blutdruck wiederum belastet das schwache Herz zusätzlich. Daher
sollten Herzschwächepatienten übermäßigen Salzverbrauch im Essen
vermeiden. Entscheidend ist jedoch nicht die gemessene Menge an Salz,
sondern, dass der tägliche Salzkonsum nicht zu einem höheren Blutdruck und
zu Wassereinlagerungen führt.

Auf die Trinkmenge achten: Je nach Witterung/Außentemperatur, je nach
körperlicher Aktivität und damit verbundenem Schwitzen, je nach
Nierenfunktion und Ausmaß der Herzschwäche und eventuell
Wassereinlagerungen ist die Trinkmenge individuell festzulegen. Wenn
Diuretika zu hoch dosiert eingenommen werden, kann der Körper zu trocken
werden – es kommt zu Verwirrtheit und schnellem Herzschlag oder die
Mineralstoffe im Blut (Natrium, Kalium) sinken zu weit ab. Besonders an
heißen Tagen sollten Herzschwächepatienten darauf achten, genügend zu
trinken, aber auch nicht zu viel: über 2 Liter am Tag sind wegen der
Diuretika-Einnahme zu vermeiden. Auch kann eine übermäßige
Flüssigkeitszufuhr bei herzkranken Patienten die Herzleistung
verschlechtern. Die Trinkmenge am besten mit Ärztin/Arzt individuell
besprechen. Sehr wichtig ist das tägliche Wiegen, um Wassereinlagerungen
im Körper frühzeitig zu entdecken.

Zucker vermeiden: Viel Zucker in Lebensmitteln (oft versteckt in
Fertigprodukten) und Getränken erhöht das Risiko für Übergewicht,
Bluthochdruck und Diabetes, was sich ungünstig auf eine Herzschwäche
auswirkt.

Mittelmeerküche: Herzschutz auf dem Teller
Für Herzpatienten und auch bei Herzschwäche empfiehlt die Deutsche
Herzstiftung die Mittelmeerküche, weil sie das Risiko für Herz- und
Gefäßerkrankungen deutlich reduzieren kann, indem sie mehrere Aspekte für
den Herzschutz wie beispielsweise Gewichtskontrolle, Salzverzicht oder die
Reduktion von Entzündungseffekten kombiniert.
Das Konzept der mediterranen Kost setzt auf einen hohen Anteil an Gemüse,
Obst, Salat, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen sowie auf Oliven- und Rapsöl
und auf Kräuter anstelle von Salz. Fisch, Meeresfrüchte und Geflügel
werden gegenüber rotem Fleisch bevorzugt. Speziell der tägliche Konsum von
ausreichend Gemüse und Ballaststoffen (mindestens 30 Gramm Ballaststoffe
pro Tag) kann durch den relativ geringen Energiegehalt dieser
Nahrungsmittel dazu beitragen, das Körpergewicht stabil zu halten und
Übergewicht zu vermeiden. Der hohe Anteil an Gemüse, Früchten und
Vollkornprodukten liefert wichtige Nährstoffe und Antioxidantien, die
Entzündungen im Körper reduzieren können. „Als herzgesunde Ernährungsweise
trägt die Mittelmeerküche zur Senkung des Risikos für Herz- und
Gefäßerkrankungen bei“, bestätigt der Herzstiftungs-Vorstand Prof.
Schwaab. Infos unter <herzstiftung.de/mediterrane-ernaehrung>
(wi)

Service zu den Herzwochen
Die Herzwochen stehen unter dem Motto „Stärke Dein Herz! Herzschwäche
erkennen und behandeln“ und richten sich an Patienten, Angehörige, Ärzte
und alle, die sich für das Thema Herzschwäche interessieren. An der
Aufklärungskampagne beteiligen sich Kliniken, niedergelassene Kardiologen,
Krankenkassen und Betriebe. Infos zu Patienten-Seminaren, Online-
Vorträgen, Telefonaktionen und Ratgeber-Angeboten (Text, Video, Podcast)
sind unter <herzstiftung.de/herzwochen> abrufbar oder per Tel. 069
955128-400 zu erfragen.

Neuer Ratgeber zur Herzinsuffizienz
Für Patienten mit einer Herzschwäche, Angehörige und Interessierte bietet
die Deutsche Herzstiftung den neuen Ratgeber „Stärke Dein Herz!
Herzschwäche erkennen und behandeln“ an. In der Broschüre (152 S.)
informieren renommierte Herzspezialisten leicht verständlich und
ausführlich darüber, wie eine Herzschwäche entsteht und was heute mit
Medikamenten, Interventionen und Sport therapeutisch erreicht werden kann,
um Lebensqualität und Lebenszeit zu verbessern. Die kostenlose Broschüre
kann telefonisch (069 955128-400), online (<herzstiftung.de/bestellung>)
oder per E-Mail (<Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.>) bei der Herzstiftung
angefordert werden.

Herzstiftungs-Podcasts der imPULS-Reihe:
Prof. Dr. Bernhard Schwaab zur Bedeutung der Reha bei Herzschwäche:
<herzstiftung.de/podcast-herzschwaeche-reha>

Prof. Dr. Christoph Herrmann-Lingen (Universitätsmedizin Göttingen) im
Podcast zum Thema „Bei Herzschwäche leiden Herz und Seele“:
<herzstiftung.de/podcast-herzschwaeche-psyche>

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