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Leben mit Herzschwäche: Was können Betroffene für ihr Herz tun?

Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, Kardiologe und Ärztlicher Direktor des Agaplesion Krankenhauses Frankfurt am Main.  Andreas Malkmus  Deutsche Herzstiftung
Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, Kardiologe und Ärztlicher Direktor des Agaplesion Krankenhauses Frankfurt am Main. Andreas Malkmus Deutsche Herzstiftung

Atemnot, Abgeschlagenheit, Klinikeinweisung: bei Herzinsuffizienz sinken
meist Lebensqualität und Prognose der Betroffenen. Die Herzwochen
informieren über Ursachen und Symptome und wie neue Therapien, gesunder
Lebensstil und digitale Technologien Menschen mit Herzschwäche helfen

Das Treppensteigen wird zur Tortur und bei der sonst so erholsamen
Bergwanderung kommt man plötzlich nicht mehr mit. Nach Schätzungen leiden
hierzulande bis zu vier Millionen Menschen an Herzschwäche
(Herzinsuffizienz), bei der das Herz aus unterschiedlichen Gründen nicht
mehr in der Lage ist, den Körper mit ausreichend Blut und Sauerstoff zu
versorgen. Schäden insbesondere an Herz, Gehirn, Nieren und Muskeln sind
die Folge. Bei Betroffenen kommt es zu Symptomen wie Kurzatmigkeit schon
bei geringer Anstrengung und Leistungseinschränkung. Mit über 37.000
Sterbefällen pro Jahr ist die Herzinsuffizienz dritthäufigste
Todesursache. Zwar können auch junge Menschen an einer Herzinsuffizienz
erkranken, zum Beispiel nach entzündlichen Herzmuskelerkrankungen wie
Myokarditis. Wegen des demografischen Wandels und der älter werdenden
Gesellschaft sowie dank verbesserter Therapiemöglichkeiten, nimmt auch der
Anteil der herzinsuffizienten Patienten noch weiter zu. Von den 60- bis
79-Jährigen sind etwa zehn Prozent von Herzinsuffizienz betroffen.
„Mit rund 450.000 vollstationären Fällen pro Jahr ist die Herzschwäche die
häufigste Diagnose für Krankenhausaufnahmen und eine enorme
Herausforderung für unser Gesundheitswesen und die gesamte Gesellschaft.
Denn auch an Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Diabetes sowie Rauchen und
Bewegungsmangel als klassische Risikofaktoren für Herzkrankheiten, die in
die Herzschwäche münden, leiden viele Millionen Betroffene“, warnt der
Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der
Deutschen Herzstiftung. In etwa 70 Prozent der Fälle gehen der
Herzinsuffizienz lange bestehende Grunderkrankungen wie die koronare
Herzkrankheit (KHK), aus der der Herzinfarkt entsteht, und Bluthochdruck
voraus. „Bei der Prävention dieser Grunderkrankungen müssen wir ansetzen.
Das bedeutet aber zugleich: Herzschwäche ist kein unabwendbares Schicksal.
Ihre Risikokrankheiten lassen sich durch eine gesunde Lebensstilführung im
Idealfall vermeiden oder bei frühzeitiger Therapie positiv beeinflussen,
damit es nicht zur Herzschwäche kommen muss.“ Um die Bevölkerung für die
Herzschwäche zu sensibilisieren, stehen gezieltes Wissen über die
häufigsten Ursachen, Warnzeichen und aktuelle Therapien der
Herzinsuffizienz im Zentrum der bundesweiten Herzwochen der Herzstiftung.
Diese finden unter dem Motto „Stärke Dein Herz! Herzschwäche erkennen und
behandeln“ mit zahlreichen Aufklärungsaktionen im gesamten Bundesgebiet
statt. Eine Fülle an Infos für Betroffene sind unter
<herzstiftung.de/herzwochen> abrufbar sowie über soziale Medien unter den
Hashtags #herzwochen und #staerkedeinherz

Herzinsuffizienz-Therapie: Weniger plötzliche Herztode und bessere
Lebensqualität
Medizinische Therapien haben in den vergangenen Jahren insbesondere dazu
beigetragen, dass es bei Herzschwäche heute viel seltener zum plötzlichen
Herztod kommt als noch vor einigen Jahren. Das gilt besonders für
Patienten mit einer systolischen Herzschwäche und einer reduzierten
Auswurfleistung (zirka 50 Prozent der Herzinsuffizienzpatienten). „Bei
ihnen konnte das Risiko eines plötzlichen Herztods auf zwei bis vier
Prozent gesenkt werden – früher waren es acht bis zehn Prozent oder gar
mehr“, betont Prof. Voigtländer. Leitlinien empfehlen eine
Therapiestrategie mit vier Medikamentengruppen: Betablocker, ACE-
Hemmer/Sartane oder ARNIs (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor), MRA
(Mineralkortikoid-Rezeptorantagonisten) und SGLT-2-Hemmer. „Diese
Arzneimittel wirken auf unterschiedliche Weise positiv auf eine
Herzinsuffizienz ein.“ Zusätzlich erhalten Herzschwäche-Patienten zum
Vermeiden von Wassereinlagerungen im Körper (Ödeme) Entwässerungsmittel
(Diuretika). Insgesamt verbessern diese Medikamente bei konsequenter
Einnahme die Prognose, indem sie den Herzmuskel stabilisieren und dadurch
unter anderem auch lebensgefährliche Rhythmusstörungen reduzieren. „Die
konsequente Medikamenteneinnahme ist für den Erfolg der Therapie besonders
wichtig, sonst besteht die Gefahr einer lebensbedrohlichen Entgleisung der
Herzschwäche und einer Krankenhausaufnahme.“ Weitere Infos:
<herzstiftung.de/herzschwaeche-medikamente>

Kleiner Notarzt in der Brust: Implantierbarer Defibrillator oder
Schrittmacher
Bringen Medikamente keine ausreichende Verbesserung der Herzschwäche,
kommen vielen Patienten in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung
implantierbare medizinische Geräte zu Hilfe: durch die Implantation eines
Herzschrittmachers (bei zu langsamem/schwachem Herzschlag) oder eines
Defibrillators (englische Abkürzung ICD: Implantable Cardioverter-
Defibrillator) (bei gefährlich schnellem und unregelmäßigem Herzschlag).
„Wie ein implantierter Notarzt kann der Defibrillator, klein wie ein
Herzschrittmacher, sehr schnelle lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen
wie Kammerflimmern durch einen elektrischen Schock oder eine
Überstimulation beenden“, erklärt der Kardiologe und Intensivmediziner
Prof. Voigtländer.
Ein sogenanntes CRT-System zur kardialen Resynchronisationstherapie
synchronisiert die Kontraktion der Herzkammern und verbessert damit die
Pumpfähigkeit des Herzens. CRT-Systeme sind multifunktional und können
zusätzlich einen zu langsamen Pulsschlag verhindern und besitzen eine
Defi-Funktion. Die CRT-Therapie kann die Prognose der chronisch
schwerkranken Patienten verbessern und bei mindestens der Hälfte der
Patienten auch die Lebensqualität.

Angriffspunkte für die Therapie: Ursachen und Risikokrankheiten der
Herzschwäche
Die chronische Herzschwäche ist in den meisten Fällen das Endstadium
anderer Herz-Kreislauf- Erkrankungen. Je nach betroffenen Teilen des
Herzens, unterscheiden Mediziner verschiedene Formen der Herzschwäche. Am
häufigsten sind die systolische und diastolische Herzinsuffizienz. Für die
Ausrichtung der Therapie ist die Diagnose der Herzschwäche-Form und ihrer
Ursachen wichtig.

1.      Gestörte Pumpfunktion des Herzens (Systolische Herzinsuffizienz)
Diese Form der Herzschwäche ist gekennzeichnet durch eine gestörte
Pumpfunktion der Herzkammern. Der Herzmuskel kann sich dabei nicht kräftig
zusammenziehen. Meist ist die linke Herzkammer betroffen. Wenn sie in der
Auswurfphase (Systole) nicht genügend pumpt, gelangt zu wenig Blut mit
Sauerstoff und Nährstoffen in den Körper zu den Organen. Sie wird auch als
Herzschwäche mit reduzierter Auswurfleistung* (englisch abgekürzt: HFrEF
für Heart Failure with reduced Ejection Fraction) bezeichnet.
Häufigste Ursachen sind die KHK, aus der der Herzinfarkt entsteht, und
Bluthochdruck mit Schädigung des Herzmuskels („Hochdruckherz“). Beim
Herzinfarkt geht die Pumpleistung durch eine Schädigung des Herzmuskels
und Umbauprozesse/Vernarbungen im Herzgewebe verloren. Beim Hochdruckherz
führt die dauerhafte Drucküberlastung der linken Herzkammer zu einer
Herzwandverdickung. Weniger häufig sind Schädigungen des Herzmuskels
beispielsweise durch entzündliche Erkrankungen (Virus-Myokarditis),
Herzklappenfehler und Herzrhythmusstörungen (zu schneller und
unregelmäßiger Pulsschlag) wie Vorhofflimmern.

2.      Füllungsstörung des Herzens (Diastolische Herzinsuffizienz)
Bei dieser Form der Herzschwäche können sich die Herzkammern nicht mehr
ausreichend mit Blut füllen. Die Herzmuskulatur ist zu steif geworden, und
kann sich krankheitsbedingt in der Erschlaffungsphase (Diastole) nicht
genug entspannen, um ausreichend mit Blut gefüllt zu werden. So gelangt
trotz normaler Pumpleistung nicht genug Blut in den Körper. Lange Zeit war
dabei nicht bekannt, dass auch eine beeinträchtigte diastolische Funktion
der linken Herzkammer von Bedeutung ist. Das hat sich geändert. Heute
spricht man bei einer Füllungsstörung der linken Herzkammer von einer
Herzschwäche mit erhaltener Auswurfleistung (englisch kurz HFpEF für Heart
Failure with preserved Ejection Fraction). Zu den klassischen
Risikofaktoren und Auslösern einer Füllungsstörung des Herzens zählen
insbesondere Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen,
Übergewicht und Bewegungsmangel. Und auch das Alter sorgt – leider – für
eine zunehmende Versteifung des Herzmuskels.
„Wer herzkrank ist und diesen Zusammenhang kennt, kann durch sein
Verhalten ein Abgleiten in eine Herzschwäche durch frühzeitige Therapie
dieser Risikofaktoren vermeiden“, erläutert Prof. Voigtländer, Ärztlicher
Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses Frankfurt am Main.
*Auswurfleistung/-fraktion = die Menge Blut, die die linke Herzkammer im
Verhältnis zur Gesamtmenge Blut, die sich in der Herzkammer befindet, in
den Körper pumpt.

Beste Strategie: Diese fünf schädlichen Begleiterkrankungen behandeln
Ziel der Therapie der Herzschwäche ist es, ihr Fortschreiten zu stoppen
oder zu verlangsamen, eine Entgleisung zu verhindern und so die
Lebensqualität und Prognose zu verbessern. Das erfordert eine erfolgreiche
Therapie der risikoreichen Begleiterkrankungen. „Begleiterkrankungen
begünstigen das Entstehen einer Herzschwäche und beeinflussen ihren
weiteren Verlauf negativ. Ziel jeder Therapie ist es daher, auch diese
Risikoerkrankungen in den Griff zu bekommen“, betont der Kardiologe. Dabei
stehen insbesondere folgende Begleiterkrankungen und Therapieverfahren im
Fokus:

KHK (Arteriosklerose)/Herzinfarkt – Wann Stent, wann Bypass?
Bei der Therapie von Durchblutungsstörungen des Herzmuskels durch die KHK
und den Herzinfarkt tragen meistens Katheter-Verfahren zur Aufdehnung
eines verengten beziehungsweise zur Rekanalisation eines verschlossenen
Herzkranzgefäßes mit einer Gefäßstütze (Stent)/Ballon (PCI) dazu bei, die
Durchblutung des betroffenen Herzmuskelareals zu verbessern oder ganz
wiederherzustellen. Die seltenere chirurgische Bypassoperation kommt bei
KHK-Patienten mit der interventionell schwer zu behandelnden
Hauptstammstenose und der 3-Gefäßerkrankung zum Einsatz, weil eine
Aufdehnung hochgradig verengter oder verschlossener Herzgefäße durch einen
Ballon/Stent nicht ausreicht.

Bluthochdruck – Blutdruck senken und „Hochdruckherz“ vermeiden
Bluthochdruck muss medikamentös – flankiert von Lebensstilmaßnahmen wie
Bewegung und gesunde Ernährung – gesenkt werden, um eine Schädigung des
Herzens aufgrund der dauerhaften Drucküberlastung der linken Herzkammer,
die zur Herzwandverdickung führt, zu verhindern. Sonst droht ein
sogenanntes Hochdruckherz mit verminderter Pumpleistung.

Herzrhythmusstörungen – Katheterablation bei Vorhofflimmern
Vorhofflimmern zählt zu den zehn häufigsten Begleitdiagnosen von
Herzschwächepatienten. Dauerhaftes Vorhofflimmern hat einen sehr negativen
Einfluss auf eine Herzinsuffizienz und erhöht die Sterblichkeit und
Schlaganfallrate. Bei Patienten mit Herzschwäche und Vorhofflimmern setzt
sich immer mehr die Katheterablation als Therapie durch. „Vorhofflimmern
zu beseitigen, hat immer positive Effekte auf eine Herzschwäche, bei jedem
Schweregrad“, betont Kardiologe Prof. Voigtländer.

Diabetes – Herzmuskel und Gefäße mit SGLT-2-Hemmer schützen
Bei jedem dritten Patienten mit (diastolischer) Herzschwäche findet sich
die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus Typ II. Diabetes verschlechtert die
Prognose der Herzschwäche erheblich wegen der Schäden, die zu viel Zucker
im Blut an den großen und kleinen Gefäßen sowie am Herzmuskel selbst
verursacht. Treten Herzschwäche und Diabetes gemeinsam auf, erhöht sich
deutlich das Risiko für eine Krankenhauseinweisung wegen der Herzschwäche
oder vorzeitigen Tod. Patienten mit Diabetes sollten, sofern keine
medizinischen Gründe dagegen sprechen, mit einem sogenannten SGLT-2-Hemmer
(z.B. Empagliflozin oder Dapagliflozin) behandelt werden.

Nierenerkrankungen – auch für das Herz ein Problem
Etwa ein Viertel der Patienten mit diastolischer Herzschwäche ist
zusätzlich nierenkrank. Nieren- und Herzschwäche begünstigen sich
gegenseitig: Die Nierenschwäche verschlimmert die Herzschwäche, die
Herzschwäche beeinträchtigt die Funktion der Nieren. Kranke Nieren melden
sich nicht mit Schmerzen. Umso wichtiger ist ihre Erkennung mit Hilfe
diagnostischer Marker, die eine Nierenschädigung anzeigen: die geschätzte
glomeruläre Filtrationsrate (eGF) und der Eiweißstoff Albumin im Urin.

Gefährliche Entgleisung der Herzschwäche: Warnzeichen und Schutzmaßnahmen
Eine Entgleisung der Herzschwäche (Herzdekompensation) ist einer der
häufigsten Anlässe für eine Krankenhauseinweisung und negativ für die
Prognose der Herzschwäche. „Patienten können aktiv dazu beitragen, solch
eine Situation zu vermeiden. Ihr Eigenengagement ist für die Therapie
enorm wichtig“, betont der Intensivmediziner Prof. Voigtländer. Zur
Entgleisung kommt es, wenn etwa Medikamente abgesetzt oder nicht in der
verordneten Dosierung eingenommen oder falsch kombiniert werden. Oftmals
fehlt zudem das Wissen über die Warnzeichen einer Entgleisung, bei der ein
Arzt aufzusuchen ist:

-       Gewichtszunahme um mehr als zwei Kilo in 1 bis 3 Tagen (zeigt
Tendenz zur Flüssigkeitseinlagerung, Ödeme, bzw. zu hohem
Flüssigkeitsverlust an),
-       plötzliches Anschwellen von Beinen und Bauch,
-       plötzliche zunehmende Mühe beim Atmen,
-       plötzliche Luftnotanfälle mit Todesangst (durch Blutstauung im
Lungenkreislauf als Folge einer Bluthochdruckkrise),
-       kurz dauernde Anfälle von Bewusstlosigkeit,
-       starke Schmerzen im Brustbereich,
-       schneller als zuvor eintretende Müdigkeit,
-       Herzrasen oder viel zu schneller/unregelmäßiger Herzschlag,
-       zunehmend nächtliches Husten und erschwertes flaches Liegen,
-       selteneres Urinlassen als üblich.

Das tägliche Protokollieren von Gewicht, Blutdruck und Puls trägt dazu
bei, Komplikationen wie Vorhofflimmern, Blutdruckkrisen oder Ödemen und
dadurch einer Herzdekompensation vorzubeugen. Für Betroffene gibt es dafür
ein spezielles Herztagebuch (<herzstiftung.de/herztagebuch>) Patienten
sollten auch die folgenden Maßnahmen zum Schutz vor einer
Krankenhausaufnahme beachten:

Moderater Salzverbrauch: Salz bindet Wasser im Körper und kann dadurch den
Blutdruck ansteigen lassen, und dieser höhere Blutdruck wiederum belastet
das schwache Herz zusätzlich. Daher sollten Herzschwächepatienten
übermäßigen Salzverbrauch im Essen vermeiden.

Auf Flüssigkeitszufuhr achten: Zu große Flüssigkeitsmengen (über 2 Liter
am Tag) können zu Bluthochdruck und Atemnot führen, vor allem, wenn
bereits Ödeme bestehen. Das Herz und die Nieren können die
Flüssigkeitsmengen dann nicht bewältigen. Eine zu geringe Wasseraufnahme
kann aber auch ungünstig sein. Wegen der Diuretika-Einnahme ist schnell
die Grenze unterschritten, wo es zu Verwirrtheit und schnellem Herzschlag
kommen kann. Die Trinkmenge daher am besten mit Ärztin/Arzt individuell
besprechen.
Unbedingt Impfen: Eine Überlastung des ohnehin geschwächten Herzens durch
eine bakterielle oder Virus-Infektion gilt es zu vermeiden. Die Deutsche
Herzstiftung rät Herzpatienten, sich unbedingt gegen Grippe (Influenza),
Coronavirus und Pneumokokken impfen zu lassen.

Selbst aktiv gegen Herzschwäche: Engagement der Patienten „A und O der
Therapie“
Herzschwäche ist in den meisten Fällen eine chronische Erkrankung, mit der
Betroffenen dauerhaft leben müssen. Eine aktive Rolle der Patienten, indem
sie sich mit ihrer Erkrankung und der Therapie beschäftigen und sie
verstehen, ist die Basis für den Erfolg der Therapie. Die
Herzinsuffizienztherapie ist schon aufgrund der Begleiterkrankungen
komplex und für viele Patienten möglicherweise mit Rückschlägen verbunden:
wegen der Symptome, wegen Nebenwirkungen der Medikamente, wegen Ängsten
und Depressionen oder aufgrund einer Entgleisung. Die enorme Entwicklung
der Medizin in Bezug auf die Herzinsuffizienz mit modernen Medikamenten,
verbesserter CRT-Geräte, digitaler Techniken sowie den
Herzunterstützungssystemen bei schwerer Herzinsuffizienz ermöglicht den
Patienten heute eine wesentlich bessere Lebensqualität. „Das Engagement
von Arzt und Patienten, die an einem Strang ziehen, ist daher das A und O
der Therapie“, untermauert der Herzstiftungs-Vorsitzende. Diese aktive
Rolle der Patienten müsse sich gleichzeitig auf einen gesunden Lebensstil
richten mit Gewichtsnormalisierung, regelmäßiger Bewegungstherapie (vorab
ärztlich kontrolliert) aus Ausdauer- und muskulärem Kraft-
Ausdauertraining, gesunder Ernährung (Mittelmeerküche) und Verzicht auf
Rauchen und Alkohol sowie Stress-Management. Tipps zur Bewegung:
<herzstiftung.de/herzschwaeche-bewegung>
(wi)

Zusatzinformation
Zukunftsmodell Behandlungsnetzwerke?
Patientenversorgung engmaschig und telemedizinisch

Für die Versorgung von Herzinsuffizienzpatienten ist auch eine engmaschige
Überwachung besonders bei höheren Schweregraden der Herzschwäche sehr
wichtig. Digitale Technologien wie Telemonitoring und tragbare „Smart
devices“ (Smartwatch, digitale Waage etc.) spielen eine wichtige Rolle,
auch weil sie das Selbstmanagement des Patienten erleichtern. Das zeigt
sich etwa bei den neuen sogenannten Behandlungsnetzwerken.
„Gerade nach stationären Aufenthalten wegen einer Entgleisung der
Herzschwäche oder bei höheren Schweregraden der Krankheit ist eine
optimale ambulante Versorgung der Patienten unverzichtbar“, berichtet
Prof. Voigtländer. Behandlungsnetzwerke aus Hausärzten, Kardiologen,
Schwerpunktpraxen und spezialisierten Kliniken werden den Anforderungen an
eine engmaschige Versorgung von Herzschwächepatienten besonders gerecht.
Solche spezialisierten Einrichtungen wie die von der Deutschen
Gesellschaft für Kardiologie (DGK) zertifizierten „Heart Failure Units“
(HFU): HFU-Schwerpunktkliniken/-praxen und überregionale HFU-Zentren,
können besonders intensiv auf die Bedürfnisse von Herzschwächepatienten
eingehen. Zum Beispiel über die Mitbetreuung durch spezialisiertes nicht-
ärztliches Assistenzpersonal für Herzinsuffizienz. Auch bieten HFU-Praxen
häufig nach stationärem Aufenthalt wegen Herzdekompensation rascher
Termine zur Nachkontrolle an und halten pro Woche eine bestimmte Anzahl an
Notfallterminen frei für Patienten mit akuter Luftnot. „Das ermöglicht
eine schnelle Diagnostik und eine zügige Anpassung der Therapie, wodurch
idealerweise einer stationären Behandlung in einem Krankenhaus vorgebeugt
wird“, erklärt Voigtländer.
Ein großer Fortschritt ist die telemedizinische Betreuung (Telemonitoring)
von Patienten, die im Rahmen der Regelversorgung seit 2022 unter
bestimmten Voraussetzungen möglich ist, etwa wenn

-       die Herzleistung des Patienten eingeschränkt ist (Auswurffraktion
der linken Herzkammer gleich oder weniger 40 Prozent),
-       der Patienten zusätzlich ein ICD- oder CRT-Gerät trägt,
-       in den vergangenen zwölf Monaten wegen Herzschwäche eine
stationäre Krankenhausaufnahme erforderlich war.

Nach einem Klinikaufenthalt werden über tragbare Geräte
(Blutdruckmessgerät, Waage, EKG, Tablet) auf elektronischem Weg die
Informationen von zu Hause an die Schwerpunktpraxis als versorgende
telemedizinische Einrichtung übertragen, wo telemedizinisch geschultes
Fachpersonal die eingehenden Informationen prüft und bewertet und bei
Bedarf telefonisch berät. „Alle diese Komponenten einer engmaschigen und
in Teilen telemedizinisch ausgerichteten Versorgung im Rahmen von
Behandlungsnetzwerken ist zukunftsweisend für die Versorgung schwerkranker
Herzschwächepatienten“, betont der Herzstiftungs-Vorsitzende.
(wi)

Service zu den Herzwochen
Die Herzwochen stehen unter dem Motto „Stärke Dein Herz! Herzschwäche
erkennen und behandeln“ und richten sich an Patienten, Angehörige, Ärzte
und alle, die sich für das Thema Herzschwäche interessieren. An der
Aufklärungskampagne beteiligen sich Kliniken, niedergelassene Kardiologen,
Krankenkassen und Betriebe. Infos zu Patienten-Seminaren, Online-
Vorträgen, Telefonaktionen und Ratgeber-Angeboten (Text, Video, Podcast)
sind unter <herzstiftung.de/herzwochen> abrufbar oder per Tel. 069
955128-400 zu erfragen.

Neuer Ratgeber zur Herzinsuffizienz
Für Patienten mit einer Herzschwäche, Angehörige und Interessierte bietet
die Deutsche Herzstiftung den neuen Ratgeber „Stärke Dein Herz!
Herzschwäche erkennen und behandeln“ an. In der Broschüre (152 S.)
informieren renommierte Herzspezialisten leicht verständlich und
ausführlich darüber, wie eine Herzschwäche entsteht und was heute mit
Medikamenten, Interventionen und Sport therapeutisch erreicht werden kann,
um Lebensqualität und Lebenszeit zu verbessern. Die kostenlose Broschüre
kann telefonisch (069 955128-400), online (<herzstiftung.de/bestellung>)
oder per E-Mail (<Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.>) bei der Herzstiftung
angefordert werden.

  • Aufrufe: 152

Ins Krankenhaus wegen Herzschwäche: So schützen sich Betroffene davor

Prof. Dr. Thomas Meinertz, Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung, Chefredakteur der Herzstiftung.  Jörg Müller  Deutsche Herzstiftung
Prof. Dr. Thomas Meinertz, Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung, Chefredakteur der Herzstiftung. Jörg Müller Deutsche Herzstiftung

Eine Klinikeinweisung wegen entgleister Herzschwäche ist häufig
vermeidbar. Ein Herzspezialist erläutert vermeidbare Fehler und wie
Patienten vorbeugen

Eine deutliche Gewichtszunahme, Blutstauung in der Leber,
Flüssigkeitsansammlung im Brustkorb, Kurzatmigkeit oder sogar Atemnot: Mit
Symptomen wie diesen kündigt sich eine Verschlechterung der Herzschwäche
(Herzinsuffizienz) an. Auch eine Komplikation wie eine Lungenentzündung –
bei Herzschwäche häufig wegen möglicher Blutstauungen im Lungenkreislauf –
kann ein Warnzeichen dafür sein, dass die Erkrankung einen dramatischen
Verlauf nimmt bis hin zur notfallmäßigen Klinikeinweisung: Dazu kommt es
in Deutschland jährlich rund 450.000-mal, wenn Patienten vollstationär
aufgenommen werden, weil ihre Herzschwäche entgleist ist. „Damit ist die
Herzschwäche die häufigste Diagnose für eine Krankenhausaufnahme. Die
Ursachen dafür sind vielfältig, doch in vielen Fällen vermeidbar. Dafür
möchten wir Herzpatienten sensibilisieren“, erklärt Herzspezialist Prof.
Dr. Thomas Meinertz vom wissenschaftlichen Beirat der Deutschen
Herzstiftung anlässlich der bundesweiten Herzwochen der Herzstiftung unter
dem Motto „Stärke Dein Herz! Herzschwäche erkennen und behandeln“ mit
Infos unter <herzstiftung.de/herzwochen>

Jede Krankenhausaufnahme wegen einer entgleisten Herzschwäche, die
sogenannte Herzdekompensation, erhöhe das Risiko einer weiteren
Entgleisung und eines Klinikaufenthalts. „Jedes Mal wird dadurch das Herz
strapaziert, das sich am Ende eines stationären Aufenthaltes nicht
vollständig erholt. Um es gar nicht erst zur Abwärtsspirale kommen zu
lassen, ist eine konsequente Therapie schon im früheren Stadium der
Herzinsuffizienz besonders wichtig“, so Prof. Meinertz. Allerdings zeigten
sich bei genauerer Analyse von Krankenhausaufenthalten in vielen Fällen
vermeidbare Fehler bereits im Therapieverlauf als Ursache für die
Verschlechterung der Herzschwäche. Über die häufigsten Ursachen
vermeidbarer Klinikeinweisungen informiert der Kardiologe und emeritierte
Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie am Universitären Herz-
und Gefäßzentrum Hamburg (UKE) in einem Expertenbeitrag zu den Herzwochen,
erhältlich unter <herzstiftung.de/herzwochen>

Wie sind Krankenhausaufenthalte zu vermeiden?
Zu den häufigsten Ursachen vermeidbarer Krankenhausaufenthalte zählt
Kardiologe Prof. Meinertz:
-       mangelnde Überwachung und Betreuung der Herzschwäche durch
behandelnde Ärzte,
-       fehlende oder unzureichende Information des Patienten,
-       Behandlungsfehler,
-       Komplikationen und Begleitkrankheiten der Herzschwäche.

Fatal: Fehldosierung der Medikamente
Da die chronische Herzschwäche das Endstadium von weiteren Herz-Kreislauf-
Erkrankungen ist wie Koronare Herzkrankheit (KHK), Herzrhythmusstörungen,
Klappenerkrankungen oder Bluthochdruck, kommt es auch aufgrund dieser
Begleiterkrankungen, die auch behandelt werden müssen, immer wieder zu
Veränderungen der Situation des Patienten.  „Der wahrscheinlich häufigste
Behandlungsfehler, der zu einer Krankenhausaufname führt, besteht darin,
dass die Medikamentendosierung nicht eingestellt wird an höhere
Blutdruckwerte, neu eingetretene Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern
oder an die Einlagerung oder den Verlust von Flüssigkeit im Körper“,
berichtet der Kardiologe und Pharmakologe Meinertz. Auch könne es
vorkommen, dass Ärzte ihren Patienten zu viele Medikamente verordnen, so
dass die angewiesene Tablettenzahl häufig 12 bis 15 Tabletten pro Tag
übersteigt. „Eine zu hohe Tablettenzahl führt dazu, dass Patienten ihre
Medikamente nicht mehr zuverlässig einnehmen.“ Deshalb müsse in solchen
Fällen der Arzt entscheiden, welche Medikamente zwingend notwendig und
welche zwar ebenfalls nützlich, aber nicht unbedingt erforderlich sind.
„Auf Letztere muss der Arzt im Einzelfall verzichten“, so Meinertz.
Manchmal lassen sich Medikamente auch als Kombinationspräparate einnehmen,
was die Zahl der Tabletten reduziert. Infos unter: herzstiftung.de
/herzinsuffizienz-medikamente-nebenwirkungen

Mehr Sicherheit durch engmaschiges Überwachen
Fehlerhaft eingestellte Medikamente und ihre Dosierungen, sich anbahnende
Veränderungen der Herzschwäche und eine Zunahme von Beschwerden etwa durch
Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern) oder aufgrund einer Infektion
können unentdeckt und unbehandelt bei Herzschwäche schnell gefährlich
werden. „Umso mehr kommt es bei Herzinsuffizienz auf die regelmäßige
Kontrolle durch den Arzt an“, so Meinertz. Die Überwachung der Patienten
richtet sich nach der Schwere der Herzinsuffizienz (NYHA-Schweregrade I
bis IV) und den Begleiterkrankungen. Es gibt neue Konzepte, um Patienten
mit Herzschwäche ambulant zu betreuen, zu überwachen und zu begleiten,
teilweise per Telemedizin. „Dadurch lässt sich die Lebensqualität der
Patienten verbessern und die Häufigkeit stationärer Aufnahmen in Kliniken
vermindern“, erklärt Meinertz.
Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz (Schweregrad III oder IV)
verlangen eine engmaschige Überwachung durch einen in der
Herzinsuffizienztherapie besonders ausgebildeten Arzt oder ein Ärzte-Team,
am besten in einer spezialisierten Ambulanz für Herzinsuffizienz. Je nach
Schweregrad sollten die Kontrollen in ein- oder dreimonatigen Abständen
erfolgen. Bewährt haben sich für schwerkranke Patienten Herzinsuffizienz-
Ambulanzen, die eine engmaschige telemedizinische Überwachung erlauben, so
kann schon auf erste Zeichen der Verschlechterung seines Zustandes
reagiert und damit eine stationäre Einweisung in eine Klinik häufig
vermieden werden. In Deutschland gibt es rund 240 von der Deutschen
Gesellschaft für Kardiologie (DGK) zertifizierte Heart Failure Units (HFU)
als HFU-Schwerpunktkliniken/-praxen und überregionale HFU-Zentren.
Patienten mit einer leichtgradigen Herzschwäche (NYHA-Stufen I-II) können
durch den Hausarzt oder Kardiologen in größeren Abständen überwacht
werden. „Dabei ist die Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und betreuendem
Kardiologen besonders wichtig und eine kurzfristige Abstimmung zwischen
den betreuenden Ärzten bei Problemen unerlässlich“, berichtet Meinertz.

Das sollten Patienten bei Herzschwäche unbedingt beherzigen
Kardiologen im täglichen Umgang mit Herzinsuffizienzpatienten berichten,
dass Patienten oftmals dazu neigen, die Medikamentendosis ohne Rücksprache
mit dem Arzt zu reduzieren, weil sie den Eindruck haben, ihnen ginge es
besser, oder weil sie Nebenwirkungen fürchten. Tückisch ist: Bei Patienten
mit Herzinsuffizienz macht sich häufig die Verringerung der Dosis oder das
Absetzen von Medikamenten erst nach mehreren Tagen beziehungsweise Wochen
bemerkbar. „Bei einigen Medikamenten vermindert die Dosisreduktion die
therapeutische Wirkung, bei anderen führt es zu einem kompletten
Wirkungsverlust – was fatale Auswirkungen bis hin zur Herzdekompensation
und daraus resultierender Klinikeinweisung haben kann“, warnt Pharmakologe
Meinertz. Auch wenn sich Patienten mit Herzinsuffizienz körperlich gut
fühlen, sollten sie unbedingt die angeratenen Verhaltensmaßregeln
einhalten. Zu den wichtigsten zählen:

-       die Dosis der verordneten Medikamente nie ohne Rücksprache mit dem
Arzt reduzieren oder Medikamente einfach absetzen,
-       die ärztlich empfohlene regelmäßige körperliche Belastung
(Bewegungstherapie) einhalten,
-       die Flüssigkeitsbilanz des Körpers überwachen,
-       sich täglich wiegen (akute Gewichtszunahme durch
Flüssigkeitseinlagerungen im Körper?) und
-       den Blutdruck messen (Schutz vor Blutdruckkrisen).

Phasen von Herzrasen, kurz dauernde Anfälle von Bewusstlosigkeit, rascher
und unregelmäßiger Herzschlag sind ernst zu nehmende Warnzeichen für
Komplikationen, die einen Arzt erfordern. Nehmen Betroffene sie jedoch als
banale Beschwerden klaglos hin, verpassen sie den optimalen Zeitpunkt, um
mit therapeutischen Maßnahmen auf Veränderungen ihrer Herzinsuffizienz zu
reagieren. „Kommt es dann zu mehreren Kilogramm Gewichtszunahme oder
Flüssigkeitsansammlungen im Brustkorb, ist eine stationäre Einweisung
meist unvermeidlich“, weiß Kardiologe Meinertz.
Tipp: Im Herztagebuch tragen Betroffene jeden Tag ihr Gewicht, ihren
Blutdruck und ihren Puls ein. Das Protokollieren trägt dazu bei,
Komplikationen wie Vorhofflimmern, Blutdruckkrisen oder Ödemen
vorzubeugen. Infos: <herzstiftung.de/herztagebuch>

Impfen besonders wichtig bei Herzschwäche und anderen Herzkrankheiten
Grippe (Influenza)- und Coronaviren sowie Pneumokokken können für
Herzpatienten gefährlich werden. Um sich vor Infektionen zu schützen,
sollten sich Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Ältere ab 60
Jahren jedes Jahr gegen Grippe impfen lassen. Auch eine Impfung gegen
Pneumokokken, die Haupterreger einer Lungenentzündung, und das Coronavirus
wird grundsätzlich empfohlen. Bester Zeitraum für die Impfung ist von
Oktober bis November. Aber auch, wenn die Grippewelle im Dezember und
Januar startet, kann man sich noch impfen lassen. Wer sich gegen Influenza
impfen lässt, sollte ab 60 Jahren den Hochdosisimpfstoff wählen.
Viren bleiben nicht ausschließlich in den Atemwegen, sondern breiten sich
im ganzen Körper aus und können auch das Herz angreifen. Zum anderen ist
die Lunge bei Patienten mit Herzschwäche besonders anfällig, weil sich
aufgrund der verringerten Pumpleistung Blut in die Lungen zurückstauen
kann. Das macht das Organ anfälliger für Infektionen. „Menschen mit einer
Herz-Kreislauf-Erkrankung sollten sich grundsätzlich gegen das Influenza-
und Coronavirus und gegen Pneumokokken impfen lassen“, rät Herzstiftungs-
Experte Prof. Meinertz. Eine Pneumokokken-Impfung wird auch Jüngeren mit
einem besonderen Gesundheitsrisiko wie eine chronische Lungenerkrankung
empfohlen. Eine Influenza wirkt sich bei etwa jedem zehnten Erkrankten
zusätzlich auch auf das Herz aus, z. B. in Form einer Myokarditis.
(wi)

Service zu den Herzwochen
Die Herzwochen stehen unter dem Motto „Stärke Dein Herz! Herzschwäche
erkennen und behandeln“ und richten sich an Patienten, Angehörige, Ärzte
und alle, die sich für das Thema Herzschwäche interessieren. An der
Aufklärungskampagne beteiligen sich Kliniken, niedergelassene Kardiologen,
Krankenkassen und Betriebe. Infos zu Patienten-Seminaren, Online-
Vorträgen, Telefonaktionen und Ratgeber-Angeboten (Text, Video, Podcast)
sind unter <herzstiftung.de/herzwochen> abrufbar oder per Tel. 069
955128-400 zu erfragen.

Neuer Ratgeber zur Herzinsuffizienz
Für Patienten mit einer Herzschwäche, Angehörige und Interessierte bietet
die Deutsche Herzstiftung den neuen Ratgeber „Stärke Dein Herz!
Herzschwäche erkennen und behandeln“ an. In der Broschüre (152 S.)
informieren renommierte Herzspezialisten leicht verständlich und
ausführlich darüber, wie eine Herzschwäche entsteht und was heute mit
Medikamenten, Interventionen und Sport therapeutisch erreicht werden kann,
um Lebensqualität und Lebenszeit zu verbessern. Die kostenlose Broschüre
kann telefonisch unter 069 955128-400, unter <herzstiftung.de/bestellung>
oder per E-Mail: <Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.> bei der Herzstiftung
angefordert werden. Weitere Infos: <herzstiftung.de/herzwochen> und
<herzstiftung.de/herzschwaeche-therapie>

Die gesamte Herzwochen-Pressemappe und kostenfreies Bildmaterial finden
Sie im Pressebereich unter: herzstiftung.de/herzwochen bei der
Pressestelle unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. (Tel. 069 955128-114 oder -140)

Kontakt:
Pressestelle der Deutschen Herzstiftung
Michael Wichert (Ltg.), Tel. 069 955128114
Pierre König, Tel. 069 955128140 E-Mail: <Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.>
herzstiftung.de

Arten der Pressemitteilung:
Buntes aus der Wissenschaft

Sachgebiete:
Ernährung / Gesundheit / Pflege
Medizin

Weitere Informationen finden Sie unter
http://herzstiftung.de/herzinsuffizienz-medikamente-nebenwirkungen
http://www.herzstiftung.de
http://herzstiftung.de/bestellung
http://herzstiftung.de/herzschwaeche-bewegung
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http://herzstiftung.de/herzschwaeche-medikamente
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Herzschwäche: Das sollten Frauen für ihren Herzschutz beachten

Prof. Dr. Christiane Tiefenbacher, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung, Chefärztin der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Intensivmedizin, Marien-Hospital Wesel  Andreas Malkmus  Deutsche Herzstiftung/
Prof. Dr. Christiane Tiefenbacher, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung, Chefärztin der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Intensivmedizin, Marien-Hospital Wesel Andreas Malkmus Deutsche Herzstiftung/

Frauenherzen schlagen anders: Warnzeichen und Risikofaktoren für
Herzerkrankungen wie Herzschwäche können sich von denen bei Männern
unterscheiden. Die Unterscheide zu wissen, kann die Lebensqualität
verbessern oder gar das Leben retten.

Eine Herzschwäche ist eine ernste nicht heilbare Erkrankung, die für die
Betroffenen mit beschwerlichen Symptomen einhergeht wie Atemnot bei
Belastung, Müdigkeit und Wassereinlagerungen in Lunge, Bauch und Beinen
(Ödeme). Insgesamt leiden Schätzungen zufolge bis zu vier Millionen Frauen
und Männer an Herzschwäche. Bei den Krankenhausaufnahmen wegen
Herzschwäche machen Frauen in Deutschland etwa die Hälfte aus, rund
224.000 Klinikeinweisungen. Mehr Frauen als Männer sterben an Herzschwäche
(im Jahr 2022 rund 23.000 Frauen und rund 15.000 Männer). Um zu vermeiden,
dass eine Herzschwäche fortschreitet, ist es wichtig Ursachen und Symptome
frühzeitig zu erkennen und diese mit den Begleiterkrankungen konsequent zu
behandeln.
„Ein genauer Blick auf die Herzschwäche bei Männern und Frauen zeigt, dass
es Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, die für die medizinische
Versorgung von Frauen mit Herzerkrankungen relevant sind und für die wir
Frauen sensibilisieren müssen“, betont die Kardiologin Prof. Dr. med.
Christiane Tiefenbacher, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung
anlässlich der bundesweiten Herzwochen der Herzstiftung unter dem Motto
„Stärke Dein Herz! Herzschwäche erkennen und behandeln“ mit Infos unter
<herzstiftung.de/herzwochen> „Zur Herzschwäche kommt es bei Frauen vor
allem durch die Risikofaktoren Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes.
Wenn diese gleichzeitig vorliegen, erhöht sich das Risiko für eine
Herzschwäche signifikant“, so die Chefärztin der Klinik für Kardiologie,
Angiologie und Pneumologie am Marien-Hospital Wesel. Da Frauen durch
Diabetes und den häufig damit verbundenen Bluthochdruck im Vergleich
stärker gefährdet sind als Männer, sollten sie bei Vorliegen dieser
Kombination ihre Ärztin oder ihren Arzt ansprechen. Unterschiede bei
Frauen und Herzschwäche beziehen sich insbesondere auf

-       die Anatomie des Herzens (Herzgröße/Dehnbarkeit),
-       Symptome,
-       Risikofaktoren und
-       geschlechtsspezifische Ursachen (Hormone).

Frauenherzen sind kleiner und steifer
Anatomisch betrachtet, sind die Herzen der Frauen kleiner und steifer als
die Herzen der Männer und können deshalb schlechter mit Blut gefüllt
werden. Diese Steifigkeit des Herzens nimmt im Alter zu und wird durch
Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und weitere Risikofaktoren
begünstigt.
50 Prozent der Patientinnen und Patienten haben Formen der Herzschwäche,
bei denen das Herz zwar eine intakte Pumpfähigkeit hat, weil es aber seine
Elastizität und damit seine Dehnbarkeit verloren hat, nicht genug Blut
aufnehmen kann. Diese Füllungsstörung nennen Mediziner eine diastolische
Herzschwäche oder Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion, kurz HFpEF
(englische Abkürzung für Heart Failure with preserved Ejection Fraction).
Häufige Symptome der HFpEF sind Atemnot und eingeschränkte
Leistungsfähigkeit.
Im Gegensatz zur HFpEF liegt bei einer systolischen Herzschwäche eine
Störung der Pumpfunktion der linken Herzkammer vor. Diese pumpt in der
Auswurfphase (Systole) nicht genügend, deshalb gelangt zu wenig Blut mit
Sauerstoff und Nährstoffen in den Körper zu den Organen. Zur systolischen
Herzinsuffizienz kommt es meistens durch einen Herzinfarkt oder eine
Herzmuskelerkrankung. Diese Herzschwäche mit reduzierter Auswurfleistung,
kurz HFrEF (Heart failure with reduced Ejection Fraction) geht mit
Atemnot, Müdigkeit, Wassereinlagerungen im Körper und lebensbedrohlichen
Herzrhythmusstörungen einher. „Frauen leiden vermehrt an einer Störung der
Dehnbarkeit des Herzens, also an diastolischer Herzschwäche“, erklärt
Kardiologin Prof. Tiefenbacher. Erst seit einigen Jahren kann die
Steifigkeit eines Herzens genau gemessen werden. „Wir empfehlen Frauen bei
Symptomen einer Herzschwäche wie Atemnot unter Belastung und schneller
Erschöpfung zum Arzt zu gehen und einen Ultraschall des Herzens
vorzunehmen zu lassen“, betont das Herzstiftungs-Vorstandsmitglied.

Wechseljahre (Menopause): Gefahr durch Hochdruckherz
Mit zunehmendem Alter werden die Herzen von Frauen steifer. Denn nach der
Menopause (Wechseljahre) kommt es durch den Verlust von Östrogenen
(weibliche Geschlechtshormone) zur Blutdrucksteigerung und zu vermehrter
Bildung von Bindegewebe im Herzen. Vor der Menopause schützen die
Östrogene das Herz vor überschießendem Bindegewebe. Die Abnahme des
körpereigenen Östrogenspiegels führt zum Verlust des gefäßschützenden
Effekts dieses Hormons und somit zu einer Blutdruckerhöhung. Die dadurch
gesteigerte Belastung des Herzmuskels führt zu einer Verdickung der
Herzwände. „Eine Hormontherapie kann den Mangel an körpereigenem Östrogen
leider nicht ausgleichen“, so Prof. Tiefenbacher.
Ein Überangebot an Zucker wie bei Diabetes ist für den Energiestoffwechsel
des Herzens zusätzlich ungünstig und führt zu einer vermehrten Freisetzung
von aggressiven Molekülen, sogenannten freien Radikalen, in den
Kraftwerken der Zellen, den Mitochondrien. Mediziner gehen davon aus, dass
mehrere dieser Mechanismen zusammenwirken müssen, damit eine diastolische
Herzschwäche entsteht. Diese wird auch „Hochdruckherz“ genannt.

Regelmäßig zum Vorsorge-Check-up
Die Deutsche Herzstiftung rät Frauen (wie Männern) vor diesem Hintergrund
zur Vorsorgeuntersuchung ab 40 Jahren – bei familiärer Vorbelastung früher
– um regelmäßig Blutdruck, Blutzucker, Blutfette (Cholesterin) und
Körpergewicht zu kontrollieren. Das kann der regelmäßige Gesundheits-
Check-up bei Hausärztin oder Hausarzt sein, der ab 18 Jahren einmalig und
ab 35 Jahren alle drei Jahre erfolgt (zahlt die Krankenkasse). „Dadurch
lassen sich unerkannte Risikokrankheiten für Herzinfarkt, Schlaganfall und
Herzschwäche aufdecken“, erklärt Tiefenbacher. „Diese Vorsorge ist
wichtig. Denn einen hohen Blutdruck oder zu hohes LDL-Cholesterin spürt
man nicht“, warnt Tiefenbacher. Außerdem sollten Frauen (wie Männer) auf
regelmäßige Bewegung (am besten an frischer Luft) und gesunde Ernährung
achten sowie nicht rauchen und auf Alkohol möglichst verzichten.

Ergänzende Ultraschall- und Blutuntersuchung
Darüber hinaus erlauben es etwa Ultraschalluntersuchungen der
Halsschlagadern oder der Becken- und Beingefäße frühzeitig
Gefäßverkalkungen zu erkennen, die für die Betroffenen noch ohne Symptome
sind. Ein EKG in Ruhe und unter Belastung sowie die
Ultraschalluntersuchung des Herzens ergänzen das Untersuchungsspektrum.
Bei der Untersuchung des Blutes sind zwei wichtige Labormarker die
natriuretischen Peptide ANP und BNP, die bei einer Herzschwäche erhöht
sind. In der Regel haben Männer krankheitsbedingt einen stärkeren Anstieg,
deshalb muss bei Frauen auch ein schwächerer Anstieg als Warnzeichen
gesehen werden. Auch ein Eisenmangel kann ein Indiz für eine Herzschwäche
sein. Mehr Infos unter <herzstiftung.de/blutwerte>

Broken-Heart-Syndrom oder Stress-Kardiomyopathie nach der Menopause
Fast nur bei Frauen nach der Menopause tritt die durch massiven Stress
ausgelöste Takotsubo-Kardiomyopathie oder Takotsubo-Syndrom (TTS) auf,
auch bekannt als Broken-Heart-Syndrom. Dieses lebensbedrohliche
Krankheitsbild wird häufig durch eine große emotionale oder körperliche
Belastung ausgelöst. „Die Symptome sind ähnlich einem Herzinfarkt:
Atemnot, Engegefühl in der Brust, starke Brustschmerzen“, erklärt die
Kardiologin. Beim TTS können – wie beim Herzinfarkt – Teile des Herzens
nicht richtig arbeiten, ohne dass allerdings ein Gefäßverschluss
ursächlich ist. Das TTS ist eine Sonderform der akuten Herzschwäche: die
Fähigkeit der linken Herzkammer, sich zusammenzuziehen und
sauerstoffreiches Blut in den Körperkreislauf zu pumpen, ist
eingeschränkt. „Dieser Zustand ist lebensgefährlich. Betroffene sollten
unverzüglich den Notarzt mit dem Notruf 112 alarmieren“, warnt die
Kardiologin und Gefäßspezialistin Prof. Tiefenbacher. Komplikationen des
TTS sind Herzrhythmusstörungen sowie Gerinnselbildungen in der Herzkammer
mit nachfolgenden Thrombosen oder Gefäßembolien. Das TTS und eine sich
daraus entwickelnde Herzschwäche können medikamentös behandelt werden.
Mehr Infos: <herzstiftung.de/frauenherzen-takotsubo>

Gefahr durch Schwangerschafts-Kardiomyopathie und Myokarditis
Bei Frauen gibt es besondere Formen der Herzschwäche. So kann im letzten
Drittel der Schwangerschaft und etwa ein halbes Jahr nach der Geburt die
Peripartale Kardiomyopathie (PPCM) auftreten. Das ist eine akut
lebensbedrohliche Form der Herzschwäche. Folgende Beschwerden sind ein
Alarmzeichen, wenn sie bei einer Frau zwei Monate vor der Geburt oder nach
der Geburt auftreten: plötzlich starke Atemnot, Schwäche oder
Flüssigkeitsansammlungen im Körper. „Bei diesen Beschwerden ist sofort ein
Arzt aufzusuchen“, betont Prof. Tiefenbacher. Diese Form der
Herzerkrankung entwickelt sich häufig sehr schnell, sodass man bereits bei
den ersten Symptomen nicht zögern sollte. Dabei gibt es eine Vielzahl
wirksamer Behandlungsmöglichkeiten mit Medikamenten.
Akute Virusinfekte können bei Frauen und Männern eine Herzmuskelentzündung
(Myokarditis) auslösen, was ebenfalls eine Herzschwäche verursachen kann.
Diese Krankheitsbilder sind aber häufiger und schwerer bei jüngeren
Männern. Eine Rolle spielen dabei vor allem die Virusgrippe (Influenza)
und Coxsackie-Viren.
(wi)

Infos rund um das Thema Frauenherzen:
<herzstiftung.de/frauenherzen>
<herzstiftung.de/frauenherzen-takotsubo>
Podcast: <herzstiftung.de/service-und-aktuelles/podcasts/frauen-
herzerkrankungen>

Service zu den Herzwochen
Die Herzwochen stehen unter dem Motto „Stärke Dein Herz! Herzschwäche
erkennen und behandeln“ und richten sich an Patienten, Angehörige, Ärzte
und alle, die sich für das Thema Herzschwäche interessieren. An der
Aufklärungskampagne beteiligen sich Kliniken, niedergelassene Kardiologen,
Krankenkassen und Betriebe. Infos zu Patienten-Seminaren, Online-
Vorträgen, Telefonaktionen und Ratgeber-Angeboten (Text, Video, Podcast)
sind unter <herzstiftung.de/herzwochen> abrufbar oder per Tel. 069
955128-400 zu erfragen.

Neuer Ratgeber zur Herzinsuffizienz
Für Patienten mit einer Herzschwäche, Angehörige und Interessierte bietet
die Deutsche Herzstiftung den neuen Ratgeber „Stärke Dein Herz!
Herzschwäche erkennen und behandeln“ an. In der Broschüre (152 S.)
informieren renommierte Herzspezialisten leicht verständlich und
ausführlich darüber, wie eine Herzschwäche entsteht und was heute mit
Medikamenten, Interventionen und Sport therapeutisch erreicht werden kann,
um Lebensqualität und Lebenszeit zu verbessern. Die kostenlose Broschüre
kann telefonisch unter 069 955128-400, unter <herzstiftung.de/bestellung>
oder per E-Mail: <Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.> bei der Herzstiftung
angefordert werden. Weitere Infos: herzstiftung.de/herzwochen und
<herzstiftung.de/herzschwaeche-therapie>

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KlinSA-Handbuch: Wenn das soziale Umfeld krank macht

Prof. Dr. Christine Kröger von der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit der Hochschule Coburg erklärt, worum es im neuen „Handbuch Klinische Sozialarbeit“ geht.  Natalie Schalk  Hochschule Coburg
Prof. Dr. Christine Kröger von der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit der Hochschule Coburg erklärt, worum es im neuen „Handbuch Klinische Sozialarbeit“ geht. Natalie Schalk Hochschule Coburg

Während die Medizin in erster Linie körperliche Faktoren untersucht und
die Psychologie sich eher auf das innerpsychische Geschehen konzentriert,
hat Klinische Sozialarbeit den Fokus auf einem weiteren Aspekt, der die
Gesundheit stark beeinflusst: soziale Bedingungen und Erfahrungen. Den
aktuellen Forschungsstand im deutschsprachigen Raum führt das „Handbuch
Klinische Sozialarbeit“ zusammen. Zu den Herausgebenden gehört Prof. Dr.
Christine Kröger von der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Coburg.
Jetzt spricht die Coburger Wissenschaftlerin über ihr Fachgebiet, über das
neue Buch und über Menschen, die selten gehört werden.

Die Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Coburg spielt eine führende
Rolle bei der Entwicklung und Etablierung der Klinischen Sozialarbeit als
Fachdisziplin im deutschsprachigen Raum. Prof. Dr. Christine Kröger leitet
hier den Weiterbildungsmaster „Soziale Arbeit: Klinische Sozialarbeit“,
den die Hochschule Coburg gemeinsam mit der Alice Salomon Hochschule
Berlin anbietet.

„Klinische Sozialarbeit“ klingt erst mal nach Krankenhaus, eben nach
Klinik: Aber worum geht es genau?
Prof. Dr. Christine Kröger: Klinische Sozialarbeit versteht sich als
gesundheitsbezogene Sozialarbeit, die eigenständig beratende und
behandelnde Aufgaben wahrnimmt. Daher kommt der Begriff. Das findet nicht
nur in Kliniken statt, sondern beispielsweise auch in Beratungsstellen
oder in der aufsuchenden Arbeit. Es geht um die Unterstützung von komplex
belasteten Menschen, oft mit gravierenden Erkrankungen, die gleichzeitig
in prekären Verhältnissen leben. Sie werden kaum oder gar nicht von der
Gesundheitsversorgung und psychosozialen Angeboten erreicht. Sie ringen um
ein würdevolles Leben und gesellschaftliche Teilhabe.

Was sind das für Menschen, die durchs Raster der Gesundheitsversorgung
fallen?
Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Kinder und Jugendliche, die
massiv Gewalt erleben müssen, beispielsweise in ihren Herkunftsfamilien.
Wohnungslose Menschen. Menschen mit schweren psychiatrischen oder
körperlichen Erkrankungen. Auch Angehörige, die, gerade wenn sie
unterstützen und helfen, selbst oft enorm belastet sind.

Dann braucht es zusätzlich zu medizinischer und psychologischer Hilfe auch
soziale Unterstützung?
Genau, denn soziale Bedingungen können die Gesundheit gefährden und krank
machen. Gleichzeitig helfen gelingende soziale Beziehungen, Belastungen zu
bewältigen. Während die Medizin in erster Linie auf Körperliches blickt
und die Psychologie eher auf das innerpsychische Geschehen, legt die
Klinische Sozialarbeit ihren Schwerpunkt auf soziale und psychosoziale
Aspekte, das heißt auf soziale Verhältnisse, auf das soziale Umfeld und
auf zwischenmenschliche Beziehungen.

Und wie funktioniert das?
Gemeinsam mit Betroffenen werden wesentliche soziale Faktoren und
Beziehungserfahrungen ermittelt. Welche sozialen Beziehungen wirken
unterstützend oder bereichernd? Wo liegen besondere Belastungen? Oft
vermag das bereits erste Veränderungen anzustoßen. Diagnostik und
Intervention gehen häufig ineinander über. Das kennen wir auch aus der
Medizin und Psychotherapie, wo es entlastend ist, zunächst unklare
Beschwerden zu klären: Was ist überhaupt los? Dann kann man intervenieren.
Ausgangspunkt in der Klinischen Sozialarbeit ist eine feinfühlige
Beziehungsgestaltung und Milieuarbeit. Das breite Spektrum
sozialklinischer Interventionskonzepte und Methoden wird auch im „Handbuch
Klinische Sozialarbeit“ dargestellt.

Da gibt es also verschiedene theoretische, konzeptionelle, ethische und
methodische Ansätze – und dieses Handbuch bringt die Grundlagen der
Klinischen Sozialarbeit im deutschsprachigen Raum nun erstmals zusammen?
Ja, wir sind in der Sektion Klinische Sozialarbeit der Deutschen
Gesellschaft für Sozialarbeit (DGSA) zu dem Schluss gekommen, dass es Zeit
ist für so einen großen, aktuellen Überblick. Kolleginnen und Kollegen in
der Forschung, aber auch in der Praxis können sich damit einen Eindruck
vom State of the Art verschaffen. Studierenden der Sozialen Arbeit bietet
das Buch die Möglichkeit, sich differenziert über Perspektiven Klinischer
Sozialarbeit zu informieren. Typische Arbeitsfelder liegen in der Kinder-
und Jugendhilfe, Gesundheitsversorgung, Rehabilitation und Teilhabe,
Suchthilfe, Familienberatung und justiznahen Sozialarbeit.

Hat sich in den letzten Jahren viel verändert?
Die Corona-Pandemie, Krieg in Europa, massive Flucht- und
Migrationsbewegungen: Durch ganz unterschiedliche Einflüsse haben sich
soziale Bedingungen entwickelt, die Menschen erschüttern und verunsichern
können und die auch dazu führen, dass soziale Ungleichheit in unserer
Gesellschaft zunimmt. Mit niederschwelligen Angeboten versucht Klinische
Sozialarbeit diejenigen zu erreichen, die am Rande der Gesellschaft
stehen, die, die selten gehört werden.

Welche Themen haben Sie für das Buch selbst bearbeitet?
Es sind gut ein halbes Dutzend Beiträge aus einem relativ breiten
Spektrum: angefangen beim Gesundheits- und Krankheitsverständnis, über die
Frage: Was wirkt denn eigentlich bei therapeutischen Interventionen? Zwei
weitere für mich besonders bedeutsame Themen sind dieAngehörigen-Arbeit
und die Unterstützung von Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen. In
der Gruppe der Herausgebenden haben wir insgesamt etwa 40 Beiträge von 50
Autorinnen und Autoren koordiniert.

Zum Buch:
Sektion Klinische Sozialarbeit (Hrsg.): Silke Birgitta Gahleitner | Julia
Gebrande | Karsten Giertz | Christine Kröger | Dieter Röh | Eva Wunderer:
Handbuch Klinische Sozialarbeit. 434 Seiten, Weinheim: Juventa, 2024, 30
Euro.

Interview: Natalie Schalk

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