Image by Don Wong“ and „Courtesy of the Weisman Art Museum at the University of Minnesota
Museum von Frank Gehry
Die amerikanischen Zwillingsstädte (twin cities), Minneapolis und St. Paul im Staat Minnesota, sind voneinander vom mächtigen Strom Mississippi getrennt. Früher war er Nordamerikas wichtigste Verkehrsstrasse und dank den Wasserfällen an seinem oberen Lauf ein Energielieferant ohnegleichen. Hierher wurde sogar aus dem Süden Getreide stromaufwärts transportiert – die Mühlen arbeiteten effizient und brachten den Bewohnern Wohlstand und Reichtum. Bald nannte man Minneapolis die »Mehlhauptstadt« Amerikas. Die Stadt hat eine Fülle von interessanten Museen, unter ihnen gibt es ein wahres Juwel neueren Datums – es thront am Ostufer des Mississippi auf einem kleinen Hügel, mit wunderbarer Aussicht über den Fluss und Downtown Minneapolis.
Skulptur »Dawn« von Niki de Saint Phalle Image courtesy of the Weisman Art Museum, University of Minnesota.
Die Rede ist vom WAM -The Frederic R. Weisman Art Museum. Es ist ein integraler Teil von University of Minnesota, 1993 mitten im Universität-Campus erbaut. Bei dessen Anblick hatte ich ein Aha-Erlebnis: Wir kennen es ja schon! In der Tat, aus Bilbao. Nur wurde dieses Gebäude vier Jahre vor dem weltberühmten Guggenheim-Museum gebaut! Die Ähnlichkeit der beiden sticht ins Auge: Die glänzende Stahlfassade, die schrägen Wände, die unerwarteten Rundungen … sie scheinen gar nicht von einem Reissbrett zu stammen, hier ist so gut wie nichts im Lot! Es ist ein Gebäude wie aus dem Märchenbuch. Man kann sich daran kaum sattsehen; es ist aus jedem Winkel überraschend und bezaubernd. Unverwechselbare Schönheit à la Gehry.
Das Museum selbst wurde 1934 gegründet; damals standen bloss einige Säle in einem Auditorium zur Verfügung. Die kleine »Universität Galerie« wurde gut besucht, Schenkungen bereicherten die Sammlung – bald träumte man von einem eigenen Gebäude. Es dauerte jedoch Jahrzehnte, bis es so weit war. Der Geschäftsmann, Kunstsammler und Philanthrop Frederic R. Weisman half schliesslich, diesen Traum zu verwirklichen. Er hat mit diesem Museum die Studenten seiner Heimatstadt und seiner Universität wahrhaft grosszügig beschenkt!
Bald war auch der Architekt gefunden – der zweite Glücksfall - die Planer haben mit Frank Gehry für die Zukunft entschieden. Die Sammlung weist inzwischen über 25.000 Exponate auf. Private Mäzene garantieren den freien Zugang für alle Besucher. Ursprünglich als ein Museum für amerikanische Kunst gedacht, wurde mit Werken aller Epochen und Nationen bereichert. Zu meiner Freude habe ich neben antiken griechischen Vasen sogar die farbig-fröhliche Skulptur »Dawn« von Niki de Saint Phalle entdeckt.
Theater von Jean Nouvel
Das Guthrie Theater, gebaut von Jean Nouvel Privataufnahme der Kolumnistin
Die Quadratur des Kreises: Dieser Begriff ist, wie wir wissen, zur Metapher für eine unlösbare Aufgabe geworden. Aber aus einem Viereck einen Kreis zu machen ist anscheinend möglich, ich habe es mit eigenen Augen gesehen: Das Kultur- und Kongresszentrum Luzern existiert in Amerika nämlich in Rundform. Die Fenster, das Material, die dunkelblaue Farbe: alles so bekannt und wiederum so unverwechselbar! Als Luzernerin musste ich die Augen reiben und nach einer Erklärung suchen, die schnell gefunden wurde: Der Architekt war auch hier Jean Nouvel. Es ist das neue Guthrie Theater, erbaut 2006 (also 5 Jahre nach KKL), gleichfalls am Ufer des Mississippi. Hier einige Angaben und Fotos zu dessen Geschichte. Der berühmte britische Regisseur, Sir Tyrone Guthrie (1900-1971) wollte seine innovativen Vorstellungen in Amerika, in einem speziell für ihn errichteten Theater verwirklichen. Die reiche Stadt Minneapolis bot ihm diese Möglichkeit und das erste Guthrie-Theater wurde 1963 erbaut. Das Haus galt aber nach etlichen Jahrzehnten nicht mehr als zeitgemäß, ein neues Gebäude musste her. Dem Architekten stand diesmal eine exklusive Lage zur Verfügung, am Ufer des Mississippi, direkt neben dem berühmten ›Mill-District‹, wo früher die berühmten Mühlen arbeiteten. Guthrie, der für seine Shakespeare –Inszenierungen weltweit gelobt wurde, liess das Theater in Minneapolis auch in Rundform bauen, nach dem Vorbild des berühmten Globe in London. Die einzige Bedingung für den neuen Architekten war demnach der runde Grundriss. Nouvel suchte - wen wundert es? - die Verbindung mit dem Wasser, wie in Luzern. Die hohe Uferpartie machte es hier jedoch unmöglich, direkt am Fluss zu bauen. Er entwarf also eine halbe Brücke, die quasi im Nichts endet, die ›endless bridge‹, die aus dem Gebäude hinausragt, um wenigstens so weit wie möglich über das Wasser zu gelangen. Ich muss gestehen, dieser seltsame Schnabel schockierte mich zuerst. An der Grenze der technischen Möglichkeiten, wie das Dach vom KKL, allerdings ohne dessen kühne Eleganz. Aber den Besuchern bietet die Plattform eine wunderbare Aussicht über die ehemaligen Mühlen, die heute das Museum-Distrikt bilden, den St. Anthony Wasserfall und über das andere Ufer.
Die unvollendete Brücke des Guthrie Theater Privataufnahme der Kolumnistin
Der Gebäude-Komplex umfasst drei Theaterräume in verschiedenen Größen, Bars, Restaurants und eben diese Aussichtplattform, die Touristen und Spaziergänger magisch anzieht. Wer einmal nach Minneapolis reist, sollte auch ein anderes Museum besuchen, das starke Beziehung zur Schweiz hat. Das Architekturbüro Herzog & de Meuron Basel war für ein weiteres Wahrzeichen der Mississippi-Metropole verantwortlich, für den neuen Trakt des Walker Art Center. Der Bundesstaat Minnesota hat übrigens weit mehr als 10.000 Seen, obwohl er den stolzen Rufnamen vom »Land of 10,000 Lakes« trägt. Wie viel? So genau wissen es die Einheimischen auch nicht. Also Wasser, soweit das Auge reicht - früher ein Segen für die Ureinwohner, später für die Einwanderer, noch später für die Grossindustrielle.
Mir scheint, die Geschichte der Neuen Welt ist nicht viel anders als die unsere.
Friedrich Cerha (*1926) Spiegel I–VII Schweizer Erstaufführung
Rezension:
Matthias Pintscher c Felix Broede
Die im Programm aufgeführte kurze Einführung in das Werk, konnte, aufgrund eines kurzfristig aufgetretenen kleineren medizinischen Problems, des dafür vorgesehenen Wolfgang Rihm, dem Gesamtleiter der Lucerne Festival Academy, so nicht stattfinden. So kamen wir zur sehr seltenen Ehre, dass der Komponist Friedrich Cerha (*1926) selbst, der sein Werk in den vergangenen Tagen mit dem Dirigenten Matthias Pintscher und dem Orchester erarbeitet hatte, ein paar interessante Erläuterungen zu seiner Komposition machte, wie zum Beispiel, dass er die sieben «Spiegel» in den Sechzigerjahren ohne Orchester oder Auftrag schrieb – und konnte so entsprechend aus dem Vollen schöpfen, ohne Rücksicht auf Praktikabilität., konzipiert als eine Art «Welttheater» über die «Gattung ‹Mensch›». Früher waren schon einzelne „Spiegel“ uraufgeführt worden, in Metropolen wie Warschau, Stockholm, München usw. Die Uraufführung des ganzen, siebenteiligen Zyklus erfolgte dann am 9.Oktober.1972 im Opernhaus Graz / Österreich durch das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter seiner eigenen Leitung. Heute Abend fände jetzt die schweizerische Uraufführung des gesamten Zyklus statt. «Die Konzertmeister haben nichts zu Konzertmeistern», sagte der Komponist, deshalb sitze dieser heute nicht, wie üblich, in der ersten Reihe, nah beim Dirigenten, sondern in der hintersten Reihe links. Weiter erzählte Cerha, er habe gestern im Museum Rosengart in Luzern ein Bild von Paul Klee gesehen mit einem siebenarmigen, jüdischen Leuchter und habe sofort eine Art Seelenverwandtschaft empfunden. So sei auch seine Musik frei gezeichnete Abstraktion, den bekannten Malern (z.B. Gerhard Richter, Mark Rothko usw.) jener Epoche nachempfunden
Eigene Biografie prägte wohl unbewusst den „Spiegel“ Zyklus
Aufgrund seiner eigenen Biografie, seien wahrscheinlich unbewusst auch Kriegserlebnisse ins Werk geflossen. Cerha, bekennender Antifaschist, wurde 1943 als 17jähriger von der Wehrmacht zwangsrekrutiert, erlebte die Schrecken des Krieges an zwei verschiedenen Fronten und desertierte zweimal.
Nach diesen kurzen Erklärungen überliess Cerha den Musikern die Bühne und setzte sich ins Publikum.
Im Vergleich zum Konzert vom Vortag mit dem Asian Youth Orchestra mit 115 Musikern, standen für dieses Konzert noch mehr, nämlich gleich 135 Musiker des Lucerne Festival Academy Orchestra auf der Bühne des nicht ganz vollbesetzten Konzertsaales des KKL in Luzern.
Jeder Satz (Spiegel) beruft sich auf den Vorhergehenden
Dirigent Matthias Pintscher leitete das Orchester der Lucerne Festival Academy Bild Patrick Hürlimann Lucerne Festival - 400x260
Laut Werksbeschreibung beruft sich jeder Satz auf den voraus gegangenen, was aber kaum herauszuhören ist. Einzig, der siebte (letzte) Spiegel, nimmt eine Art Motiv des ersten wieder auf. Matthias Pintscher, selbst auch ein bekannter Komponist, übernahm souverän das Zepter. Schon die ersten Töne liessen erahnen, dass uns da ganz aussergewöhnliche Klänge erwarteten. Da war nirgendwo auch nur der Hauch eines Leitthemas, fast nichts Kollektives, der Komponist lässt jedes einzelne Instrument eigenständig agieren, will so jedem Musiker einen Teil Eigenverantwortung übertragen. Das Resultat sind skurrile sphärische Klangwelten, aus denen man tatsächlich jedes einzelne Instrument heraushört. Manchmal ein fast kakophonisches Chaos, das trotzdem irgendeine Ordnung hat. Die ist aber nur schwer zu ergründen, zu wirr sind die Sequenzen, aber doch mit einer ganz eigenartigen Schönheit. Man muss es ja nicht entwirren um zu begreifen, sondern gut zuhören und verstehen.
Satz für Satz führt der Komponist den Zuhörer in die Irre, lockt ihn auf eine Fährte, die es gar nicht gibt. Da trillert mal brillierend eine Querflöte, die abrupt von einer furzenden Tuba unterbrochen wird, die wiederum von feinen Harfenglissandi des Feldes verwiesen wird, sich aber wenig später resolut wieder zurückmeldet, nachdem die Streicher noch ein paar Hummelflug – ähnliche Sequenzen eingefügt hatten. Spiegel III beinhaltet auch sehr kräftige Schlagwerkpassagen (insgesamt sind zwölf Schlagzeuger im Orchester), die die Ohren doch recht strapazieren. Einige male beim Tutti, nimmt das Klanggemälde fast mahlersche Dimensionen an.
Ungewöhnlich auch, beim vierten Spiegel, die Synthesizer-Töne die markante Blechbläser-Fanfaren kontrapunktierten und in einer Klangorgie aufbrachen.
Im Vergleich zum „Spiegel“ war Arnold Schönberg in seinen Kompositionen fast „harmoniesüchtig“. Bei Cerha erwartet Dich das Unerwartete und auch dies überrascht noch.
Dem Auditorium gefielen die ungewöhnlichen Töne, auch, weil sie in unnachahmlicher Art vom Orchester der Lucerne Festival Academy interpretiert wurden. Das bestätigt auch wieder einmal mehr, welch zentrale Position der Academy als Plattform für die Moderne zukommt. Derr Applaus war riesig und steigerte sich zu einer „Standing Ovation“, zu der Matthias Pintscher den 91 jährigen Komponisten nochmals auf die Bühne bat, um seinen Sonderapplaus abzuholen.
Anna Rybinski verbrachte ihre Jugend in Ungarn, wo sie auch die Ausbildung zur Musikerin absolvierte. Nach der Übersiedlung in die Schweiz arbeitete sie als Musikpädagogin und organisierte Kinderkonzerte.
Anna Rybinski, bei einem Konzert in Luzern 2012
Sie schreibt Texte für Konzertprogramme, Artikel zum Thema Kultur, Kurzgeschichten, Satiren und Krimis, die in Anthologien erschienen sind.
Matthias Bamert (u.a. von 1992 bis 1998 Intendant der Internationalen Musikfestwochen Luzern, heute Lucerne Festival), feierte im Juli seinen 75. Geburtstag. Er hat viel Erfahrung mit asiatischen Orchestern, war er doch u.a. von 2005 bis 2008 Chefdirigent des Malaysian Philharmonic Orchestra was ihm sicherlich dienlich war bei diesem Konzert mit den jungen Musikerinnen und Musiker des in Hongkong beheimateten AYO, Asian Youth Orchestra ( gegründet 1990 von Yehudi Menuhin und Richard Pontzious). Dieses ist bereits das zweite asiatische Orchester, nach dem Shanghai Symphony Orchestra am 20. August, das am diesjährigen Lucerne Festival im Sommer debütiert.
Mehrfach ausgezeichnetes Orchester
Es setzt sich aus zirka 110 Talenten zwischen 17 und 27 Jahren aus China, Taiwan, Hongkong, Indonesien, Japan, Korea, Malaysia, den Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam zusammen, die jährlich ausgewählt werden. Das AYO, Asian Youth Orchestra wurde 2010 mit dem «Praemium Imperiale Grant for Young Artists» und 2015 mit dem «Nikkei Asia Prize» ausgezeichnet. Es absolviert dieses Jahr eine Konzertreise, die nach China, Japan, in die USA und zwölf europäische Städte führt. Unter der Leitung Menuhins gab es im August 1990 sein erstes öffentliches Konzert.
Grundsätzliches zu Gustav Mahler und zur 1. Sinfonie
Mahler liebte zahlenmässig grosse Orchester, denn, so der Komponist: eine Sinfonie zu komponieren bedeutet, mit allen Mitteln der existierenden Technik eine Welt aufzubauen. Gustav Mahler gab seiner 10. Sinfonie zeitweilig den Beinamen Titan, nach dem Roman „Titan“ von Jean Paul, zog den Titel aber später wieder zurück. Sie kam im November 1889, unter seiner Leitung und von ihm als „Sinfonische Dichtung“ bezeichnet, in Budapest zur Uraufführung. Das Werk wurde von Kritik und Publikum aber kühl und verständnislos aufgenommen. Es ist dramaturgisch so angelegt, dass alles auf das furios, mächtige Finale hinführt. Also wenig Spektakuläres in den Zwischensätzen, für die sich Mahler reichlich Motiven anderer Komponisten bediente, u.a. aus Franz Liszts „Dante Sinfonie, Richard Wagners „Parsifal“ und inspiriert von Dantes „Commedia divina“. Ausnahme sind im dritten Satz die Variationen des französischen Volksliedes „Frère Jacques, dormez vous?“ Dieses wird zuerst von den Kontrabässen intoniert, später von den Bläsern übernommen, weitergereicht an die Streicher, dann wieder vom ganzen Orchester variiert. Integriert auch Motive seines eigenen, vierten Gesellenliedes. Matthias Bamert führte das Orchester behutsam, trotzdem bestimmt durch die Partitur und baute die Spannung punktgenau auf. Er verfolgte eine klare Linie, trieb seine Mitmusiker vorsichtig, aber stetig voran, bis er „seinen“ Klang gefunden hatte. Dieser mündete dann ins heldenhafte Finale, dessen letzter Teil das Blech stehend absolvierte, quasi über den andern Instrumente stehend.
Natürlich begeistert diese tonale Machtdemonstration heute das Publikum weltweit und war auch in Luzern so. Mit kräftigem, stürmischem Beifall, garniert mit vereinzelten Bravorufen, verdanke das Auditorium diese superbe Demonstration. Der Dirigent holte dann für die einzelnen Sektionen noch Extraapplaus ab, der bei den Bläsern besonders stürmisch ausfiel. Der nicht enden wollende Applaus führte schlussendlich noch in eine stehende Ovation, von den Protagonisten sichtlich genossen
Junge Musiker ohne Berührungsängste
Es waren erstaunlich viele asiatische Touristen im Publikum, die nach dem Konzert ein Foto des Orchesters machen wollten. Die Musikerinnen gaben sich völlig unkompliziert, setzten sich auf Wunsch gar an den Bühnenrand, gruppierten sich ganz nach Wünschen der Motivjäger. Auch für Selfies posierten sie geduldig, seis im Verbund, oder einzeln. Dafür gabs vom Publikum noch einen Sonderapplaus