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Sinfoniekonzert 10 Shanghai Symphony Orchestra, Di Long Yu Dirigent, Maxim Vengerov Violine, 20. August 2017, besucht von Peter Meyer

hanghai Symphony Orchestra
hanghai Symphony Orchestra

Besetzung und Programm:

Long Yu  Dirigent
Aaron Avshalomov (1894–1965)
Hutongs of Peking
Pjotr Iljitsch Tschaikowsky (1840–1893)
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35
Dmitri Schostakowitsch (1906–1975)
Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47

 

Rezension:

Hutongs of Peking, eine selten gespielte musikalische Dichtung

Long Yu  Dirigent
Long Yu Dirigent

Die selten gespielte musikalische Dichtung Hutongs of Peking (1930/31) von Aaron Avshalomov ist die Hommage eines russischen Komponisten an das Leben in den alten Gassen der chinesischen Hauptstadt. Das Werk war in verschiedener Hinsicht ein passender Auftakt im Rahmen des Themas „Identität“ des Lucerne Festivals. Avshalomov, der 1894 geborene Sohn kaukasischer Juden, wuchs in Nikolajewsk am Amur, weit im Osten Sibiriens auf. Nach seiner Studienzeit am Konservatorium in Zürich und einem Zwischenhalt in den USA lebte er lange Zeit in China, wo er sich mit der traditionellen chinesischen Musik auseinander setzte. In den 1940er Jahren war er Chefdirigent des Städtischen Orchesters Shanghai. Hutongs of Peking ist eine musikalische Betrachtung des asiatischen Lebens, jedoch ganz aus dem Blickwinkel einer westlich-romanischen Symphonik. Es war passend, dass am Konzert gerade das Schanghai Symphony Orchestra unter der Leitung von Long Yu, die musikalische Dichtung im Rahmen eines russischen Programms spielte. Das Orchester entwickelte eine gewaltige Steigerung aus einem Piano heraus. Wuchtige, an russische Symphonik erinnernde Bläsersätze, unterstützten Kantilenen der Geigen, welche in Ganztonskalen den Charakter chinesischer Musik vermittelten. Klangflächen wurden prägnante Rhythmen mit besonderen Instrumenten wie Gongs und Becken entgegengesetzt. Schliesslich verklang die Tonmalerei in einem Piano. Die interessante Kombination musikalischer Elemente wirkte wie eine Reise in eine exotische Welt, erinnerte an westliche Orchestermusik für einen asiatischen Film, aus heutiger Sicht war die Wirkung ein wenig plakativ.

 

Maxim Vengerov spielte Tschaikowsky grossartig

Maxim Vengerov  Solist Violine
Maxim Vengerov Solist Violine

Das Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35 schrieb Pjotr Iljitsch Tschaikowsky nach einem psychischem Zusammenbruch im Jahr 1878 in Clarens am Genfersee, wo er sich zur Erholung befand. Der durchaus glückliche, ja sogar euphorisch gestimmte Grundtenor, der den Charakter des Violinkonzerts ausmacht, zeigt, dass Tschaikowsky während des Komponierens – das Werk entstand innerhalb nur weniger Wochen – seine Lebensfreude wieder gefunden hatte. Nach wenig Akzeptanz bei der Uraufführung gehört es heute zu den beliebtesten und meistgespielten Instrumentalstücken der klassischen Musikliteratur. Die Interpretation von Maxim Vengerov in Zusammenarbeit mit dem Shanghai Symphony Orchestra wurde mit Spannung erwartet.

Trotz aller hohen Erwartungen überraschte Vengerov durch Präsenz, Klangschönheit und den Klangreichtum, den er seiner Stradivari zu entlocken verstand. Sein Spiel war dynamisch und auch die filigranen Passagen waren im ausverkauften KKL gut hörbar, trotz Grösse des Orchesters. Sein Spiel, mal süss, mal zart, mal kraftvoll, überzeugte jeden Moment. Der Kadenz im ersten Satz fügte Vengerov eigene Noten hinzu. Diese und der darauf folgende Einsatz des Orchesters mit der Kantilene der Querflöte waren bewegende Momente. Leider wurden die zahlreichen musikalischen Impulse Vengerovs von Dirigent und Orchester wenig aufgenommen. Die Streicher klangen über lange Strecken dumpf und die Begleitung des Orchesters liess Dynamik und ein bewegliches Zusammenspiel vermissen. Trotzdem war das Violinkonzert ein Erlebnis, welches das Publikum mit stehendem Applaus dankte.

Shostakovitch regt zum Nachdenken an

In der Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47 von Shostakovich schlugen das Schanghai Symphony Orchestra unter der Leitung von Long Yu ein neues Kapitel auf. Im Allegretto, welches reich an Stimmungen, filigranen, auch klein besetzten Passagen und raffinierten Rubati ist, blühten Dirigent und Orchester mit einem Mal auf. Die Musik begann zu atmen, der zuvor bisweilen unflexible Klang war verschwunden, er wurde mit einem Mal sinnlich, mit Tiefe versehen, ohne der Struktur der Musik zu schaden. Das Largo folgte innig, expressiv und bewegend, schuf so einen drastischen Kontrast zum folgenden Allegro non troppo. Die Aktualität der Musik wurde dem Zuhörer bewusst und auch die Wichtigkeit von Shostakovich’s musikalischer Rede in der Gegenwart. Die Musik ist in ihrer Doppelbödigkeit mit keinem Ton geeignet ein autoritäres Regime zu glorifizieren. Der vermeintliche Jubel entpuppt sich als erzwungen. Shostakovich schrieb: „Das ist doch keine Apotheose. Man muss schon ein kompletter Trottel sein, dies nicht zu hören.“

Shostakovitch’s bedeutungsvolle und berückende Musik und die Zugabe eines instrumental gespielten chinesischen Volksliedes, mit dem das Orchester das Programm abrundete, wurden vom Publikum begeistert aufgenommen und mit stehenden Applaus verdankt.

Text: Peter Meyer  Fotos: www.lucernefestival.ch

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Sinfoniekonzert 7 LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA, Riccardo Chailly Dirigent, 18. August 2017, besucht von Léonard Wüst

LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA c Priska Ketterer
LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA c Priska Ketterer

Besetzung und Programm:

LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA

Riccardo Chailly  Dirigent

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847)
Ouvertüre und Auszüge aus der Bühnenmusik zu Shakespeares Sommernachtstraum opp. 21 und 61
Pjotr Iljitsch Tschaikowsky (1840–1893)
Manfred-Sinfonie h-Moll op. 58

 

Rezension:

Riccardo Chailly steht mitten in seiner zweiten Saison als Leiter des Lucerne Festival Orchestra und ist, wie man hört, angekommen, geschätzt und unumstritten. Dass er nicht nur das Werk seines Ziehvaters Claudio Abbado fortführt, sondern auch starke eigene Akzente setzt, zeigte das diesjährige Eröffnungskonzert, wo er, zum allgemeinen Erstaunen, ein reines Richard Strauss Konzert darbot (Also sprach Zarathustra, Tod und Verklärung, Till Eulenspiegels lustige Streiche). Vielleicht lebte er so das Motto des diesjährigen Festivals, das schlicht „Identität“ heisst. Chailly erläuterte einmal in einem Gespräch über die Zukunft des Orchesters, er wolle Werke anderer, weniger gespielten Komponisten aufführen als sein Vorgänger, dessen Mahler-Zyklus er letztes Jahr mit der ‘Symphonie der Tausend’ (Chailly widmete diese Claudio Abbado), aber vervollständigte und so dessen Vision umsetzte, die dieser mit dem ‘Lucerne Festival Orchestra’ selbst nicht zu Ende führen konnte.

Folgerichtig stand mit Mendelssohns „Sommernachtstraum“ ein leichteres, mit Tschaikowskys „Manfred Sinfonie“ ein eher düsteres Werk auf dem Programm.

Das Publikum begrüsste den Dirigenten mit viel Applaus, gar Bravorufen, als er die Bühne betrat und sich zu seinem Orchester gesellte.

Der Geniestreich des 17 jährigen Felix Mendelssohn

Am 4. Juli 1826 teilte Felix Mendelssohn seiner Schwester Fanny schriftlich mit: heute oder morgen will ich „midsummernight`s dream“ zu träumen anfangen. So komponierte er die Ouvertüre vom 6. Juli bis 28. August, während die 13 Nummern umfassende Bühnenmusik erst 17 Jahre später entstand. Diese dann im Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV. von Preussen, während Mendelssohns Amtszeit als Generalmusikdirektor in Berlin.

Die musikalische Geschichte von Elfen und Liebenden

Riccardo Chailly, Dirigent c Priska Ketterer
Riccardo Chailly, Dirigent c Priska Ketterer

Beginnend mit dem luftigen Klangzauber der Elfenmusik mündet die Ouvertüre ins massiv strahlende, fast etwas herrisch interpretiert, bis die Bläser die aufgebrachte Streichersektion wieder beruhigen und sich alles harmonisch vereint. Im folgenden Scherzo lässt der Dirigent die Streicher eingangs hüpfen, rhythmisch harmonisch das Motiv aufbauen, bevor die G Moll Tonart auch etwas bedrohlichere Töne hervorbringt, schliesslich sind auch Elfen nicht immer nur freundlich gesinnt. Das darauffolgende „Intermezzo“ versinnbildlicht die Irrungen und Wirrungen der Liebenden in fast Schumann`scher Melodik und mutet recht simpel an. Dies im Gegensatz zum romantischen „Notturno“ das sphärisch dicht das Innenleben der Liebenden widergibt, bis sich bei der Hochzeit von Theseus und Hippolyta im „Hochzeitsmarsch“ alles entlädt.

Ein gefundenes Fressen in Form von Tönen für die Trompeter um Reinhold Friedrich und die andern Bläser dieser „Marsch“, den Chailly majestätisch durch den Konzertsaal paradieren lässt und bei dem das Orchester aus den Vollen schöpfen kann. Das Auditorium beklatschte diese Demonstration heftig, durchsetzt mit einzelnen Bravorufen und beorderte so den Dirigenten noch einige Male auf die Bühne zurück. Sonderapplause gab es dann auch noch für die einzelnen Sektionen, also Bläser, Schlagwerke, Streicher abgerundet nochmals von einem Applaus fürs Gesamtorchester.

 

Tschaikowskys „Manfred Sinfonie“ im zweiten Konzertteil

Der Komponist hatte ein zutiefst gespaltenes Verhältnis zum Stoff von George Gordon Lord Byron, das in vollständiger Form erstmals im Juni 1817 erschien. Es zählt zu den wichtigsten Werken nicht nur Byrons, sondern der ganzen Romantik.

Die Grobskizzierung zu „Manfred“ erstellte Tschaikowsky anlässlich des Besuches seines schwer lungenerkrankten Freundes und ehemaligen Geliebten Jossif Kotek auf dem „Zauberberg“ in Davos. Erst im April 1885 dislozierte er in sein Sommerhaus in Maidanowo bei Klin und begann mit der Arbeit an der Sinfonie, zu der ihn sein Kollege Mili Balakirew bereits im Herbst 1882 angeregt hatte. Dieses intensive Schaffen dauerte bis im September, dann war das Werk fertig und wurde am 11. März 1886 in Moskau uraufgeführt. Diese Zerrissenheit des Komponisten widerspiegelt sich in der gesamten Partitur und folgt nicht unbedingt genau der Vorlage. So gestaltete er für das Finale eine religiöse Bedeutung und der Tod Manfreds wird umgedeutet. Viel weist darauf hin, dass Tschaikowsky sich mit dieser Auslegung selbst eine Art Absolution erteilen will, gab er sich doch an vielem eine Mitschuld, was in seiner nahen Umgebung traurig dramatisches geschehen war. ( zum Beispiel der Tod von Eduard Sack, eines ehemaligen Schülers, der sich mit 19 Jahren das Leben nahm)

Präzisionsarbeit in höchster Vollendung

Es gelang Riccardo Chailly, diese Nuancen heraus zu arbeiten, ohne die Dramatik zu überreizen. Zu Beginn verleiht das dunkle Leitmotiv mit den Dissonanzen dem Helden die musikalische Identität, die fast schmerzlich herausmodelliert wird, bevor sich eine expressive Phrase voller Streicher und eine obsessiv kreisend bohrende Triolenfigur dazu fügt. Der Chefdirigent verfügt mit dem „Lucerne Festival Orchestra“ über einen einmaligen, kongenialen Klangkörper, der die Intuitionen des Chefs eins zu eins umzusetzen weiss, sei es im Gesamtbild, wie auch in Solopassagen, wo sich besonders die Bläser in Szene setzen konnten und brillierten. In den bildhaft breit ausgemalten Mittelsätzen schälte Chailly gar die Harfen fein heraus, ohne dass sich das Orchester zu sehr zurücknehmen musste. Präzisionsarbeit in Vollendung. Eindrücklich das Finale mit den Orgelklängen die Tschaikowsky als eine Art Fanal dem Orchester zufügte.

Das Auditorium würdigte die Protagonisten mit langanhaltendem stürmischen Applaus und einzelnen Rufen wie. Bravo Maestro! Zu einer „Standing Ovation“ reichte es aber nicht ganz.

 Fazit des Konzertes in Bezug zum angestrebten  Richtungswechsel

Ein sehr schönes, solides und ausgewogenes Konzert, aber (noch) nicht das berauschende Erlebnis mit dem Aha Effekt. Man wird sehen, vor allem hören, ob Chailly und das Orchester es unbeschadet schaffen, diese Neuausrichtung voll und schlussendlich erfolgreich durchzuziehen. Die Voraussetzungen dafür sind vielversprechend, ist doch das treue Lucerne Festival Publikum immer offen für Neues, aufgeschlossen und neugierig gegenüber Innovationen, zumindest solange diese nicht total revolutionär oder gar verstörend sind.

Die bewährten Klassiker fallen ja nicht aus dem Festival Programm, sondern werden weiterhin von Gastorchestern immer noch interpretiert. So ist halt jeder auf der Suche nach seiner Identität, die im Falle des Lucerne Festival Orchestra eine etwas neue vielschichtigere werden soll. Später wird man sehen, vielmehr hören, ob es Riccardo Chailly gelingt, seine Mitmusiker auf den, von ihm angestrebten differenzierten Weg zu führen und so, nach der „Ära Abbado“, eine „Ära Chailly“ zu etablieren. Die Akzente sind gesetzt, die Fixpunkte klar markiert, die Duftmarke platziert. Bleibt abzuwarten, ob die Lucerne Festival Academy unter seinen Leitern Wolfgang Rihm und Matthias Pintscher den Intentionen des Maestro folgt und ihre Musiker mit entsprechenden Werken so vorbereitet, dass später eine nahtlose Integration gewährleitet ist. Spätestens in Derr nächsten, also dritten Saison, wird Riccardo Chailly die Karten ganz auf den Tisch legen müssen, ober er den totalen Umbruch will, oder zwischendurch sicherheitshalber doch ab und zu auf altbewährtes zurückgreift.

 

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch

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Sinfoniekonzert 3 Festival Strings Lucerne, Leitung Daniel Dodds, Solist Sir James Galway, 14. August 2017, besucht von Léonard Wüst

Festival Strings Lucerne c Emanuela Ammon
Festival Strings Lucerne c Emanuela Ammon

Besetzung und Programm:

Daniel Dodds  Violine und Musikalische Leitung

40. Luzerner Bühnenjubiläum von Sir James Galway

Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791)
Sinfonie A-Dur KV 201 (186a)
Flötenkonzert D-Dur KV 314 (285d)
Jean Sibelius (1865–1957)
Suite aus Pelléas und Mélisande op. 46

 

Rezension:

Die Festival Strings Lucerne, als zweites Hausorchester, nebst dem Residenzorchester KKL Luzern (das bis letztes Jahr Luzerner Sinfonieorchester hiess), werden vom Publikum immer sehr herzlich empfangen, das war auch diesmal nicht anders. Ihr Chef, Daniel Dodds, erhob sich nur kurz, um die Instrumente lupenrein stimmen zu lassen und setzte sich dann, leitete sein Orchester also sitzend, seine Anweisungen mittels Augenkontakt und Körpereinsatz vermittelnd.

Gestartet wurde mit Mozarts Sinfonie A-Dur, die dieser bereits im jugendlichen Alter von 18 Jahren komponiert hatte. Gewohnt feinfühlig, dennoch bestimmt führte Daniel Dodds seine Mitmusiker durch die vier Sätze. Der erste Satz bedient sich der Sonatenform (Exposition – Durchführung – Reprise) und beginnt mit einem von den Streichern vorgetragenen Oktavensprung und – was damals noch ganz ungewöhnlich war – im Piano. Sobald das Orchester im Forte spielt, kommen die Bläser dazu: Zwei Hörner und zwei Oboen. Auch der zweite Satz ist in Sonatenform und wird von den Streichern mit aufgesetzten Dämpfern gespielt. Die Bläser kommen dabei nur wenig zum Einsatz. Das Menuett ist durch seine marschartigen Rhythmen in punktierten Vierteln gekennzeichnet, wobei sich Streicher und Bläser gegenseitig abwechseln. Auch beim im 6/8 Takt gehaltenen energischen vierten Satz ist erneut die Sonatenform erkennbar, wobei die Oktavensprünge des ersten Satzes wieder aufgenommen werden Die zeitweise opulente Dramatik gipfelte in den «durch Pausen abgesetzten Ketten von Sechzehnteln im Staccato», die das Publikum damals „Raketen“ nannte, die zügig ausgespielt wurden.. Eines der herausragenden Werke aus Mozarts frühem Schaffen wurde von den „Strings“ perfekt zelebriert, wofür sie einen langanhaltenden stürmischen Applaus des Publikums ernten durften.

Mozarts ambivalentes Verhältnis zur Flöte

Der Komponist schrieb seinem Vater am 14. Februar 1778 aus Mannheim, als er den Auftrag des holländischen Arztes Ferdinand Dejean zur Komposition einiger Werke für Flöte angenommen hatte, dass er nur widerwillig ein Werk schreibe, für ein Instrument, das er nicht leiden könne. Vereinbart war ein Honorar von 200 Gulden, das dann von Dejean auf 96 reduziert wurde, da er mit der „Lieferung“ unzufrieden war. Dies zum Verdruss des geschäftstüchtigen Leopold Mozart. Die Werke waren alles andere als leicht, wie dies vom Amateurflötenspieler Dejean bestellt war und zudem nicht eigens für diesen komponiert. Dies alles hinderte aber Mozart nicht, 14 Jahre später mit der Komposition der „Zauberflöte“, einem Meisterwerk der Musikgeschichte, genau diesem Instrument ein Denkmal zu setzen.

Zitat ab Homepage des Lucerne Festivals Hätte Mozart Galway gekannt, hätte er sicher mehr als nur zwei Konzerte für das Instrument geschrieben. Denn Sir James bezaubert mit erlesenem Ton, makelloser Technik, musikalischem Tiefgang und funkensprühendem Temperament.

Der Auftritt des Meisters der Querflöte

Sir James Galway  Solist Flöte
Sir James Galway Solist Flöte

Für eines dieser Werke, das Flötenkonzert D-Dur, betrat nun der Solist des Abends, Sir James Galway, gekleidet in schwarzer Hose, weissem, glitzernden Jackett, garniert mit bordeauxroter Krawatte und gleichfarbigem Einstecktuch, die Bühne. Auch die Leitung dieses Werkes absolvierte Dodds sitzend. Dies ist ja auch bequemer, wenn man dazu noch Konzertmeister ist, also die erste Geige spielt.

Die Festival Strings Lucerne und Sir James Galway an der Flöte harmonierten im KKL prächtig.  Bild Peter Fischli  Lucerne Festival
Die Festival Strings Lucerne und Sir James Galway an der Flöte harmonierten im KKL prächtig. Bild Peter Fischli Lucerne Festival

Galway deponierte noch das, dem Einrollen der Flöte dienende blaue Tuch auf dem Notenständer von Dodds und stellte sich, die Flöte angesetzt, neben diesen. Auch nach all den Jahren hat Galway den gleichen feinen Ansatz, bezaubert immer noch mit der Brillanz in hohen Lagen, nimmt das Orchester mit, diktiert das Tempo, tremoliert sich durch die Partitur, filigranste Fingertechnik demonstrierend. Selbst wenn er sich im Rahmen bewegt, klingt es oft improvisiert, was aus jeder Komposition irgendwie einen „Original Galway“ macht. Auch dass er dabei noch Zeit findet, mit dem Publikum zu flirten, machen seine Auftritte so einmalig. Die Begeisterung brach sich denn auch mit einem Applausorkan Bahn, den er nach einiger Zeit durch Gesten zum Abbrechen brachte indem er unvermittelt die erste Zugabe mit «Bardinerie» aus Bachs zweiter Orchestersuite folgen liess, die das Auditorium zu noch mehr Applaus anspornte. Zweite Zugabe nach nicht enden wollendem Applaus noch eine irisch angehauchte, schalkhafte Improvisation auf einer kleinen irischen Flöte (einem Piccolo nicht unähnlich), einem Instrument, das er ebenso meisterhaft beherrscht wie die Querflöte. Auch danach erhielt d Der Solist wieder begeisterten Applaus, zu einer stehenden Ovation hats aber nicht ganz gereicht.

Heimspiel für Sir James, «dem Mann mit der goldenen Flöte»

Der gebürtige Nordire(*1939) James Galway wohnt mit seiner Frau schon seit sehr langer Zeit in Meggen, einer Luzerner Nachbargemeinde. So war sein Auftritt also ein veritables Heimspiel. Besonders schön, dass er damit gleichzeitig auch sein 40jähriges Bühnenjubiläum am Lucerne Festival feiern konnte feiern konnte, an dem er 1977 debütierte.

Bereits mit zwölf Jahren gewann Galway die ersten musikalischen Preise, danach arbeitete er als Klavierstimmer, bevor ein Stipendium ihm das Studium am Royal College of Music ermöglichte, dem weitere Studienaufenthalte an der Londoner Guildhall School und am Pariser Konservatorium folgten. Er war der erste, der als Flötist nicht fix bei einem Orchester engagiert war, sondern von Anfang an auf eine Karriere als Solist setzte.

 

Im zweiten Konzertteil ein Werk eines nordischen Musikgottes (Jean Sibelius)

Mit der Suite aus «Pelléas et Mélisande» von Jean Sibelius, die aus acht kurzen Sätzen besteht, tauchte man in die Märchenwelt dieser geheimnisvollen, identitätslosen Frau ein. Schwebend gestaltete das Englischhorn wehklagend die düstere Melodie der Mélisande, die sich im finsteren Schloss verloren fühlt. In dem Satz «Mélisande am Spinnrad» wurde durch die ständig schnurrende Bewegung in den Bratschen und die vorwärtsdrängenden Themen der Holzbläser die unheimliche Stimmung verstärkt. Sibelius hat auch viele Sequenzen in die Partitur geschrieben, in denen die Celli gezupft, nicht gestrichen werden, was den Klang noch dunkler und geheimnisvoller macht. Die Pausen zwischen den Sätzen etwas lang und man wurde zwischen tragischer Schwere und tänzerischer Leichtigkeit hin- und hergerissen. Gut vorstellbar, dass die Komponisten der Filmmusik zu den skandinavischen Kriminalfilmen, sich von diesen düsteren Motiven inspirieren lassen. Der Aufbau der Komposition,  sowie deren Klangfarbe, erzeugen den Hauch Melancholie, die der nordischen Musik eigen zu sein scheint und die den Zuhörer unmittelbar berührt, gar aufwühlt. Wenn das Werk dann noch so intensiv gefühlvoll interpretiert wird, wie hier durch die „Strings“, ist das Publikum begeistert und feiert die Protagonisten dementsprechend und belohnte sie mit stürmischem, langanhaltendem Applaus.

Als Zugabe nochmals Sibelius. Die «Valse ­Triste»  wurde in der Interpretation von Dodds und den Festival Strings zum emotionalen Höhepunkt, in dem die tiefe Klangdichte in allen Nuancen ausgereizt wurde. Wie die Strings aus dem Fundament des Themas in fast verträumte Walzerseligkeit wechselten und sanft in den Anfang zurückfanden, war absolute Weltklasse. Das dankbare Publikum feierte die Protagonisten denn auch mit wahren Applauskaskaden

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch www.festivalstringslucerne.org/de/home

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Bregenzer Festspiele, Wenn Sprache zu Musik wird

 

Wenn Sprache zu Musik wird c Anja Koehler
Wenn Sprache zu Musik wird c Anja Koehler

Die Auftragskomposition To the Lighthouse feiert am 16. August ihre Uraufführung. In einem mehr als dreijährigen Schaffensprozess entstand die Oper im Rahmen des Festspiel-Opernateliers. Regisseur Olivier Tambosi spricht im Wochenpost-Interview über die Stimme Virginia Woolfs und den Luxus, mit einem Komponisten zusammenarbeiten zu dürfen. 2016 inszenierten Sie im Festspielhaus den Schauspiel-Klassiker Hamlet als Opernversion. Unterscheidet sich Ihre Herangehensweise an die Inszenierung der Uraufführung von To the Lighthouse? Hamlet ist zwar eine Oper von 1865, ist aber seit 1871 nicht mehr aufgeführt worden. Dadurch war das auch fast wie eine Uraufführung. In Bezug auf To the Lighthouse ist besonders spannend, dass man es normalerweise mit verstorbenen Komponisten zu tun hat. Die Auseinandersetzung ist eine einseitige Sache. Zesses Seglias als Komponisten hier zu haben, macht daraus einen Dialog. Fragen nicht nur über Musik werden möglich: Was hast du dir vorgestellt beim Komponieren dieser Melodie, gab es eine szenische Idee, noch bevor die Musik da war? Ich empfinde das als einen Luxus. Wie gehen Sie damit um, keine Vergleichsbasis zu haben – ist es leichter oder schwerer? Das ist eigentlich der Normalzustand von Theater. In Schauspielhäusern werden regelmäßig neue Stücke gespielt. Bei uns in der Oper hat sich das Anfang des 20. Jahrhunderts geändert, früher gab es sehr wohl eine Menge an Uraufführungen. Nach der Einschränkung der Kunst im Dritten Reich und den Trümmern nach Ende des Krieges, wollte niemand mehr ansetzen, wo man 1933 aufgehört hat. Man wollte versöhnliche Töne spielen, wodurch ein Bruch entstand, der das Moderne als schwierig und unangenehm gelten ließ. Ich freue mich sehr, dass ich nun endlich wieder etwas noch nie Gespieltes inszenieren darf. Was ist die Faszination an Virginia Woolfs Stoff? An sich würde man eher nicht daran denken, aus irgendeinem Text von Virginia Woolf ein Theaterstück oder eine Oper zu machen. Die Texte sind sehr für‘s Lesen geschaffen, man kann zurückblättern, um Schwieriges zu verstehen und Dinge zu verdauen. Hingegen findet Theater live statt, das ist eine ganz andere Situation. Dem leider verstorbenen Ernst Binder ist allerdings ein tolles, gut gebautes Libretto gelungen, das nicht das Buch an sich sein will, sondern etwas Neues. Ich habe die Inszenierung übernommen, erst nachdem ich sinnlich angesprochen war von Zesses Seglias Klängen. Der Text kann noch so toll sein, Oper erzählt sich primär über Musik. Der Komponist hat eine besondere Begabung: Er findet eine eigene musikalische Sprache für das, was Virginia Woolf literarisch macht – für den Bewusstseinsstrom. Er fängt das Denken der Figuren in seiner Musik ein und macht es für den Zuhörer erfassbar. Dabei gibt Zesses Seglias dem Ganzen nicht nur die Farbe der Worte, sondern auch die Farbe seines Erinnerns an vergangene Dialoge. Das bringt eine Qualität mit, die sich mit dem Text auf eine spannende Art verbindet. Nach dem Tod Ernst Binders sind Sie als Regisseur in einen bereits begonnenen Kreativprozess hinzugekommen. Wie war das? Die Frage ist immer, ob man übernehmen kann, was schon da ist. Ausschlaggebend war für mich, wie schon gesagt, die Musik. Was außerdem schon entworfen war, war etwas, das man nicht „Bühnenbild“ nennen kann. Die Besonderheit ist, dass man mit Jakob Kolding nicht einen Bühnenbildner ins Boot geholt hat, sondern einen bildenden Künstler. Mehrere Kunstebenen kommunizieren hier miteinander und werden am Ende mehr als die Summe der Teile. Ich fand das alles sehr toll und habe zugesagt. Mehr als sechs Monate ist das her und ich konnte mich in dieser Zeit noch sehr gut einarbeiten. Haben Sie eine Szene, die Sie besonders fasziniert und gab es auch sperrige Momente? Spaß macht alles und schwierig ist auch alles. In dieser Oper gibt es drei große Szenen, die von sehr unterschiedlicher Farbe sind. Das bringt große Abwechslung, man begibt sich auf eine Reise durch die Zeit. Das erleben wir aus der Perspektive einer alten Frau, der Haushälterin, die aber gleichzeitig die Stimme Virginia Woolfs, des Jahrhunderts oder die Stimme des Hauses selbst ist, das immer mehr verfällt. So tun sich seelische Abgründe auf, von denen ich glaube, dass sie den Zuseher emotional erreichen. Insgesamt bin ich ein Fan von der Produktion geworden – vor allem aber vom Komponisten. Ich denke schon darüber nach, welche Opernstoffe ich in Zukunft mit ihm realisieren kann. www.bregenzerfestspiele.com/[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]  

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