Was machen Salami, Salat und Süßigkeiten auf der Seebühne? Und wie personalisiert man elektrische Zigaretten für 80 Mitwirkende? Die Antworten gibt's hier.
Das Schmuggler-Sandwich So etwas gab es wohl noch nie auf der Seebühne, zumindest kann sich niemand daran erinnern: Ein reichlich belegtes Salami-Baguette feiert sein Debüt. Das erste Seebühnen-Wurstbrot spielt eine wichtige Rolle, dient es doch einem Schmuggler als Proviant. Während der Proben konkurrierte das Sandwich noch mit einem Backhendl – für Regisseur Kasper Holten zu unpraktisch und deswegen abserviert.
Wirklich genießbar ist das Sandwich jedoch nicht: Für den Zusammenhalt sorgen dünne Fäden, die um das Brötchen gewickelt sind. Sie verhindern, dass Wurst, Salat und Baguette auseinanderfallen. Daniela Felix von der Requisite präpariert die Schmugglerjause vor jeder Vorstellung.
Ein süßer Hochkaräter Mindestens so schmackhaft wie das Schmuggler-Sandwich ist Carmens Finger-Ring. Denn statt eines echten Diamanten, der Ring von Don Josés Geliebten mit einem Karamell-Zuckerl besetzt. Um dem aus Holz geschnitzten Ring echten Glanz zu verleihen, färbte Requisiten-Chef Helmut Schweizer die Zuckermasse mit grüner Lebensmittelfarbe und ließ diese in einer speziell dafür angefertigten Gipsform trocknen. Das Karamell-Zuckerl nimmt darauf den Platz eines Hochkaräters ein. Aus Liebe zum Detail und für neugierige Ferngläser ließ sich Schweizer diese Kreation einfallen. In jedem Fall spart der zuckersüße Holzring viel Geld.
80 E-Zigaretten Ebenfalls wohlschmeckend und trotzdem nicht gesundheitsgefährdend sind 80 elektrische Zigaretten. Ein kompletter Chor, alle Tänzerinnen und Tänzer sowie Solistinnen und Solisten müssen jeden Abend damit ausgestattet werden. Helmut Schweizers Lösung: Die 80 Zigaretten sind mit nikotinfreiem Fluid gefüllt und stehen vor den Aufführungen in ihrer Ladestation zur Abholung bereit. Um Verwechslungen zu vermeiden, sind die Zigaretten mit Nummern versehen und den Rauchenden zugeteilt. www.bregenzerfestspiele.com/[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]
Kinder-Carmen-Darstellerinnen Efsa Topal und Lea Gratzer
Die Kinder-Carmen-Darstellerinnen Efsa Topal und Lea Gratzer im Video-Portrait beim „Künstlereingang“. 40 Kinder des Kinderchors der Musikmittelschule Bregenz-Stadt wirken bei jeder Carmen-Aufführung mit. Efsa Topal und Lea Gratzer übernehmen eine Sonderrolle: Abwechselnd spielen sie Carmen im Kindesalter.
Wie die zwei Vierzehnjährigen die Zeit vor ihrem Auftritt verbringen und welche Aufgabe sie auf der Bühne haben, erzählen Efsa und Lea in der neunten Folge des „Künstlereingangs“. 40 Kinder des Kinderchors der Musikmittelschule Bregenz-Stadt wirken bei jeder Carmen-Aufführung mit. Efsa Topal und Lea Gratzer übernehmen eine Sonderrolle: Abwechselnd spielen sie Carmen im Kindesalter. Wie die zwei Vierzehnjährigen die Zeit vor ihrem Auftritt verbringen und welche Aufgabe sie auf der Bühne haben, erzählen Efsa und Lea in der neunten Folge des „Künstlereingangs“. Immer freitags: kleine Szenen abseits der großen Bühnen Für Neugierige und all jene, die schon immer mal durch den Künstlereingang ins Festspielhaus gelangen wollten, öffnen die Bregenzer Festspiele in der gleichnamigen Serie per Video ihre Backstage-Pforten. Von Probenstart bis Ende der Festspielzeit lässt jeweils freitags ein Kurzfilm auf die kleinen Szenen abseits der großen Bühnen blicken. Mitwirkende vor und hinter den Kulissen erzählen in rund zwei Minuten ihre ganz persönlichen Erlebnisse. Auf der Homepage des Festivals unter www.bregenzerfestspiele.com stehen die Videos jeweils ab Freitagnachmittag zum Ansehen bereit.[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]
Festivaldirektor Urs Leierer begrüsste das Publikum zum abschliessenden Konzert des diesjährigen Blueballs Festival im Konzertsaal und versprach mit dem kommenden Act von Benjamin Clementine sein persönliches Highlight dieses Festivals.
Benjamin Clementine mit weissem Cape
Zuerst betraten fünf, in weisse Overalls gekleidete Backgroundsängerinnen die Bühne, gefolgt von der Band, bestehend aus einer Keyboarderin, einem Bassisten und dem Schlagzeuger. Im Vordergrund stand der Konzertflügel, an den sich der grossgewachsene Londoner mit ghanaischen Wurzeln setzte. Barfuss, ganz in Schwarz gekleidet, mit einem weissen Cape über den Schultern drapiert, mit seinem hochtoupierten Haar wirkte er mystisch, fast düster. Gestartet wurde mit einem kurzen Schlagzeugintro für „By the Ports of Europe“. Gefolgt von einem weiteren, bevor er die Hymne an seine Geburtsstadt „London“, geschickt die Halleffekte des weissen Saals auslotend, zum Besten gab, heftig umjubelt vom Publikum, im nicht ganz voll besetzten Saal. Dann die rhetorische Frage ans Publikum, ob er hier in der french side oder german side of Switzerland sei. Hier in Lausanne. Zwar holte er sich ein paar Lacher ab, bis geklärt war, dass er hier in Lozärn auf der german side der Schweiz sei. Aber auch hier überlanges Zwischenspiel, aber dem Publikum hat es gefallen.
Einbezug des Publikums, Aufforderung zum Mitsingen
Benjamin Clementine mit Backgroundsängerinnen und Keyboarderin
Dann ein anderer seiner bekannten Titel mit „Jupiter“, gefolgt von weiteren, bevor er mit „Condolence“ die Botschaft ans Publikum sandte mitzusingen, was dieses dann auch, mehr und/oder weniger kompetent, tat und nimmermüde „I am sending my condolence to you“ intonierte bis zum Geht nicht mehr und zum Abwinken, immer wieder animiert durch den Protagonisten.
Am Klavier hämmert er sich die Seele aus dem Leib, dazu singt er mit vibrierender, voller Stimme in tiefen, grollenden und hohen, warmen Lagen. Seine Musik lässt sich nicht einordnen, Jazz ist es nicht, Soul auch nicht, er selbst sagt: „Ich habe kein Genre. Ich bin Benjamin. Niemand macht, was ich mache. Niemand macht, was ich mache. Wenn Sie mir richtig zuhören, können Sie mich nicht kategorisieren.“ (Zitat von Claire Beermann im Zeitmagazin).
Sehr guter Musiker mit einer aussergewöhnlichen Stimme ist nicht zwangsläufig ein guter Entertainer
Benjamin Clementine
Leider fast immer in der gleichen Lautstärke, statt variierend, in denselben drei Tonarten, bloss einmal in einem anderen Rhythmus, 6/8, statt immer im 4/4 Beat. Kein Ausreisser nach unten, ausser die ausufernd langen Deklamationen zwischen den Songs, leider auch kein Ausreisser nach oben, sieht man von der Zugabe mal ab. Der Performer wäre, so wie am Blueballs Festival 2015, im Luzerner Saal wohl besser aufgehoben gewesen.
Er reihte weiter Song an Song, beklatscht vom animierten Publikum durchmischten Alters. Und ebendieses applaudierte am Ende des Sets solange, bis sich auf der Bühne, auch hier nach unendlich lang scheinender Dauer, wieder etwas regte
Die Zugabe wurde zum Höhepunkt eines etwas eintönigen Konzertes
Dann erfasste ein Scheinwerfer die Keyboarderin, die jetzt mit einem Cello auf dem Stuhl sitzend, eine Improvisation intonierte, während sie auf Clementine wartete, der sich dann ans Piano setzte, den weissen Umhang ablegte und mit „Adios“ die Zugabe startete, die dann querbeet weiterging und schlussendlich im Refrain „Eldery man“, zu dem sich der Sänger immer singend, auch noch durch den Saal bewegte. Er animierte auch hier und dort einen Fan zum Mitsingen, um schlussendlich, immer heftiger umjubelt, wieder auf die Bühne zurück zu kehren, worauf er auch noch mit einer langandauernden „Standing Ovation“ belohnt wurde. www.blueballs.chwww.leonardwuest.ch Für aktuelle regionale Nachrichten und Kultur aus der Innerschweiz besuchen Sie www.innerschweizonline.ch Für aktuelle regionale Nachrichten und Kultur aus dem Ruhrgebiet die www.bochumer-zeitung.com
Blueballs Festival 2017, Xavier Naidoo, 21. Juli 2017
Die 1946 in Chicago geborene Singer/Songwriterin, eine Ikone der „Flower Power Generation“, erstaunt immer wieder durch ihre Wandlungsfähigkeit, dem unermüdlichen Vorwärts in ihrem Schaffen, dem Ausloten des Machbaren, sowie dem unerschrockene Anpacken neuer Herausforderungen. Trotzdem gilt sie noch immer als „Godmother of Punk“, obwohl sie nie wirklich in diesem Genre zuhause war. Sie kam, wie die meisten der damaligen amerikanischen Sängerinnen, vom Folk/Protestsong her, war aber immer schon vielfältig künstlerisch unterwegs, veröffentlichte u.a. Poesie in Zeitschriften, malte und fotografierte. Nach eigenen Aussagen war für sie das Singen vor allem eine Möglichkeit, ihre Gedichte vorzutragen, sie sei „zufällig“ in der Musik gelandet. Sie selber sieht sich in erster Linie als Lyrikerin, schreibt auch heute noch diszipliniert täglich. Auch war und ist Patti Smith eine Ikone der neuen Frauenbewegung. Umweltaktivistin und Kämpferin für Menschenrechte, wie viele Künstlerinnen ihrer Generation ( Joan Baez, Jane Fonda usw.) Trotzdem ist sie seit den 1970er Jahren bis heute regelmässig in den Charts anzutreffen, ihre Konzerte weltweit ausverkauft. Sie vermag auch junge Leute zu begeistern, die reiferen sind ihr seit Jahrzehnten treu.
Sängerin die ohne Stimme eine Weltkarriere macht
M Train, Buch von Patti Smith
Patti Smith verfügt über keine unverwechselbare Stimme, wie etwa Joan Baez, Janis Joplin oder Marianne Faithfull usw.
Auch wenn sie einen Song der Beatles coverte, wie z.B. „Within You Without You“, oder von Jimi Hendrix mit „Hey Joe“ kam sie auch nur annähernd an das „Original heran, wie das etwa Melanie mit dem Stones Hit Ruby Tuesday und Joe Cocker mit „With a little help from my friends“ von den Beatles, oder Marianne Faithfull mit „As Tears Go By“ von den Rolling Stones gelungen war. Es erstaunt umso mehr, dass einige ihrer Songs weit vorne in den Charts waren. Von 1978 mit „Easter“ bis 2012 mit „Banga“. So war und ist es ihr Charisma und die Bühnenpräsenz die ihr Renommee ausmachen, auch die Aura der Unantastbaren, als Teil der „Aufbruch Generation“ der 1968er, der friedlichen Rebellen, die Blumen streuten, statt Molotowcocktails warfen.
Auftakt in ein Konzert der eher besinnlichen Art
Patti Smith mit Sohn und Gitarrist Jackson Smith
Mit zehn Minuten Verspätung begrüsste Festivaldirektor Urs Leierer das Auditorium und schon kamen der Schlagzeuger, der Bassist und der Gitarrist auf die Bühne, gefolgt von Patti Smith, die zu Beginn ein paar Worte an das Publikum richtete(«It’s so quiet», wunderte sich Patti Smith zu Beginn des Konzertes. Und als der Rockpegel im zweiten Teil stieg, machte sie mittels Gesten deutlich: Steht auf, kommt nach vorn, seid Teil des Ganzen und dann startete sie mit „Wing“ bewegte sich dazu wie anno dazumal, besonders zum eingeflochtenen kurzen Gitarrensolo. Zu jedem der folgenden Songs, gab sie ein kurzes Statement ab, mal, wann, zu welchem Ereignis, oder für wen der Song geschrieben wurde, Sachen, die Fans in ihrem Alter natürlich schon wussten, aber trotzdem bejubelten.
Tony Shanahan am Piano c Ebet Roberts, Getty Images
Das dritte Lied war dann mit Ghost dance – We shall live again eines aus der Reihe ihrer Protestsongs, wozu sie sich ihre Akustikgitarre umschnallte. Die Playlist, gut gemixt zusammengesetzt, umfasste Songs quer durch die Jahrzehnte. Von ihrem Debutalbum «Horses» (1975), das auf der Jubiläumstour 2015 Hauptthema war, spielte sie nur gerade den Hit «Gloria». Weitere frühere Renner waren «Pissin’ In A River» (1976), «Because The Night» (1978) oder «Dancing Barfoot» (1979). Mehrere Tracks stammen von den Alben «Trampin» (2004) und «Gone Again» (1996).
Seb Rochford, Schlagzeug
Besinnlicher wurde es mit «Mothers of the Disappeared», den sie erstmals öffentlich interpretierte inspiriert von einer Zeitungsmeldung über ein vom IS befreites und traumatisiertes Kind , ein gecoverter Song von U2, gewidmet allen Müttern, deren Kinder verschleppt oder ermordet wurden wie damals in Argentinien, Nicaragua oder El Salvador.
Bei Patti Smith steht nicht die Musik, sondern die Poesie im Vordergrund
Tony Shanahan, Bass & Piano
Denn das Einzigartige ist nicht in erster Linie die Musik, die bei aller Erhabenheit, die zumal den tosenden Zornesstürmen wie „Pissing in a River“ und „Gloria“ eigen ist, bisweilen nicht vergessen lässt, dass sie in die Jahre gekommen ist. Das Einzigartige ist Patti Smiths Präsenz. Mit 71 ist sie unverändert sexy; ihr rauer Charme – immer schon eine seltsam transzendente Wut, aufgehoben in radikaler Ruhe in sich selbst – hat, wenn überhaupt, mit der Zeit nur gewonnen.
Später stellte die Künstlerin die Bandmitglieder vor, die da waren: Tony Shanahan, Bass & Piano, Jackson Smith, Sologitarre, Seb Rochford aus London, Schlagzeug. Bei Jackson Smith aus Detroit handelt es sich um ihren Sohn, wie sie, ganz stolze Mama die in New York lebe, erläuterte. Gegen Schluss mit «Beneath the Night» und «Gloria» ins rockige, fast in eine Jam Session wechselnde Performance, gefeiert von einem stehend mitfeiernden Publikum.
Stimmung wie an einem Open Air Happening aus der „Flower Power Zeit“
Schon lange vor dem letzten Song standen, klatschten und tanzten alle im fast ausverkauften Konzertsaal, eine beachtliche Anzahl davon hüpften gar vor der Bühne, wie an einem Open Air Happening. Als Zugabe gabs dann noch „People Have The Power“ und eine fast nicht enden wollende stehende Ovation des begeisterten Auditoriums, das einmal mehr der fast Schamaninnen artig wirkenden Ikone Patti Smith zu Füssen stand und jubelte.
Andere Stimmen zu Patti Smith
Banga, Buch von Patti Smith
„Auf der Bühne, als Musikerin ist Patti Smith sanfter geworden mit den Jahren, doch nicht weniger eindringlich. Ihr waffenloser Aufruf ‚People have the Power‘, den sie bei ihren Auftritten nie weglässt, ist nicht Schlachtengesang, vielmehr die Hymne für einen Wunsch, der ihrer tiefen Religiosität entspringt, zu der sie sich seit den frühen Jahren in ihren Auftritten bekennt. Sängerin, Frontfrau, Performerin, Mystikerin, Dichterin, Malerin, Fotografin – Bilder-Macherin im schönsten Sinn des Wortes, das ist Patti Smith. Es gibt keine wie sie in unserer Gegenwart, sorgsame Sammlerin und Bewahrerin im Reich der Toten und der Lebenden, Begleiterin in der Wirklichkeit und in den Träumen.“ (Rose-Marie Gropp in der „FAZ“).
Zitat Jan Küveler (welt.de): Mit seltsam transzendenter Wut: Die Punk-Ikone Patti Smith beweist, dass man in Würde altern kann.
Zitat der Veranstalter (blueballs.ch) Das TIME Magazin zählt die Rock-Ikone der 70er Jahre zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Gegenwart.
Kurz vor ihrem 70. Geburtstag trug Patti Smith bei der Nobelpreisverleihung in Stockholm Bob Dylans Song „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ vor, und ihr herzergreifender Vortrag ist mittlerweile legendär – das Abbrechen, das neue Ansetzen, „ich hatte nicht den Text vergessen, den ich völlig verinnerlicht habe. Ich war einfach unfähig, ihn zutage zu fördern“, schrieb sie in einem Essay im „New Yorker“.
Blueballs Festival 2017, Xavier Naidoo, 21. Juli 2017