Zum Hauptinhalt springen

Lifestyle

MAMMA MIA! – Das Musical in Hamburg, 16. Mai 2023, besucht von Léonard Wüst

Donna in der Mitte und ihre Freundinnen Foto Brinkhoff-Moegenburg
Donna in der Mitte und ihre Freundinnen Foto Brinkhoff-Moegenburg

Besetzung
Featured Ensemble Priester, Cover Sam, Cover Harry Gerd Achilles
Robin ApostelvEnsemble, Cover Donna, Cover Tanja, Cover Rosie Rachel Bahler
Swing, Cover Eddie René Becker Ensemble, Cover Ali Jara Buczynski
Swing, Cover Pepper Jack Butcher
Ensemble, Cover Rosie Rachel Colley
Ensemble, Cover Donna, Cover Tanja Kristel Constant
Swing, Cover Ali, Assistant Dance Captain Chiara Cook
Ensemble Laura May Croucher
Swing Lucy-Marie Fitzgerald
Ensemble Shari Gall
Swing, Cover Sky Fabian Kaiser
Ensemble, Cover Sam, Cover Bill, Cover Priester Mischa Kiek
Ensemble, Cover Eddie Pablo Martinez-Garcia
Swing, Cover Lisa Luisa Ofelia Montero de la Rosa
Ensemble, Cover Sophie Paula Niederhofer
Swing, Assistant Choreographer, Dance Captain Kevin Hudson
Ensemble, Cover Pepper Kevin Schmid
Ensemble, Cover Sky Nico Schweers
Ensemble, Cover Harry, Cover Bill, Priester René Siepen
Swing, Cover Lisa Céline Vogt

 

Sehr gut erreichbar mit dem ÖV direkt gegenüber der S-Bahn-Station Holsten Strasse befindet sich das, schon äusserlich sehr imposante Stage Theater Neue Flora

Das wohl populärste Popmusical zurück in Hamburg

Rose-Anne van Elswijk als Sophie und die Darsteller Tetje Mierendorf (M) als Bill und Ramin Dustdar als Harry
Rose-Anne van Elswijk als Sophie und die Darsteller Tetje Mierendorf (M) als Bill und Ramin Dustdar als Harry

Es ist ein Comeback der guten Laune! Das Musical „Mamma Mia!“ ist nach fast genau 20 Jahren an den Ort seiner deutschsprachigen Erstaufführung, damals am 3. November 2002 im Operettenhaus, aktuell im Stage Theater Neue Flora, nach Hamburg zurückgekehrt.

Viel hat sich getan in den letzten zwei Jahrzehnten. Während damals noch die Meinung vorherrschte, dass man die weltberühmten Songtexte von ABBA nicht auf Deutsch bringen könne, wurde Musical-Deutschland längst eines Besseren belehrt. Die deutschen Texte von Michael Kunze (Songs) und Ruth Deny (Dialoge) funktionierten bereits damals großartig und tun es noch heute – inzwischen wurde die Show weltweit sogar bereits in 16 verschiedenen Sprachen aufgeführt.

Was die Show in den letzten Jahren verändert hat – das wird auf der riesigen Bühne der Neuen Flora mehr als deutlich – , ist die Ausstattung (Mark Thompson). Das Bühnenbild ist kleiner als bei der Deutschlandpremiere 2002, bewegt sich nicht mehr vollautomatisch, sondern wird geschoben. Zudem gibt es den hydraulischen Steg und die einst in den Bühnenboden eingelassenen blinkenden Kacheln schon seit Jahren nicht mehr. Das ist schade für all diejenigen, denen die Show aus 2002 noch gut in Erinnerung ist, tut der Show insgesamt aber natürlich keinen Abbruch.

Was immer bleibt sind die zeitlosen Songs der schwedischen Band

Donna und die Dynamos Foto Brinkhoff Moegenburg
Donna und die Dynamos Foto Brinkhoff Moegenburg

Auf der Habenseite ist immerhin die zeitlose Musik von ABBA, die von der siebenköpfigen Band unter der Leitung von Hannes Schauz frisch interpretiert wird. Ohnehin ist „Mamma Mia!“ immer noch eines der besseren Jukebox-Musicals, denn in wohl kaum einer anderen Compilation-Show wurden die Handlung und die Hits einer Band so gekonnt miteinander verwoben. Dramaturgisch ist die Produktion deshalb wirklich stark, die Handlung – Sophie sucht vor ihrer Hochzeit ihren Vater und findet dabei heraus, dass insgesamt drei Verflossene ihrer Mutter in Frage kommen – ist nach wie vor äußerst unterhaltsam.

Mamma Mia Szenenfoto
Mamma Mia Szenenfoto

Erfreulich ist, dass inzwischen immer diverser gecastet wird. So stehen auch in „Mamma Mia!“ unglaublich tolle Menschen verschiedenster Identitäten und Ethnien auf der Bühne, die eine intensive Leistung bringen.  Sabine Mayer sticht als Donna aus der Darstellerriege hervor. Schauspielerisch gibt sie die allein erziehende Mutter und Hotelbetreiberin authentisch. Ihre Mimik sowie Gestik und besonders Donnas Gefühlsschwankungen nimmt man Mayer zu jeder Sekunde ab. Dass sie auch noch ganz hervorragend singt – ihre Interpretation des Songs „Der Sieger hat die Wahl“ ist der stärkste Moment des Abends – macht ihre Darstellung perfekt. Ihr absolut ebenbürtige Bühnenpartnerinnen sind Jennifer van Brenk als Tanja und Franziska Lessing als Rosie, die ihren Rollen herrlich absurde Profile verleihen und zusammen mit Sabine Meyer ein starkes Trio bilden.

Nicht weniger stark agieren Sascha Oliver Bauer als Sam, Ramin Dustdar als Harry und Tetje Mierendorf als Bill. Hier hat man drei sehr überzeugende Schauspieler verpflichtet, die jedem der drei möglichen Väter einen eigenen Stempel aufdrücken. Bauers Sam glüht noch immer für seine Donna und sorgt sich rührend um seine mögliche Tochter Dustdar gibt einen sympathischen Harry „Headbanger“ und der Hüne Mierendorf erweist sich geradezu als Idealbesetzung für den von ihm wunderbar knurrig dargestellten Abenteurer Bill, der jetzt nicht mehr aus Australien kommt, sondern von St. Pauli.

Und um dieses Paar dreht sich alles

Mamma Mia Szenenfoto
Mamma Mia Szenenfoto

Rose-Anne van Elswijk, die mit ihrem strahlenden Sopran in Songs wie „Mich trägt mein Traum“ oder „Honey, Honey“ verzaubert, punktet als Sophie mit jugendlicher Leichtigkeit und erfrischendem Schauspiel. Ihr zur Seite steht Robin Reitsma, der einen genauso smarten wie coolen Sky gibt und mit seiner klangschönen Stimme begeistert. Auch das Zusammenspiel von ihm und van Elswijk gelingt sehr gut – besonders in der Nummer „Leg dein Herz an eine Leine“. Das lässt auch beider leicht niederländischer Akzent vergessen.

Sehr gut besetzte Nebenrollen

Donna und die Dynamos voll im Schuss
Donna und die Dynamos voll im Schuss

Ein gelungenes Musical-Debüt gibt Benjy Stevens als Pepper, der seinen großen Auftritt im Song „Wenn das Mami wüsst“ hat und dort neben Jennifer van Brenks Vamp namens Tanja bestehen kann. Mit locker-authentischem Spiel glänzen zudem Samuel Hoi-Ming Chung als Eddie, Lyssa Tejero als Ali und Bathoni Buenorkuor als Lisa.

Taufrische, dynamische Choreografie

Mamma Mia Szenenfoto
Mamma Mia Szenenfoto

Was nichts an Genialität eingebüßt hat, ist die spritzig-dynamische Choreografie von Anthony van Laast. Auch nach all den Jahren wirkt diese noch immer genauso frisch wie genial. Einen frischen Touch hat Regisseur Paul Garrington außerdem der Originalinszenierung von Phyllida Lloyd verpasst, was vor allem bei der Rollenzeichnung von Donna und den Dynamos auffällt. So zeigt sich „Mamma Mia!“ nach 20 Jahren frischer denn je in der Stadt, in der 2002 der deutsche Erfolgsweg der Show begann.

„Mamma mia, es geht schon wieder los…“ lautet die erste Refrain Zeile des ABBA-Welthits in der deutschen Musical-Fassung. Das Revival des Revival-Musical verführt, nimmt gefangen und verbreitet ausgelassene Freude, der sich praktisch niemand im Saal entziehen kann. Der Abend endet mit Standing Ovations bei den Zugaben – inklusive „Waterloo“.

Dezent aktualisiert, schön wie eh und je

Mamma Mia Szenenfoto
Mamma Mia Szenenfoto

Sensationell sind die Kostüme, die von schlicht und schlabbrig bis zu glitzernd und glänzend die späten Siebziger- und den ABBA-Look der Achtzigerjahre auferstehen lassen, die späten Jahre der Akustik-Gitarren an südlichen Stränden und die Welten der Discokugel. Das war die Zeit, in der ABBA ihre größten Hits kreierten. Säule des Musicalerfolgs sind neben den Hits von Björn Ulvaeus und Benny Andersson sowie tollen Choreografien von Anthony van Laast – mit starken Chorbildern und einem Spitzen-Froschmannballett – die schauspielerischen und sängerischen Leistungen der Hauptdarsteller.

Die Helden auf der griechischen Fantasie-Insel Kalokairi spielen in der Regie von International Associate Director Paul Harrington erfolgreich eine – streckenweise schrille – volkstümliche Inselkomödie mit selbstironischen Elementen. Auch wurden die feministischen Textstrecken von damals, die heute leicht verstaubt wirken könnten, behutsam an unsere Tage angepasst – so spricht eine Darstellerin in aktuell gebräuchlichem Genderspeech schon mal von ihren „Kolleg*innen“

Mayer, van Brenk und Lessing rocken die Flora

Mamma Mia Szenenfoto
Mamma Mia Szenenfoto

Emotional bewegend und komisch glänzen die drei alten Freundinnen: Sabine Mayer als Donna, Jennifer van Brenk als Tanja und Franziska Lessing als Rosie. Die Requisite und der Regisseur lassen die drei mit allem spielen, was ihnen in die Finger fällt, vom Obst aus einem Korb, über den Fön und den Blumenstrauß als Mikrofonen bis hin zu den Original-80er-Utensilien, die Donna in einem alten Koffer unter dem Gästebett verwahrt – mit Blumengirlande und einem alten Plakat der drei Damen, die zwei Dekaden zuvor als „Donna & The Dynamics“ auf dem griechischen Festland begeisterten und stimmlich immer noch auf der Höhe sind.

Die Musicalgeschichte erzählt, wie der später entstandene Film mit Meryl Streep als Donna, die Geschichte der alleinerzogenen Tochter Sophie (sängerisch und tänzerisch stark: Rose-Anne van Elswijk), deren Mutter Donna nicht weiß, ob nun Bill (bärig komisch: Tete Mierendorf) oder Harry (witzig rührend: Detlef Leistenschneider) oder Sam (liebenswert ernsthaft: Sascha Oliver Bauer) der Vater von Sophie ist. Als Sophie im Vorwege ihrer Hochzeit mit ihrem Freund Sky (tapfer dauerlächelnd: Robin Reitsma) alle drei einlädt, weil sie deren Namen im Tagebuch der Mutter gefunden hat, ist das Chaos perfekt. Dabei wüsste sie doch so gern, wer ihr Vater ist.

Mitreißende ABBA-Hits von der Liveband

Mamma Mia Szenenfoto
Mamma Mia Szenenfoto

Nach allerlei neuen und verwirrenden Gefühlslagen, die sich in insgesamt 19 ABBA-Hits von „Honey, Honey“ über „Thank You for the Music“, „Dancing Queen“, „Super Trouper“ bis zu „Knowing me, knowing you“ und natürlich den Titelsong „Mamma Mia“ spiegeln, kommt es zum Happy End für alle Beteiligten. Die Live-Band unter Leitung von Hannes Schauz macht ihre Sache in der Neuen Flora erstklassig, wobei die Musiker nicht im Bühnengraben, sondern im Nebenraum sitzen und der Dirigent per Kamera auf Monitore im Saal übertragen wird.

Knallig bunte, fulminante Zugaben

Fulminante Zugaben gabs zum Dank für die Standing Ovation, beginnend mit dem titelgebenden Song „Mamma mia“, der „Dancing Queen“, dazu noch einmal großartige Tanzeinlagen des Gesamtensembles zum finalen „Waterloo“ Tutti, für das sich die sechst Hauptfiguren, zum Gaudi des Publikums, in den Original Abba Kostümen präsentierten. Eine Show ohne jegliche Durchhänger, mitreißend von der ersten bis zur letzten Sekunde.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos:

Léonard Wüst und  Stage Entertainment/ Brinkhoff-Moegenburg  https://www.stage-entertainment.de/theatervermietung/stage-theater-neue-flora-hamburg

Homepages der andern Kolumnisten:  www.gabrielabucher.ch  www.herberthuber.ch  www.maxthuerig.ch  www.marinellapolli.ch

Stage Theater Neue Flora

MAMMA MIA

Stage Theater Neue Flora Innenraum

Rose-Anne van Elswijk als Sophie und die Darsteller Tetje Mierendorf (M) als Bill und Ramin Dustdar als Harry

Donna und die Dynamos voll im Schuss

Mamma Mia Szenenfoto

Mamma Mia Szenenfoto

Mamma Mia Szenenfoto

 

  • Aufrufe: 179

SWR Symphonieorchester Teodor Currentzis, Leitung KKL Luzern, 26. Mai 2023, besucht von Léonard Wüst

SWR Symphonieorchester
SWR Symphonieorchester

Besetzung und Programm:
SWR Symphonieorchester
Teodor Currentzis  Leitung
R. Wagner * Lorin Maazel (Bearbeitung Lorin Maazel)
«Der Ring ohne Worte». Ein orchestrales Abenteuer
Das Rheingold, Die Walküre, Siegfried, Götterdämmerung

Teodor Currentzis dirigierte das SWR-Symphonieorchester, auf dem Programm standen sinfonische Opernparaphrasen von Richard Wagner, nämlich Lorin Maazels
Der Ring ohne Worte: Diese paar Fakten reichen aus, um den Ausnahmerang des Konzertes zu verdeutlichen. Wagner selbst sah sich selbst als legitimen Nachfolger Beethovens und so liegt es nahe, Wagners Musik einmal rein sinfonisch aufzufassen. Currentzis liebt solche historischen Verweise und macht sein ganz eigenes Ding daraus, wie man das vom genialen Griechen gewohnt ist.

Keine Symphonien des Musikgenies Richard Wagner?

Theodor Currentzis Dirigent
Theodor Currentzis Dirigent

Bereits Wagners Zeitgenossen beklagten, dass dieser große Musikdramatiker keine Symphonien komponiert hat und somit den nicht an Opernhäusern beschäftigen Dirigenten und Orchestern nur eine sehr schmale Auswahl an Vorspielen und Ouvertüren zu ihrer musikalischen Verfügung hinterliess. Lorin Maazel, selbst Dirigent, hat diesem Desiderat einst mit seinem Arrangement Ring ohne Worte abgeholfen, einer gut auf einer CD unterzubringenden Kompilation der vier großen Musikdramen Wagners, die in dieser Fassung im Grunde wirken wie eine lange, vielgestaltige Symphonie: eine schöne Sache für Wagnerianer, die gerade keine 16 Stunden Zeit haben, um einmal wieder (fast) alle Motive zu hören; eine feine Einführung für Einsteiger ins Wagner-Universum. Und Maazel hat hier tatsächlich ausschließlich Musik von Wagner verbaut, da er sich u.a.selbst auferlegt hatte, keine einzige Note dazu zu komponieren.

Die Musiker*innen des zahlenmässig  äusserst grossen Orchesters ca. 100 Mitwirkende auf der Konzertbühne, darunter allein vier Harfen und neun Kontrabässe, waren, wie bei Teodor Currentzis üblich und wie man es schon bei seinem Projekt «musicAeterna Orchestra» immer wieder sehen konnte, alle ganz schwarz gekleidet.

«Das Rheingold»

Dirigent Theodor Currentzis zeigt wos lang geht
Dirigent Theodor Currentzis zeigt wos lang geht

Mit Rheingold war der Start ins Abenteuer für Wagnersche Verhältnisse fast sanft, trotzdem düster mystisch, ein Genre, das Currentzis natürlich mit allen Facetten auslotete, wobei hier das ausloten am richtigen Ort steht, lotet man den Rhein ja noch immer aus, manchmal gar bei der Suche nach dem legendären Gold. So lässt er akustisch die Rheintöchter Floßhilde, Wellgunde und Woglinde auftreten. Diese naiven Naturwesen, die einen zauberhaften Schatz besitzen und in der Tiefe des Flusses hüten – das Rheingold.

Der Ausführenden Galopp durch den Konzertsaal

Dirigent Theodor Currentzis kommuniziert mit seinem Orchester sehr intensiv und persönlich.
Dirigent Theodor Currentzis kommuniziert mit seinem Orchester sehr intensiv und persönlich.

Wie Currentzis bei der «Walküre» mit seinem Orchester die Dramatik kontinuierlich aufbaute, schon der Tremolo-Auftakt zu Beginn hatte mehr Feuer als das gesamte vorherige «Rheingold». Danach legt er über die gesamte Strecke ein Tempo vor, das es in sich hatte. Da gelingen tolle Akzente und Farben zwischen den Instrumentengruppen frei nach dem Motto: gleich weiter. Und wie die Musiker*innen dann durch den Konzertsaal brausten, schlicht Extraklasse, da wurden Erinnerungen wach an: Kampfhubschrauber nähern sich einem vietnamesischen Dorf, aus ihren Lautsprechern dröhnt Richard Wagners “Walkürenritt”. Im Zusammenspiel mit den wahnsinnig anmutenden Bildern entfaltet die Musik eine bedrohliche Stimmung in Francis Ford Coppolas Antikriegsfilm “Apocalypse Now” (1979) und hat so den Ritt der Walküren zum populären Hit unter den Wagner-Kompositionen gemacht. https://youtu.be/hn37QfXw1-E?t=5  Das Auditorium fasziniert und weg vom musikalisch Gebotenen, aber auch vom Charisma und der Aura die dieser unglaubliche Spielleiter verbreitet und wie er seine Mistreiter*innen motovieren und mitreissen kann.

«Siegfried»

Etwas ruhiger gings dann weiter, alle im Saal noch irgendwie atemlos, aber nicht durch die Nacht wie bei Helene Fischer, sondern durch den Ring des Nibelungen bei Wagner und Currentzis.Die sehr hohen Tempi behält er zwar bei, aber er setzt sie gezielter ein, bündelt die Kräfte und gibt sie mit breiter Klangfarbenpalette, aber weniger Lautstärke, wieder. Bleibt das, vorläufige, Happy End: Mit Siegfried ist ein neuer Held ist geboren: Der furchtlose Siegfried fügt das zerstörte Schwert “Nothung” zusammen und erlegt den Drachen Fafner. So kommt er in Besitz des Nibelungen-Rings und gewinnt zudem Brünnhilde

Die finale «Götterdämmerung»

Dirigent Theodor Currentzis formt die Musik auch gestenreich
Dirigent Theodor Currentzis formt die Musik auch gestenreich

Wagner zitiert in der „Götterdämmerung“ viele Motive aus den andern drei Ringopern und fügt so alles zu einem schlüssigen Ganzen, eben einem Ring, wie es hier auch der Dirigent mit grossen Gesten und viel Körpereinsatz, meist in leicht gebückter Haltung, perfekt vollbrachte. Der fast unendlich scheinende dramaturgische Aufbau bis zum finalen Finale führt über viele lautstärkemässige Steigerungen, etliche abrupte tonale Schritte ins Nichts, Wiederaufbau der Spannung inklusive kurzer Solosequenzen einzelner Stimmen oder Register, Currentzis schält sämtliche Feinheiten der Partitur heraus, feilt an Nuancen, lässt uns, auch visuell an seiner Vorgehensweise teilhaben, bindet so das Publikum noch weiter als üblich ein, lässt uns fast vor Spannung platzen und schlussendlich dämmert es nicht nur den Göttern, dass Wagner uns da vorführt indem er die fast unerträgliche Spannung in einem fade out auflöst, also nichts mit finalem Donner und Getöse. Das wissen natürlich die Wagnerianer und den andern wurde es meisterlich vor Augen, respektive vor Ohren geführt.

Fazit

Einmal mehr ein hochklassiges Konzert in der Konzertreihe des https://www.migros-kulturprozent-classics.ch/

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos:  Léonard Wüst und https://www.migros-kulturprozent-classics.ch

Homepages der andern Kolumnisten:  www.gabrielabucher.ch  www.herberthuber.ch  www.maxthuerig.ch  www.marinellapolli.ch

 

Die Musikerinnen geniessen die Standing Ovation

Teodor Currentzis, Leitung

Dirigent Teodor Currentzis und die Musikerinnen geniessen die Standing Ovation

  • Aufrufe: 99

Finale for Four Igor Levit | Fred Hersch | Johanna Summer | Mert Yalniz, KKL Luzern, 21.5.23, besucht von Léonard Wüst

Johanna Summer und Igor Levit lösen sich ab bei den Waldszenen Foto Priska Ketterer
Johanna Summer und Igor Levit lösen sich ab bei den Waldszenen Foto Priska Ketterer

Besetzung und Programm
Igor Levit Piano
Fred Hersch Piano
Johanna Summer Piano
Mert Yalniz Piano
Schumann | Beethoven | Improvisationen

Ankündigung der Lucerne Festivals

Igor Levit Weltklasse am Klavier
Igor Levit Weltklasse am Klavier

Igor Levit und sein Meisterschüler Mert Yalniz spielen klassische Werke, darunter Robert Schumanns Waldszenen und Ludwig van Beethovens Sonata Appassionata. Johanna Summer und Fred Hersch antworten darauf mit Improvisationen. Am Ende musizieren sie gemeinsam: Lassen Sie sich überraschen!

Igor Levit interpretierte Schumanns hochromantische «Waldszenen»

Johanna Summer Foto  Gregor Hohenberg
Johanna Summer Foto Gregor Hohenberg

Ihm gegenüber nahm die, 1995 in Plauen als Johanna Summerer geborene, mehrmalige Preisträgerin beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ und „Jugend jazzt“, Platz.

Sie übernahm jeweils, nach einer kurzen Pause, wenn Levit eine der Szenen fertig gespielt hatte und improvisierte über diese, wobei sie der traditionellen Improvisation treu blieb, also nicht etwa verswingte im Sinne von verjazzte, was eher zu erwarten war.

Mert Yalniz zelebriert Beethovens «Sonata Appassionata»

Mert Yalniz intonierrt Beethoven Foto Priska Ketterer
Mert Yalniz intonierrt Beethoven Foto Priska Ketterer

Der kraushaarige Mert Yalniz, 2003 in Niedersachsen geboren, ist ein Meisterschüler Igor Levits und absolviert gerade dessen Klavierklasse an der Musikhochschule Hannover, aber er komponiert auch. An den Flügel gegenüber setzte sich  Fred Hersch, der mit seinem Jazz Trio zwei Tage vorher eine Night Session, im Rahmen des Klavier Festes, im Konzertsaal spielte.

Die «Appassionata»

Fred Hersch Avantgarde am Klavier
Fred Hersch Avantgarde am Klavier

“Leidenschaftlich-düster”, dieses Prädikat erhält die Sonate oft in den Konzertführern. Darüber mag man streiten. Nicht aber über das unbändige Temperament, das sie verströmt.

Ein Temperament, gepaart mit klarer Pointierung und  kraftvoll gesetzten Harmonien,  Yalniz demonstrierte Werkstreue und überliess andere Interpretationen seinem gegenüber Fred Hersch, der sich, so kam es mir aber rüber, bei der ganzen Sache nicht so ganz wohl fühlte.

Keine Frage, dass alle Beteiligten aussergewöhnlich gut Klavier spielen

Die vier Ausführenden bei der Zugabe Foto Priska Ketterer
Die vier Ausführenden bei der Zugabe Foto Priska Ketterer

Das Ganze aber hing irgendwie in der Luft, etwas zusammenhangslos. Eine Verbindung wäre erreicht worden, wenn der Interpret des Originals die letzten Anschläge einer Sequenz quasi fliegend übergeben hätte, die Improvisierenden, ich nenns jetzt mal so, den Ton Faden aufgenommen und weitergesponnen, damit quasi fliessend in die Improvisation überführt hätten.

Die Künstlerinnen danken für die Standing Ovation Foto Priska Ketterer
Die Künstlerinnen danken für die Standing Ovation Foto Priska Ketterer

Dem Publikum schien es aber zu gefallen, obwohl sich wahrscheinlich die wenigsten darüber im Klaren waren, was sie erwarten würde. Der stürmische, langanhaltende Schlussapplaus bewirkte dann auch, dass das geschah, was sich die meisten erhofften, nämlich, dass alle vier sich an die Flügel setzten, Hersch und Yalniz an den linken, Summer und Levit an den rechten. Zu vieler Enttäuschung zündeten  die Protagonist*innen dann aber kein Schlussbouquet, sondern begnügten sich mit ein paar Anschlägen und Takten  aus Wolfgang Amadé Mozarts zwölf Variationen über das französische Kinderlied «Ah vous dirai-je Maman». So erlebten wir halt ein aussergewöhnliches Konzert der etwas anderen Art und die Absetzung des 1998 gegründeten, 9 Tage im November dauernden und 2019 leider ersatzlos gestrichenen Lucerne Festivals am Piano wurde einem einmal mehr schmerzhaft bewusst.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Patrick Hürlimann  www.lucernefestival.ch

Homepages der andern Kolumnisten:  www.gabrielabucher.ch  www.herberthuber.ch  www.maxthuerig.ch  www.marinellapolli.ch

Igor Levit spielt Schumanns Waldszenen Foto Priska Ketterer

Johanna Summer improvisiert Schumann Foto Priska Ketterer

Mert Yalniz intoniert Beethoven Foto Priska Ketterer

Fred Hersch improvisiert Beerthoven Foto Priska Ketterer

Die vier Ausführenden bei der Zugabe Foto Priska Ketterer

Die Künstler*innen danken für die Standing Ovation Foto Priska Ketterer

 

 

Igor Levit Weltklasse am Klavier

Mert Yalniz jung aber oho

Johanna Summer sensible Interpretin Foto Gregor Hohenberg

Fred Hersch Introvertierte Avantgarde am Klavier

  • Aufrufe: 150

Lucerne Festival Fred Hersch Trio, KKL Luzern, 19.05. 23, besucht von Léonard Wüst

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Besetzung und Programm
Fred Hersch, Klavier
Clemens van der Feen,
Bass  Joey Baron, Schlagzeug
Musik von Fred Hersch, Thelonious Monk und aus dem Great American Songbook

Zu den Ausführenden

Pianist Fred Hersch, der Bassist Drew Gess und der Schlagzeuger Joey Baron zählen nicht nur seit Jahrzehnten zu den Fixsternen der Jazzszene. Sie verbindet auch – in unterschiedlichen Konstellationen – eine ebenso lange künstlerische Partnerschaft.

Zum Pianisten

Er ist nicht nur ein musikalisches Wunder, sondern auch ein medizinisches: Nach einem Koma, aufgrund seiner Aids Erkrankung im Jahr 2008, musste Fred Hersch das Klavierspielen neu erlernen, heute zählt er zu den wichtigsten Vertretern des zeitgenössischen Jazz.

Das Konzert

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Um Punkt 22.00 Uhr enterten drei hagere Männer die Bühne, wo ihre Instrumente schon bereitgestellt waren zu dieser, für das Lucerne Festival, doch recht späten Zeit.

Kaum hingesetzt scherzte Hersch etwas Richtung Publikum er war aber nur schwer verständlich, nuschelte er doch auf englisch etwas vor sich hin und erklärte, dass man mit einem Stück des englischen Komponisten Ken Miller ins Konzert starte.

Die ersten Stücke waren sich dann sehr ähnlich, etwas monoton und Hersch (1955*) bewegte sich praktisch nur über 2 Oktaven, spielt er doch meist auf der linken, „dunkleren“ Seite der Tastatur. Drummer Joey Baron (1955*) bearbeitete seine diversen Chinellen und Trommeln sehr zurückhaltend, zuerst fast ausschließlich mit bloßen Händen, hie und da benutze er auch die Besen und der jüngste im Bund, Bassist Clemens van der Feen (1980*) tat, was ein Bassist eines Jazztrios eben so tut.

Eigentlicher Auftakt mit Eigenkompositionen

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Richtig los gings eigentlich erst mit den Eigenkompostionen meist aus dem Album „Floating“ des Pianisten, besonders hervorzuheben seine „Sarabande“ und mit Werken seines langjährigen Weggefährten Thelonious Monk und die drei entwickelten sich langsam zu einem richtigen „Piano Bar Trio“.

 

 

 

 

 

 

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Hochkonzentriert interagierend, bisweilen mit geschlossenen Augen in die Grooves hineinspüren und sich vom sanft Lyrischen ins furios Rhythmische reinschaffen, ab und zu garniert mit virtuosen Bassläufen, kurzem Drum Solo, wobei Hersch immer sehr ernst rüberkam, demgegenüber Drummer Joey Baron öfters mit dem Publikum augenzwinkernd flirtete und van der Feen den Bass Steg rauf und runter turnte.

 

 

 

 

 

Unterordnung der Egos zugunsten der Kunst des Musizierens

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Die Qualität der drei auf der Bühne agierenden besteht darin, ihre Fähigkeiten ganz in den Dienst ihrer linearen Kunst stellen. Die ist geprägt von einer lakonisch klaren, aus einer unerschöpflich scheinenden Fülle von Einfällen gespeisten Melodieführung und einer ebenso farbenreich raffinierten Harmonik. Dank diverser eingestreuter Soli, vom Publikum umgehend mit Szenenapplaus verdankt,  kamen die Musiker trotzdem zu persönlichen «Erfolgserlebnissen», die sie aber grundsätzlich dem Ganzen unterordneten.

Zitat Fred Hersch «Nach 40 Jahren weiss ich nun, wie Jazz sein sollte «sich einfach hinsetzen und es passieren lassen. Es geht nicht darum, alles zu rekapitulieren, was du weisst, sondern dorthin zu gehen, wo du noch nie warst.»

Resümee

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann
Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Das Trio beeindruckt bei den Hersch-Kompositionen, darunter die fast comichafte Stop-and-Go-Nummer „Snape Maltings“, ebenso wie beim Rodgers & Hammerstein-Klassiker „A Cockeyed Optimist“ oder den wunderbaren Verbeugungen vor Thelonious Monk, die den offiziellen Teil des Konzerts beendet.

Erstaunlich jedenfalls, dass Fred Hersch, bereits zehnmal für einen Grammy nominiert und mit seinem Trio unlängst vom Fachmagazin „Downbeat“ als Band des Jahres ausgezeichnet, bei uns immer noch im Schatten von Brad Mehldau steht – der übrigens lange Zeit sein Schüler war. Hersch, van der Feen und Baron haben mit ihrem gefühlvollen (aber nie gefühligen) Jazz unbedingt ebenfalls die ganz große Bühne verdient.

Die erklatschte Zugabe zelebrierten die drei mit einer äusserst sanften, sehr gefühlvollen Adaption von Bernstein’s «Somewhere» aus dessen «West Side Story».

Schöne Erfahrung und Gelegenheit für das Auditorium, das *Lucerne Festival» mal auf eine nichtklassische Art zu erleben und dank dem nicht erlahmenden Schlussbeifall gewährten die Protagonisten noch eine weitere Zugabe.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Patrick Hürlimann  www.lucernefestival.ch

Homepages der andern Kolumnisten:  www.gabrielabucher.ch  www.herberthuber.ch  www.maxthuerig.ch  www.marinellapolli.ch

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

Klavier Fest Konzertfoto 19.05.2023 Fred Hersch Trio von Patrick Hürlimann

 

 

  • Aufrufe: 106