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Lebenswelten sorbischer Jugendlicher im deutsch-tschechischen Grenzgebiet nach 1945

Eine Tafel des Lehrpfads "Warnoćicy. Sorbische Spuren" vor dem Gymnasium Varnsdorf  Vanessa Sauer  © Sorbisches Institut (2024)
Eine Tafel des Lehrpfads "Warnoćicy. Sorbische Spuren" vor dem Gymnasium Varnsdorf Vanessa Sauer © Sorbisches Institut (2024)
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Das ist ein bislang wenig erforschtes Thema der ostmitteleuropäischen
Geschichte. Ein von der DFG gefördertes Projekt erforscht es nun
(2025-2027) am konkreten Beispiel sorbischer Jugendlicher, die zwischen
1945 und 1950 zur Ausbildung in die Tschechoslowakei geschickt wurden.



Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen nach den sozialen und kulturellen
Bedingungen, unter denen die Jugendlichen lebten und lernten, aber auch
nach ihren individuellen Handlungsspielräumen in einer Zeit tiefgreifender
politischer und gesellschaftlicher Umbrüche. Das Projekt von Dr. Jana
Piňosová, Historikerin am Sorbischen Institut, beleuchtet nicht nur die
organisierten Ausbildungswege, sondern auch die Erfahrungen, Erwartungen
und alltäglichen Herausforderungen der Jugendlichen selbst. "Ziel ist es",
so die Projektleiterin, "neue Perspektiven auf die Nachkriegsgeschichte im
ostmitteleuropäischen Raum zu eröffnen. Dabei interessiert mich die Sicht
junger Menschen, die grenzüberschreitend in Bewegung waren und deren
Lebenswege bislang weitgehend im Schatten der großen Geschichte standen."

Im dreijährigen Forschungsprojekt plant Dr. Jana Piňosová zwei Workshops
mit Kooperationspartnern aus Deutschland (GWZO, Collegium Carolinum) und
Tschechien (Karlsuniversität Prag, Masary-Universität Brünn). Abschließen
wird sie ihr Forschungsprojekt mit einer Monografie. – Das Projekt knüpft
an bestehende Arbeiten und Erfahrungen am Sorbischen Institut an –
insbesondere an das Projekt Lehrpfad Warnoćicy, das in
grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren
und Schülern realisiert wurde und neue Wege der historischen
Bildungsarbeit erschloss.

"Seit den 1990er Jahren nehmen die Erfahrungen aus dieser
grenzüberschreitenden Schul- und Internatszeit einen festen Platz in der
sorbischen Erinnerungskultur ein – und doch ist dieses Kapitel bis heute
nur bruchstückhaft dokumentiert und wissenschaftlich kaum aufgearbeitet",
stellt Jana Piňosová fest. So widmete sich 1993 eine Ausstellung im
Sorbischen Museum und im Museum in Česká Lípa dem Thema. Ende der 1990er
Jahre publizierten sorbische Zeitungen zwei Serien mit Erinnerungen ab.
Und der Schriftsteller Jurij Koch verarbeitete seine Erlebnisse in
Varnsdorf literarisch (s.u.).

Hintergrund:

Nationale Elitenbildung war das erklärte Ziel einer tschechisch-sorbischen
Bildungsinitiative, die sich unmittelbar nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs in der Tschechoslowakei formierte. Getragen wurde sie vom
tschechischen Schulverein (Ústřední matice školská), dem Lausitzer
Freundesverein (Společnost přátel Lužice), dem Lausitzisch-Sorbischen
Nationalausschusses (dem Gremium der Exil-Sorben in Prag) sowie von
sorbischen Gruppen in der Tschechoslowakei – maßgeblich unterstützt von
der wiedergegründeten Domowina in Bautzen.

Ende 1945 startete das Schulbildungsprogramm mit Schulen und Internaten im
tschechischen Grenzgebiet, konkret in Varnsdorf, Česká Lípa und Liberec.
Mehr als zwei Hundert Mehrere Hundert sorbische Jugendliche im Alter von
11 bis 17 erhielten so Zugang zur höheren Schulbildung. Rückblickend sehen
viele Beobachter in den sogenannten „Varnsdorfer Zeiten“ einen zentralen
Moment sorbischer Elitenbildung.

Das Forschungsprojekt Sorbische Jugend in der ČSR 1945–1950 wird gefördert
durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Projektnummer 540447822.
Projektzeitraum: 1.1.2025-31.12.2027

Weitere Informationen zu Vorgängerprojekten und -ergebnissen:
- Lehrpfad „Warnoćicy. Sorbische Spuren“ (Projektpartner: Sorbisches
Institut(Leitung), Gymnasium Varnsdorf, Sorbisches Gymnasium Bautzen,
Stadtbibliothek Varnsdorf, Museum Varnsdorf)
- Sammlung “Warnoćicy. Sorbische Spuren” im Wissensportal SORABICON

Erinnerungen von Jurij Koch in literarischen Werken:
-       Landung der Träume, 1982 (sorbische Ausgabe: 1983, Nawrót sonow)
-       Zabych ći něšto rjec, 2010 (deutsch: Das Feuer im Spiegel, 2012)

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Jana Piňosová <jana.pinosova@serbski-institut.de>

Originalpublikation:
https://id.culturegraph.org/K10Plus:1760371106 Interdisciplinarny projekt
Serbskeho instituta: Tuchwilny staw rěčespytnych a historiskich slědźenjow
= The Varnsdorf Generation - the Large, Small World of the Children from
Lusatia in Czechoslovakia : an Interdisciplinary Project at the Sorbian
Institute: Current State of Linguistic and Historical Investigations
[wissenschaftlicher Beitrag zu den ersten Forschungen]

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