Aufbruchstimmung in der Alzheimer-Forschung
Bei der Alzheimer Erkrankung lagern sich Eiweiße im Gehirn ab und
schädigen es. Prof. Dr. Susanne Aileen Funke von der Hochschule Coburg hat
eine Methode gefunden, die solche gefährlichen Eiweißverbindungen
verhindern soll. Es ist angewandte Grundlagenforschung – noch weit
entfernt davon, ein Medikament zu werden. Aber die bisherigen
Forschungsergebnisse sind vielversprechend und stoßen auf großes
Interesse. Die Coburger Wissenschaftlerin hat sie der Fachwelt bei der
diesjährigen Conference on Alzheimer’s and Parkinson’s Diseases (AD/PD)
präsentiert und erklärt sie einer breiten Bevölkerung in der Sendung 4you
von TV Oberfranken.
Wenn ein Mensch an Alzheimer erkrankt, verändert sich etwas im Gehirn:
Zwei köpereigene Proteine fangen an, sich auf eine spezielle Art
zusammenzuballen. Das Amyloid-beta-Peptid verbindet sich mit Peptiden der
gleichen Sorte und lagert sich zwischen den Nervenzellen als Plaques ab.
Und in den Nervenzellen beginnen Tau-Proteine, mit anderen Tau-Proteinen
so genannte Tangles oder Fibrillen zu bilden. „Als einzelnes Protein ist
Tau sehr wichtig für den Körper“, erklärt Prof. Dr. Susanne Aileen Funke
von der Hochschule Coburg. „Aber sobald es mit sich selbst aggregiert,
wird es sehr giftig.“ Nach einiger Zeit sterben die betroffenen
Nervenzellen. Alzheimer-Demenz ist eine neurodegenerative Erkrankung. Die
Betroffenen verlieren kognitive Fähigkeiten. Mehr und mehr Erinnerungen
werden gelöscht, Persönlichkeiten langsam zerstört.
Die Arbeitsgruppe der Coburger Molekularbiologin Funke forscht an kleinen
Eiweißwirkstoffen, Peptiden, die an das Tau-Protein binden. So wird
verhindert, dass Tau mit sich selber aggregieren kann. „Im Reagenzglas
funktioniert das und wir haben inzwischen erste Zellkulturversuche
durchgeführt.“ Von einem Medikament ist das noch weit entfernt: „Da müssen
noch einige Zellkulturversuche folgen und für die weitere Entwicklung
braucht es Kooperationspartner.“ Bis die Wirkstoffe in der Pharmaindustrie
weiterentwickelt und getestet werden, können Jahre, vielleicht Jahrzehnte
vergehen.
Was sich weltweit in der Alzheimer-Forschung tut
Funke berichtet von der 18th International Conference on Alzheimer’s and
Parkinson’s Diseases (AD/PD), einer der wichtigsten europäischen Tagungen
zum Thema mit 4700 Teilnehmenden aus über 70 verschiedenen Ländern. Die
renommierte Alzheimer-Forscherin der Hochschule Coburg hielt dort einen
Vortrag und leitete die entsprechende Session. „Die Atmosphäre war diesmal
anders, es herrscht eine Art Aufbruchsstimmung“, sagt sie. „Es ist ja so,
dass sehr, sehr lange keine neuen Medikamente zugelassen worden sind.“ Nur
die Symptome von Alzheimer konnten bisher behandelt werden. „Jetzt sind
aber beispielsweise in den USA erste Therapien zugelassen worden, die den
Krankheitsverlauf verändern können.“ Der Effekt ist allerdings nicht so
deutlich wie erhofft, die Medikamente sind teuer, haben Nebenwirkungen und
müssen in einer sehr frühen Phase der Krankheit verabreicht werden, was
nicht so einfach ist. Alzheimer wird ja meist erst diagnostiziert, wenn
die Symptome deutlich werden. Bis dahin sind durch die Krankheit aber
unbemerkt schon viele Schäden im Gehirn entstanden, denn sie beginnt viele
Jahre vorher. „Aber auch bei der Biomarker-Forschung, die bei der
frühzeitigen Diagnose hilft, tut sich etwas“, erklärt Funke. Ihre eigene
Forschung ist ein weiterer bedeutender Ansatz: Am Institut für Bioanalytik
der Hochschule Coburg wurde mit Methoden wie dem so genannten Phagen-
Display-Verfahren zwei D-Peptide gefunden, die an genau den richtigen
Stellen des Tau-Proteins andocken. D-Peptide bestehen aus D-Aminosäuren,
diese sind das räumliche Spiegelbild natürlicher L-Aminosäuren. Sie kommen
so in der Natur nicht vor und werden im Körper nicht so schnell wie
natürliche Peptide durch körpereigene Abwehrsysteme angegriffen.
Entscheidend für die gefährliche Verbindung mehrerer Tau-Proteine sind die
Hexapeptid-Motive PHF6* (Aminosäuren 275 bis 280 von Tau, Sequenz VQIINK)
und PHF6 (Aminosäuren 306 bis 311 von Tau, Sequenz VQIVYK). Funkes
Arbeitsgruppe fand dafür zwei ideale D-Peptide: MMD3 bindet an PHF6* und
ISAD1 an PHF6. Die Aggregation von Tau-Proteinen wird damit verändert.
Die Coburger Peptide verhindern die giftige Reaktion
„Wir haben die Fähigkeit der D-Peptide, an Tau zu binden und dessen
Fibrillierung zu verändern, durch biochemische, biophysikalische und
bioinformatische Methoden untersucht”, erklärt Funke. Außerdem wurde in
ersten Zellkulturexperimenten gezeigt, dass die D-Peptide von den Zellen
effizient aufgenommen werden und in der Praxis tatsächlich die giftige
Reaktion der Tau-Peptide hemmen. „Das kann sehr interessant für eine
Therapie von Alzheimer sein”, sagt die Professorin vorsichtig. Alzheimer
sei eine sehr komplexe Krankheit, bei der die Ursachen und Zusammenhänge
immer noch nicht ganz klar sind. Außerdem ist nicht gesagt, dass das, was
in Reagenzglas und Zellkultur passiert, genauso im Gehirn eines Menschen
läuft. „Es sind noch viele Schritte nötig, bis MMD3 und ISAD1 vielleicht
als Therapeutika für ein frühzeitiges Eingreifen in die Alzheimer-
Krankheit entwickelt werden.” Funke will keine falschen Hoffnungen
schüren: „Es kann immer ein Punkt kommen, an dem es kippt, an dem man
merkt: Hier funktioniert es doch nicht.“ Aber immerhin wurde bereits für
eine Reihe anderer D-Peptide gezeigt, dass sie nach oraler Verabreichung
die Blut-Hirn-Schranke überwinden – ein wichtiger Punkt, damit ein
Medikament in den Hirnzellen wirken kann. Alle Tests, alle Versuche, alle
Ergebnisse sind bisher positiv gelaufen. Jetzt sucht die Professorin erst
einmal die richtigen Partner, um das Thema weiter voranzutreiben. Wenn aus
der Forschung ein Medikament entwickelt wird, dauert das vielleicht dann
noch zehn, 15 Jahre. „Aber es sieht wirklich aus, als könnte was draus
werden.”
Beitrag von TV Oberfranken
Um die Alzheimerforschung an der Hochschule Coburg geht es am Mittwoch,
22. Mai, auch in der Sendung 4you auf TV Oberfranken: Zu sehen über Kabel
um 18.30 Uhr und über SAT (FrankenPlus) um 19.30 Uhr. Danach ist der
Beitrag in der Mediathek von TVO verfügbar:
http://www.tvo.de/mediathek/ka
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