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Psychische Gesundheit ist nicht nur Privatsache

Deutsches Zentrum für Psychische Gesundheit sieht Verantwortung bei
Arbeitgebern

Berlin, 29.04.2024 – Die Zahlen sind hoch – und sie steigen immer weiter:
15 Prozent aller in Deutschland anfallenden Fehltage gehen auf das Konto
seelischer Erkrankungen. Das bewirkt nicht nur individuelles Leid, sondern
auch einen enormen wirtschaftlichen Schaden. Prof. Dr. Silvia Schneider,
Sprecherin des Standorts Bochum-Marburg des Deutschen Zentrums für
Psychische Gesundheit (DZPG), sieht einen großen Bedarf in der
Betriebsmedizin: „Gerade von Arbeitgebern kann die seelische Gesundheit
noch viel umfassender und gezielter gefördert werden.“ Laut Schneider
haben in den vergangenen Jahren auch die zum Teil einschneidenden
Veränderungen in der Arbeitswelt zu den steigenden Zahlen von psychischen
Erkrankungen beigetragen. Unter anderem treibe der Fachkräftemangel die
Ausfälle wegen seelischer Probleme nach oben; aber auch Homeoffice-
Regelungen können zum Risikofaktor werden. Die Forschung am DZPG ist dem
Problem bereits auf der Spur.

Der Tag der Arbeit ist längst nicht nur ein „Feier“-tag. Denn neben
anderen Faktoren können auch im Berufsleben Auslöser liegen, die krank
machen. Und das sowohl somatisch als auch psychisch. Besonders drängend
ist dieses Problem nicht nur durch das individuelle Leid der Betroffenen,
sondern auch durch die Krankheitsdauer, die mit durchschnittlich 36 Tagen
dreimal so hoch ist wie bei somatischen Erkrankungen mit zwölf Tagen, wie
Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums belegen. „Forschung und Medizin
haben sich lange auf die Faktoren Resilienz und Coping bei den
Beschäftigten konzentriert., aber das greift zu kurz: Die Verantwortung
für menschengerecht gestaltete Arbeit liegt bei den Arbeitgebern. Hier
können Fachärzte für Arbeitsmedizin wertvolle Beiträge leisten, das muss
essenzieller Bestandteil in der Betriebsmedizin sein“, so Schneider.

Faktoren, die seelisch krank machen: Druck, Einsamkeit und
Fachkräftemangel

„Natürlich kann Arbeit auch Ressource sein“, sagt Prof. Dr. Martin Schütte
von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), einer
Partnerinstitution des DZPG. Er ist Wissenschaftlicher Leiter des BAuA-
Fachbereichs „Arbeit und Gesundheit“ und forscht zum Thema Analyse von
Arbeitsbedingungen und deren Effekte auf die mentale Gesundheit. „Arbeit
hat auch einen stabilisierenden Einfluss auf die psychische Gesundheit“,
so Schütte.

Aber ebenso können bei der Arbeit Gefahren für die Seele liegen. Die WHO
fasst diese Belastungsfaktoren knapp zusammen: Arbeitsumgebungen, die von
Diskriminierung und Ungleichheit geprägt sind, gehören ebenso dazu wie
übermäßige Arbeitsbelastung, geringe Kontrolle und Jobunsicherheit. Silvia
Schneider sieht in diesem Zusammenhang auch sehr junge Entwicklungen als
Belastung: „Der technologische Fortschritt bringt nicht nur
Arbeitserleichterung, sondern auch Arbeitsverdichtung und oft komplexere
Aufgaben. Das kann Druck erzeugen. Das Gleiche gilt für die
Flexibilisierung der Arbeit. Homeoffice-Regelungen können Einsamkeit und
Isolation fördern; das ist ein erheblicher Risikofaktor für Depressionen,
wir untersuchen auch das im DZPG.“

Auch Sonja Haase, Erfahrungsexpertin und Mitglied im Trialogischen
Zentrumsrat des DZPG, sagt: „Die Verknüpfung von digitalen Tools und die
daraus resultierenden Folgen wie ständige Erreichbarkeit auf mehreren
Wegen und Kanälen können Stress bewirken.“
Prof. Harald Baumeister vom DZPG-Standort Mannheim-Heidelberg-Ulm
erläutert: „Mit New-Work-Ansätzen ergeben sich Fragen von Zugehörigkeit
und Einsamkeit als Herausforderung. Eines unter vielen Forschungsprojekten
des DZPG zielt daher auch auf das Zusammengehörigkeitsgefühl im
Arbeitskontext als möglicher Schutzfaktor.“

Fachkräftemangel setzt Belegschaften unter Druck

Beim Stichwort Arbeitsverdichtung spiele auch der steigende
Fachkräftemangel eine große Rolle, sagt Silvia Schneider: „In
Berufsgruppen wie zum Beispiel dem Gesundheitssektor oder öffentlichen
Dienst sind die Mitarbeitenden durch die Inhalte ihrer Arbeit ohnehin
schon höherer psychischer Belastung ausgesetzt. In den vergangenen Jahren
ist eine enorme Arbeitsverdichtung hinzugekommen. Denn in Kliniken, an
Schulen und in Behörden fehlen Arbeitskräfte; das steigert die Gefahr
seelischer Erkrankungen wie Erschöpfungszuständen oder Depressionen für
alle.“

Psychische Störungen Krankschreibungsgrund Nummer 2

Der jüngste Report der Techniker Krankenkasse belegt, wie drängend das
Problem ist: Die mit Abstand häufigste Ursache von Krankschreibungen
bildeten demnach auch 2023 wieder Krankheiten des Atmungssystems.
„Depressive Episoden“ belegten aber bereits Rang zwei der Tabelle – noch
vor Rückenschmerzen.

Arbeitgeber können viel für die seelische Gesundheit der Angestellten tun

Dabei gibt es wirksame Maßnahmen, um psychische Gesundheitsrisiken am
Arbeitsplatz zu verhindern, die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz zu
schützen und zu fördern sowie Arbeitnehmer mit psychischen Erkrankungen zu
unterstützen. „Prävention und die Förderung der psychischen Gesundheit als
Teil eines nachhaltigen betrieblichen Gesundheitsmanagements sind von
enormer Bedeutung. Die Gesundheit der Beschäftigten trägt maßgeblich zum
wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen bei. Während das bei somatischen
Krankheiten schon gängiges Wissen ist, müssen Arbeitgeber für die
psychische Gesundheit noch weiter sensibilisiert werden“, so Schneider.
Und Schütte ergänzt: „Neben der Primärprävention, das heißt der
menschengerechten Gestaltung der Arbeitsbedingungen, sind sekundär- und
tertiärpräventive Ansätze wichtig, wie zum Beispiel eine nachhaltige
Rückkehr in den Betrieb zu erreichen. Hier sind niedrigschwellige Angebote
hilfreich, etwa eine psychosomatische oder psychotherapeutische
Sprechstunde, um auftretende Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit
frühzeitig erkennen zu können.“

Die Forschung hat das Thema im Blick

Martin Schütte betont: „In diesem Kontext bietet das Deutsche Zentrum für
Psychische Gesundheit die Möglichkeit, das Thema Arbeit in den
therapeutischen Prozess einzubeziehen. Damit könnten umfassendere
Therapiemöglichkeiten entstehen. Das DZPG kann hier weiterhin
sensibilisieren, welche Arbeitsbedingungen Einfluss auf die psychische
Gesundheit und für den therapeutischen Prozess Relevanz haben.
Psychosoziale Faktoren wie Führung, soziale Unterstützung am Arbeitsplatz,
Arbeitszeit, Entwicklungsmöglichkeiten bei der Arbeit oder die
Arbeitsmenge müssen immer mitgedacht werden. Das DZPG kann somit
evidenzbasierte Informationen zur psychischen Gesundheit für Wissenschaft,
Praxis und Politik liefern."

Woche der Seelischen Gesundheit zielt auf das Arbeitsleben

Die Relevanz des Themas zeigt auch die Woche der Seelischen Gesundheit
2024. Sie findet vom 10. bis 20. Oktober unter der Schirmherrschaft des
Bundesministers für Gesundheit Prof. Dr. Karl Lauterbach statt und trägt
das Motto „Hand in Hand für seelische Gesundheit am Arbeitsplatz“. Dann
informieren Selbsthilfeverbände, psychosoziale Einrichtungen und
Initiativen des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit an über 100
Standorten mit einem breit aufgestellten Programm über psychische
Belastungen am Arbeitsplatz, präventive Maßnahmen und Strategien zur
Bewältigung. Den Auftakt in Berlin macht eine Veranstaltung im
Kulturzentrum Pfefferberg am 10. Oktober. Trägerin des Aktionsbündnisses
ist die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).

Informationen zur Woche der Seelischen Gesundheit 2024:
https://www.seelischegesundheit.net/aktionen/aktionswoche/


Über das DZPG

Seit Mai 2023 arbeiten im Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit
(DZPG) Expertinnen und Experten daran, durch gemeinsame Forschung die
psychische Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern und psychische
Erkrankungen zu entstigmatisieren. An sechs Standorten in Deutschland
wirken hierfür Forscherinnen und Kliniker gemeinsam mit Expertinnen aus
Erfahrung, also Betroffenen und ihnen Nahestehenden, sowie internationalen
Wissenschaftlern zusammen. Unter www.dzpg.org finden Interessierte
Informationen zur Organisation, zu Forschungsprojekten und Zielen sowie
informative Texte und hilfreiche Links rund um das Thema psychische
Gesundheit.

Quellen:
Gesundheitsreport 2024 – Arbeitsunfähigkeiten, Herausgeber: Techniker
Krankenkasse, Unternehmenszentrale Hamburg, 22291
https://www.tk.de/resource/blob/2168508/ee48ec9ef5943d2d40dc10a76bedf290
/gesundheitsreport-au-2024-data.pdf

https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/mental-health-at-work
(Stand 26.4.2024)
BAuA (2017). Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche
Standortbestimmung. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin. Autor*innen: Isabel Rothe, Lars Adolph, Beate Beermann,
Martin Schütte, Armin Windel, Anne Grewer, Uwe Lenhardt, Jörg Michel,
Birgit Thomson, Maren Formazin

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Zweitmeinung vor dem Herz-Eingriff: Wann sinnvoll?

Wer einen Eingriff am Herzen vor sich hat, kann eine zweite Meinung vom
Arzt einholen. Ein erfahrener Kardiologe erklärt die damit verbundenen
Chancen und Grenzen – und welche No-Gos zu beachten sind

Jährlich unterziehen sich hunderttausende Herzpatienten einem Eingriff am
Herzen per Herzkatheter (interventionell) oder chirurgisch. Beispielsweise
dokumentiert der Deutsche Herzbericht zur Behandlung der koronaren
Herzkrankheit (KHK), der Grunderkrankung des Herzinfarkts, für das Jahr
2021 über 36.000 Bypass-Operationen und über 300.000 implantierte
Gefäßstützen (Stents). Und für die kathetergeführte Verödung fehlerhafter
Erregungsherde (Ablation) zur Behandlung von Vorhofflimmern sind für 2021
rund 103.000 Katheter-Ablationen zu verzeichnen (Deutscher Herzbericht
2022). Betroffene, denen ein vorausplanbarer Eingriff bevorsteht, können
eine zweite ärztliche Meinung einholen, wenn sie an der Notwendigkeit
eines Eingriffs Zweifel haben. „Bestimmte medizinische Entscheidungen sind
eine Sache des Ermessens und Ärzte können ein und dieselbe Situation
unterschiedlich beurteilen“, berichtet Prof. Dr. Thomas Meinertz vom
Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung in einem Experten-
Beitrag in der aktuellen Ausgabe von HERZ heute. „Ebenso wird den
Patienten deutlich, wie häufig ärztliche Entscheidungen nicht
übereinstimmen beziehungsweise voneinander abweichen“, so der Hamburger
Kardiologe. In seinem Beitrag „Im Zweifel zum Zweiten“ in der Ausgabe
1/2024 von HERZ heute erläutert Meinertz, vor seiner Emeritierung
langjähriger Ärztlicher Direktor des Universitären Herzzentrums Hamburg,
wann es sinnvoll ist, die zusätzliche Einschätzung eines Arztes
einzuholen. Er gibt zudem wichtige Hinweise, worauf Herzkranke vor ihrem
Eingriff achten sollten. Die HERZ heute-Ausgabe kann kostenfrei
telefonisch unter 069 955128-400 oder unter www.herzstiftung.de/bestellung
bei der Herzstiftung bestellt werden.

Zweitmeinung nur dann, wenn keine Zeitnot besteht
Das Einholen einer ärztlichen Zweitmeinung, einer „second opinion“, nimmt
seinen Ursprung mit der zunehmenden Spezialisierung und Differenzierung in
der Medizin: Wenn für Diagnosen und Therapien mehrere „gleichwertige“
Vorgehensweisen verfügbar sind, ist die zweite Meinung immer häufiger
gefragt. Nur dürfe sie auf keinen Fall eingeholt werden, wenn bereits
Gefahr in Verzug ist, etwa bei einem akuten Koronarsyndrom oder einem
Herzinfarkt. „Der Versuch, in einer derartigen Situation eine zweite
Meinung einzufordern und auf diese Weise unnötig Zeit zu verlieren, kann
für den Patienten tödlich enden“, warnt Meinertz. Eine Zweitmeinung sei
nur dann von Nutzen, wenn ohne Zeitdruck schwerwiegende medizinische
Entscheidungen für einen Patienten zu treffen sind, also etwa vor einer
empfohlenen chirurgischen oder interventionellen Therapie.

Bei welchen Herz-Eingriffen ist die Zweitmeinung sinnvoll?
Bei Herzpatienten kann das Einholen einer Zweitmeinung bei folgenden
Eingriffen sinnvoll sein:
- Perkutane koronare Intervention (PCI): ein Katheterverfahren, um
verengte Herzkranzgefäße zu öffnen, oft wird gleichzeitig ein Stent
eingebracht;
-       Bypassoperation: dabei wird chirurgisch eine Umgehung (Bypass)
geschaffen, um verengte Blutgefäße zu überbrücken;
- Operativer Ersatz von kranken Herzklappen;
- Kathetergestützte elektrophysiologische Herzuntersuchungen und
Ablationen (Verödungen) am Herzen;
- Ersatz kranker Herzklappen mithilfe eines Katheters (interventionelle
Klappentherapie, TAVI );
- Einpflanzen eines Schrittmachers oder Defibrillators, kardiale
Resynchronisationstherapie (CRT);
- Operation angeborener Herzfehler;
- Herz- oder Lungentransplantation;
-       Operation von Aortenaneurysmen.

Besonders kritisch sieht der Herzspezialist die Entscheidung zwischen
operativer und interventioneller Therapie. „Wichtig ist, dass der um die
Zweitmeinung Gefragte nicht von vorneherein auf eines der beiden Verfahren
festgelegt ist.“ Ebenso entscheidend sei, dass der beratende Arzt dazu
bereit ist, von einem operativen oder interventionellen Eingriff
gegebenenfalls ganz abzuraten und stattdessen eine „konservative“
Behandlung, etwa mit Medikamenten, zu empfehlen. Im Alltag kaum
praktiziert, obschon theoretisch möglich, wird das Einholen einer
Zweitmeinung bei einer Herz- oder Lungentransplantation.
Die Kosten für eine ärztliche Zweitmeinung tragen die gesetzlichen
Krankenkassen bei den gesetzlich vorgeschriebenen Indikationen. Darunter
fallen im kardiologischen/herzchirurgischen Bereich die kathetergestützte
elektrophysiologische Herzuntersuchung (EPU) und die Katheter-Ablation am
Herzen, die Implantation von Schrittmacher, Defibrillator und CRT sowie ab
Oktober 2024 die Operation von Aortenaneurysmen. Manche gesetzlichen
Kassen bieten ihren Versicherten ein Zweitmeinungsangebot, das über die
gesetzlich vorgeschriebenen Indikationen hinausgeht. Hierfür ist eine
gezielte Nachfrage bei der eigenen Krankenkasse sinnvoll. Infos zur
Richtlinie de Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA):
www.g-ba.de/richtlinien/107/

Häufig wird nach dem besten Zentrum für einen Eingriff gefragt
Bei der Empfehlung zur operativen oder interventionellen Therapie wird
häufig auch danach gefragt, wo diese Therapie am besten erfolgen sollte.
„Abgesehen von seltenen Fällen ist es schwierig, einzelne Zentren für eine
medizinische Maßnahme zu empfehlen. Vielmehr sollten dem Anfragenden
mehrere Zentren genannt werden, in denen eine empfohlene Therapie gut
erfolgen kann“, rät Meinertz. „Selbstverständlich wird der beratende Arzt
dabei seine eigenen Erfahrungen einbeziehen.“ Herzpatienten finden auf der
Herzstiftungs-Homepage unter https://herzstiftung.de/arztsuche hilfreiche
Links zu externen Stellen wie z. B. Kliniken mit Zertifizierungen für
bestimmte medizinische Therapien oder Fachabteilungen über die Websites
der Fachgesellschaften für Kardiologie (DGK) und
Kinderkardiologie/Angeborene Herzfehler (DGPK) oder für Herzchirurgie
(DGTHG). Für Menschen mit angeborenem Herzfehler ist der Online-Suchdienst
der Kinderherzstiftung „Dein Herzlotse“ unter https://herzstiftung.de
/dein-herzlotse eine Hilfe bei der Arzt- und Kliniksuche.

Woher bekomme ich den richtigen Zweitmeinungsarzt?
Die Auswahl des Spezialisten für die Zweitmeinung sollte nach dem
Erkundigen durch den
Patienten, beispielsweise bei den Krankenkassen oder Ärztekammern,
erfolgen. Informationen über das Internet einzuholen hält, Kardiologe
Meinertz für problematisch, „da hier positive Selbstdarstellungen eine
entscheidende Rolle spielen“. Auch der primär behandelnde Arzt könne eine
Empfehlung für einen Zweitmeinungsfachmann aussprechen. Dass der primär
behandelnde Arzt dem um die Zweitmeinung angefragten Arzt relevante
Befunde überlässt, ist das Recht des Patienten.

Diese No-Gos sind zu beachten
Prof. Meinertz stellt in HERZ heute einige Szenarien vor, die Patienten
bei einer Zweitmeinung beachten sollten. Hier ist eine Auswahl daraus:
- Die Gefahr der Voreingenommenheit des Zweitmeinenden besteht, wenn der
behandelnde Arzt einen befreundeten Spezialisten anruft, ihn über die
Situation seines Patienten informiert und dem um eine zweite Meinung
angefragten Arzt diejenige Empfehlung begründet, die er bereits gegenüber
seinem Patienten abgegeben hat.
- Nicht selten rät der primär behandelnde Arzt seinem Patienten davon ab,
eine zweite
Meinung einzuholen. Bittet der Patient um die Möglichkeit, eine
Zweitmeinung einzuholen, sollte der behandelnde Arzt das dem Patienten
nicht verweigern. In keinem Fall sollte der primär behandelnde Arzt einem
Patienten seine Fürsorge entziehen, wenn dieser gegen seinen Rat eine
Zweitmeinung einfordert.
- In keinem Fall sollte der um die Zweitmeinung Gebetene sich selbst als
weiteren Therapeuten anbieten.

Die Basis einer gelingenden Therapie ist das Vertrauen in den behandelnden
Arzt. Eine Zweitmeinung kann und sollte im besten Fall dem Patienten eine
Hilfe bei der Entscheidungsfindung für die richtige Therapie sein, jedoch
ihn nicht zusätzlich verunsichern und das Vertrauen in den Arzt
erschüttern. „Was der Patient in jedem Fall vermeiden sollte: Nach der
Zweitmeinung noch eine Dritt- oder Viertmeinung einzuholen. Das führt
nicht selten zu einer kompletten Verunsicherung des Anfragenden“, so
Meinertz.
(wi)

Literatur:
Meinertz T, Im Zweifel zum Zweiten, HERZ heute 2024; 1:41-43

Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum
Zweitmeinungsverfahren: www.g-ba.de/richtlinien/107/

Infos der Verbraucherzentrale:
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/aerzte-und-
kliniken/aerztliche-zweitmeinung-was-die-krankenkasse-zahlt-13493


Service
Mehr Informationen rund um das Thema Zweitmeinung einholen bietet die
Herzstiftung in der Ausgabe 1/2024 ihrer Zeitschrift HERZ heute mit dem
Titel „Herz in Not – Wenn die Herzkranzgefäße erkranken“. Ein Probe-
Exemplar dieser Ausgabe kann kostenfrei unter Tel. 069 955128-400 oder
unter https://herzstiftung.de/bestellung angefordert werden.

Auf der Herzstiftungs-Homepage unter https://herzstiftung.de/arztsuche
finden Herzpatienten hilfreiche Links zu externen Stellen wie z. B.
Kliniken mit Zertifizierungen von herzmedizinischen Fachgesellschaften für
bestimmte medizinische Therapien.

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DIVI stellt Manual für die psychologische Versorgung von Intensivpatienten vor

Für Patienten wie auch deren Angehörige können die Einweisung und die
Behandlung auf einer Intensivstation zum traumatischen Erlebnis werden.
Entsprechend sind die psychologische Begleitung und Unterstützung durch
qualifiziertes Personal unverzichtbar. Die Sektion Psychologische
Versorgungsstrukturen in der Intensivmedizin der Deutschen
Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hat
hierzu jetzt ein Manual mit erprobten Techniken und Methoden wie auch
Hilfsmitteln für die Kollegen veröffentlicht.

„Es ist unser Ziel, hiermit klare Strukturen in der bestehenden
psychologischen Unterstützung zu schaffen“, erklärt Sektionssprecherin Dr.
Anke Hierundar, Psychologische Psychotherapeutin in der Klinik für
Anästhesiologie und Intensivtherapie im Universitätsklinikum Rostock.
„Unser Manual soll ab sofort Standards für Kolleginnen und Kollegen
etablieren, die bereits als Psychologen auf Intensivstationen arbeiten
bzw. dort neu beginnen und entsprechend die Qualität unserer Arbeit
absichern.“ Das 63 Seiten starke PDF wurde unter dem Titel Manualisierte
Interventionen für die Psychologische Versorgung intensivmedizinisch
behandelter PatientInnen und ihrer Angehörigen zur freien Verfügbarkeit
und Weitergabe auf der Website der Fachgesellschaft veröffentlicht.

Kollegen mit jahrelanger Erfahrung in der Psychotherapie, Hypnotherapie
oder auch der Traumatherapie, die schwerpunktmäßig als Psychologen auf der
Intensivstation arbeiten, haben an der Erstellung des DIVI-Manuals
mitgewirkt, um durch das Paper Erfahrungen zu bündeln und diese an jüngere
Kolleginnen oder neue Kollegen auf den Intensivstationen weiterzugeben.
„Alle Autoren eint ein notfallpsychologisches Handlungsverständnis“,
betont Anke Hierundar. „Schließlich ist Angst die führende Emotion im
Krankenhaus. Und diese wollen wir möglichst reduzieren!“

Das Ziel: traumatisierende Belastungen der Patienten zu vermeiden

So könne das Ereignis, das zur Einweisung auf die Intensivstation führe,
wie beispielsweise ein Autounfall, Schlaganfall, Herzinfarkt oder eine
schwere Operation, selbst potenziell traumatisierend sein. Für viele
Patienten könne die Behandlung auf der Intensivstation selbst als sehr
belastend und sehr bedrohlich wahrgenommen werden. „Hier gilt es, früh zu
intervenieren, um spätere psychische Folgestörungen unserer Patienten zu
vermeiden“, erklärt die Sektionssprecherin. Diese gingen sonst körperlich
gesünder, aber seelisch belasteter nach Hause.

„Die meisten Kliniken realisieren, wie wichtig auch eine psychologische
Begleitung im Rahmen der patientenorientierten Akutmedizin ist, auch wenn
unsere Arbeit derzeit immer noch nicht abrechenbar ist“, so Hierundar.
Auch zur langfristigen Etablierung in die Regelversorgung soll das Manual
damit langfristig den Weg bereiten.

Der Weg: Erfahrungen und adaptierte Techniken im Manual gebündelt

Das DIVI-Manual ist unterteilt in Kapitel zu verschiedenen Themen:
hypnotherapeutischen Intervention, Interventionen zur kognitiven
Umstrukturierung, Emotionsregulation, Körperwahrnehmung,
Entspannungstechniken, Interventionen zur Realitätsorientierung und
Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT). Einige Techniken wurden speziell
für die Intensivmedizin adaptiert, da einige Patienten nur gering –
teilweise lediglich fünf bis 15 Minuten – belastbar und andere
eingeschränkt in ihrer Kommunikationsfähigkeit sind.

Für Angehörige werden Hilfsmittel wie das Intensivtagebuch erläutert. Aber
auch die Angehörigenbegleitung nach einem Suizidversuch und die
Trauertherapie finden ihren Platz im DIVI-Manual.

Sektion veröffentlicht parallel Dokumentationsbogen und bietet Webinar im
Juni an

Die Sektion Psychologische Versorgungsstrukturen in der Intensivmedizin
geht aber noch einen Schritt weiter: In Kürze soll parallel zum Manual das
„Berufsbild für PsychologInnen in der Intensivmedizin und Klinischen
Notfallmedizin“ veröffentlicht werden. „Wir sind fast fertig“, verrät
Sektionssprecherin Dr. Anke Hierundar. Zudem ergänzt ein speziell auf die
psychologische Tätigkeit in diesem Setting ausgerichteter
Dokumentationsbogen das Manual. Der Dokumentationsbogen wurde durch die
Sektion erstellt und steht ebenfalls finalisiert auf der DIVI-Webseite zur
Verfügung.

Auch möchte die Sektion noch vor dem DIVI-Jahreskongress im Dezember mit
interessierten Kollegen in den Austausch gehen und Möglichkeiten für
Fragen rund um das Manual geben. So ist für Anfang Juni ein DIVI-Webinar
geplant. Der genaue Termin ist dem Veranstaltungskalender in Kürze zu
entnehmen oder dem DIVI-Newsletter.

Das Manual als PDF zum Download: https://www.divi.de/joomlatools-files
/docman-files/publikationen/psychologische-versorgungsstrukturen-in-der-
intensivmedizin/20240423_Manual_Psychologische%20Interventionen%20ITS_FINAL.pdf


Der Dokumentationsbogen zum Download: https://www.divi.de/joomlatools-
files/docman-files/publikationen/psychologische-versorgungsstrukturen-in-
der-intensivmedizin/EP_ITS22032024.docx

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DGAI unterstützt Lauterbachs Initiative zur Herzvorsorge: Prävention als Schlüssel gegen den plötzlichen Herztod

Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und
Intensivmedizin e.V. (DGAI) begrüßt die Initiative von
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, die regelmäßige Herzvorsorge
als Kassenleistung anzuerkennen. Dieser Schritt sei eine wichtige Maßnahme
zur Verringerung der Todesfälle durch plötzlichen Herztod. Gemeinsam mit
Experten aus verschiedenen Fachbereichen setzen sich Fachärztinnen und
Fachärzte für Anästhesiologie intensiv für verbesserte Überlebenschancen
nach einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand ein.

Als Trägerin des Deutschen Reanimationsregisters organisiert die DGAI in
Zusammenarbeit mit dem Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und
Anästhesisten e.V. (BDA) regelmäßig die Bad Boller Reanimations- und
Notfallgespräche. Dort wurde erst kürzlich ein Update der „10 Thesen für
10.000 Leben“ veröffentlicht, bei dem die klassische Rettungskette zur
„Überlebenskette“ erweitert wurde. Diese beginnt nicht erst mit der
Notfallsituation, sondern nimmt die Prävention eines außerklinischen Herz-
Kreislauf-Stillstandes mit auf – ein Anliegen, das nun auch durch die
Initiative des Bundesgesundheitsministers aufgegriffen wird.

„Der plötzliche Herztod ist meist nicht plötzlich, sondern kündigt sich
durch frühe Warnzeichen an und ist vermeidbar, insbesondere bei jungen,
scheinbar gesunden Personen“, betont Prof. Dr. Jan-Thorsten Gräsner,
Sprecher der Sektion Notfallmedizin der DGAI.

Symptome wie unklare Synkopen (kurzzeitige Bewusstlosigkeit),
Krampfanfälle, kardiale Palpitationen (Herzrasen oder Herzstolpern),
Dyspnoe (Atemnot) oder Brustschmerzen, vergleichbar mit einem Herzinfarkt,
können auf eine zugrundeliegende Erkrankung hinweisen. „Bei Auftreten
solcher Symptome ist eine umgehende medizinische Untersuchung und
Behandlung notwendig, um lebensbedrohliche Situationen zu verhindern“,
ergänzt PD Dr. Jan Wnent, Sprecher des Arbeitskreises Notfallmedizin
innerhalb der DGAI.

Das vorgeschlagene Gesetz zur Herzvorsorgeuntersuchung biete die
Möglichkeit, frühzeitig erkennbare und behandelbare Erkrankungen zu
identifizieren. Die DGAI betont die Notwendigkeit, dabei auch die
genetische Komponente in den Fokus zu nehmen. Genetische Aufklärung kann
dazu beitragen, Familienmitglieder mit einem erhöhten Risiko frühzeitig zu
identifizieren und entsprechende präventive Maßnahmen zu treffen. Dies
beinhaltet auch die Ursachenklärung nach einem überlebten plötzlichen
Herz-Kreislauf-Stillstand sowie standardisierte Obduktionen bei
Verstorbenen nach solch einem Ereignis.

In Deutschland erleiden jährlich etwa 113.000 Menschen einen Herz-
Kreislauf-Stillstand, ein Drittel davon im erwerbstätigen Alter. In rund
60.000 Fällen wird mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen. Von diesen
Patienten erreichen 33 Prozent lebend das Krankenhaus, elf Prozent können
es letztlich lebend verlassen – nur 5.000 davon ohne neurologische Folgen.

Vor diesem Hintergrund ruft die DGAI zu einer verstärkten Sensibilisierung
der Bevölkerung für die Symptome des plötzlichen Herztodes auf und
unterstreicht die Bedeutung von Prävention und Früherkennung für eine
verbesserte Herzgesundheit in Deutschland. „Jede verhinderte Reanimation
ist die beste Situation für die Patienten“, so Prof. Dr. Jan-Thorsten
Gräsner.

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