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Neue Wege gegen Arzneimittelresistenzen bei Malaria

FAU-Forschungsteam entwickelt Wirkstoffe gegen Malaria

Malaria gehört zu den weltweit am weitesten verbreiteten und tödlichsten
Infektionskrankheiten. Zur Malariabekämpfung werden stetig neue Wirkstoffe
benötigt, weil die Gefahr besteht, dass die Malariaerreger unempfindlich
gegen Medikamente werden, also Resistenzen entwickeln. Ein Forschungsteam
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) um Prof. Dr.
Svetlana B. Tsogoeva hat das Antimalariamittel Artemisinin mit dem
ebenfalls in Pflanzen vorkommenden Stoff Cumarin kombiniert und dabei
erstmals einen autofluoreszierenden Wirkstoff aus den beiden bioaktiven
Substanzen entwickelt. Diese Autofluoreszenz ist besonders vorteilhaft,
weil sie für die Bildgebung in lebenden Zellen eingesetzt werden kann und
die Wirkweise des Medikaments in genauer Zeitabfolge zeigt. Doch die
Arbeitsgruppe entdeckte auch, dass die autofluoreszierenden Artemisinin-
Cumarin-Hybride in der Lage sind, Arzneimittelresistenzen bestimmter
Malariaerreger mit dem Namen Plasmodium palcifarum zu überwinden. Ihre
Ergebnisse haben sie in Chemical Science veröffentlicht.

Artemisinin ist ein höchst effektiver und häufig eingesetzter Grundstoff
für die Herstellung von Malariamedikamenten, der aus dem Einjährigen
Beifuß (Artemisia annua L.) gewonnen wird. Cumarin ist ein sekundärer
Pflanzenstoff, der in verschiedenen Pflanzen vorkommt. Bei der Entwicklung
von Medikamenten gegen Malaria werden Wirkstoffe mit fluoreszierenden
Stoffen markiert, um mithilfe bildgebender Techniken in genauer zeitlicher
Abfolge zu erkennen, wie sie gegen Malariaerreger vorgehen. Diese
Fluoreszenzmarkierung wurde bereits auch bei Artemisinin angewandt.

Wirkstoffe kombinieren – Autofluoreszenz erreichen

Ein großer Nachteil der Markierung mit fluoreszierenden Stoffen liegt
darin, dass sie die Wirkungsweise des Medikaments verändern. So nehmen die
malariainfizierten Zellen ein Medikament wie Artemisinin nach
Fluoreszenzmarkierung unter Umständen in anderer Weise auf als vorher.
Auch die Löslichkeit des Medikaments kann sich verändern. Umgehen lässt
sich dies durch die Entwicklung von autofluoreszierenden Hybriden – also
Wirkstoffen aus zweien oder mehreren Grundstoffen –, die eine eigene
Fluoreszenz aufweisen und deren Wirkweise mit bildgebenden Verfahren genau
beobachtet werden kann.

Wirkstoff mit besonderen Fähigkeiten

Das Team um Prof. Tsogoeva, Lehrstuhl für Organische Chemie I, entschied
sich, Artemisinin mit bioaktiven Cumarinen zu kombinieren – unter anderem,
weil Cumarin-Derivate ebenfalls Anti-Malaria-Eigenschaften besitzen.
Daneben lassen sie sich chemisch leicht verändern, sodass sie stark
fluoreszieren. Die Forschenden fanden heraus, dass sich nicht nur die
Wirkweise dieses ersten autofluoreszierenden Artemisinin-Cumarin-Hybrids
in mit P. falciparum infizierten lebenden roten Blutkörperchen gut
beobachten ließ. In Zusammenarbeit mit Prof. Barbara Kappes (Department
Chemie- und Bioingenieurwesen, FAU) und Dr. Diogo R. M. Moreira (Instituto
Gonçalo Moniz, Fiocruz Bahia, Brasilien) stellten sie auch fest, dass der
Wirkstoff in vitro, also „im Reagenzglas“, hervorragend gegen P.
falciparum-Stämme wirkte, die gegen Chloroquin und andere
Malariamedikamente resistent waren. Vor allem aber bewährte sich der neue
Wirkstoff auch in vivo, also in Mausmodellen, und wirkte diesen
Malariaerregern hocheffektiv entgegen.

Die FAU-Forschenden hoffen, mit der Schaffung des ersten
autofluoreszierenden Artemisinin-Cumarin-Hybrids die Grundlage für die
Entwicklung weiterer autofluoreszierender Wirkstoffe zur Malariabehandlung
geschaffen und einen Schritt zur Überwindung von Multiresistenzen gegen
Malariamedikamente getan zu haben.

* https://doi.org/10.1039/D3SC03661H

Mehr Informationen zu den Forschungsprojekten von Prof. Tsogoeva finden
Sie auf ihrer Website: https://www.chemistry.nat.fau.eu/tsogoeva-group/

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Eine Spürsonde für versteckte Gesundheitsrisiken

Internationale Tagung am BfR zur Nutzung epidemiologischer Studien für die
Risikobewertung

Fisch gilt als gesundes Lebensmittel – aber wie sieht es mit den Risiken
aus? Und wie steht es in dieser Hinsicht mit vegetarischer Ernährung?
Welche Folgen hat Luftverschmutzung für die Gesundheit? Zu solchen und
anderen Themen erfolgen an Bevölkerungsgruppen epidemiologische
Beobachtungsstudien. Sie erforschen den Zusammenhang zwischen einer
Erkrankung (z.B. Krebs) und einer bestimmten Ursache (z.B. Belastung durch
eine chemische Substanz). Eine internationale wissenschaftliche Konferenz
am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vom 9. bis 10. November 2023
in Berlin beschäftigt sich mit der Verwendung bevölkerungsbasierter
Studien in der Risikobewertung. Mitveranstalter ist die Europäische
Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Der Titel der Tagung lautet:
„Using Epidemiological Studies in Health Risk Assessments: Relevance,
Reliability and Causality” („Epidemiologische Studien im Dienst der
gesundheitlichen Risikobewertung: Relevanz, Zuverlässigkeit und
Kausalität”). „Für die gesundheitliche Risikobewertung etwa von
Lebensmitteln oder chemischen Substanzen sind epidemiologische Studien von
immenser Bedeutung“, sagt Professor Dr. Matthias Greiner, Leiter der
Abteilung Exposition am BfR. „Auf dieser Konferenz wollen wir diskutieren,
wie wir diese Studien noch besser in gesundheitliche Risikobewertungen
integrieren können.“

Epidemiologische Studien können einen Beitrag dazu leisten,
gesundheitliche Risiken unter realen Bedingungen in der Bevölkerung
aufzuspüren. Ein eindrucksvolles Beispiel ist bis heute der mit ihrer
Hilfe aufgedeckte Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs. Häufig
sind epidemiologische Studien ein Baustein, um einen ursächlichen
(kausalen) Zusammenhang zwischen dem Kontakt mit einem gefährlichen Stoff
oder Mikroorganismus und einem negativen gesundheitlichen Effekt zu
ermitteln. Epidemiologische Studien allein können einen kausalen
Zusammenhang nicht beweisen. Wenn es aber eine Anzahl aussagekräftiger
epidemiologischer Studien gibt, die in die gleiche Richtung weisen, kann
die Gesamtheit dieser Studien auf einen kausalen Zusammenhang hinweisen
oder diesen sogar belegen.

Die Ergebnisse epidemiologischer Studien werden mit den anderen Formen
wissenschaftlicher Studien zu diesem Thema gemeinsam betrachtet. Dabei
kann es sich zum Beispiel um Laborexperimente oder Tierversuche handeln.
Wichtig ist zudem, das Verzerrungspotenzial („Risk of bias“),
Unsicherheiten und methodische Grenzen der benutzten epidemiologischen
Studien genau zu benennen. Nur so können alle Informationen mit der
richtigen Gewichtung integriert werden und zu einer Gesamtaussage führen.

Hinweis: Journalistinnen und Journalisten, die an der Konferenz teilnehmen
möchten, melden sich bitte über die Pressestelle des BfR an
<Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.>.

Informationen zur Konferenz:
https://www.bfr-akademie.de/english/events/epistud2023.html

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24. Deutscher Lebertag: „Kennen Sie Ihre Leberwerte?“ – kostenfreie Telefonaktionen mit Leberspezialisten

Unter dem Motto: „Kennen Sie Ihre Leberwerte?“
stellen die Ausrichter des 24. Deutschen Lebertages die Lebergesundheit
und die Bedeutung der Leberwerte im Blut in den Mittelpunkt der
öffentlichen Aufmerksamkeit. Mit bundesweiter Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit schaffen die Ausrichter ganzjährig mehr Bewusstsein
für die Gesundheit des lebenswichtigen Organs und bieten unter
www.lebertag.org zusätzlich Informationen zu Lebererkrankungen an.

Im Rahmen des bundesweiten Aktionstages am 20. November 2023 geben die
Ausrichter – Gastro-Liga e. V., Deutsche Leberhilfe e. V. und Deutsche
Leberstiftung – an drei Tagen die Möglichkeit, sich umfassend zu
informieren: Leber-Experten beantworten bei kostenfreien Telefonaktionen
individuelle Fragen zu Leber und Lebererkrankungen.

Die Leber ist das vielseitigste und größte innere Organ im menschlichen
Körper. In jeder Minute werden etwa anderthalb Liter Blut durch die Leber
gepumpt, das ergibt fast 2.000 Liter Blut an einem Tag. Dadurch erfüllt
sie lebenswichtige Aufgaben wie den Abbau von Stoffwechselprodukten,
Medikamenten und Giftstoffen. Die Leber produziert lebenswichtige Proteine
und reguliert den Fettstoffwechsel. Außerdem spielt sie eine entscheidende
Rolle bei der Blutgerinnung, indem sie Gerinnungsfaktoren produziert. Die
Leber hat auch eine Speicherfunktion für wichtige Nährstoffe wie
Kohlenhydrate, Fette und Vitamine und versorgt den Körper damit, wenn
diese nicht aus der Nahrung kommen. Eine gesunde Leber ist daher von
großer Bedeutung für das allgemeine Wohlbefinden und die Gesundheit. Eine
Belastung für die Leber und häufig die Ursache für dauerhafte Schäden sind
unter anderem: ungesunde Ernährung – oft in Verbindung mit Bewegungsmangel
und Übergewicht, übermäßiger Alkoholkonsum, Diabetes mellitus,
Medikamente, Umwelteinflüsse und Virusinfektionen.

Lebererkrankungen sind in Deutschland weit verbreitet – Millionen von
Bundesbürgern sind leberkrank, ohne es zu wissen. Unabhängig von der
Erkrankungsursache kann eine langjährige Entzündung die Leber vernarben
und zu einer Zirrhose führen. Wenn die Zirrhose weiter voranschreitet,
sind gefährliche Komplikationen bis hin zum Leberzellkrebs (HCC) möglich.
Einige Lebererkrankungen wie die chronische Hepatitis B oder entzündliche
Fettlebererkrankungen können auch ohne Zirrhose zu Leberzellkrebs führen.
Komplikationen lassen sich jedoch oft vermeiden, wenn die Lebererkrankung
frühzeitig entdeckt und individuell therapiert wird. Doch Erkrankungen des
lebenswichtigen Organs werden häufig erst spät erkannt, weil sie in vielen
Fällen lange keine Beschwerden verursachen oder nur zu unspezifischen
Symptomen wie z. B. Müdigkeit führen. Erste Anzeichen einer
Lebererkrankung können aber erhöhte Leberwerte sein, die sich im Rahmen
einer Blutuntersuchung feststellen lassen.

Die Ausrichter des Deutschen Lebertages empfehlen, die Leberwerte im Blut
(GPT, GOT und gGT) bestimmen zu lassen. Diese Tests gehören bislang nicht
zu den Standarduntersuchungen wie beispielsweise die
„Gesundheitsuntersuchung“, bei der gesetzliche Krankenkassen ihren
Versicherten ab einem Alter von 35 Jahren mittlerweile anbieten, sich
einmalig auch auf Hepatitis B und C untersuchen zu lassen. Bei Angehörigen
einer Risikogruppe übernehmen die Krankenkassen in der Regel die Kosten
für diese Untersuchung. Zu Risikogruppen zählen neben Menschen mit
Übergewicht und hohem Alkoholkonsum auch Patienten, die dauerhaft
Medikamente einnehmen. Ebenso sollten Menschen, die vor 1992 eine
Bluttransfusion erhalten haben, sich unbedingt auf Hepatitis C testen
lassen.

Ein besonderes Gesundheitsproblem betrifft vor allem die westlichen
Industrieländer – und dieses wird auch in Deutschland stetig größer: Immer
mehr Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche entwickeln eine Steatotische
Lebererkrankung (Steatotic liver disease, SLD). Heutzutage ist die SLD die
häufigste Lebererkrankung in Deutschland. Ein Grund dafür ist, dass immer
mehr Menschen übergewichtig sind. Zusätzlich zur Gewichtszunahme können
auch Insulinresistenz, ungesunde Ernährung und mangelnde körperliche
Aktivität eine Rolle spielen. Diese Form der Erkrankung wird nun als MASLD
(Metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease,
Stoffwechselstörung-assoziierte steatotische Lebererkrankung) bezeichnet.

Bei MASLD kommt es zu einer Ansammlung von Fett in den Leberzellen, die
sich bei einigen Patienten zu einer Fettleberentzündung und zu einer
Leberzirrhose entwickeln können. Eine kürzlich in den USA veröffentlichte
Studienauswertung mit Daten der Zentren für Krankheitskontrolle und
Prävention (CDC) kommt zu dem Ergebnis, dass die Lebenserwartung der
amerikanischen Gesamtbevölkerung um etwa 2,5 Jahre gesunken ist. Als
Ursachen für diese Entwicklung werden Ernährungsgewohnheiten und
Übergewicht genannt. Der Verzehr von Fertiggerichten, Fast Food und
zuckerhaltigen Limonaden führt in vielen Fällen zu Adipositas (starkem
Übergewicht) und ist unter anderem der Auslöser chronischer Erkrankungen,
zu denen auch die Fettleber zählt. Chronische Lebererkrankungen gehören in
den USA zu den zehn häufigsten Todesursachen. Auch in Deutschland sprechen
Experten bereits von einem „Ernährungsdesaster“, das zur Folge hat, dass
es auch hierzulande immer mehr Menschen mit krankhaftem Übergewicht und
assoziierten Folgeerkrankungen gibt.

Die Ausrichter des Deutschen Lebertages bieten unter
http://www.lebertag.org zahlreiche Informationen sowie den kostenlosen
Download einer Broschüre mit Informationen zu Funktionen und Erkrankungen
der Leber sowie zu aktuellen Therapiemöglichkeiten.

Um Menschen zu ermutigen, mehr über ihre eigene Lebergesundheit zu
erfahren und Fragen zur Leber und zu Lebererkrankungen zu stellen,
veranstalten die Ausrichter im Rahmen des Deutschen Lebertages drei
Telefonaktionen:

Details zu den drei großen Lebertag-Telefonaktionen

An den drei Telefonaktionstagen im Rahmen des 24. Deutschen Lebertages
stehen die Leber-Spezialisten am 16., 17. und 20. November 2023 jeweils
von 14:00 Uhr bis 16:00 Uhr zur Verfügung. Unter der kostenfreien
Telefonnummer 0800 666 39 22 beantworten die Leber-Spezialisten jedem
Interessierten und Betroffenen alle Fragen rund um die Themen Leber,
Lebergesundheit und Lebererkrankungen.

Mit diesem Angebot möchten die Ausrichter des 24. Deutschen Lebertages
dazu beitragen, dass das lebenswichtige Organ und seine Erkrankungen mehr
öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Sie weisen gleichzeitig darauf hin,
dass die Beratungsgespräche am Telefon keinen persönlichen Arztbesuch und
keine individuelle Diagnose ersetzen.

Diese Leber-Experten stehen als Ansprechpartner bei der ersten Lebertag-
Telefonaktion am Donnerstag, 16. November 2023 von 14 bis 16 Uhr bereit:

Prof. Dr. Tony Bruns, Universitätsklinikum Aachen
Prof. Dr. Dr. Andreas Teufel, Universitätsklinikum Mannheim

Dieser Leber-Experte steht als Ansprechpartner bei der zweiten Lebertag-
Telefonaktion am Freitag, 17. November 2023 von 14 bis 16 Uhr bereit:

PD Dr. Michael Schultheiß, Universitätsklinikum Freiburg

Diese Leber-Experten stehen als Ansprechpartner bei der dritten Lebertag-
Telefonaktion am Montag, 20. November 2023 von 14 bis 16 Uhr bereit:

PD Dr. Anton Gillessen, Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup
Prof. Dr. Christoph Roderburg, Universitätsklinikum Düsseldorf

Mehr Informationen zum 24. Deutschen Lebertag und alle bislang im Rahmen
des diesjährigen Deutschen Lebertages veröffentlichten Presseinformationen
finden Sie unter: http://www.lebertag.org.

Die Ausrichter danken den Sponsoren des 24. Deutschen Lebertages am 20.
November 2023: AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG, Alexion Pharma Germany
GmbH, AstraZeneca GmbH, Dr. Falk Pharma GmbH und Gilead Sciences GmbH. Die
Sponsoren haben keinen Einfluss auf den Inhalt dieser Pressemitteilung.

Die Kooperationspartner des 24. Deutschen Lebertages sind:
Arbeitsgemeinschaft Leitender Gastroenterologischer Krankenhausärzte
(ALGK), Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands
(bng), Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS), Deutsche Gesellschaft
für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS),
Gesellschaft für Rehabilitation bei Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten (GRVS) und Lebertransplantierte Deutschland.

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Langsamer Herzschlag: Eine neue Generation der Kapselschrittmacher verbessert die Lebensqualität

Privatdozent Dr. Guram Imnadze hat den kleinen, kabellosen Herzschrittmacher der neuesten Generation – links im Bild im Vergleich zu einem konventionellen System - erstmals erfolgreich am HDZ NRW implantiert  (Foto: Anna Reiss).  HDZ NRW
Privatdozent Dr. Guram Imnadze hat den kleinen, kabellosen Herzschrittmacher der neuesten Generation – links im Bild im Vergleich zu einem konventionellen System - erstmals erfolgreich am HDZ NRW implantiert (Foto: Anna Reiss). HDZ NRW

Keine Kabel, nicht spürbar, besonders langlebig: In der Klinik für
Elektrophysiologie/ Rhythmologie unter der Leitung von Prof. Dr. Philipp
Sommer, Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, und
weiteren Zentren bundesweit wird jetzt erstmals eine neue Generation
elektrodenloser Herzschrittmacher mittels Katheter eingesetzt. Neben dem
medizintechnischen Fortschritt versprechen die neuen, nur 38 Millimeter
großen und in die rechte Herzkammer zu platzierenden Mini-Pulsgeber
weniger Komplikationen und dadurch Lebensqualität für viele Patientinnen
und Patienten, die an einer bestimmten, durch einen zu langsamen
Herzrhythmus gekennzeichneten Erkrankung leiden.

Ein niedriger Ruhepuls von unter 60 Schlägen pro Minute ist während des
Schlafs oder bei Sportlern in den allermeisten Fällen ohne Bedeutung. Eine
dauerhaft oder häufig wiederkehrende zu niedrige Herzfrequenz dagegen kann
krank machen, weil Organe und Körper dann zu wenig Sauerstoff erhalten.
Typische Symptome sind Schwindel, Müdigkeit, Atemnot oder Ohnmacht. Der
Fachbegriff heißt Bradykardie. Mit weltweit fast 50 Millionen Betroffenen
zählt sie zu den häufigsten Rhythmusstörungen.

„Dem zu langsamen Herzrhythmus liegt oft eine Herzerkrankung zugrunde“,
sagt Privatdozent Dr. Guram Imnadze, Oberarzt der Klinik für
Elektrophysiologie/Rhythmologie am HDZ NRW. „Die Symptome können aber auch
nach Medikamenteneinnahme oder sogar bei jungen Menschen als
Rhythmuserkrankung auftreten.“ Wenn der Taktgeber des Herzens, der
Sinusknoten, nicht richtig funktioniert oder die Weiterleitung der
elektrischen Impulse in die Herzkammern nachhaltig gestört ist, empfiehlt
der Kardiologe die Implantation eines Herzschrittmachers.

„Die kabellose Schrittmacher-Therapie zählt bereits seit etwa zehn Jahren
zu den Routineeingriffen, die bei bestimmten Patientengruppen und an
ausgewiesenen Zentren durchgeführt werden, sagt Imnadze, der als
Elektrophysiologe gemeinsam mit den Herzspezialisten der Herzchirurgie und
Kardiologie am HDZ NRW etwa 1.300 Schrittmacher- und Defibrillator-
Implantationen jährlich begleitet und hierbei auch elektrodenlose Mini-
Schrittmacher einsetzt. „Unsere Erfahrungen zeigen, dass diese
Kapselschrittmacher für bestimmte Patientengruppen wie etwa
Dialysepatienten oder Patienten mit vorausgegangenen
Schrittmacherinfektionen eine sehr geeignete Alternative zum
konventionellen Schrittmachersystem darstellen. Typische Probleme, die in
Verbindung mit den Elektroden auftreten können, können beim
Kapselschrittmacher nicht auftreten.“

Zwei ganz wesentliche zusätzliche Vorteile bieten jetzt aus Sicht des
Schrittmacher-Spezialisten die neuartigen Systeme, die seit September
verfügbar sind und die Imnadze selbst Anfang September erstmals am HDZ NRW
eingesetzt hat:

1.      Mapping = Sicherheit

„Einmalig ist eine sogenannte Mapping-Funktion, mit der wir noch vor dem
Eingriff die optimale Position in der Herzkammer auslesen und exakt
bestimmen, um das Verfahren besonders präzise und sicher durchführen zu
können. Zudem kann das System - wie seine Vorgänger-Modelle auch - bei
individuellem Bedarf neu positioniert werden.“ Durch dieses Mapping wird
es möglich, die Anzahl der Repositionierungen zu minimieren und das Risiko
für Verletzungen zu reduzieren, weil das Gerät für die Erhebung der
Messwerte noch nicht fest mit dem Herzmuskel in Verbindung gebracht werden
muss.

2.      Batterieleistung = Lebensqualität

Vor allem aber aufgrund der besonders langen Lebensdauer der Aggregate
werden seine Patientinnen und Patienten die fortschrittliche
Medizintechnik zu schätzen wissen, prognostiziert Imnadze: „Normalerweise
steht nach etwa zehn Jahren ein Batteriewechsel an. Das bedeutet für
unsere Patienten, dass sie sich dann einem neuen Eingriff unterziehen
müssen. Die Lebensdauer der neuen Modelle wird nach Einschätzung des
Herstellers (Abbott) auf mehr als 17 Jahre geschätzt.“ Bei der neuen
Generation der Kapselschrittmacher wird eine Entfernung am Ende der
Laufzeit möglich sein. Ein spezielles System steht hierfür zur Verfügung.

Übrigens werde sich der Kreis der Patienten, die von der ebenso
innovativen wie effizienten elektrodenlosen Schrittmachertechnologie
profitieren, in einigen Jahren noch deutlich vergrößern, fügt Imnadze an:
„Bisher sind diese Systeme ausschließlich solchen Patienten vorbehalten,
die eine Stimulation in der rechten Herzkammer benötigen. Die meisten
Betroffenen sind jedoch auf 2-Kammer-Systeme angewiesen. Solche kabellosen
Systeme sind schon entwickelt und werden derzeit im Rahmen
wissenschaftlicher Studien überprüft.“ Im klinischen Einsatz am HDZ NRW
werde damit allerdings erst 2024 zu rechnen sein.

Hintergrundinformation Herzschrittmachertechnologie:

Die ersten Herzschrittmacher in Deutschland wurden 1961 implantiert. Sie
hatten eine Größe von etwa 55 Millimeter Breite und 16 Millimeter Höhe und
mussten einmal pro Woche von außen aufgeladen werden. Moderne Systeme sind
heute deutlich kleiner, haben eine durchschnittliche Lebensdauer von
mehreren Jahren und besitzen integrierte Selbstkontroll- und
Überwachungsfunktionen, auf die telemedizinisch sowohl zur regelmäßigen
Diagnostik als auch über Fernkontrolle zugegriffen werden kann. Der
Einsatz konventioneller Schrittmacher erfolgt minimalinvasiv mit einem
kleinen Schnitt, der unterhalb des Schlüsselbeins durchgeführt wird. In
der so entstehenden „Tasche“ unter der Haut wird das Aggregat eingesetzt,
dessen Elektroden anschließend über eine Vene bis in den Vorhof oder die
Kammer geschoben werden, wo sie Kontakt zum Herzmuskelgewebe haben.

Kabellose Herzschrittmacher sind seit rund einem Jahrzehnt im klinischen
Einsatz. Sie werden mittels Herzkatheter über die Leistenvene in der
rechten Herzkammer platziert und dort an der Herzwand fixiert. Da das
Aggregat somit direkt vor Ort ist und keine transvenös zum Herzen führende
Elektroden benötigt werden, sind Komplikationen wie Infektionen an der
Haut, Sondenbrüche oder fehlplatzierte Elektroden nicht zu befürchten.
(Quellen: Springer Medizin, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie)

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Als Spezialklinik zur Behandlung von Herz-, Kreislauf- und
Diabeteserkrankungen zählt das Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-
Westfalen (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, mit 35.000 Patientinnen und Patienten
pro Jahr, davon 14.600 in stationärer Behandlung, zu den größten und
modernsten Zentren seiner Art in Europa. Unter einem Dach arbeiten fünf
Universitätskliniken und drei Universitäts-Institute seit mehr als 30
Jahren interdisziplinär zusammen. Das HDZ NRW ist seit 1989
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum. Die Professorenschaft des
HDZ NRW ist zusätzlich seit 2023 Mitglied der Medizinischen Fakultät OWL
der Universität Bielefeld. Die Einrichtung ist bekannt als größtes
Herztransplantationszentrum in Deutschland.

Die Klinik für Elektrophysiologie/Rhythmologie des HDZ NRW ist
spezialisiert auf die Behandlung von Herzrhythmusstörungen mit einem
Leistungsspektrum von rd. 1.700 Ablationen jährlich. In der Klinik werden
elektrophysiologische Untersuchungen mittels modernster, strahlungsarmer
Technologie zur Behandlung von Rhythmusstörungen durchgeführt.

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