Zum Hauptinhalt springen

Wiener Konzerthaus, Oslo Philharmonic, Leif Ove Andsnes, Piano, Dirigent Vasily Petrenko, 16. Oktober 2019, besucht von Léonard Wüst

Oslo Philharmonic Orchestra in Foto Peter Adamik
Oslo Philharmonic Orchestra Foto Peter Adamik

Besetzung und Programm:

Oslo Philharmonic, Leif Ove Andsnes, Klavier, Vasily Petrenko, Dirigent

Richard Strauss

Don Juan. Tondichtung nach Nikolaus Lenau op. 20 (1887–1888)

Edvard Grieg

Konzert für Klavier und Orchester a-moll op. 16 (1868)

Sergej Rachmaninoff

Symphonie Nr. 2 e-moll op. 27 (1906–1907)

Rezension:

Gelungene Ouvertüre

Schönes Blumenarrangement bei Weinzirls
Schönes Blumenarrangement bei Weinzirls

Es gibt so Abende, da stimmt einfach alles. Die sind zwar eher selten, dafür umso schöner, kostbarer und unvergesslicher. Eine Konzerttournee der Oslo Philharmonic zu dessen 100-jährigen Bestehen machte Halt in der österreichischen Metropole für ein Konzert im Wiener Konzerthaus und brachte als Piano Solisten gleich noch ihren Landsmann Life Ove Andsnes mit an die Donau. Dieser, für mich persönlich einer der momentan interessantesten, aber zugleich auch einer der meistunterschätzten Tastenvirtuosen der Gegenwart. Dass dann im Programm gleich auch noch das Klavierkonzert in A Moll von Edvard Grieg gelistet war, steigerte meine Vorfreude grad nochmal. Wenn das alles zudem noch von Vasily Petrenko geleitet wird, steht einem ungetrübten Konzertgenuss nichts mehr im Wege und so fiel es mir auch nicht besonders schwer, die ebenfalls für diesen 16. Oktober gebuchten zwei Karten für Puccinis «Madame Butterfly» an der Wiener Staatsoper in den Kommissionsverkauf zurück zu geben.

Restaurant Weinzirls Innenansicht, die Schmankerln begeistern, optisch und geschmacklich
Restaurant Weinzirls Innenansicht, die Schmankerln begeistern, optisch und geschmacklich

Davor aber orchestrierte Hermann Weinzirl im gleichnamigen Restaurant im Hause auch sein Team zu Spitzenleistungen. Nach einem äusserst herzlichen Empfang durch den Chef persönlich, genossen wir alsbald ein paar der köstlichen, in kleinen Portionen gereichten, auch visuell sehr anregenden Winzierl Schmankerln, wie  gebeizten Lachs, Wildscheinschinken mit Kräutervinaigrette, Steinpilzrisotto, Kartoffel Gnocchi mit Cherrytomatensauce, Rehrücken mit Erdäpfelpuree, auf feinem Wildjus mit Brombeeren oder Filets von der Goldforelle mit ihrer Garniture, abgeschlossen mit einem assortierten Dessertteller.

Weinzirl Schmankerl begeistert, optisch und geschmacklich
Weinzirl Schmankerl begeistert, optisch und geschmacklich

Begleitet durch den Gaumenschmaus wurden wir von den freundlichen, motivierten und sehr aufmerksamen Servicemitarbeiter*innen. Gutgelaunt und wohlgenährt aber nicht vollgestopft, dislozierten wir dann in den grossen Konzertsaal, der bis zu 1865 Personen Platz bietet und bis auf ganz wenige, einzelne Plätze vollbesetzt war von einem erwartungsfreudigen Publikum.

Auf Gaumenschmaus folgt Ohrenschmaus

Don Juan, Tondichtung von Richard Straus nach Nikolaus Lenau

Konzertprogrammaushang am Wiener Konzerthaus
Konzertprogrammaushang am Wiener Konzerthaus

Die Oslo Philharmonic, zur Feier ihres 100jährigen Bestehens auf Europatournee, begrüßte sein Wiener Publikum mit Strauss’ „Don Juan“ – der schwungvoll, energisch, aber nie vorlaut, gar herrisch daherkam. Der umwerfend stürmische Beginn markiert zweifellos den Helden der Geschichte. Wild auffahrend, ein Draufgänger, wie auch jeder Dirigent gleich zu Beginn zu spüren bekommt: Sie sind nicht leicht zu bändigen, die ersten Takte des «Don Juan», der in so rasendem Tempo anhebt, als würde er mit einem Streich die komplette Damenwelt in wohlig-prickelnde Ohnmachten stürzen wollen. Das feurige Thema verbreitert sich, gewinnt an Kraft, wird ungeduldig.

Stürmisch kraftvolles Liebeswerben

Wiener Konzerthaus Aussenansicht
Wiener Konzerthaus Aussenansicht

Doch plötzlich verliert es sich träumerisch und eine Solo-Violine schwebt über allem: die erste Angebetete betritt die Szene. Das Liebeswerben nimmt seinen Lauf, findet das erstrebte Ziel, und zurück bleibt Ermattung, bevor das nächste Abenteuer losgeht. Diesmal ertönt das Lied des erotischen Opfers in der Oboe. Diese Affäre beginnt ruhiger, doch bald stellt sich auch hier mit mächtigen Hornklängen ein enormes Drängen ein: Der Blechglanz verströmt die unwiderstehliche Kraft des Helden. Die Ermattung folgt auch diesmal, nur stärker. Ein weiteres Mal schwingt er sich auf, doch das Begehren wird wilder, ziellos.

Unbändige Kraft bäumt sich nochmals auf

Wiener Konzerthaus Impression innen
Wiener Konzerthaus Impression innen

Erneut ergießt sich die unbändige, fast verzweifelt mobilisierte Kraft in vollmundig-üppigem Orchesterglanz, es folgt ein weiterer Aufschwung mit dem Anfangsthema – doch es führt nirgendwo mehr hin: Diese Erlahmung ist die letzte. Der einzelne Ton der Solo-Trompete wird gern als tödlicher Degenstoß interpretiert, denn jetzt verdämmert alles rasch. «Don Juan» ist in jeglicher Hinsicht am Ende. Der leise, wie absterbende Schluss vermittelt sowohl den Tod als auch die mit der Masse an Liebesabenteuern, dem ständigen Suchen, Finden, der Erschöpfung und der Wiederholung dieses Musters einhergehende Auszehrung, den Verfall des Helden. Das Auditorium zeigte sich sichtlich beeindruckt und äusserte dies mit kräftigem, langanhaltendem Applaus.

Norweger mit Norweger und Norweger in Griegs A-Moll-Klavierkonzert

Impression grosser Konzertsaal im Wiener Konzerthaus
Impression grosser Konzertsaal im Wiener Konzerthaus

Frisch und forsch steigt Chefdirigent Vasily Petrenko in das sehr viel gehörte Klavierkonzert des norwegischen Nationalheiligen Edvard Grieg ein, das die Streicher mit dunklen Untertönen, die Holzbläser mit fein abschattierten Pastelltönen, das Blech edel gerundet angehen. Landsmann Leif Ove Andsnes am Flügel wirkst darin so aufgeräumt und gutgelaunt, wie von ihm gewohnt. Er setzt auf vollgriffige romantische Attacke, sein Fortissimo ist dabei freilich nie plärrend laut, sondern wohl gerundet, er trifft für Grieg die ideale Mitte aus packendem und poetischem Zugriff. Ja, dieser Grieg klingt wie ein nordischer Brahms, mal so gar nicht verniedlicht.

Es gibt sie die feurigen und trotzdem coolen Nordmänner

Der norwegische Pianist Leif Ove Andsnes. © apa afp Retamal
Der norwegische Pianist Leif Ove Andsnes. © apa afp Retamal

Ein feuriger cooler Nordländer, ja das gibt’s, wie Andsnes, ein Pianist von meisterhafter Eleganz, Kraft und Einsicht eindrücklich demonstrierte, sehr zur Freude des sachkundigen Auditoriums, das ja in Wien, der Musikstadt schlechthin, bekanntlich sehr verwöhnt, deshalb auch besonders kritisch ist. Der Pianist reißt das Publikum mit entschiedenem Anschlag und einer angenehmen Dosis an Präzision und Klarheit mit sich. Im Adagio rollt dann zwar auch das Orchester einen wunderbar samtenen Klangteppich aus, gesamt gesehen bleibt es aber meist wohltuend zurückhaltend und überlässt dem Solisten die Oberherrschaft.

Ob Staccato oder filigrane Läufe, Leif Ove Andsnes zelebriert beides meisterhaft

Dieser weiss diesen Auslauf weidlich zu nutzen, präzis seine Staccato, feinfühlig die perlenden Läufe liebevoll, streichelt er das Elfenbein unter seinen Fingern, ohne deshalb verweichlicht zu tönen, denn er kann auch sehr energisch, wo vom Komponisten angedacht. Er führt das Orchester durch die anspruchsvolle Partitur, ohne voranzutreiben, immer in Symbiose mit dem nordische Renommierorchester, das von Petrenko äusserst zurückhaltend, mehr begleitet, denn dirigiert wird, so sparsam in der Gestik erlebt man den Russen selten. Auch  hier geizte das Publikum nicht mit Applaus und klatschte den Solisten noch ein paarmal auf die Bühne zurück, zu einer stehenden Ovation reichte es dann aber doch nicht.

2. Konzertteil mit der zweiten Symphonie von Rachmaninow

In der abschließenden zweiten Symphonie Rachmaninows kommt es noch zu einigen energischen Momenten, verursacht durch dämonisch wetternde Celli, und vereinzelt gar zu lyrischen Oasen im Adagio. Die Violinen tönen wie eine Kreation aus dem Hause Sprüngli: zartbitter der schmelzende Kern, samtig die Oberfläche. Das Konzert des Oslo Philharmonic im Konzerthaus ist ein orchestrales Großereignis. Denn die Norweger bieten eben viel mehr als handelsüblichen klanglichen Luxus, die Musiker aus der Hauptstadt des Königreichs haben enorm viel echten Charakter.

Der russischen Seele schwelgischerische Hingabe

Leif Ove Andsnes Solist am Piano
Leif Ove Andsnes Solist am Piano

Sie sind mit schwelgerischer Hingabe bei der Sache, phrasieren unerhört spannungsdrängend, die Exzellenz ihrer Solisten – welch ein berückend lukullisches Klarinettensolo im Adagio v – wirkt dabei so angenehm unprätentiös und natürlich. Die Bläser lassen sich unabhängig von den Streichern verfolgen, auch die Auffächerung der verschiedenen Streicher-Einsätze ist sehr klar herausgearbeitet. Petrenko bleibt dabei lange sehr streng im Zeitmaß. Erst dort, wo sich die Solotrompete mit drei Achteln Auftakt vom Mezzoforte zum Fortissimo steigert, verzögert der Dirigent – wie von Rachmaninow verlangt – das Tempo: Dreieinhalb Minuten lang hat er vorab dieses Fernziel im Auge. Wenn Weitsicht überhaupt klingen kann, dann so. Auf die Largo-Einleitung folgt ein Allegro moderato. Das Hauptthema soll dabei im ständigen Wechsel von leichter Verzögerung und Rückkehr zum Ausgangstempo gespielt werden.

Trotz Werktreue unverkennbar

Dirigent  Vasily Petrenko Foto Mark Mc Nulty
Dirigent Vasily Petrenko Foto Mark Mc Nulty

Petrenko und die Oslo Philharmonic bleiben äusserst werktreu, bloss vom vorgeschriebenen Verzögern und Zurückkehren zum Ausgangstempo hört man fast nichts. Nur vom Ehrgeiz, das Allegro moderato in einen möglichst deutlichen Kontrast zur Largo-Einleitung zu setzen, was diese Interpretation aber äusserst spannend macht. Rachmaninows zweite Sinfonie ist am berühmtesten durch ihren dritten Satz, ein Adagio in A-Dur, das Idyll und Elegie in einem ist und dessen Reichtum auch so ein verschwenderisch begabter Melodiker wie Rachmaninow nie wieder überbieten konnte. Fast drei Minuten dauert allein die Vorstellung des Hauptthemas bei Petrenko. Diese Großzügigkeit ist aber auch nötig. Mag die Soloklarinette tontechnisch ein wenig zu sehr in den Vordergrund gerückt sein – sie klingt so schön, dass man sich’s gefallen lässt.

Rachmaninows geniale Intention

Als wäre so ein herrlicher Einfall nicht schon überwältigend genug, intensiviert Rachmaninow die Wirkung seiner Musik noch mit den Mitteln Beethovens und Tschaikowskys: Er verkürzt das Hauptthema und schickt es in einer großen Steigerungssequenz durch verschiedene Tonarten, bis es auf dem Höhepunkt in glückstrahlendes C-Dur mündet. Vasily Petrenko mit dem Oslo Philharmonic Orchestra hat es da etwas eilig, zum Ziel zu kommen, und verschenkt die Hälfte des Glücks, dafür hört man genau, aus welch unzähligen kleinen Zuflüssen der große Strom der Musik sich speist. Zu zeigen, dass Rachmaninow polyphon denkt, dass er quasi kanonisch mit Verkleinerungen und Vergrößerungen seines Themas einen Gesamtklang konstruiert.

Petrenkos Liebe zum Liebe zum Detail, ohne das Ganze aus den Augen zu verlieren

Das Grosse im Blick, die Details fein herausgearbeitet, eine vortreffliche Umsetzung des Werkes, wie auch das Publikum mit stürmischem Applaus langanhaltend bekräftigte. Ein Applaus, der erst verstarb, als die Protagonisten diesen mit einer Zugabe belohnten, die aber noch nicht mit einer „Standing Ovation“ verdankt wurde. Aber nach der anschliessenden zweiten Zugabe, erhoben sich die begeisterten Zuhörer doch noch und feierten die Musiker. Mein Instinkt, Puccinis „Madame Butterfly“ an der Staatoper zugunsten der Norweger im Konzerthaus links liegen zu lassen, erwies sich also doch als richtig.

 

Weinzierl, das exquisite Restaurant im Hause, Homepage durch Klick auf Bild erreichbar

Diese Rezension wurde unterstützt vom Restaurant Weinzierl im Wiener Konzerthaus, bestens bedient vor und nach den Konzerten, umsorgt auch in den Pausen.

 

 

 

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: Cara Roth, Wien und   https://konzerthaus.at/

Homepages der andern Kolumnisten: annarybinski.ch  www.noemiefelber.ch

www.gabrielabucher.ch  www.herberthuber.ch Paul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

Dieser Beitrag wurde unter kultur
  • Aufrufe: 347

Hessisches Staatsballett, Der Nussknacker Ballett von Tim Plegge mit Musik von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Das Ensemble Foto Regina Brocke
Das Ensemble Foto Regina Brocke

Produktion und Besetzung:
Hessisches Staatsballett
Musikalische Leitung GMD Patrick Lange
Choreografie Tim Plegge
Bühne Frank Philipp Schlössmann
Kostüme Judith Adam
Licht Tanja Rühl
Dramaturgie Karin Dietrich
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden

Rezension:

Daniel Myers und  Ensemble Foto Regina Brocke
Daniel Myers und Ensemble Foto Regina Brocke

Tim Plegge, Direktor und Choreograph des Hessischen Staatsballetts Wiesbaden begeisterte mit einer Neufassung des weltberühmten Balletts einen bis zum letzten Platz besetzten Saal anlässlich der Premiere am 19. Oktober 2019. Man ahnte es bereits beim Eintreten in den Theatersaal, dies würde kein klassischer Nussknacker werden. Auf der Bühne spielte ein Mann in einem riesigen Schrank auf einer Hammondorgel eine jazzige Version von «Stille Nacht». Im Mittelpunkt dieser Neufassung steht auch bei Plegge Marie und der Nussknacker. Die Geschichte beginnt am Weihnachtsabend bei Familie Silberhaus. Die gestressten Eltern (Sayaka Kado und Taulant Shehu) möchten eigentlich den Baum schmücken und den Abend vorbereiten. Aber die völlig überdrehten Kinder Marie (Vanessa Shield) und ihr Bruder Fritz (Jorge Moro Argote) stellen das halbe Haus auf den Kopf, sehr zum Unmut ihrer überforderten Eltern.

Dann nervt noch die Oma mit ihren Nörgeleien

Das Ensemble Foto Regina Brocke
Das Ensemble Foto Regina Brocke

Dann taucht Oma Martha (Masayoshi Katori) viel zu früh auf und nervt zusätzlich mit ihren Nörgeleien. Onkel Leopold (Nicolas Frau) und Tante Cécile (Margaret Howard) ergänzen die Runde mit ihrer pubertierenden Tochter Victoria (Jiyoung Lee) und dann ist da noch der Familienfreund Drosselmeier (Ramon John), eine zwielichtige Figur. Er schenkt Marie einen Nussknacker, Marie ist hin und weg, es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen ihr und dem Spielzeug, die Geschichte driftet ab in eine Traumwelt. Marie befreit den Nussknacker vom Übergriff der plötzlich auftretenden Ratten und deren Königin Oma Martha und darf mit ihm ins Märchenland reisen. Aber auch dort läuft alles schlussendlich aus dem Ruder und Marie kehrt zurück in ihr normales Leben und den Weihnachtsabend.

Weihnachtsstimmung pur

Masayoshi Katori und  Daniel Myers Foto Regina Brocke
Masayoshi Katori und Daniel Myers Foto Regina Brocke

Tim Plegge gelingt es, die Geschichte choreografisch so dicht zu erzählen, dass man sich mitten drin findet, sich plötzlich wieder erinnert an das ungeduldige Warten auf die Bescherung am Weihnachtsabend. Man meint, Gespräche zu verfolgen, welche ja lediglich getanzt werden. Und er verzaubert mit märchenhaften Bildern, unterhält mit höchst amüsanten Einlagen und lässt die Weihnachtsstimmung in all ihren Facetten – hellen und dunklen – aufleben.

Vanessa Shield ist eine perfekte Marie, jung, unbeschwert, quirlig, neugierig, voller Staunen und Gutgläubigkeit. Masayoshi Katori begeistert als Oma mit einer ganz eigenen Bewegungssprache, kraftvoll, schräg, schrullig, manchmal aber durchaus auch aufreizend. Ramon John als Drosselmeier hat etwas Elegant-Verruchtes, Schleimig-Schleichendes und bewegt sich mitunter wie ein stolzer Gockel, wenn er seine Arme anwinkelt und seine Rockschösse fliegen. Daniel Myers als Nussknacker entwickelt sich vom steifen, eckigen Spielzeug zum warmherzigen Freund und Begleiter Maries.

Magisches, Gruseliges und Märchenhaftes

Masayoshi Katori_Margaret Howard_Taulant Shehu_Vanessa Shield_Nicolas Frau_Jorge Moro Argote_Jiyoung Lee_Sayaka Kado_Ramon John Foto Regina Brocke
Masayoshi Katori_Margaret Howard_Taulant Shehu_Vanessa Shield_Nicolas Frau_Jorge Moro Argote_Jiyoung Lee_Sayaka Kado_Ramon John Foto Regina Brocke

Es passieren magische Dinge auf dieser Bühne. Wenn Marie und der Nussknacker sich anfreunden, wird schon mal ein Pas de Deux sitzend auf einem Schrank getanzt. Gruselig wird’s, wenn Oma Martha plötzlich mit einem langen, dünnen Rattenschwanz über die Bühne schleicht und sich kurz darauf eine Schar Ratten mit geringelten grauen Socken um sie versammeln. Und märchenhaft schön beim Schneeflockenwalzer, wenn sich das Kinderballett unter die Tänzer mischt, alle in diesen fluffig weissen Federkostümen. In immer in neuen Formationen wirbeln sie über die Bühne, während Schneeflocken im Scheinwerferlicht herabrieseln – da träumt man sich in seine Kindheit zurück.

Bereits bei der Pause hatte Tim Plegge alle auf seiner Seite, der Applaus war laut, spontan, langanhaltend.

Im zweiten Teil, im Märchenreich, gehts weiter mit zauberhaften Szenen: Tanzende Papp-Pferde, hüpfende Flugzeuge, die Oma auf Rollerblades, überhaupt tragen sie jetzt plötzlich alle Rollerblades, die ganze Familie locker und aufgekratzt, Onkel und Tante werden zum tanzenden Glamourpaar, ihre zickige Tochter zum Instagram-Star, alles ist bestens in dieser Märchenwelt, bis es plötzlich auch hier kippt. Marie wird zusehends bedrängt und soll zur Puppe gemacht werden. Sie verlässt die Traumwelt und findet sich wieder im familiären Kreis am Weihnachtsabend.

Das Bühnenbild ist schlicht, im Mittelpunkt steht der Schrank, welcher je nachdem Freude oder Grauen bringt. Mal purzeln Puppen aus ihm, mal Ratten, mal ist er überdimensional und bedrohlich, mal fröhlich farbig gepunktet, mal bewegt sich ein Schrankballet über die Bühne, grau in grau, verwirrend für Marie, die sich nicht mehr zurechtfindet.

Musikalisch begleitet wird dieser Nussknacker durch das Hessische Staatsorchester Wiesbaden unter der Leitung von Patrick Lange. Um die bereits überbekannten Melodien aufzubrechen und die Choreografie entsprechend zu begleiten, hat Tim Plegge die Abfolge der Musik-Nummern teilweise geändert. Und um den Bezug zur Realität besser herzustellen, kommt die Hammond-Orgel zum Zug und verfremdet ab und zu Tschaikowskis Melodien in jazzig-groovige Stücke.

Trotz der dunklen Seiten dieser Geschichte war es alles in allem ein wundervoller, märchenhafter Abend, das Premierenpublikum war hell begeistert und bedankte sich mit viel Applaus, Bravo-Rufen und Standing Ovations.

Text: www.gabrielabucher.ch  Fotos: Regina Brocke     https://www.staatstheater-wiesbaden.de/

Homepages der andern Kolumnisten: www.leonardwuest.ch   www.noemiefelber.ch
 
 
Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

 

  • Aufrufe: 537

Gefährlicher Modetrend: „Frei von“-Lebensmittel nur für wenige Menschen empfehlenswert

Ernährungsfachgesellschaft mit Sitz an der Uni Hohenheim betont, dass
Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten entgegen des Scheins nicht zunehmen /
SNFS Dialog in Bonn

Für Menschen mit echten Unverträglichkeiten und Allergien gegen
Nahrungsmittel sind sie ein Segen, doch für alle anderen nur selten die
bessere Wahl: „Frei von“-Lebensmittel, etwa ohne Gluten oder ohne Laktose,
liegen derzeit voll im Trend. Das birgt Gefahren. Denn wer Lebensmittel
mit wertvollen Nährstoffen ohne medizinischen Grund einfach weglasse,
verzichte auch auf deren gesundheitlichen Nutzen, warnen die Mitglieder
der Ernährungsfachgesellschaft Society of Nutrition and Food Science
(SNFS) mit Sitz an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Am 21. Oktober
2019 diskutierten sie im Universitätsclub Bonn über das Thema
„Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien – Modekrankheiten oder
Stoffwechselstörungen mit zunehmender Bedeutung?“ im Rahmen der
Veranstaltungsreihe „SNFS Dialog“.

Muffins ohne Gluten, Joghurt ohne Laktose – „Frei von“-Lebensmittel gelten
bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern heute als besonders gesund.
Immer mehr Menschen scheinen von Nahrungsmittelunverträglichkeiten und
-allergien betroffen zu sein, von Glutensensitivität über Laktose- oder
Fruktoseintoleranz bis zu Allergien gegen Milcheiweiß, Fisch oder Nüsse.

Doch der Schein trügt: „Die Supermarkt-Regale sind zwar mittlerweile voll
mit teuren Spezial-Lebensmitteln, die darauf eingehen, doch
Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben in den letzten Jahren nicht
zugenommen“, stellt Prof. Dr. Jan Frank fest. Er ist
Ernährungswissenschaftler an der Universität Hohenheim und Vorsitzender
der SNFS.

Ernährungsthemen und Kochshows seien in den Medien immer präsenter. Das
könne eine Ursache für die zunehmende Sensibilisierung der Bevölkerung
sein und dafür, dass sich selbstdiagnostizierte Unverträglichkeiten und
Allergien heute häufen, vermutet der Experte.

„Frei von“ bedeutet oft Verzicht auf wertvolle Inhaltsstoffe

„Immer mehr Menschen glauben, dass sie bestimmte Nahrungsmittel nicht mehr
vertragen. Doch diese Vermutung kann wissenschaftlich nicht bestätigt
werden“, bekräftigt auch Dr. Claudia Laupert-Deick, die in Bonn die Praxis
für Ernährungstherapie und Beratung leitet.

Doch für Menschen ohne nachgewiesene Allergie oder Intoleranz haben „Frei
von“-Produkte in den meisten Fällen nicht nur keinen Mehrwert – im
Gegenteil: Zum Beispiel reduziert man gleichzeitig mit dem Gluten, dem
Klebereiweiß im Getreidekorn, oft auch den Vollkornanteil am Essen. Doch
„Lebensmittel wie Vollkorn- und Milchprodukte haben einen hohen
gesundheitlichen Nutzen und werden nur von wenigen Deutschen nicht gut
vertragen“, hebt Dr. Laupert-Deick hervor.

Nur etwa 2-5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat eine nachgewiesene
Allergie gegen bestimmte Nahrungsmittel oder -inhaltsstoffe, wie zum
Beispiel Zöliakie, also Glutenunverträglichkeit. Hier gelte es, sorgfältig
zu unterscheiden. Die Expertin betont: „Es erfordert ein differenziertes
Vorgehen, Lebensmittelunverträglichkeiten zu diagnostizieren und diese
gesundheitsförderlich zu behandeln.“

Sinnvolle Diät setzt sorgfältige Diagnose voraus

Auch Prof. Dr. Jörg Kleine-Tebbe vom Allergie- und Asthmazentrum Westend
in Berlin empfiehlt, erst einmal genauer hinzuschauen und verschiedene
Dinge nicht zu verwechseln. „Nahrungsmittelallergien bezeichnen
immunologisch vermittelte Unverträglichkeitsreaktionen gegen
Nahrungsmittel“, erläutert er. Doch dabei müsse man zwischen primären und
sekundären Nahrungsmittelallergien unterscheiden.

„Primäre Nahrungsmittelallergien treten eher im Säuglings- und
Kleinkindalter gegenüber stabilen Proteinen in Grundnahrungsmitteln auf.
Probleme bereiten dann Kuhmilch, Hühnerei, Weizen, Erdnüsse, Baumnüsse
oder Fisch“, so der Experte. Doch während sich Reaktionen auf die ersten
drei Lebensmittel häufig nach wenigen Jahren zurückbilden, können
Reaktionen auf die letzten drei lebenslang bestehen bleiben.

Anders verhalte es sich mit sekundären Nahrungsmittelallergien, erklärt
Prof. Dr. Kleine-Tebbe. „Sie entstehen durch ähnliche Proteine in Pollen,
etwa Birkenpollen, und pflanzlichen Nahrungsmitteln wie Kern- und
Steinobst, Nüsse, Karotten oder Soja.“ Die Reaktionen seien bei sekundären
Nahrungsmittelallergien häufig milder Natur, können aber im Einzelfall
auch schwer ausfallen.

„In Europa sind erhebliche Fortschritte bei der Diagnostik und im Umgang
mit Nahrungsmittelallergien erzielt worden“, betont Prof. Dr. Kleine-
Tebbe. Diese, so seine Empfehlung, sollten Betroffene nutzen. „Leider
werden hierzulande untaugliche Methoden bei Nahrungsmittelallergien und
-unverträglichkeiten angeboten, die zur Verwirrung und unberechtigten
Diäten bei den Betroffenen beitragen“, warnt er.

Oft vernachlässigt: Psychologische Aspekte bei echter Stoffwechselstörung

Die Menschen, die von einer echten Stoffwechselstörung betroffen sind,
befinden sich in einer schwierigen Situation: „Je nach Schweregrad der
Nahrungsmittelallergie ist die emotionale und soziale Belastung gerade bei
erkrankten Kindern und deren Angehörigen – insbesondere der Mutter – sehr
hoch“, betont Prof. Dr. Nanette Ströbele-Benschop vom Institut für
Ernährungsmedizin an der Universität Hohenheim.

„In allen Bereichen der Lebensqualität sind Einschränkungen bei den
Betroffenen sowie in deren Umfeld zu beobachten – vor allem im Bereich der
psychologischen Gesundheit und den sozialen Beziehungen.“

Doch das werde oft unterschätzt und vernachlässigt. „Das Ausmaß der
psychologischen Belastung des Einzelnen und dessen Angehörigen durch
Nahrungsmittelallergien wird selten von zuständigen Ärzten und dem
Fachpersonal thematisiert oder beforscht“, weiß die Expertin. Sie plädiert
dafür, gerade auch die psychologischen und sozialen Aspekte stärker in den
Fokus zu rücken.

Im Zweifelsfall ein Kompromiss: reduzieren, aber nicht komplett weglassen

Es bleibt jedoch das Problem, dass manche Lebensmittel vielen Menschen
ohne echte Stoffwechselstörung Beschwerden verursachen. Auch für sie hat
Prof. Dr. Frank einen Rat: „Wer das Gefühl hat, bestimmte Nahrungsmittel
nicht gut zu vertragen, sollte diese reduzieren, aber sie im Sinne einer
ausgewogenen, vielfältigen Ernährung nicht komplett weglassen.“ Mit diesem
Kompromiss könne man gefahrlos ausprobieren, was einem gut bekommt.

HINTERGRUND: Society of Nutrition and Food Science e.V. (SNFS)

Die Society of Nutrition and Food Science e.V. (SNFS) ist ein
gemeinnütziger Verein mit Sitz an der Universität Hohenheim, der allen
Personen, die ein Interesse an den Ernährungs- und
Lebensmittelwissenschaften haben, eine gemeinsame Plattform bietet und die
Forschung und Ausbildung in diesem Bereich voranbringen möchte. Die SNFS
veröffentlicht wertfreie Stellungnahmen zu aktuellen, kontroversen
Forschungsergebnissen aus den Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften.
Außerdem veranstaltet sie internationale Kongresse, Dialogveranstaltungen,
Workshops, Seminare sowie Symposien und ist Herausgeberin einer
wissenschaftlichen Fachzeitschrift, NFS Journal
(https://www.journals.elsevier.com/nfs-journal).

  • Aufrufe: 205

Cher «Here we go again» Tour, Support Act Crimer, Hallenstadion Zürich, 9. Oktober 2019, beucht von Léonard Wüst

Cher on Stage im Zürcher Hallenstadion, 9.10.2019, Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Zürcher Hallenstadion, 9.10.2019, Foto Ruedy Hollenwäger

Besetzung: Cher und Band
Support Act Cimer

Rezension:

Crimer der Support Act
Crimer der Support Act

Man kann nicht über Cher reden, ohne ihr Alter zu thematisieren. Deshalb gleich vorweg: Ja, Cher ist 73 Jahre alt. Eine mutige und beinahe lebensmüde (aber auch lukrative) Entscheidung, sich in diesem Alter nochmal eine Welttournee mit 82 Terminen in 74 Städten (davon 19 in Europa, davor 14 in Australien und Neuseeland, 34 in Nordamerika, danach nochmal 15 in Nordamerika, Ende ist am 19. Dezember in Dallas) ans Bein zu binden, oder? Könnte man meinen. Aber Cher wäre nicht Cher, wenn sie diesen Umstand im Laufe ihres Konzerts nicht selbst mehrfach, ironisch und herzlich ansprechen würde.

Support Acts zum Abtörnen

Vorher aber wurde das Publikum noch angeheizt von einem D.J. namens „Kid cut up“, der nach einer halben Stunde die Bühne temporär freimachte für den offiziellen Support Act: „Crimer“. Alexander Frei mit richtigem Namen, ein zappelnder Ostschweizer, irgendwie eine Mischung aus Michael von der Heide in den Flegeljahren und einem Spastiker gab sich und hatte Mühe, das Auditorium mitzunehmen, bleibt aber trotzdem endlos lange auf der Bühne. Jetzt kommt sie, hofft man, als er endlich abtaucht, aber es erscheint nochmals der D.J. und lässt seine immer gleichen Beats erneut hallen.

Dann endlich erscheint Superstar Cher

Cher wie von einem andern Stern
Cher wie von einem andern Stern

Als dann um Viertel nach Neun, nach einem Videovorspiel der Vorhang fällt, schwebt sie ein. In einem goldenen Stehthron wird die Diva engelsgleich und mit blauer Perücke, ein bisschen wie Galactica aus „Hallo Spencer“, von der Decke hinabgelassen. Unten warten ihre Tänzerinnen und Tänzer im Römer Gladiatoren Outfit sowie eine Live Band auf ihre Anführerin. Die tut sich sichtbar schwer, in der Choreografie zum Opener „Woman’s World“ nicht unterzugehen. Der Gesang scheint hier noch Playback zu sein. Nach dem zweiten Song „Strong Enough“ von ihrem 22. Studioalbum BELIEVE (1998), setzt Cher zu einer zentralen, leider viel zu langen Rede an.

Elendlanger Monolog liess die Stimmung hurzzeitig absinken

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Nach ein paar Scherzen über ihre Deutschkenntnisse und David Letterman („die unsympathischere Version von Thomas Gottschalk) erinnert sie sich an ihren 40. Geburtstag. Damals musste sich die Schauspielerin und Sängerin unter anderem von Jack Nicholson anhören, dass sie nun zu alt für bestimmte Rollen sei. Die Geschichte gab ihr recht: „Nur weil du alt bist, bist du nicht zwingend weg vom Fenster“, so ihr Fazit, und, in bester Cindy-Lauper- oder Sheryl-Crow-Manier: „Girls can do anything they wanna do.“

Was macht Deine Oma denn heute Abend

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Bevor Cher sich in die Garderobe zum nächsten von noch sehr vielen kommenden Kostüm-, Perücken- und Kulissenwechseln verabschiedet, stellt sie noch eine rhetorische Frage an ihr Publikum: „What is your granny doing tonight?“ – „Was macht eure Oma heute Abend?“ Spätestens jetzt hatte Cher alle für sich gewonnen. Die älteren Damen und Herren unter den Zuschauern, ihre Fans aus der LGBTQ*-Community, für die sie auch eine Heldin ist, alle, die die Chance nutzen wollten, einen der noch wenigen ganz großen Popstars vielleicht zum letzten Mal live zu sehen.

Aufklärung für die, die den Superstar nur als Sängerin kennen

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Für die Anwesenden, die Cher nur als Sängerin kennen, werden in den Kostümwechselpausen alte Interviews, Sketche und Szenen aus den Filmklassikern gezeigt, in denen sie mitspielte: „Silkwood“, „Suspect“ und „Die Hexen von Eastwick“, zum Beispiel. Für ihre Hauptrolle in „Moonstruck“ als Frühwitwe Loretta Castorini gewann Cher 1988 einen Oscar als „Beste Schauspielerin“. Ihr Dilemma, das sich durch ihre Karriere zog und aus dem sie eine Tugend machte, fasst Cher in einem eingespielten Zitat ebenfalls selbst zusammen: „Sänger sahen mich nicht als Sängerin, Schauspieler nahmen mich nie als Schauspielerin ernst. Ich gehörte niemals irgendwo dazu.“

Ein würdiger Bühnenabschied – wenn es denn einer ist

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Es folgt ein übersichtliches, spektakulär dargebotenes und live gesungenes Best-Of aus ihrer 54-jährigen Musikkarriere: Zu „Gayatri Mantra“ reitet Cher auf einem mechanischen Elefanten ein, singt danach „All Or Nothing“, schmeißt zu „Welcome To Burlesque“ eine, logisch,  Burlesque-Einlage, in der sie selbst aber niemals übertrieben lasziv und erotisch posiert . Sie feiert eine Party zu drei ABBA-Songs ihres 2018 erschienenen Cover-Albums DANCING QUEEN, covert zudem Michael Bolton. Unter all der glitzernden Oberfläche schafft die Popikone es immerhin, mit drei von ihren bekanntesten Liedern nicht nur zu unterhalten, sondern auch zu berühren.

Western Feeling auf Leinwand projiziert

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Ihr Marc-Cohn-Cover „Walking In Memphis“ singt sie vor einer projizierten Midwestern-Kleinstadt, in der lauter Plakate mit dem Worthybrid „Chelvis“ hängen; der „Shoop Shoop Song (It’s In His Kiss)“ verzückt ebenso; „If I Could Turn Back Time“ mündet in ein minutenlanges Solo ihres Livegitarristen, der auch als Duff-Mc-Kagan-Double durchgehen könnte. Der ewige Kirmes-Hit und Autotune-Durchbruch „Believe“ darf als Finale wohl oder übel nicht fehlen, schließlich bescherte er Cher ihren größten kommerziellen Single-Erfolg aller Zeiten und wurde dementsprechend vom begeisterten Auditorium bejubelt und beklatscht.

Hommage an ihren verstorbenen Ex Mann und Duo Partner Sonny Bono

Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger
Cher on Stage im Hallenstadion Zürich, 9.10.2019,Foto Ruedy Hollenwäger

Der bewegendste zugleich auch skurrilste Moment aber ist der, als Cher, recht früh im Set, „The Beat Goes On“ und „I Got You Babe“ im Duett mit Sonny Bono singt: Ihr vor 20 Jahren verstorbener Ex-Ehemann wird, seinen Part quäkend, auf einer Leinwand gezeigt, Cher schaut ihn bei ihren Gesangseinlagen an. Sie weiß wohl selbst um die Fragwürdigkeit dieses Unterfangens: „Ich habe überlegt, ob ich das, was jetzt kommt, jetzt mache oder erst auf meiner nächsten Welttournee.“ Was wie ein weiterer Witz klingt, muss nicht unbedingt einer gewesen sein: Eigentlich wollte Cher schon 2004, nach ihrer „Dressed To Kill“-Tournee, ihre Livekarriere beenden. Vielleicht ist das hier wirklich ihre letzte Tour. Sie wäre ein würdiger Bühnenabschied gewesen.

Text: www.leonardwuest.ch

Veranstalter und Fotos: https://www.abc-production.ch

Kleine Fotodiashow des Events von Ruedy Hollenwäger:

http://fotogalerien.wordpress.com/2019/10/10/cher-here-we-go-again-tour-support-act-crimer-hallenstadion-zuerich-9-oktober-2019-beucht-von-leonard-wuest/

Trailer des Konzertes:

youtu.be/ijz6FYYVUEI

youtu.be/JSA8vRXH_OE

Homepages der andern Kolumnisten: www.herberthuber.ch
www.annarybinski.ch www.gabrielabucher.ch  www.noemiefelber.chPaul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

 

  • Aufrufe: 430